Zum Inhalt springen

ADB:Brater, Karl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Brater, Karl“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 261–263, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brater,_Karl&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:05 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Brätel, Ulrich
Nächster>>>
Braubach, David
Band 3 (1876), S. 261–263 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Brater in der Wikipedia
Karl Brater in Wikidata
GND-Nummer 116409339
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|3|261|263|Brater, Karl|Ferdinand Frensdorff|ADB:Brater, Karl}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116409339}}    

Brater: Karl B., Politiker und Publicist, geb. 27. Juni 1819 zu Ansbach, wo sein Vater Rath am Appellationsgerichte war. Er widmete sich auf den Universitäten Erlangen, Heidelberg und Würzburg dem Studium der Rechtswissenschaft und wurde, nachdem er sich einige Jahre in Nürnberg und München als Advocatenconcipient und Accessist beschäftigt hatte, 1847 als Hülfsarbeiter in die Gesetzgebungscommission des bairischen Justizministeriums berufen. In München trat er in lebhaften Verkehr mit den ihm von Jugend auf eng befreundeten Brüdern Friedrich und Theodor Rohmer, durch die er auch mit Bluntschli bekannt wurde. Aus den Anregungen dieser Kreise ging seine erste Schrift: „Die Reform des Erbrechts zu Gunsten der Nothleidenden“ (München 1848) hervor, deren Ergebniß ein neben dem Familienerbrecht stehendes Erbrecht des Staates, er später in ein Erbrecht der Gemeinde berichtigt hat (Staatswörterb. 1, 400). Die politische Bewegung brachte ihn in die Publicistik, zunächst nur vorübergehend: Nach einigen Monaten Redactionsthätigkeit an der Augsburger Abendzeitung wurde er zum Bürgermeister der Stadt Nördlingen gewählt und verwaltete dieses Amt bis zum Januar 1851, wo ihn der immer stärker werdende Gegensatz gegen die reactionäre Partei und die ihr zugehörige Kreisregierung, die ihm seine Anhänglichkeit an die Frankfurter Reichsverfassung nicht vergessen konnte, zum Rücktritt zwang. Seitdem lebte er ohne öffentliches Amt, seine Thätigkeit zwischen wissenschaftlichen und publicistischen Arbeiten theilend; zunächst überwogen die ersteren; mit dem wieder erwachenden politischen Leben traten die letztern in den Vordergrund. Für den der Verwaltung mit voller Neigung zugethanen Mann war es ein schwerer Schritt gewesen, auf praktisches Wirken verzichten zu müssen; einigen Ersatz fand er darin, daß er seine Feder Untersuchungen und Studien auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts zuwenden konnte. Die Praxis hatte ihm gezeigt, wie sehr dieser Wissenschaftszweig vernachlässigt war und welche Gefahr darin für die Verwaltung selbst, wie für die Rechte der Verwalteten lag. Im Beginn des Jahres 1851 gründete er nach dem Vorbild der Seuffert’schen Blätter für Rechtsanwendung die „Blätter für administrative Praxis“ und verschaffte dieser Zeitschrift, die er bis Ende des J. 1860 leitete, trotz der anfänglichen Gleichgültigkeit des Publicums und der offenen Abneigung der Bureaukratie Eingang, Ansehen und Einfluß auf die Gesetzgebung. Für das von Dollmann herausgegebene Sammelwerk: „Die Gesetzgebung des Königreichs Baiern seit Maximilian II.“ schrieb er eine Reihe von Commentaren zu wichtigen, in das Staats- und Verwaltungsrecht einschlagenden Gesetzen, wie über Ministerverantwortlichkeit, Presse, Jagd- und Forstwesen, Districtsräthe und Landräthe u. a. m. Derselben Kategorie von Arbeiten gehören seine Ausgabe der bairischen Verfassungsurkunde, welche im J. 1868 ihre dritte Auflage erlebte, und sein Commentar zur bairischen Gerichtsordnung an. Seit dem J. 1855 hatte B. das stille Nördlingen mit München vertauscht und begann bald darauf mit Bluntschli die Herausgabe des „Deutschen Staatswörterbuches“, in dessen ersten Bänden er auch eine Reihe eigener werthvoller Artikel (z. B. Bureaukratie, Centralisation, Gemeinde, Fr. v. Gagern) niedergelegt hat. Zur praktisch-politischen Thätigkeit führten die im J. 1857 entstandenen „Fliegenden Blätter aus Baiern“ hinüber, drei Flugschriften, welche die Münchener Professoren-Berufungen und die Ultramontanen, Besoldungsnoth und Verwaltungsreform, Deutschland und Dänemark im April 1857 behandeln. Er muß den Ultramontanen das Verdienst zuerkennen, den Begriff der Preßfreiheit vor Extinctivverjährung geschützt zu haben, glaubt [262] aber, es sei an der Zeit, sie nicht länger als die alleinigen Wortführer schalten zu lassen, damit nicht das indolente Schweigen der öffentlichen Meinung als Zustimmung zu ihren Versuchen, das bairische Volk zu isoliren, gedeutet werde. Von einer in Preußen beabsichtigten Erhöhung der Beamtengehalte nimmt er Gelegenheit, einer auf Decentralisation und Selbstverwaltung gerichteten überall nothwendigen administrativen Reform das Wort zu reden. Hat auch die dritte Flugschrift allein ein nationales Thema zum Gegenstande, so geht doch durch alle dieselbe deutsche Gesinnung, wie sie alle denselben maßvollen Politiker verrathen, der es für Pflicht hält, dem einreißenden Pessimismus, der Verzweiflung an der Besserungsfähigkeit der öffentlichen Zustände entgegenzuarbeiten. Denselben Geist athmet die auf ein unmittelbares politisches Ziel lossteuernde Schrift: „Regierung und Volksvertretung in Baiern“ (Leipzig 1858), die in den Kampf mit dem Ministerium Reigersberg eingriff und zum Sturze desselben wesentlich mitwirkte. Vielleicht eine der besten politischen Brochüren, die wir besitzen, erfreut sie noch jetzt den Leser eben so sehr durch die Ruhe und Schärfe ihrer Beweisführung, die warme Vertheidigung der constitutionellen Rechte der Volksvertretung, wie durch ihre einfache und körnige Sprache. Die Stadt Nürnberg ehrte sich und den Verfasser, als sie ihn darauf zum Abgeordneten für den Landtag erwählte, ein Vertrauensamt, in dessen Besitz er bis zu seinem Tode verblieben ist. Das J. 1859 brachte eine schwere Probe für den süddeutschen Liberalismus. B. bestand sie nicht nur glänzend, sondern wurde seitdem eines der Häupter, litterarisch geradezu der Mittelpunkt einer, wenn auch langsam, doch stetig wachsenden deutschen Partei im Süden. Als Redacteur der von der liberalen Kammermajorität seit dem 1. Jan. 1859 geschaffenen bairischen „Wochenschrift“, wagte er es inmitten einer für die österreichische Kriegspolitik erregten Bevölkerung die Forderungen eines ruhigen und klaren deutschen Patriotismus zu entwickeln. Er wußte wol, wie sehr er sich sein Wirken in Baiern erschwerte, als er den Freunden aus Nord- und Mitteldeutschland die Hand reichte und mit ihnen im Septbr. 1859 den deutschen Nationalverein gründete, ebenso wie er die Mühseligkeiten und Opfer kannte, die er auf sich nahm, als er mit dem 1. Oct. desselben Jahres die „Süddeutsche Zeitung“ in München ins Leben treten ließ, um im täglichen journalistischen Kampfe das Programm einer Einigung Deutschlands unter Preußens Führung zu vertreten. Dennoch führte er voll Pflichtgefühl und Vertrauen auf die vaterländische Zukunft die schwere und unpopuläre Aufgabe drittehalb Jahre durch, bis ihn ein Wanken seiner Gesundheit zwang, dieser aufreibenden Thätigkeit zu entsagen. Trotz eines sich immer bedrohlicher meldenden Brustübels fuhr er fort, als Mitglied der bairischen Abgeordnetenkammer und des Ausschusses des deutschen Nationalvereins zu wirken. In den Vordergrund politischer Thätigkeit brachte ihn noch einmal die schleswig-holsteinsche Sache. Der von der Versammlung deutscher Abgeordneten zu Frankfurt im Dec. 1863 niedergesetzte Sechsunddreißigerausschuß bestellte ihn zum Geschäftsführer, und mit Eifer und Geschick nahm er sich der Aufgabe, die schleswig-holsteinsche Bewegung in Fluß zu erhalten, an, wenn auch die auf Constituirung eines selbständiges Staates unter Herzog Friedrich gerichteten Bestrebungen bald durch die Politik der deutschen Großmächte, über deren Pläne man in die Irre ging, wie man sich über das Maß der eigenen Erfolge täuschte, gelähmt wurden. Vermochte er auch die Wege nicht zu billigen, welche zur Entscheidung des Jahres 1866 hingeführt hatten, die Beseitigung des Dualismus, die Begründung des norddeutschen Bundes begrüßte er mit Freuden. Einen Sitz im Zollparlamente erlangte er nicht. Die volle Einigung von Süd- und Norddeutschland sollte er nicht mehr erleben. In München, wohin er zur Eröffnung des vergeblichen Landtages gegangen war, starb er am 20. Octbr. 1869. – [263] Leider war es dem Verewigten nicht gegönnt, seine wissenschaftlichen Arbeiten in einem größern selbständigen Werke, wie er ein solches über Gemeindewesen längere Zeit vorbereitet haben soll, abzuschließen und der Nachwelt zu hinterlassen. Die Thätigkeit in der politischen Presse wird mit den wechselnden Meinungen und Zielen des Tages vergessen. Aber unvergessen sollte das Bild dieses selbstlosen und aufopferungsfähigen Patrioten, dieses charaktervollen Publicisten von gediegener Bildung, dieses edeln und schlichten Mannes bleiben, von dem einer seiner Freunde schrieb: es wird immer eine meiner schönsten Erinnerungen sein, diesem Manne, in dem der Adel der deutschen Natur eine nicht glänzende, aber wundervoll reine Ausprägung gefunden hatte, nahe gestanden zu haben.

Nördlinger Anzeiger v. 25. Octbr. 1869 (E. Rohmer). Bl. f. administrat. Praxis, 1869, Nr. 23 (A. Luthardt). Preuß. Jahrbücher XXIV, 6 (H. Baumgarten).