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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Felix Mendelssohn-Bartholdy

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Felix Mendelssohn-Bartholdy
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 257–258
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Geb. d. 3. Febr. 1809, gest. d. 4. Nov. 1847.


Was wenigen Künstlern zu Theil wurde, unter glücklichen Verhältnissen von Jugend an eine ungestörte vielseitige Ausbildung zu erlangen, war Mendelssohn in der schönsten Weise beschieden und hat sicher nicht am Wenigsten beigetragen ihm seine hervorragende Stellung anzuweisen. Sein Vater, ein wohlhabender Bankier, konnte ihm nicht nur alle Mittel einer sorgfältigen Erziehung gewähren, sondern den von seinem Vater Moses Mendelssohn ererbten Geist echter Humanität und feiner Bildung. Die Mutter, eine Schwester des bekannten Reisenden Bartholdy, eine Frau von scharfem Verstand, rastloser Thätigkeit und strengster Pflichttreue, leitete selbst die Erziehung des Knaben. Obgleich in Hamburg geboren, wurde er, da seine Eltern bald von dort weggingen, in Berlin erzogen und genoß alle Vortheile der daselbst vorhandenen Bildungsmittel. Seine Lehrer in der Musik, für welche sein Talent früh hervortrat, waren Ludwig Berger und Zelter. Jener, aus Clementi’s Schule hervorgegangen, ein Meister solider Technik, und geist- und gemüthreicher Spieler, legte den Grund zu der tüchtigen und edlen Virtuosität Mendelssohns, welche die Mittel der Technik vollständig beherrscht, um sie dem künstlerischen Geist unterzuordnen. Zelter, der mit väterlicher Liebe an seinem Felix hing, richtete unnachsichtig seinen Geist und seine Bestrebungen auf die höchsten Muster der Kunst, überhaupt auf das Tüchtige und Ernste hin. So legte er den Grund zu der gründlichen und vollendeten Meisterschaft in der Form, welche Mendelssohn in selbständiger Kraft durch eigene unausgesetzte Studien sich erwarb. Wie sehr aber die musikalischen Anlagen des Knaben auch in einer außerordentlichen Produktivität hervortraten, so wurde über deren Pflege doch nichts versäumt, was nach irgend einer Seite hin seinen Geist ausbilden konnte, und er besuchte nach gründlicher Vorbereitung im Jahre 1827 die Universität. Zu den Begünstigungen seiner Jugend gehörte es, daß er durch Zelter Göthe nahe trat, der durch herzliche Theilnahme seine Bestrebungen anfeuerte und förderte. Zur Vollendung seiner Bildung machte er mehrere Reisen nach England (1829), Italien (1830), Paris (1832) und dann nach London. Nachdem er seit 1833 [Ξ] in Düsseldorf als städtischer Musikdirektor eine Wirksamkeit gefunden hatte, auch eine kurze Zeit an dem von Immermann begründeten Theater thätig gewesen war, wurde er 1835 nach Leipzig zur Direktion der Gewandhausconcerte berufen. Hier schuf er sich durch die außerordentlichen, durch seine Persönlichkeit und Bildung bedingten Leistungen als Dirigent einen glänzenden Wirkungskreis, von hier aus trat er mit dem »Paulus« in die Reihe der großen und berühmten Komponisten. Eine Berufung nach Berlin (1842) als Generalmusikdirector hatte dennoch nicht zur Folge, daß er dort eine bestimmte und befriedigende Wirksamkeit fand; er kehrte seit 1845 nach Leipzig zurück, wo er besonders am Konservatorium für Musik thätig war. Dort machte unerwartet ein rascher Tod seinem thätigen, vom Glück reichgeschmückten Leben ein Ende.

Mendelssohn war ungemein fleißig und hat, obgleich er sorgfältig arbeitete und feilte, nach den verschiedensten Richtungen eine bedeutende Produktion entfaltet. Den ersten Platz nehmen seine Kirchmcompositionen (Paulus, Elias, Lobgesang, Psalmen u. A.) ein, denen sich die Kompositionen der Antigone, des Oedipus, des Sommernachtstraums anschließen; die Opern seiner Jugend hat er selbst zurückgelegt, über der Vollendung der Loreley ist er hingestorben; seine Lieder sind allgemein durchgedrungen wie wenige. Auch für Instrumentalmusik in allen ihren Zweigen ist er thätig gewesen; seine Concertouverturen, wie im Kleinen die Lieder ohne Worte schlugen einen neuen Weg ein, den seine Nachfolger breitgetreten haben.

Wenn Mendelssohn schon im Leben Popularität und Ruhm fand wie wenige, wenn enthusiastische Bewunderer sein Lob hie und da übertrieben, so ist die ungerechteste Verkleinerung seiner Verdienste auch nicht ausgeblieben. Er ist dem immer mehr einreißenden Dilettantismus entgegengetreten, indem er durch die That bewies, daß gründliches Studium, vollkommene Beherrschung der Form, die Bedingung künstlerischer Leistungen sei; und daß es hierbei nicht eine geistlose Nachahmung veralteter Formen, sondern die geistige Belebung der unvergänglichen Kunstgesetze galt, dafür zeugt die unmittelbare Wirkung, mit welcher er die Gegenwart ergriff. Er setzte namentlich in der Kirchenmusik an die Stelle eines geistlosen Schlendrians eine im Wesen des Protestantismus begründete Liebe und lebendige Auffassung, und indem er überhaupt aus einer schlaffen Gegenwart zurückgriff in eine größere Vergangenheit, strebte er mit Erfolg die unversiegbaren Quellen des Wahren und Schönen wieder zu erwecken. Können wir ihn auch, was die Größe und Tiefe seiner Productionskraft anlangt, nicht den ersten Meistern zurechnen, so darf man deshalb doch seine Produktivität nicht gering schätzen, und ein unablässig auf das Edle und Schöne gerichtetes Streben, eine feine Bildung, die sich im künstlerischen Maaßhalten bewährt, eine vollkommene Meisterschaft in der Form, sind hohe Vorzüge, die der allgemein gehaltene Vorwurf der Reflexion nicht zu schwächen vermag. Wenn die Leidenschaften, welche der außerordentliche Einfluß Mendelssohns auf die Gegenwart erregt hat, verraucht sind, wird die Thatsache dieses Einflusses schon den hohen Werth eines bedeutenden, edlen, in sich harmonisch ausgebildeten künstlerischen Talentes bewähren.