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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Sebastian Brant

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Sebastian Brant
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 35–36
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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[Ξ]


Sebastian Brant.
Geb. 1458, gest. 1520.


Neben Gailer von Kaisersberg und Thomas Murner einer der berühmtesten und kernhaftesten Sittenlehrer in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, der seine Lehren nicht stets in den sanften Mantel moralisirender Symbolik hüllte, sondern sie auch mit der Geisel der Satyre austheilte, wie es für seine Zeitgenossen passend und heilsam war.

Brant, wie er sich selbst und nicht Brand oder Brandt – schrieb, wurde zu Straßburg geboren; er machte seine Studien der Jurisprudenz und Philosophie in Basel, wurde dort Magister, dann Doctor beider Rechte, und kehrte in die Heimath zurück, wo er öffentlich als Lehrer auftrat. Sein Leben war kein durch außergewöhnliche Schicksale bewegtes, ja es erscheint auffallend, daß Brant gegen die Sitte seiner Zeit sich mit dem Besuch nur einer Hochschule begnügte; wahrscheinlich gewährten seine Verhältnisse ihm nicht die Mittel zum Besuch mehrerer Universitäten. Ob er sich selbst, ob andere ihm den deutschen Namen in den lateinischen Tilio verkehrten, läßt sich nicht erörtern; als Rechtslehrer wurde Brant bald beliebt, vertauschte wieder Straßburg mit Basel, setzte auch dort seine Vorlesungen fort und gründete sich als Philosoph, als Dichter und als Jurist einen geachteten Namen, sodaß auch Kaiser Maximilian I. und andere Reichsfürsten ihn schätzten. Brant gab eine ziemliche Anzahl Schriften in Poesie und Prosa und in lateinischer Sprache heraus, von denen viele in ihrer asketischen Richtung weit eher einen Theologen, als einen Juristen vermuthen lassen, z. B. Lieder zum Preise der Heiligen; ein sapphischer Rosenkranz Mariä; ein Lob des Carthäuser-Ordens; eine Abhandlung über die Möglichkeit der jungfräulichen Empfängniß; das Leben mehrerer Heiligen und ähnliches. Außerdem verfaßte Brant einen Layenspiegel, einen richterlichen Klagspiegel, eine Abhandlung gegen die Rabulisten unter den Advokaten, schrieb über Civil- und kanonisches Recht, bearbeitete den Freidank, gab eine Chronik Deutschlands, vornehmlich des Elsasses und der Stadt Straßburg heraus, auch eine Friedrich’s III., die er Maximilian I. widmete; ein Buch Epigramme u. s. w.

Alle diese Zeugnisse der literarischen Thätigkeit des [Ξ] begabten Mannes traten jedoch in den Hintergrund gegen sein berühmtes und allverbreitetes Narrenschiff, das seinen Namen mit vollem Klang der Nachwelt überbrachte und immerlebend durch die Fluthungen der Literatur aller Zeiten fährt. Der Kreis der befreundeten Gelehrten und Künstler, der in Basel thätig war, mochte wohl anregend wirken, sodaß als Früchte einer und derselben streng strafenden und spöttisch höhnenden Richtung Brant’s Narrenschiff, Murner’s Narrenbeschwörung und Schelmenzunft, Erasmus Lob der Narrheit und sicher auch Holbein’s Todtentanz (eine Lebensbilderreihe mit ebenso tiefem Ernst als satyrischem Humor aufgefaßt) zu betrachten sind. Brant selbst nennt an einer gewissen Stelle sein Gedicht einen »Narrentanz«. Gleichen und gleichzeitigen Ursprung dürfte das Flugblatt »Grobianus Tischzucht« haben, dem sich des etwas späteren Dedekind’s Grobianus et Grodiana anschloß.

Der Erfolg von Brant’s Narrenschiff war ein ungeheurer; zweimal wurde es in die lateinische, dreimal in die französische, bald auch in die sassische, niederländische und englische Sprache übertragen, vielfach wurde es neu herausgegeben, erläutert und auch verbalhornt; Gailer von Kaisersberg wählte die einzelnen Kapitel des Brant’schen Narrenschiffs zu eben so viel Thematen glossirender Predigten, die zum öftern, mit den Holzschnitten des erstern Buches geziert, herausgegeben worden, bis Nicolaus Höniger von Königshofen an der Tauber den glücklichen Gedanken hatte, das Gedicht und Gailer’s erläuternde Predigten sammt den Bildern zusammenzustellen und beide vereint erscheinen zu lassen. Vieles in dem Gedicht ist noch gültig, ja mustergültig bis auf den heutigen Tag; die Narrheit der Doctortitel, die Büchermanie und die Bücherverachtung. Des Geizes Narrheit, die der Mode, der Zuträgerei, des Eigensinnes, der Unzucht und Grobheit, die Narrheit des Unglaubens und der Schriftverachtung, vom sorgen und borgen, kurz alle nur denkbaren Fehler, Gebrechen und Schwächen im menschlichen Charakter fanden ihre Geiselung und zunächst ihre Verspottung; aber selbst die Verspottung wird in dem Gedicht verspottet, wie denn die gute Satyre gern auch bisweilen ihren Stachel gegen sich selbst kehrt und wie auch in Holbein’s Todtentanz der Maler am Schluß der Reihe sich und seine Frau gleichsam als Schildhalter zur Seite des Wappens des Todes hinstellte. Mannigfaltige Belesenheit offenbart der Dichter in seinem Werke, und grob genug ist er nach biderber deutscher Weise ebenfalls; am gröbsten da, wo er die groben Narren geiselt. Es mußte in der That viel Unsitte und Rohheit, Mangel an Zucht und Ehrbarkeit in der Zeit zur Herrschaft gelangt sein, daß sie solche strafende Rüge hervorrief; nur zu leicht reißen Beispiel und übler Vorangang der höher stehenden das tiefer stehende Volk zur Nachahmung hin; wenn der Vornehme seinen Hut aufbehält, da, wo es sich ziemt, denselben abzunehmen, wird das Volk ganz sicher seine Mütze auch schleunigst aufbehalten. Das Allzuviel, das Maaßlose, das in Sitte und Unsitte, im thun und treiben, im dichten und trachten zur Erscheinung kam, das ist’s, was Brant als Narrheit hinstellt; aber auch die Sünde und das Laster sind ihm nur Narrheiten, der Abfall der menschlichen sündigen Natur vom göttlichen, und durch seinen Spott und Zorn sucht der Dichter nicht sowohl zu strafen, als die Wege der Verirrung zu beleuchten und die Verirrten zu bessern.

An weltlichen Ehren brächte Sebastian Brant es zur Würde eines kaiserlichen Pfalzgrafen und zum Range eines Kanzlers, Rathes und Syndicus in seiner Vaterstadt, in die er sich schon 1494 von Basel wieder zurückgezogen hatte und in der er auch im 62. Jahre starb.