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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Joachim von Sandrart

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Joachim von Sandrart
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 319–320
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Joachim von Sandrart.
Geb. d. 12. Mai 1606, gest. 1688.


Ein bedeutender Mann, ebenso sehr als ausübender Künstler, wie als Epoche machender Kunstschriftsteller und Kunstforscher ausgezeichnet.

Sandrart wurde zu Frankfurt am Main geboren und entstammte einer altadeligen Familie, die ihren Ursprung aus den Niederlanden herleitete, ohne daß jedoch die Nachkommen sich adelig schrieben. Durch äußere Verhältnisse unterstützt konnte Sandrart neben dem Empfang guten Unterrichts der eigenen Neigung folgen, die ihn frühzeitig zur zeichnenden Kunst führte. Die berühmten Kunsthändler und selbst Maler und Kupferstecher de Bry und dessen Schwiegersohn, Matthäus Merian der ältere, munterten den jungen Künstler lebhaft durch das Lob auf, das sie seinen Zeichnungen zollten, welche, obschon nur Kopien älterer Kupferstiche und Holzschnitte, den Originalen täuschend ähnlich waren. Der Kupferstecher P. Ißelburg, welcher mit gewandter Technik manches große und gute Blatt schuf, unterrichtete Sandrart im stechen und radiren, bis letzterer, erst 15 Jahre alt, nach Prag reiste, um sich in der mit Vorliebe ergriffenen Kunst von dem noch höher begabten Aegidius Sadeler weiter fortbilden zu lassen. Sadeler glaubte aber in Sandrart mehr Maler- als Kupferstechertalent zu erblicken und rieth ihm an, nach Utrecht zu dem Maler G. Honthorst zu gehen. Bei diesem begab sich Sandrart nach damaliger Zeitsitte förmlich in die Lehre, und machte bedeutende Fortschritte, so daß Honthorst ihn als Begleiter auf einer Reise nach London mitnahm, wo Sandrart vielfache Beschäftigung fand, auch mehrere Gemälde Holbein’s copirte. Später reiste Sandrart nach Venedig und Rom, begeisterte sich an den unsterblichen Werken der italienischen Meister und stand bald in der Mitte der deutschen Künstler und ihres Bundes, der Schilderbent, in Achtung und hohem Ansehen. Dort malte Sandrart seinen bewunderten »Tod des Seneca«, ein Nachtstück, welches die königl. Gallerie zu Berlin schmückt; zeichnete für den Marquis Giustiniani die dessen Palast schmückende Statuen-Sammlung für ein Prachtwerk, das in zwei Foliobänden erschien, malte mehrere Bilder für den Papst Urban VIII. und studirte fortwährend die Antiken. Von Rom aus machte Sandrart eine [Ξ] Künstlerfahrt nach Neapel, Stellten und Malta, nahm Landschaften und berühmte Gegenden auf, von denen dann der ältere Merian viele für die Werke seine Kunstverlages stach, und kehrte durch Apulien nach Rom, 1635 aber nach Deutschland zurück, welches nun bereits seit 17 Jahren unter der Geisel des dreißigjährigen Krieges seufzte und blutete. Dennoch in jener der Kunst so durchaus unholden Zeit bekam Sandrart eine Fülle von Aufträgen, weil ein bedeutender Ruf ihm vorausging, und verehrende Huldigung ihm von der Vaterstadt schon entgegen kam, eine seltene Ausnahme von dem bekannten Sprüchwort. Sandrart vermählte sich mit Johanna von Milkau auf Stockau, einer reichen Erbin, und lebte ein thätiges, seiner Kunstausübung ganz geweihtes Leben, bis auch ihn die Kriegsunruhen zwangen, der lieben Heimath Valet zu sagen. Er wandte sich mit seiner Familie und seinem Schüler, dem jüngern Merian, nach Amsterdam, wo er fleißig fortarbeitete und unter andern berühmten Bildern für den Kurfürsten Maximilian I. von Bayern die 12 Monate und Tag und Nacht malte, welche Gemälde, nebst vielen spätern Bildern von ihm, noch heute ein Schmuck der königl. Pinakothek zu München sind. Sandrart erbte mit seiner Frau das Familiengut derselben, Stockau, veräußerte seine Kunstvorräthe und Sammlungen um eine sehr bedeutende Summe, und bezog sein Landgut, auf welchem er jedoch 1647 alle Schrecken einer Plünderung durch die Franzosen erlitt. Indeß erlaubten ihm seine Verhältnisse nach dem bald erfolgenden Friedensschluß die völlige Wiederherstellung des ruinirten Gutes, und er lebte fortan im glücklichsten Verhältniß nur der Ausübung seiner Kunst, wurde vom Pfalzgraf Wilhelm Philipp von Pfalz Neuburg zum Rath ernannt, weilte jedoch nicht stetauf seinem Gute, sondern machte einträgliche Kunstreisen, und hatte namentlich durch Bildnißmalen, deren er, wenn er wollte, in einem Tage zwei, jedes für 50 Thaler, zu fertigen vermochte, einen erstaunlichen Gewinn. Sandrart malte den großen Friedensschmaus, welchen 1649 der Pfalzgraf Carl Gustav den Reichsständen und den kaiserlichen und schwedischen Kommissaren gab, 12’ hoch und 9’ breit, mit 50 wohlgetroffenen Bildnissen der Theilnehmenden, ein Bild, welches Georg Philipp Harsdörfer in lateinischen Distichen feierte und General Wrangel kaufte, um es dem Rathhause in Nürnberg zu verehren. Der Pfalzgraf, den das Glück auf den Thron von Schweden führte, schenkte dem Künstler 2000 Gulden rheinl. und eine goldene Gnadenkette von 200 Dukaten Werth. Sandrart malte diesen freigebigen Fürsten zu Pferde, lebensgroß und lebenstreu, so daß das lebende Pferd desselben dem gemalten zuwieherte, und der Fürst unterließ nicht, denen von seiner Umgebung, die an dem Gemälde Ausstellungen machten, zu bemerken, sein Pferd scheine in der That mehr Kunstverständniß zu haben, wie sie; ein feines Kompliment, das aber wohl hier und da noch heute wiederholt und Wiederholung finden dürfte. Von Nürnberg reiste Sandrart nach Wien, malte dort die höchsten Herrschaften, ärntete reichen Lohn und empfing vom Kaiser das Adelsdiplom. Seine Familie begleitete ihn, aber auf der Rückreise verlor er in Augsburg seine Frau, die ihm keine Kinder geschenkt hatte. Er traf eine zweite Wahl mit Esther Barbara Blomarts, Tochter eines Nürnberger Rathsherrn, und ließ sich nun dauernd in Nürnberg, dem schönen Mittelpunkte ächt deutscher Kunst, nieder, wo er hochgeehrt und beglückt ein hohes Alter erreichte. Der Doge von Venedig ernannte ihn zum Ritter des heiligen Markus, Kaiser Ferdinand III. beehrte ihn mit eigenhändiger Zuschrift und schmückte das ihm früher verliehene Wappen mit einer königlichen Krone. Dasselbe zeigt drei Weintrauben mit einer bis zur Schildesmitte aufsteigenden Spitze. In der den Helm zierenden Krone steht ein Pelikan mit Jungen.

In Sandrart’s Gemälden waltet der Einfluß der italienischen Malerschule seiner Zeit überwiegend vor; er war weniger ein selbstschöpferisches Talent, als ein glücklicher Nachahmer guter Vorbildner. So groß und geschätzt die Menge seiner Bilder ist, so nutzte er als Kunstforscher der Kunst noch mehr, wie als ausübender Künstler. Er schuf das Werk: Deutsche Akademie der edlen Bau- Bild- und Malerkünste, 2 Folianten, in welchem er eine für seine Zeit und noch jetzt mustergültige Kunstgeschichte lieferte, welche in einigen Ausgaben erschien, auch in die lateinische Sprache übersetzt wurde, und ihm die Aufnahme als Mitglied des Palmenordens verschaffte. Es ist mit zahlreichen Kupferstichen geschmückt, welche Künstlerportraits, antike Bildwerke u. dgl. darstellen, und kam als die beste Frucht der eifrigen Antiken-Studien ihres berühmten Urhebers zur Erscheinung. Die erste Ausgabe: Nürnberg 1678 und 1679 wird der von J. J. Volkmann 1768 bis 1775 besorgten neuen Ausgabe bei weitem vorgezogen. Mehrere der Gemälde Sandrart’s erschienen im Stich, auch radirte er einige wenige eigenhändig und geistvoll. So wirkte der begabte Mann nach vielen Seiten hin, und verdiente den Lorbeer, mit dem ein überlebender Künstler, R. Collin, sein Bildniß umrahmte.