ADB:Agricola, Martin
Gallus Dreßler). Sein Schulamt brachte viel Arbeit und sehr wenig Lohn, so daß er sich kümmerlich behelfen mußte; dennoch war er fleißig als Musikschriftsteller und Tonsetzer, wodurch er sich auch bei angesehenen Zeitgenossen und Nachkommen Anerkennung erwarb; Männer wie Georg Rhaw, Friedrich Weissensee, Michael Prätorius, Wolfg. Casp. Printz sprachen mit Achtung von ihm. Seine [151] jetzt schon sehr seltenen Schriften, in denen er sich zugleich als heftigen Gegner des Papstthums zeigt, müssen zu ihrer Zeit ziemlich begehrt gewesen sein, wenigstens erlebten verschiedene derselben, und noch nach seinem Tode, neue Auflagen. Auch gegenwärtig haben sie immer noch geschichtlichen Werth, schon weil sie zu den frühesten in Deutschland gedruckten Büchern über Musik gehören; einige sind in Knittelversen abgefaßt und voll belustigender Einfälle. Wichtig für die Instrumentenkunde ist noch jetzt seine „Musica instrumentalis“; aber das von Mattheson (Ephorus 124) ihm zugeschriebene Verdienst, „die alte Tabulatur etc. abgeschafft“ zu haben, hat er schwerlich irgendwo anders gehabt als in Mattheson’s Phantasie. Denn sowol die Orgel- als besonders die Lauten-Tabulatur haben noch geraume Zeit nach A. in schönster Blüthe gestanden, ihm ist die Abschaffung der Tabulaturen auch gar nicht in den Sinn gekommen, sondern nur die Beseitigung der älteren Lauten-Tabulatur, über deren handwerksmäßige und zu weiterer Entwickelung unfähige Beschaffenheit er sich in seinen Versen mit vielem Behagen und komischer Derbheit hermacht, und an deren Stelle er die Anwendung der besseren Orgel -Tabulatur auch auf die Laute vorschlägt (Musica instrum. von 1529, Cap. V. Blatt 28). Seine Biographie gab schon Elias Casp. Reichard, bei Marpurg, Beiträge V. 125.
Agricola: Martin A., Cantor und Musikdirector zu Magdeburg, gelehrter Musikschriftsteller und achtbarer Tonsetzer, geb. um 1486 zu Sorau in Schlesien, † 10. Juni 1556. Anscheinend von geringer Herkunft und ganz ohne Mittel, trieb er doch schon frühe wissenschaftliche Studien, als Hauptfach und mit besonderem Eifer jedoch Musik. Einen „activum praeceptorem“ hat er dabei niemals gehabt, sondern war, nach seinen eigenen Worten, ein „selbwachsen Musicus“. Im J. 1510 wandte er sich nach Magdeburg, wo er sich durch Privatunterricht in Musik und Wissenschaften mühsam forthalf, bis er 1524 an der neuen öffentlichen Schule daselbst als Cantor und Musikdirector angestellt wurde, in welchem Amte er bis zu seinem Tode auch verblieb. Er war der erste protestantische Cantor zu Magdeburg, und als solcher ein würdiger Vorgänger einer Reihe tüchtiger Musiker (sein erster Amtsnachfolger warSeine fast sämmtlich bei G. Rhaw in Wittenberg gedruckten Schriften, deren Inhalt man zum Theil bei Marpurg a. a. O., Forkel, Litteratur, und Gerber findet, sind: „Eine kurtz deutsche Musica etc.“, 1528; „Musica instrumentalis deudsch“, 1529, fernere Auflagen 1532 und sehr vermehrt 1545; „Musica figuralis deudsch“, 1532, und derselben angehängt: „Von den Proporcionibus etc.“; „Rudimenta musices“, 1539, 2. Ausg. unter dem Titel „Questiones vulgariores in musicam“ (Magdeb., Lotther 1543); „Scholia in musicam planam Wencesl. Phitomatis de Nova Domo“, 1540; angehängt unter dem Verfassernamen Martinus Sore: „Lidellus de octo Tonorum etc.“, 1 Bogen in Versen. Nach seinem Tode erschien eine neue Auflage der Schrift von den Proportionen und den Rudimenten zusammen, 1561. – Tonwerke: „Melodiae scholasticae sub horarum interv. decantandae“, Magdeb. 1512 (noch mehrfach wieder aufgelegt); „Georgii Thymi Cantiones cum melod. Mart. Agricolae et P. Schalenreuteri“, Zwickau 1553. Die „123 Gesänge für die gemeinen Schulen“, Wittenb. bei Rhaw 1544, enthalten drei Tonsätze von A.