Zu Lübeck schenkt man’s Keinem
1351 ist ein kunstreicher Mahler in Lübeck gewesen, der von Jedermann viel zu arbeiten bekommen. Wenn er nun in Kirchen, Klöstern oder sonst was von Historien gemahlet, in welchen des Satans mitgedacht worden, hat er diesen allewege so häßlich und greulich gamacht, daß einer dafür erschrecken müssen, der es nur ansichtig geworden.
Nun kömmt auf eine Zeit der Satan in Menschen-Gestalt zu diesem Mahler an seine Arbeit, redet mit ihm und spricht: wie es doch komme, daß er den Satan so übel abmahle, da selbiger doch nicht so häßlich, scheußlich und schrecklich sei? Der Mahler entgegnet: er könne den Satan so greulich gar nicht mahlen, als er an ihm selber sei. Da spricht der Satan wieder: daß er dem Mahler große Freundschaft thun wolle, so ihm dieser angelobe, ihn hinfüro nicht so scheuslich und häßlich zu mahlen. Dem wird zur Antwort: der Mahler begehre des Satans Freundschaft gar nicht, und werde denselben noch häßlicher als zuvor jemals herausstreichen.
Hierauf ist der Satan von ihm gegangen, und hat gesagt: daß er ihm kürzlich einen sonderlichen Possen spielen wollte, also daß ihn seiner Weigerung gereuen möchte.
[125] Wenige Zeit hernach geht nun dieser Satan in Gestalt und täglicher Kleidung des Mahlers zum Gewandschneider, welcher desselbigen großer Freund war, bestehet da etwas von feinem Tuch, und dinget darauf, daß eine ziemliche Summe anläuft; endlich nimmt er’s, bindet’s zusammen in ein Bündel und bringt es in des Mahlers Schlafkammer, wo er’s unter das Bett stößt.
Den andern Tag kömmt des Gewandschneiders Junge und fodert sein Geld, das der Mahler, genommenem Abscheid nach, als gestern hätte bringen sollen. Der Mahler lachet ihm zu, und fragt: ob er toll sei; er wisse von keinem Tuch.
Der Junge kömmt heim und klaget es seinem Herrn, welcher ein vornehmer Gewandschneider war; der geht zu den Herren des Gerichts, klaget den Mahler an und spricht: daß er ihm so und so viel Ellen fein Tuch gestohlen und damit nach Hause gegangen sei. Der Mahler thut alsbald eine Willkür: da man solches Tuch in seiner Behausung finden werde, solle man ihn an den lichten Galgen henken.
Der Richter schickt darauf in des Mahlers Haus, läßt alle Winkel durchsuchen, und ist endlich das verlorene Tuch unterm Bett hervorgenommen worden. Deß erschrickt der Mahler ganz heftig, und will sich viel entschuldigen; aber es mochte nicht helfen: er mußte von Stund an auf die Reckebank; da hat er’s zugestanden, [126] weil er solche Pein nimmer leiden können. Hierauf denn, wie auf seine eigne Willkür, hat ihm Urthel und Recht gegeben, daß er den andern Tag henken solle.
In der Nacht aber gegen Morgen gar früh kömmt der Satan zu dem Mahler ins Gefängniß, und spricht mit sanften Worten zu dem Gefangenen: „sieh nun, hättest Du vorhin meinen Willen gethan, so dürftest Du jetzt nicht im Galgen hängen. Aber ich weiß noch Rath: so Du mein sein willst, sollst Du alsbald erlöset werden.“ Der Mahler aber spricht nein, und daß er lieber zweimal sterben wollte, als einmal der seinige wesen. „Nun wohlan denn, spricht der Satan wieder, so thu mir einen Eid bei Deinem Gott, daß Du mich fernerhin auf das schönste und herrlichste mahlen willst; so will ich mich an Deiner Statt henken lassen.“
Der Mahler bedenkt sich nicht lange, in Betracht daß er solches wohl halten könnte, und thut ihm den Eid. Von Stund an werden ihm die Helden und Fesseln los, und der Satan legt sich selber die Schlösser und Ketten wieder an, und spricht: „Siehe da hast Du meine Kleider;“ und streicht ihm ein ander Färbichen im Gesicht an, und spricht: „Gehe jetzt nach Hause; mache Thür und Fenster zu, daß niemand aus- und einkommen möge bis auf den Nachmittag um 2 Uhren; alsdann geh auf den Markt, und laß Dich schauen von Jedermann.“
Hierauf ist nun gegen Mittag der Satan in des [127] Mahlers Gestalt hinausgeführt und an den Galgen gehenket; der Mahler aber versperret sich im Hause bis auf den Nachmittag; da kömmt er hervor, geht auf den Markt, und läßt sich schauen von Jedermänniglich. Die Leute jedoch weichen ihm aus dem Wege, und sprechen mit großer Verwunderung: „sieh da, ist der nicht diesen Morgen gehenket worden?“ Der Mahler spricht: „nein, der Teufel mag henken; ich aber bin kein Dieb gewesen.“ Solche Rede und Widerrede ist endlich vor die Herren des Gerichts gekommen; die lassen ihn zu sich fodern, und wie sie ihn ansichtig werden, stutzen sie auch nicht wenig und fragen: ob er nicht vor vier Stunden gehenkt worden? Da sagt er: nein; der Teufel möge henken, er aber nicht.
Die Richteherrn schicken nun den Frohnen hinaus und lassen besichtigen, was er den Morgen gehenkt. Der Büttel lauft hin; aber wie er die Leiter hinansteigt und den Gehenkten angreift, siehe da ist er so leicht wie ein Schweef; und nur ein Schatten, der da einem Menschen gleich gewesen.
Darauf haben die Herrn den Mahler ganz ernstlich befragt: wie sich der Handel eigentlich verhielte? das sollte er ihnen nach der Wahrheit und an Eides Statt berichten.
Da erzählt nun der Mahler Alles von Anfang an, und wie er vom Satan losgemacht sei, der sich selbst henken lassen.
[128] Hievon ist das gemeine Sprüchwort aufgekommen, wenn Einer nach Lübeck gewollt: „ja, ja, ziehe hin nach Lübeck; da schenkt man’s keinem nicht, und henket so bald den Teufel als Menschen an den Galgen.“
Wie aber dem Mahler unlängst hernach eine Altartafel zu mahlen verdinget worden, nämlich von der Historie, wie Leib und Seele von einander scheiden, und auf die Seele nicht allein die Engel Gottes, sondern auch der Satan fleißig warten: da gedenkt der Mahler an sein Gelübde, das er in höchster Noth geschworen und mahlt den Satan in Gestalt des höchsten Herrn der ganzen Welt, nämlich wie einen herrlichen, schönen alten Mann mit der Krone und dem ganzen Ornament des Papstes, jedoch anstatt der Ohren zwei gekrümmte Bockshörner, und unter dem langen Rock den einen Fuß mit einer Satansklaue; daneben stund also geschrieben:
Diese Tafel stand hinter dem Chor auf einem Altar, ist aber anno 1600 von dem Domherrn und Structuarius Schrader in das Reventer gehängt.
Bemerkungen
[392] Schweef ist ein Strohwisch.