Zur Geschichte des jungen Deutschland
[546] Zur Geschichte des „jungen Deutschland“. Welche Bedeutung man dem Wirken und Wollen des „jungen Deutschland“ und seiner Hauptvertreter Heine, Börne, Gutzkow und Laube zuerkennen solle, das war stets eine leidenschaftlich umstrittene Frage. Aus diesem Mangel an ruhigem, geschichtlichem Abwägen erklärt es sich auch, daß eine endgültige Geschichte der geistigen Ziele und Erfolge, die hier angestrebt wurden, bis jetzt nicht erscheinen konnte. Nun hat neuerdings Johannes Proelß es unternommen, diese Lücke auszufüllen in seinem umfangreichen Werke: „Das junge Deutschland. Ein Buch deutscher Geistesgeschichte“ (Stuttgart, Cotta). Er hat dabei seine Aufgabe unter einen allgemeinen Gesichtspunkt gestellt, der an sich, interessant und weit genug, wohl geeignet war, für die unparteiische Würdigung jener litterarisch-politischen Bewegung die Warte abzugeben. „Während die politische Geschichtschreibung unserer Tage“, sagt Proelß in der Einleitung, „das Werden und Wachsen Deutschlands zum Reiche, soweit es sich um die Leistungen der Staatskunst und des Heerwesens handelt, mit wissenschaftlicher Gründlichkeit erforscht und dargestellt hat, ist der Einfluß der Litteratur auf die Gestaltung unseres Vaterlands zum in Einheit gefesteten Rechtsstaat noch keineswegs in gleicher Weise zu gerechter Würdigung gelangt.“ Als einen „Versuch zur Lösung dieser Riesenaufgabe auf begrenztem Gebiet“ will er sein Werk betrachtet wissen. Und in der That hat er, indem er mit regem Fleiße neues Material, namentlich über Börne und Gutzkow, zusammentrug, zugleich ansehnliche Bausteine geliefert für jene von ihm vermißte Geschichte der „Vorbereitung des Deutschen Reiches durch die Wortführer des deutschen Volkes“. Wer daher an der Hand ausgedehntester Darstellung über die Rolle, welche dem „jungen Deutschland“ bei dieser Vorbereitung zukommt, sich unterrichten und ein Urtheil bilden will, findet in dem Buche von Proelß reichen und befriedigenden Stoff zur Enträthseluug der schimmernden und schillernden Erscheinungen, welche nnter dem Namen „Das junge Deutschland“ zusammengefaßt und leider unendlich viel mehr genannt als gekannt sind.