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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Christian Fürchtegott Gellert

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Christian Fürchtegott Gellert
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 131–132
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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Bearbeitungsstand
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Christian Fürchtegott Gellert.
Geb. d. 4. Juli 1715, gest. d. 13. Dez. 1769.


Der frömmsten, mildesten und sanftesten Menschen einer, die Deutschland unter seine Dichter zählt.

Gellert war eines Predigers Sohn, und wurde zu Hainichen im sächsischen Erzgebirge geboren. Sein Schulunterricht war mangelhaft, doch entwickelte sich der Knabe erfreulich, zeigte Fähigkeiten, Fleiß und Eifer und bezog 1729 die Fürstenschule zu Meißen, wo Gärtner und Rabener sich ihm ebenso freundschaftlich als geistig fördernd zuneigten. Gellert widmete sich dem Studium der Theologie, und ging 1734 nach Leipzig, von wo er 1738 nach der Heimath zurückkehrte. Sein Lebensziel war jetzt eine stille Pfarrstelle, wo er vielleicht wie so mancher begabte Geist verklungen und verschollen wäre, ohne daß die Welt von ihm etwas vernommen; aber die Vorsehung bediente sich eines über ihn verhängten Mißgeschickes, um ihn auf eine höhere Lebensstufe zu führen. Gellert hatte ein schlechtes Gedächtniß, eine schwache Brust und wurde durch den Mangel an Redegabe ängstlich und befangen gemacht. Daher ersehnte er, indem er diese Mängel fühlte, eine andere Lebensstellung, trat zunächst als Erzieher der Kinder einer adeligen Familie bei Dresden ein, und begleitete später, 1741, den Sohn seiner Schwester, dessen Studien er geleitet hatte, nach dem von ihm liebgewonnenen Leipzig, wo er literarische Arbeiten begann, und die Verbindung mit Rabener und Gärtner, die er jetzt dort antraf, neu anknüpfte. Mit diesen Freunden stellte sich Gellert unter das damals ruhmreiche Banner Gottsched’s, bis Gärtner sich von diesem und seinem französirenden und pedantischen Wesen, das eine terroristische Geschmacksherrschaft anstrebte, losrang und die »Belustigungen des Verstandes und Witzes« begründete, deren eifriger Mitarbeiter Gellert wurde, und zwar mit großem Glück und bevorzugter Beliebtheit. Gellert gefiel sich so wohl in Leipzig, daß er den Entschluß faßte, für immer dort zu bleiben; er erlangte die Magisterwürde und die Erlaubniß zu Vorlesungen, welche sich bald drängenden Besuches und allgemeinen Beifalles erfreuten. Dazwischen schrieb Gellert vieles und versuchte sich nach verschiedenen Richtungen hin; vor allem hatte er im Auge, das lesende Publikum für einen geläuterten Geschmack empfänglich [Ξ] zu machen, daher entstanden auch seine Briefe über den guten Geschmack, und alles an und von ihm athmete die persönliche Liebenswürdigkeit des feingebauten, liebevollen und freundlichen jungen Gelehrten, dem sich in einem seltenen Maße das Vertrauen ihm ganz unbekannter Menschen zuwandte. Seine Lehren der Moral bestätigte Gellert durch den eigenen sittenreinen Wandel und durch ein Herz voll Güte, Schonung und Menschenliebe. Er begründete mit den Freuden die Zeitschrift: »Bremer Beiträge«, gab seine Fabeln heraus, welche durch die schlichte einfache Sprache, Empfindung und Frische allgemein ansprachen, versuchte sich auch – doch mit minderem Glück – im Lustspiel, Schäferspiel und im Roman, gab auf Rabener’s Anregung Briefe über Briefstyl heraus und blieb dabei zwölf Jahre hindurch Privatdocent. Endlich gelang es ihm, 1751 eine außerordentliche Professur mit hundert Thalern Gehalt zu erlangen, das war damals schon etwas großes. Leider raubte ihm der siebenjährige Krieg bald genug dieses bescheidene Glück, welches ohnehin durch die Gellert mehr und mehr beherrschende Hypochondrie getrübt wurde. Er bestand Körper- und Seelenqualen zugleich, die Natur seiner furchtbaren Krankheit raubte ihm den innern Frieden, füllte sein Gemüth mit Traurigkeit und seinen Schlummer mit ängstigenden Träumen. Gellert wurde unzugänglicher und kämpfte vergebens mit Badekuren und anderen Heilmitteln gegen sein Leiden. Er gab diesen sogar eine dauernde Sichtbarkeit, indem er sie geistig mit dem Buche: "Von den Trostgründen Wider ein sieches Leben" überwand. Auch litt er keinen Mangel; Geschenke und Aufmerksamkeiten aller Art strömten ihm aus vielen Gegenden zu. Gellert’s Lehren der christlichen Moral, Tugend und Weisheit, seine religiösen Gedichte, denen der eigentliche kirchliche Charakter zwar fehlt, die aber harmonisch mit dem Gefühl der leidenden zusammenklangen, fanden einen Wiederhall in allen Herzen; er wurde der Mann, der Dichter, der Freund des Volkes, seine Schriften fanden ungemein viel Verbreitung. Prinz Heinrich von Preußen schenkte ihm ein Pferd, und selbst König Friedrich II. unterhielt sich mit ihm über die deutsche Literatur und fand so viel Wohlgefallen an ihm, daß er ihn gegen seine Umgebung den vernünftigsten aller deutschen Gelehrten nannte, von denen er nicht viel hielt. Auch der kurfürstliche Hof von Sachsen ehrte Gellert und sorgte nach wiederhergestellten Frieden für eine anständige Gehaltserhöhung, die der rührend bescheidene Mann kaum annehmen wollte. Doch alles dessen konnte er sich nicht lange erfreuen, die Natur eilte mit dem siechen Leibe zu Ende, und nach einem Besuche in der Heimath 1769 ging er unter Gebet und Segnungen im Frieden Gottes als ein frommer und getreuer Knecht ein zu seines Herrn Freuden. Ganz Sachsen, ganz Deutschland trauerte um ihn, beklagte aufrichtig des Edeln Scheiden und er wird unvergessen bleiben durch die Gesinnung, die er lebend und sterbend bewährte, wenn ihn auch nicht die Geiste-Schwingen eines Klopstock, Schiller oder Goethe zum Tempel unsterblichen Nachruhms trugen.