Rudolf Pohle und sein Senefelder-Denkmal
[546] Rudolf Pohle und sein Senefelder-Denkmal. (Zu dem Bilde S. 517.) Ueber die Schicksale Alois Senefelders und über seine weltbewegende Erfindung sind die Leser durch den Artikel von Eduard Grosse in diesem Halbhefte ausführlich unterrichtet. Es bleibt uns noch übrig, über das neue Denkmal in Berlin und über seinen Verfertiger einiges anzufügen.
Rudolf Pohle hatte bei der Lösung seiner Aufgabe eine eigenthümliche Schwierigkeit zu bewältigen. Das Berliner Komitee hatte, um das Verfahren des Lithographen auch äußerlich an dem Denkmal zum Ausdruck zu bringen, die Forderung aufgestellt, eine am Sockel befindliche Idealfigur habe den Namen „Alois Senefelder“ in Spiegelschrift auf den Stein zu schreiben. Um nun das Sonderbare, das einer solchen Aufschrift nothwendig anhaften mußte, zu heben und den Beschauer gleichsam von selbst auf die Lösung des Räthsels hinzulenken, verfiel Pohle auf den Ausweg, der Jdealgestalt des Druckerjungen, welcher jene verkehrten Schriftzeichen schreibt, ein kleines Mädchen beizugeben, welches seine Thätigkeit aufmerksam im Spiegel verfolgt. Dieser Gedanke gefiel dem Komitee so gut, daß es von der Ausschreibung eines Wettbewerbs absah und Pohle die Ausführung übertrug.
Die Statue Senefelders ist aus carrarischem Marmor. Sie stellt den Erfinder sitzend, in die nachdenkliche Betrachtung einer lithographischen Platte versunken dar, umgeben von den Geräthen seiner Kunst. Selbst seine Verdienste um die Kattundruckerei sind durch ein über die Steine zu seinen Füßen geworfenes Stück Zeug angedeutet. Der Sockel trägt an seinen Seitenwänden Kränze, auf der Rückseite unter einem Feston eine Tafel mit Geburts- und Todestag Senefelders. Das ganze Denkmal ist etwas über fünf Meter hoch.
Rudolf Pohle ist die Bahn zur Kunst nicht leicht geworden. Am 19. März 1837 wurde er als der dritte Sohn eines wenig begüterten Bäckermeisters zu Berlin geboren. Wohl war dieser, soweit es seine beschränkten Mittel gestatteten, darauf bedacht, seinen fünf Söhnen eine gute Erziehung zu theil werden zu lassen; aber dem Begehren des Jungen, ein Künstler werden zu dürfen, glaubten die Eltern doch als einer allzu aussichtslosen Sache ihre Genehmigung versagen zu müssen; und erst nach langem Widerstreben willigten sie ein, den Sohn, der schon als Knabe seine künstlerischen Triebe durch Figuren aus Brotteig geoffenbart hatte, bei einem Holzbildhauer in die Lehre zu geben.
Indessen schon nach wenigen Wochen bemächtigte sich eine bittere Enttäuschung des strebsamen Jünglings, denn die Kunst, die in dem Atelier jenes Holzbildhauers betrieben wurde, bestand darin, dem herrschenden Geschmack entsprechende Möbelverzierungen anzufertigen. Auf dringendes Bitten gab der Meister, ein einsichtsvoller würdiger Herr, seinen Lehrling wieder frei, und dieser machte nun auf Anrathen Rauchs an der Kgl. Akademie der Künste regelrechte Studien, nach deren Beendigung er noch auf anderthalb Jahre Schüler von Drake wurde. Im Jahre 1858 beschickte er zum ersten Male die große akademische Kunstausstellung, und er ist seither jedesmal dort vertreten gewesen; nur der Katalog von 1890 nennt seinen Namen nicht: damals war Pohle zu Carrara mit der Ausführung seines Senefelder-Denkmals beschäftigt.