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Über die Gebrechen der Medicinal-Policey in Franken

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Textdaten
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Autor: -m. [Anonym]
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Titel: Über die Gebrechen der Medicinal-Policey in Franken
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 5, S. 341–350
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
s. a. Gebrechen der Medicinal-Policey in Franken und in manchen andern Ländern, Miscellaneen (Journal von und für Franken, Band 6, 1)#10
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V.
Über die Gebrechen der Medicinal-Policey in Franken, (4. B. 2. H. N. IV.)
A. den 24. May 1792. 

Bey meinem neulichen Aufenthalt zu H. hatte ich Gelegenheit noch einen Afterarzt kennen zu lernen, der einen würdigen Pendant zu dem letzthin im Journal von und für Franken zur Schau ausgestellten Potanicus und Seiltänzer Vogel abgeben kann, und vielleicht noch eher als dieser, vor das Forum der Publicität gehört. Denn wenn einmahl die glänzende Gallerie aller berühmten Empiriker des ganzen Fränkischen Kreises vollständig seyn wird, wozu gewiß aus allen Gegenden sehr interessante Personen geliefert werden können; so wird manches redlichen Franken Gesundheit und Leben vielleicht ein Paar Lustra länger dauern, da durch solche öffentliche Anzeigen entweder dergleichen Pfuscher selbst abgeschreckt, oder doch wenigstens den Landesobrigkeiten zur Abschaffung bekannt gemacht werden.

 Ein solcher Afterarzt ist der Oettingisch-Spielbergische Herr Frühmesser Eberlein zu Gnotzheim, einem Marktflecken nahe| bey dem Schloß Spielberg, ungefähr 11/2 Stunde von der Preußisch-Anspachischen Stadt Gunzenhausen an der Altmühl. Die Praxis desselben ist sehr ausgebreitet, und erstreckt sich vorzüglich auf die höhere Region übernatürlicher oder unnatürlicher Krankheiten, mit unter auch auf die wunderbare Entdeckung geheimer Vorfälle. Wer bezaubert, behext, besessen ist, – wem etwas gestohlen wurde, und er weiß keinen Thäter, – der komme und es wird ihm geholfen. Besonders hat Herr Eberlein ein untrügliches Arcanum wider den tollen Hundsbiß, welches eben so gut seyn soll, als der heilige Hubertus-Schlüssel, und wohl noch weit zuverlässiger, als die angebliche einzig zuverlässige Heilart des Polnischen Leibarzts de Moneta zu Warschau,[1] deren Unwehrt bereits hinlänglich erwiesen ist. So viel mir ein Wirth, der seinen Hund deßhalb nach Gnotzheim zur Cur brachte, erzählte, bestund die äussere Formalität darin, daß Herr Eberlein nebst noch einem dortigen (jetzt| verstorbenen) Herrn Geistlichen in feyerlichen Meßgewändern erschien, aus einem lateinischen Buch einen Seegen sprach, und sodann mit einem charakteristisch bezeichneten glühenden Eisen den Hund auf die Stirn brannte. Nach anderer Aussage soll aber vorher Herr Eberlein auch noch dem Patienten drey Stücklein Brod, die er mit Weihwasser besprengt und benedicirt, eingeben. Doch das alles geschieht vermuthlich nur, um sich mit dem gebissenen Hund recht in Rapport zu setzen; die wahre Wunderkraft muß allein in dem Stahl oder Eisen stecken, womit der Hund gebrandmarkt wird.
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 Eben so auszeichnend ist die Cur eines neun- oder zehnjährigen Mädchens, welches vor einiger Zeit Herr Eberlein unter den Händen hatte, und vielleicht noch hat. Dieses, die Tochter eines Schuhmachers, Namens Meier, zu Heidenheim, hat die Epilepsie, einen Familienfehler, an welchem noch zwey ihrer Geschwister leiden. Allein aus Aberglauben – vielleicht auch aus Rachsucht – wurde dasselbe von der Meierischen Familie für behext gehalten, und zwar wie gewöhnlich, von einer Person, mit welcher solche in Feindschaft lebte, von einer andern Schneidersfrau, Namens Völkleinin. Der Vater| der Patientin nahm deßhalb seine Zuflucht zu der bekannten Geschicklichkeit des Herrn Eberleins zu Gnotzheim. Dieser benedicirte das kranke Mädchen, nachdem er sich wieder mit dem Meßgewand und den kräftigsten Seegenssprüchen ausgerüstet hatte – und der feyerliche Exorcismus wirkte so gut, daß die arme Patientin nicht nur in den heftigsten Zuckungen zu Boden fiel, sondern auch, auf seine verordnete Arzney, bey ihrer Rückkunft ganze Nägel, irdene Scherben, Federn, u. s. w. herausbrach, die sie vermuthlich in ihren epileptischen Zufällen theils verschluckt – theils aus Bosheit in den Mund versteckt hatte. Weil jedoch das Übel sich hiedurch nicht ganz heben lassen wollte, so wurde auch noch der Fallmeister Schwarz zu Weimersheim, (einem Königlich Preußischen Amtsort nahe bey der Reichsstadt Weissenburg) der gleichfalls ein berühmter Wunderarzt ist, zu Rath gezogen und nach der Vorschrift dieser beyden Männer ihre verordneten Arzneyen der Meierischen Tochter in der Kirche zu Heidenheim bald während des Abendgebetläutens, bald unter der Mittagglocke, bald sogar aus dem Communicanten-Kelch, eingegeben – denn dieß alles soll nöthig seyn, wenn eine Arzney bey so schweren| Krankheiten, wie Zauberey und Hexerey ist, gehörig wirken soll. Leider sollen aber alle diese ausgesuchten Heilmittel zur Zeit noch keine völlige Genesung bewirkt haben, die auch nicht eher erfolgen wird, als bis die Obrigkeit des Orts den ganzen Unfug ex officio, zur Steurung des noch so sehr in Schwang gehenden Aberglaubens, und der daraus fließenden Anhänglichkeit an Hexenbanner und Wunderdoctoren untersucht, und das Meierische Kind dem Physicat zur Prüfung seiner wahren Krankheit übergibt.

 Ich wünsche indessen von Herzen, daß Herr Frühmesser Eberlein alle diese Thatsachen, die mir von unparteyischen sachkundigen Männern erzählt wurden, recht bald widerlegen möchte, da ich keine andere Absicht, als die Wahrheit an den Tag zu bringen, dabey habe. Bey einer jeden hinlänglichen Berichtigung werde ich der erste seyn, der laut bekennt, daß ich getäuscht worden sey; so wie ich im Gegentheil aber hoffe, daß die höchste Landespolicey solche schädliche Quacksalbereyen mit Nachdruck abschaffen werde, sobald sie dieselben kennen lernt.

 Die im Journal von und für Franken von dem Potanikus Vogel eingerückten Nachrichten von seinem Aufenthalt zu Heidenheim| und in dortiger Gegend sind, bis auf einige kleine Nebenumstände, wörtlich wahr. Nur muß berichtigt werden, daß, das Kastenamt Heidenheim oder Hohentrüdingen, an der Duldung dieses Marktschreyers in den Ortschaften Auernheim und Hohentrüdingen keinen Antheil hatte, weil das Richteramt sich bey solchen Medicinal-Policey-Gegenständen auch in benannten beyden Dörfern eine Mitgerichtbarkeit von Territorial- und Fraischamtswegen, und zwar sogar das Directorium hiebey, anmaßt, folglich, da dasselbe dem Vogel bereits ein Attestat, das er als Erlaubnißschein in diesen Orten vorzeigte, ausgestellt hatte, das Castenamt den hiedurch autorisirten Marktschreier Vogel nicht mehr abschaffen konnte, ohne sich einem unangenehmen – und bey den höchsten Behörden jederzeit mißfälligen Jurisdictions-Conflict auszusetzen, der bey dem sehr kurzen Aufenthalt des Vogels in den angeführten beyden Orten lediglich nichts gefruchtet hätte. Wenn einmahl die Gränzen jedes Amtsbezirks richtig abgesteckt, und besonders Policey-Objecte so viel möglich nur einem thätigen und verständigen Mann übertragen werden, – denn bey gemeinschaftlicher Behandlung mehrerer gedeihen| solche, wie die traurige Erfahrung lehrt, gemeiniglich am schlechtesten, – so wird sich auch eine promtere und richtigere Policey-Administration fordern lassen. Es kann jedoch auch dem sonst so thätigen und unermüdeten Herrn Rath und Amtsrichter Pflaum wohl nichts eigentlich imputirt [WS 1] werden, da er, wie es allgemein bekannt ist, schon seit einigen Jahren durch eine Hemiplexie [WS 2] außer Stand gesetzt ist, sein Fraisch- und Vogteyamt selbst zu verwalten, und dasselbe von der Gegenschreiberey oder dem Actuariat ganz versehen wird.
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 Woher mag es aber wohl kommen, daß Ämter, die doch gewiß sonst keiner vorsetzlichen Vernachläßigung landesherrlicher Verordnungen beschuldigt werden können, gegen dergleichen Quacksalber allzutolerant sind? Allerdings rührt sehr viel von der Unkenntniß oder Vergessenheit mancher Ämter in Ansehung der hierüber ergangenen Policey-Edicte her, wie auch schon im Journal von und für Franken bemerkt wurde. Allein hauptsächlich liegt die Schuld, wie ich glaube, in einem Mißverstand, da hier und da manches Amt und mancher Polizey-Richter glaubt: alles, was in Medicinal- oder Apotheckerordnungen vorgeschrieben ist, gehe

Anmerkungen (Wikisource)

  1. beschuldigen, anklagen, bezichtigen
  2. halbseitige Lähmung
| ihren Geschäfftskreis nichts an; – oder die Ausstellung der Quacksalber sey so gut erlaubt, als die Duldung der Marionetten-Spieler, der Führer fremder Thiere, Taschenspieler, Zahnbrecher etc. etc. zumahl hiedurch noch das herrschaftlichen Interesse vermehrt werden könne, da nach dem Reglement d. d. Onolzbach 17. Mart. 1766. „für jede Arztenbühne täglich 30 kr. Zuchthausbeytrag“[2] erhoben werden muß.

 Diese Meinung ist freylich ganz irrig. Denn ausser der im Journal von und für Franken angeführten Stelle der Medicinalordnung, ist auch schon in der Onolzbachischen Apotheckerordnung vom 18 April 1714. §. 21. vorgeschrieben:

„sonderlich sollen die Theriackskrämer, Landfahrer, Winkelapothecker, Quacksalber, Zahnbrecher, oder wie sie Namen haben mögen, denen vormahls ergangenen Mandaten gemäß, nicht geduldet werden“

ja durch ein an alle Ämter unterm 30 Decemb. 1776 ergangenes Regierungsrescript ist ausdrücklich und ganz speciel befohlen, daß:

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„die Empirici, wo sich solche vorfinden, auf jedesmahlige Anzeige des Physici oder Baders arretirt, und respective abgewiesen werden sollen“

ingleichen wegen Curirens der Fallmeister und Scharfrichter bereits sub dato Onolzbach den 16. Jan. 1737. geschärftest verordnet:

„letztern bey Strafe zehen Reichsthalern oder auch nach Befinden bey scharfer Leibesstrafe zu befehlen, sich in Zukunft solcherley verbotnen Curen gänzlich zu enthalten“
und es ist wirklich zu bedauern, daß Herr Castner Heuber die beyden letztern Verordnungen in seinem Realindex vom Jahr 1784 (wo ich sie wenigstens nicht vorfinden kann,) ganz ausgelassen hat. Aber es ist daher auch sehr zu wünschen, daß die durch strenge Aufsicht auf Policey-Misbräuche von jeher sich auszeichnende Königliche Regierung zu Anspach durch ein erneuertes allen Ämtern zu ertheilendes Edict nicht nur alle Empiriker und herumziehende Ärzte, sondern auch alle Zahnbrecher, Taschenspieler, Führer fremder Thiere, Marionettenspieler und dergleichen gänzlich verbieten und abschaffen möchte, da alle diese Personen, eine so gut| wie die andere, hauptsächlich in die Classe der vagirenden Bettler gehören, und durch ihre Bettelkünste mehr Geld an sich ziehen und fortschleppen, als hundert andere nothdürftige Arme.[3]
– m. 



  1. D. Chr. Jac. de Moneta Königlich Polnischer Hofrath und Leibarzt, von der einzig zuverläsigen und durch viele Erfahrung bestättigten Heilcur des Bißes toller Hunde, Wölfe, Katzen etc. Leipzig und Warschau 1789. 8.
  2. S. Heubers Real-Index, p. 580.
  3. Deßhalb ist auch in dem vortreflichen Königlich Preußischen Landarmen- und Invaliden-Reglement für die Kurmark vom 16. Junii 1791. die Classe aller dergleichen Personen zu den Bettlern gerechnet.