Zum Inhalt springen

Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Abraham a Santa Clara

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Bechstein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Abraham a Santa Clara
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 321–322
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]


Abraham a Santa Clara.
Geb. d. 4. Juni 1642, gest. d. 4. Dez. 1709.


Der eigentliche Name dieses merkwürdigen Mannes war Ulrich Megerle, sein Geburtsort war das schwäbische Dorf Krähenheimstetten. Er studirte zu Wien Theologie und Philosophie, und widmete sich frühzeitig dem Klosterleben; schon als achtzehnjähriger Jüngling trat er zu Marienbrunn in den Augustinerorden. Zum Festtagsprediger nach dem Kloster Tara in Baiern berufen, begann er bald, sich durch seine Kanzelvorträge hervorzuthun, welche in vor ihm kaum dagewesener Weise voll Laune, Humor, Satyre und Schalkhaftigkeit die Thorheiten und Fehler der Menschen geißelten, reiche Kenntniß der Welt und des Menschenherzens kund gaben, und von einer Ueberfülle theils guter, theils barocker, stets aber origineller Gedanken strotzten. Wie Abraham a Santa Clara sprach, ebenso schrieb er auch, und er schrieb gern und viel, wurde aber auch ebenso gern gelesen als gehört und seine Schriften fanden im Publicum eine solche Theilnahme, daß sie nicht nur in andere Sprachen übersetzt, sondern auch noch in neuerer Zeit, mindestens ausgewählt, wiederholte Auflagen erlebten. Abraham a Santa Clara verstand es, durch Wortwitz zu glänzen, wie keiner vor und nach ihm, dabei neigte er sich dem Geschmack der Zeitgenossen zu, und wurde durch freimüthige Derbheit volksthümlich. Der weitverbreitete Ruf, den er sich gewonnen hatte, war Ursache, daß man ihn nach Wien verlangte, es war etwas neues, den Humor auf der Kanzel zu erblicken, und Wien hat stets lieber gelacht als geweint. Der Kaiser hatte ihn persönlich kennen gelernt, und beehrte ihn mit seiner Gunst – Abraham a Santa Clara wurde Hofprediger zu Wien und Grätz, da er als Augustiner Ordensmann nicht wohl Hofnarr werden konnte; das ridendo dicere verum verstand dennoch keiner so gut wie er. Im Jahr 1689 wurde der Pater Prior Abraham a Santa Clara zum Provincial seines Ordens ernannt, und blieb sich im übrigen gleich als geistlicher burlesker Volksredner, der sich im bis zu Tode gehetzten Witz und Wortspielen und der Sucht, Sätze und Gegensätze bis zur Erschöpfung aneinander abzureiben, gefiel, wobei sich aber aus dem Sande seiner Mahlsteine auch Goldkörner gediegenen Ernstes [Ξ] unterweilen lösten. Stets hielt mit dem Gedankenreichthum seiner Verträge und Schriften auch sein üppig zuströmender und überströmender Wortreichthum gleichen Schritt, und wurde nur bisweilen zu Wortschwall und Schwulst. Wie in Schrift und Rede vieles bei ihm gesucht und manches Gleichniß gleichsam an den Haaren herbeigezogen wurde, so war es auch mit seinen Schriften der Fall, deren gesuchte und barocke Titel eben nur dem Geschmack und dem Wohlgefallen am platten, rohen und gemeinen seiner Zeit zusagen konnten. Die wichtigsten Schriften Abrahams a Santa Clara, die fast alle in Quart erschienen, sind: Religiöse Grammatik; Merks Wien; Judas der Erzschelm, 4 Theile; Wintergrün; Abrahamisches Gehab dich wohl; Reimb dich oder ich liß dich; Heilsames Gemisch Gemasch; Huy und Pfuy der Welt; Etwas für Alle; Geistliches Waarenlager mit apostolischen Waaren; Abrahamisches Bescheidessen; Abrahamische Lauberhütte; Neu ausgehecktes Narrennest; Allgemeiner Todenspiegel; Große Todenbrüderschaft, u. a.

Ungeheure Belesenheit und Bewandertheit des Autors in der heiligen, wie in der Profangeschichte gibt sich in der Mehrzahl dieser Werke kund, und in vielen ist mehr zu finden, als was der Titel ahnen läßt. Wer suchte, um nur ein Beispiel anzufuhren, unter dem burlesken Titel des, Kaiser Joseph I. zugeeigneten »Huy und Pfuy der Welt« ein treffliches Fabelbuch? Dieses eine Werk schließt eine Fülle von Moral und allumfassender Kenntniß ein. Als Mensch ist dem Dichter alles gute Lob ertheilt worden, er war gottesfürchtig, demüthig, eifrig in der Religion, treu seiner Kirche, wie seiner Pflicht. Er strafte ohne zu verletzen, und wenn er mit strafender Rede einen bis zu Thränen rührte, ließ er ihn doch nicht unaufgerichtet und ungetröstet von dannen gehen. Er war geliebt und geachtet, und seine Doppelbegabung, alles, was er sprach, mit hellerer Gemüthlichkeit vorzutragen, und doch die Wahrheit ohne Scheu und Menschenfurcht zu sagen, gewann ihm den allgemeinen Beifall. Er schonte keineswegs den kaiserlichen Hof, und jeder an demselben mußte sich gefallen lassen, die Wahrheit von ihm zu hören. Er war Cato und Democrit in einer Person.

Abraham a Santa Clara brachte sein Leben auf 67 Jahre, und starb mit einem milden Lächeln. Er hatte seinen Lebenszweck erfüllt, war mit dem Tode vielfach vertraut geworden, konnte demselben ohne Furcht entgegensehen, und ihn wie ein Weiser begrüßen.