Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Albrecht Thaer
Mannigfach mit Kenntnissen ausgerüstet, und in
vielen Fächern des menschlichen Wissens heimisch und
bewandert, durchschritt dieser Mann eine ehren- und
ruhmvolle Laufbahn.
Thaer wurde zu Zelle geboren, sein Vater war dort praktischer Arzt, und sah es mit Freude, daß auch der Sohn sich der gleichen Wissenschaft widmete. Dieser studirte von 1771 bis 1774 zu Göttingen und erwarb im letztern Jahre den Doktorgrad. Dann wandte sich Thaer in seine Vaterstadt zurück, und fand in Ausübung ärztlicher Praxis sehr bald Vertrauen, Anerkennung und Ruf, sodaß ihn im Jahre 1780 der König zu seinem Leibarzt mit dem Hofmedicustitel ernannte. Leider entriß andauernde Kränklichkeit Thaer nach einigen Jahren theilweise seinem edlen Berufe, er widmete sich der Landwirthschaft, die ihn ausnehmend anzog. Im Jahre 1790 gründete er eine Unterrichtsanstalt für dieselbe in Zelle, an der er wesentlich wirksam war, widmete ihr alle Zeit und stellte neue Grundsätze in derselben auf, indem er bemüht war, sie zum Range einer Wissenschaft zu erheben. Thaer wurde Verfasser einer »Einleitung zur Kenntniß der englischen Landwirthschaft«, welche in 3 Bänden von 1798 bis 1804 zu Hannover erschien.
Völlig hatte indeß Thaer dem ärztlichen Berufe nicht entsagt, er wurde aus Nähe und Ferne noch um Rath in Krankheiten angegangen; in einem solchen berathenden Briefe, an eine Dame in Hannover, vom 18. Januar 1802, meldet er, nachdem er den Brief hatte 12 Tage unbeantwortet liegen lassen müssen: Ich leide sehr an Gicht, und dies ist der erste Brief, den ich mit Mühe wieder schreiben kann.
Vom Jahre 1799 bis 1804 erschienen von Thaer die »Annalen der niedersächsischen Landwirthschaft«, zu Zelle, und zu Hannover von 1803 bis 1806 die »Beschreibung der nutzbarsten, neuesten Ackergeräthe«. Diese schriftstellerische Thätigkeit breitete Thaers Ruf weithin aus, und wurde Anlaß einer Berufung Seitens des Königs von Preußen mit hohem Rang und Titel in den preußischen Staatsdienst. Thaer folgte diesem Rufe, erwarb in der Nähe von Potsdam das Landgut Mögelin und errichtete dort abermals eine [Ξ] landwirtschaftliche Schule mit Musterwirtschaft, deren Ruf sich über ganz Deutschland und weiter verbreitete. Im Jahre 1807 trat Thaer in den Staatsrath ein, wurde 1810 zum Professor der Landwirtschaft und der Staatswirthschaftslehre an der berliner Hochschule ernannt, wurde geheimer Regierungsrath und vortragender Rath im Ministerium des Innern.
Jetzt erschienen von seiner fleißigen Feder: »Annalen des Ackerbaues«, 6 Jahrgänge, Berlin 1805 bis 10. »Grundsätze der rationellen Landwirtschaft«, daselbst 1809 u. ff., 4 Bände. »Annalen der Fortschritte der Landwirthschaft«, 2 Jahrgänge, daselbst 1811 u. ff. »Ueber die freiwillige Schaafzucht«, ebendaselbst 1811. Um die Schaafzucht, diesen ganz besonders wichtigen Theil der Oekonomie erwarb sich Thaer ein unsterbliches Verdienst und den Dank aller Schäfereibesitzer, denn er ging mit den erfolgreichsten Anregungen voran, gründete 1811 selbst eine berühmt gewordene Schäferei und rief später auch den Schaafzüchterconvent ins Leben, der im Jahre 1823 zum erstenmal in Leipzig zusammentrat, und die dort empfangenen Anregungen und Belehrungen zu praktischer Anwendung mitnahm in alle Theile Deutschlands. Das Kapital ist gar nicht zu berechnen, welches Deutschland durch die veredelten Wollen seit Thaers Auftreten als Landwirthschaftslehrer gewonnen hat. Als Lehrer bei der berliner Hochschule war Thaer im Jahre 1817 wieder zurückgetreten, seine schriftstellerische Thätigkeit aber blieb fort und fort eine regsame. Er schrieb die Geschichte seiner Wirthschaft zu Mögelin, welche 1813 zu Berlin erschien, sodann eine Gewerbslehre, ebendaselbst 1816, darauf begann er Mögelinsche Annalen der Landwirthschaft, deren Dauer sich von 1817 bis 1824 in 14 Bänden erstreckte. Im Jahre 1824 feierte Thaer, der sich trotz aller Gicht- und anderer Leiden doch in ein ziemlich hohes Alter hineinlebte, sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum, bei welchem er mit dem Titel eines königlich preußischen Geheimen Oberregierungsrath erfreut, und mit mehreren hohen Orden beehrt wurde, Zeichen einer gerechten und nur verdienten Anerkennung und Würdigung. Thaer empfing vom König von Bayern den Orden der bayerschen Krone, den Guelphenorden von Seiten des Königs von Hannover, und den Orden der würtembergischen Krone vom Könige von Würtemberg.
Thaer starb 1828 zu Mögelin im 77. Lebensjahre, und hinterließ einen dauernden ruhmumglänzten Namen. In Leipzig wurde ihm ein Denkmal errichtet, zu welchem von Seiten der 1843 in Altenburg tagenden Versammlung der deutschen Land- und Forstwirthe die Anregung ausging.