Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Georg Andreas Reimer
Reimers in der deutschen Buchhändlerwelt hochgefeierter
Name steht höchst ehrenvoll neben jenen Standesgenossen
deren Bildnisse d. Bl. bereits enthalten: Breitkopf
und Perthes. Sein Geburtsort war Greifswald,
wo sein Vater, der als Schiffer viele Handelsreisen
gemacht hatte, in den letzten zwei Jahren seines
Lebens Brauerei betrieb. Früh vaterlos, trat der Sohn
14 Jahre alt als Lehrling in eine Buchhandlung, und
war daneben eifrig bemüht durch Privatstunden und
durch Lesen belehrender Bücher seine Kenntnisse zu vermehren.
Mit wenigen materiellen Mitteln ausgerüstet,
aber mit gutem Muth und reger Thatkraft wurde von
Reimer im Jahre 1800 zu Berlin die Realschulbuchhandlung,
welche der Schule gehört hatte, übernommen;
ein Institut, das er mit großer Umsicht und
Thätigkeit durch eine im ganzen äußerst ungünstige
Zeit leitete und seit 1817 unter der Firma G. Reimer
zu großem Flor erhob. Ein kernhaft deutscher, von
Vaterlandsliebe durchglühter Sinn, zeichnete Reimer
aus, und ein Kreis wackerer Freunde umgab ihn, die
seine Gesinnungen theilten, die oft mit ihm und bei
ihm versammelt, besprachen, was zur Rettung des
Vaterlandes noth thue; zu diesen Freunden gehörten
Fichte, Schleiermacher, Arndt und Andere, und im
Kreise solcher Patrioten reifte auch in Reimer der Entschluß,
als die Zeit der Erhebung Preußens zur Abwerfung
des französischen Joches herbeikam, selbst die
Waffen zu ergreifen und für die Freiheit des Vaterlandes
zu streiten. Er verließ die zahlreiche Familie
und das Geschäft, in welches er nach dem neuerkämpften
Frieden wohlbehalten und mit neubeseeltem Strebemuth
wieder eintrat. Der Friede, die Seele des Verkehrs
in Wissenschaft und Kunst, rief ein herrliches
Streben hervor, große und hochbegabte Geister waren
in schöner Gemeinsamkeit thätig, und gewannen auch
Deutschlands Literatur eine Wiedergeburt, die nicht
würdiger und anregender sein konnte. Vielfaches Vertrauen
kam ihm so freundlich entgegen, wie das seine
den bedeutenden Autoren entgegenkam, deren Verleger
er wurde, und nur wenige Verlagsbuchhandlungen
Deutschlands bestehen, die sich einer solchen Menge der
aus ihrem Verlage hervorgegangenen Werke geistiger
[Ξ] Größen rühmen können. Es seien Beispiels halber
nur einige dieser Namen hier angeführt, aus dem Gebiete
der ernsten sowohl wie der schönen Wissenschaft.
Dem Reimerschen Verlag gehören, wo nicht ganz, so
doch theilweise an, die Werke der berühmten Theologen
Schleiermacher, de Wette, der Philosophen und Sprachforscher
F. A. Wolf, Fichte, Buttmann, Jacob und
Wilhelm Grimm, Böckh, Im. Bekker, Lachmann; der
Geschichtschreiber und Geographen K. v. Räumer, Rühs,
Düsching, v. Hagen, v. Hormayr, Ritter, Niebuhr,
Kr. Förster; der Dichter A. W. v. Schlegel, Tieck,
E. T. Hoffmann, Contessa, J. P. Fr. Richter, v. Arnim,
Varnhagen v. Ense und vieler anderen Koryphäen
auch noch anderweiter Doctrinen: Thaer, Hermbstädt,
Eytelwein, Hufeland, Rust. Nicht minder bethätigte
sich das Reimersche Verlagsgeschäft an der Herausgabe
gediegener Kunstblätter und werthvoller Atlanten und
Landkarten. Reimer kaufte, um auch am Hauptstapelplatz
des deutschen Buchhandels, Leipzig, seßhaft zu
sein, die dortige Weidmannsche Buchhandlung, welche
bereits seit 1670 bestand, und ließ sein leipziger Geschäft,
von dem berliner gesondert, fortbestehen. Er
erwarb das große Gartengrundstück zu Leipzig, Bose’s
Garten genannt, welches lange Zeit in Einzelgärten
vertheilt war und reichliche Miethe eintrug, später aber
ganz mit schönen Landhäusern bebaut wurde, welche
jetzt zwei heitere Straßen bilden.
Hoch geehrt von seinen Mitbürgern, wurde Reimer in den Stadtrath Berlins mehrmals gewählt, ein Zeichen des größten Vertrauens und der Liebe, die ihm Jeder der ihn kannte, weihte, gleichwohl kam eine Zeit, wo dieses Vertrauen nach gewissen Seiten hin als allzugroß erschien, zumal die zahlreichen Verbindungen nach allen Seiten, und selbst nach dem fernen Auslande hin, den Argwohn erregen konnten, Reimer wirke als ein politisches Parteihaupt, umsomehr, da er als freisinnig bekannt war, und niemals Anlaß fand, das, was er that und dachte, mit dem Schleier des Geheimnisses zu umhüllen. Reimer entging daher weder der Verdächtigung, noch auch der Untersuchung und der Beschlagnahme seiner Papiere, indeß lieferte weder die eine noch die andere ein beschwerendes Ergebniß, und man mußte ihn fernerhin unangetastet lassen.
Im Herbst des Jahres 1841 machte Reimer noch eine Reise nach England, von der er etwas erschöpft zurückkehrte. Bei seiner ungewöhnlich kräftigen Konstitution hatte er sich nie an eine Pflege gewöhnt, wie sie wol das höhere Aller gefordert hätte. Seit Anfang des Jahres 1842 kränkelte er, war aber bis zwei Tage vor seinem Tode in ununterbrochener Thätigkeit.
Reimer war glücklich verheirathet und Vater mehrerer Söhne, die an der Spitze seiner höchst achtungswerthen Verlagsfirmen in Berlin und Leipzig stehen, und bemüht sind, sie im Geist und Sinn des unvergeßlichen Vaters fortzuführen.