Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johann Gottlob Immanuel Breitkopf
Ein geistvoller, erfindungreicher Industrieller des vorigen
Jahrhunderts, dessen Name mit Ehren genannt
noch heute fortklingt und dem seine Kunst, die Typographie,
unendlich viel verdankt, vor allem die Wandlung
zum schönen, die sich als Rückschritt und Fortschritt
zugleich in seinen Bemühungen offenbarte, als
Rückschritt nämlich insofern, als er zurückkehrte zu der
von den deutschen Schriftgießern seit lange vergessenen
und verlassenen klassischen Schönheit der Incunabeldrucke
aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts.
Brettkopf war ein geborener Leipziger und wirkte in dieser Metropole des deutschen Bücherdrucks in des Vaters Druckofficin als Gehülfe und Theilnehmer, obschon ihm anfangs und auch späterhin der blos kaufmännische Geschäftsgang so wenig zusagte, wie der mechanische Geschäftsgang, der am Einerlei des alltäglichen sich abmühen lehrt; daher unterließ er nicht, sich wissenschaftliche Kenntnisse zu erwerben, hörte Collegia, studirte die römischen Klassiker, da er tüchtig latein verstand, und blieb nur leider der herrlichen Sprache von Hellas unkundig, weil ihm die rechte Anleitung zu deren Erlernung abging. Gottsched weihte Breitkopf ein in die Reize der deutschen Muttersprache und führte ihn der scholastischen Philosophie, mindestens dem Philosophiren zu, so daß er sich in Gottsched’s »Deutscher Gesellschaft« durch dialektische Gewandheit auszeichnen konnte und dahin gedieh, dieser letzteren seine Ausbildung im deutschen Styl zuzuschreiben, bis Breitkopf endlich doch einsah und bekannte, die Philosophie sei nichts als ein Gewebe von Hirngespinsten, und es könne wohl ein Mann mit Recht gelehrt und gebildet heißen, wenn er auch nicht an der Ammenbrust der sogenannten Classicität gesogen – ein Bekenntniß, für dessen Sündhaftigkeit freilich noch heute keine Absolution zu finden ist.
Mit ungleich größerer Treue, als er der Philosophie bewiesen, hielt Breitkopf an der Mathematik, und in ihr fand er den reellen Boden, auf dem er begann, nach Albrecht Dürer’s anregendem Beispiel und Muster, die Typen zu verbessern, ihre Formverhältnisse mathematisch zu berechnen und aufzubauen, und dieß wandte wieder mehr seine Liebe und Neigung [Ξ] dem väterlichen Geschäfte zu. Wie nach Salomon’s Ausspruch nichts neues unter der Sonne geschieht, so machte auch schon zu Breitkopfs Zeit sich die Ansicht geltend, wie sie fort und fort bis zum heutigen Tage gethan, ohne durchzudringen: die den mittelhochdeutschen Handschriften nachgebildete sogenannte Mönchstype, die deutsche Letternschrift, müsse verdrängt und abgeschafft und an deren Stelle die lateinische Schrift gesetzt werden, bezüglich welcher Ansicht für und wider vielfach hin und her gestritten wurde, wie es noch der Fall ist. Breitkopf war für die Beibehaltung der deutschen Type in deutschen Büchern, suchte diese auf alle Weise zu verschönern, und es gelang seinem ernsten Streben, wie keinem andern seiner Zeit- und Kunstgenossen. Sein Vorgang rettete gleichsam den von den Erfindern der Buchdruckerkunst der deutschen Nation gewonnenen Schatz und Satz, die gothische Type, die man als geschmacklos zu verdrängen suchte, und erhob sein Geschäft in dem Bestreben, immer neues zu erfinden und zugleich die Schriftalphabete aller bekannten Sprachen zu besitzen, zu einer achtungswerthen Bedeutsamkeit. Die Breitkopf’sche Officin besaß über 400 verschiedene Alphabete, und immer mehr suchte Breitkopf seine Kunst zu erweitern. Er sah und sprach es aus, wie die harmonische Schönheit der ersten deutschen Drucke noch von keinem Nachfolger erreicht sei, und daß die unübertreffbare typographische Pracht, wie sie namentlich in Fust und Schöffer’s Psalter von 1457 dargelegt sei, kaum jemals wieder erreicht werden könne, daß aber diese Rückkehr zum wahrhaft schönen mindestens versucht werden müsse.
Breitkopf blieb aber, indem er diesen Grundsatz unablässig verfolgte und auf den Grund mathematischer Berechnungen die Buchstabenschrift verbesserte und verschönte, nicht stehen, sondern schritt auf dem Wege nützlicher Erfindungen weiter vor. Er erfand neue Metallmassen (Letternzeug) für die Schriftgießerei, die härter und dauerbarer waren, als die bisherigen; er verbesserte Gießformen wie Pressen. Seine Schriftgießerei schmolz in zwölf Oefen das Letternzeug für den Guß. Breitkopf erfand den Notendruck mit beweglichen Typen, ließ für die chinesische Schrift, bisher nur durch Holztafeldruck bewerkstelligt, ebenfalls metallene Charaktere gießen, begann selbst Landkarten und Situationspläne mit beweglichen Typen zu drucken, richtete eine Musikalien-, eine Tapeten- und eine Spielkartenfabrik ein, beschäftigte ein ansehnliches Personal und hob seine ganze Einrichtung auf eine Stufe der Blüthe und des erfreulichsten Gedeihens. Dabei war Breitkopf auch schriftstellerisch thätig; er gab 1779 eine Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst heraus, die Frucht seiner Studien über die Letternformen; dann 1784 den »Versuch, den Ursprung der Spielkarten, die Einführung des Leinenpapiers und den Anfang der Holzschneidekunst in Europa zu ermitteln«. Ferner erschien von ihm 1793 eine Schrift: Ueber Bibliographie und Bibliophilie, u. a. Breitkopf beabsichtigte, aus seinem reichhaltig angesammelten Material eine ausführliche Geschichte der Typographie zusammenzustellen, die in drei Bänden erscheinen sollte und zu deren Vollendung er mit den berühmtesten Kennern der Literatur in lebhaften Briefwechsel getreten war. Als 7 Bogen abgedruckt waren, überraschte den unermüdlich thätigen Mann der Tod und es fand sich kein weiteres Manuskript vor.
Wenn auch Breitkopf’s Geschlecht mit seinem Sohne Christoph Gottlob erlosch, so lebt doch sein Name in der Literatur und in der Geschichte deutscher Erfindungen nicht minder fort, wie in dem blühenden Geschäft der Firma »Breitkopf und Härtel«, die im Sinne Johann Gottlob Immanuels Prachtdrucke zu liefern vermag und lieferte, welche der deutschen Buchdruckerkunst in jedem Jahrhundert zur Ehre gereichen.