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Wilhelm Löhes Leben (Band 3)/Die Einsegnung der Diakonissen

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« Die Diakonissengenossenschaft. Der „Orden vom Hause Stephana“ Johannes Deinzer
Wilhelm Löhes Leben (Band 3)
Siebentes Kapitel »
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Die Einsegnung der Diakonissen.


 Eine eigentliche Einsegnung der Schwestern fand in den ersten Jahren des Diakonissenhauses nicht statt, wie man denn auch damals für das, was man an deren Stelle setzte, den Ausdruck „Aussegnung“ gebrauchte. Zwar erkannte Löhe an, daß der Diakonissin von Rechtswegen bei ihrem Eintritt ins Amt eine Art Weihe oder Ordination zukäme, aber er sagte sich auch, daß die Voraussetzung hiefür: die Anerkennung des Diakonissentums als eines kirchlichen Amtes hingefallen sei, daß mithin unter den gegenwärtigen Umständen an Stelle der Ordination der Diakonissin nur die viel bescheidenere Feier einer Einsegnung = Aussegnung treten könne. Auch von dieser Feier hegte Löhe namentlich im Anfang höchst nüchterne, sentimentaler Überschwänglichkeit völlig freie Anschauungen. Die Aussegnung war ihm nicht mehr als die unter den Segenswünschen des Hauses erfolgende feierliche Entlassung der in ihren ersten Beruf eintretenden Diakonissin, zugleich ein Zeugnis von der Würdigkeit und Fähigkeit derselben für ihren Beruf. Die Oberin mit ihren Schwestern legte der Auszusegnenden die Hände auf, der Seelsorger des Diakonissenhauses beteiligte sich bei der Handlung nur durch eine Ansprache und Erteilung des Segens am Schluß der Feier, um dadurch „der ganzen Handlung den Stempel der Kirchlichkeit aufzudrücken“ (wie es in einem Aufsatz in Nr. 12 des Corr. Bl. von 1855 heißt). Die Feier selbst wird ebenda folgendermaßen beschrieben: „Die Auszusegnende hat ihren Platz unter der als Kronleuchter dienenden Dornenkrone, die von der Mitte des großen an der Decke befindlichen Kreuzes herabhängt, anzudeuten, daß sie bereit ist das Kreuz auf sich zu nehmen und die dornenvolle Bahn der Nachfolge Jesu in Ausübung ihres schweren Berufs zu gehen. Sie ist gegen den Altar zu gewendet, dessen goldener siebenarmiger Leuchter ihr die Gegenwart des HErrn| und seines Geistes mit den siebenfachen Gaben in der Gemeinde vor Augen stellen, und an dessen Ecken die Leserinen aufgestellt sind, welche in den nachfolgenden Lektionen ihr den Willen des HErrn, den Brüdern zu dienen, verkündigen und sie durch dessen höchst eigenes Beispiel und durch die leuchtenden Vorgänge aus der apostolischen Zeit wie durch den vorgehaltenen Lohn ermuntern, ihr Leben diesem Dienste freudig zu widmen. Eine in Mitte der Feier eingefügte Ansprache des Seelsorgers sucht den Eindruck des göttlichen Wortes durch Anwendung auf den betreffenden Fall zu stärken. Gebete und Gesänge beginnen und schließen die einzelnen Teile und das Ganze und tragen die geistlichen Opfer der Bitte und des Dankes der ganzen versammelten Hausgemeinde zu dem Thron des Lammes. Der Segen des Geistlichen drückt der ganzen Handlung das Siegel der Kirchlichkeit auf und zeugt dafür, daß in der Kirche alle Thätigkeit vom h. Amte ausgehe und unter dessen spezieller Leitung und Beaufsichtigung stehen müße.“

 Späterhin unterschied Löhe zwischen Aussegnung und Einsegnung und während er die erstere der Oberin und der Schwesternschaft zuwies, bezeichnete er die letztere als Sache des h. Amtes und als Inhalt derselben: die Verheißung (Verleihung) göttlicher Kraft und Hilfe für die Auszusegnende zu ihrem Amte. Die Einsegnung selbst bestand darin, daß er über den Ausgesegneten unter Handauflegung folgendes uralte, schon in den apostolischen Konstitutionen sich findende Weihegebet bei der Ordination der Diakonissen sprach:

 „Ewiger Gott, Vater unsers HErrn Jesu Christi, Du Schöpfer des Mannes und des Weibes, der Du Mirjam und Debora und Hanna und Hulda mit dem heiligen Geist erfüllt und es nicht verschmäht hast, Deinen eingebornen Sohn von einem Weibe geboren werden zu lassen, der Du auch in der Hütte des Zeugnisses und im Tempel Wächterinen Deiner heiligen Pforten erwählt hast:| sieh doch nun auf diese Deine Magd, die zum Dienste verordnet wird, und gib ihr den h. Geist und reinige sie von aller Befleckung des Fleisches und Geistes, auf daß sie würdiglich vollstrecke das ihr aufgetragene Werk zu Deiner Ehre und zum Lobe Deines Christus, mit welchem Dir sei Ehre und Anbetung samt dem h. Geiste in alle Ewigkeit. Amen.“

 Die einfache Feier sprach, so oft sie sich wiederholte, immer wieder zu Herz und Gemüt. Schon das zu diesem Zweck wie geschaffene Lied: „Herzlich lieb hab ich Dich, o HErr,“ besonders der 2. Vers, welches die Feier einleitete, wirkte immer ergreifend. Auch die darauf folgenden Lektionen Matth. 20, 20–28. Joh. 13, 1–17. Matth. 25, 31–46 verfehlten ihres Eindrucks nicht. Die vierte Lektion allerdings, Röm. 16, 1–16, fast nur eine trockene Nomenclatur, fiel neben der majestätischen dritten bedeutend ab, man konnte und mochte aber doch die einzige Stelle nicht missen, die von dem Vorhandensein des Gemeindediakonissentums im apostolischen Zeitalter unanfechtbares Zeugnis ablegt, den einzigen mit Sicherheit bekannten Diakonissennamen aus der apostolischen Zeit uns nennt und, in ihren ersten Versen, wie ein apostolischer Empfehlungsbrief für das Diakonissentum an die Kirche aller Zeiten klingt.

 Nach den Lektionen folgte eine Ansprache; hierauf wurden von der Oberin und den Schwestern die beiden Segenspsalmen 20 und 67 alternierend gebetet, desgleichen drei Kollekten, darunter die Lieblingskollekten Löhes (Samenkörner 153 und 154). Darnach folgte, eingeleitet durch einige Preces, die Aussegnung, indem die Oberin mit den vorstehenden Diakonissen unter dem Gebet des V. U. die Hände segnend auf das Haupt der neuen Schwester legte, hierauf, gleichfalls unter Handauflegung, diesmal von Seite des Geistlichen, mittelst des oben mitgeteilten Weihegebets die Einsegnung, an welche sich, wenigstens später, regelmäßig die Feier des h. Abendmahls schloß.

|  Wie man früher die Ordination junger Geistlicher an Aposteltagen vorzunehmen pflegte, so verlegte Löhe die Einsegnungen von Diakonissen gern auf Marientage oder sonstiger Gedächtnistage von Heiligen weiblichen Geschlechts. Eine besondere Weihe wußte er diesen Feiern durch seine an die auszusegnenden Schwestern gerichteten Ansprachen zu geben, die entweder an die Bedeutung des Tags oder an die spezielle Berufsaufgabe der neuen Schwester oder eine sonstige Besonderheit des vorliegenden Falls anknüpften oder auch ein allgemeineres irgendwie dem Gebiet des Diakonissenlebens angehöriges Thema behandelten. Die oben erwähnten Diakonissenschlagwörter kamen natürlich fast in allen diesen Ansprachen mit etwas stereotyper Regelmäßigkeit vor, aber Fassung und Einkleidung auch der ständig wiederkehrenden Gedanken war doch immer neu und mannigfaltig. Eine Probe haben wir schon oben in den etwas ausführlicher mitgeteilten Einsegnungsreden gegeben, vielleicht ist auch die Ährenlese einzelner Gedanken oder kürzerer Stellen aus jenen Reden, wie wir sie im Folgenden bieten, nicht unerwünscht.
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 Schreiber dieses erinnert sich einer weniger Tage nach Pfingsten stattfindenden Einsegnung von vier Schwestern. Löhe hatte zum Text seiner Rede die Stelle 1 Petri 5, 10 gewählt und wünschte auf Grund derselben jenen Schwestern „aus der Vorratskammer des guten Geistes“ die Gnaden der Vollbereitung, Stärkung, Kräftigung und Gründung. Mit einer gewissen exegetischen Feinheit und doch zugleich praktischen Verwertung wurde der Unterschied in der Bedeutung dieser sinnverwandten Wörter aufgezeigt, wie das erste auf Erstattung noch vorhandener Mängel der Gabe, Tüchtigkeit und Bildung, das zweite auf Unterstützung der Gnade von Außen her durch fördernde Einflüsse der Umgebung und Herstellung der günstigen äußeren Verhältnisse, das dritte auf Begabung mit innerer Kraft, Mut und Ausdauer, das vierte auf| jene Ruhe und innere Sabbathsstille deute, die das Geheimnis aller Kraftentfaltung und Einwirkung auf andre sei.

 Einer am Vorabend des Michaelistags eingesegneten, zur Privatpflege bestimmten Diakonissin wurde gesagt: „So etwas Herrliches die dienende Liebe der Frauen an Krankenbetten ist, so geht doch der Beruf der Diakonissin in der leiblichen Pflege nicht auf; ihr Verlangen muß sein, durch ihren Wandel ohne Wort auch die Seelen derer zu gewinnen, denen sie leiblich dient. Betrachte dich als eine Schwester der Engel, die ausgesandt sind zum Dienste derer, die ererben sollen die Seligkeit.“

 Aus einer anderen Ansprache, welche an die Berufung Petri (Joh. 21) des von Löhe am meisten verehrten und geliebten Apostels, anknüpfte, teilen wir das Folgende mit. „Das „Weide meine Schafe“ wurde von dem HErrn seinem Diener unter für diesen sehr demütigenden Umständen gesagt. Unter dem Bekenntnis großer, schwerer Sünde und unter Reuethränen ward ihm sein Beruf. Daraus lernen wir: Erst muß dem Menschen sein Herz gebrochen sein, erst muß sein Fürwitz zu nichte worden sein, es muß, wie Luther sagt, zu einem Untergang mit ihm gekommen sein, eher kann ihn der HErr nicht brauchen.“ Außer diesem großen Grundgesetz für alle die ins Reich Gottes kommen oder auch einen besonderen Beruf in demselben übernehmen wollen, wurde aus der Geschichte der Berufung Petri noch ein zweiter, speziell für Diakonissen wichtiger Grundsatz abgeleitet. „Nachdem der HErr auferstanden war (während der 40 Tage), gieng Petrus wieder an sein voriges Geschäft zum Fischen (Joh. 21, 3), nach Pfingsten aber nicht mehr. Das Weib, das er hatte, die Kinder, die ihm Gott gegeben, behielt er, aber der vorige Beruf wurde ihm genommen, die Sorge für das Irdische hörte nun auf, nicht mehr von der Hand zum Mund, sondern (so zu sagen) vom Altar zum Mund lebte er. Er trat in die Versorgung ein, die die| Gemeinde ihren Armen gab und schämte sich dessen nicht.“ So muß auch die Dienerin Christi ihr Eigenes lassen, die irdischen Wünsche und Hoffnungen aufgeben, wenn sie des HErrn Ziel verfolgen will. So wie sie mit einem Auge nach der Welt schielt, von einem irdischen Hoffnungsstrahl sich blenden läßt, so verliert sie auf der Stelle die Heiterkeit der Seele, die Liebe zum Beruf, die Freudigkeit, dem ewigen Bräutigam zu dienen. Eine nicht geringere Gefahr aber als das Liebäugeln mit der Welt, eine Gefahr, die gerade denen droht, welche die irdischen Hoffnungen aufgegeben haben, ist das Streben nach Ehre, nach Anerkennung bei den Heiligen, unter denen die Dienerin Christi doch wandeln sollte in magdlicher Stille. „Such nur die Ehre, so hast du die Welt gelassen und den Teufel (dafür) eingenommen, und so viel der Teufel schlimmer ist als die Welt, ist dieses zweite Übel schlimmer als das erste. Es ist das Glück einer Diakonissin, wenn der HErr sie zu seinen Kleinen und Geringen stellt und in den Thälern der Menschheit gehen läßt. Über der Laufbahn der Diakonissin muß das Wort geschrieben stehen: „Unser Leben ist verborgen mit Christo in Gott“, und ihr Gebet muß sein: „HErr, mein Gott, wenn meine Seele nicht zerbrochen ist, wenn in mir noch etwas anderes lebt als das Misfallen an mir und die Lust an Dir, so laß von diesem Augenblick an Deinen Geist nicht ruhen, bis ich zerbrochen bin und mein Geist und eigener Wille zu Deinen Füßen liegt; dann werde ich Dir dienen in Deiner Stärke, denn wenn ich schwach bin, bin ich stark. Dir, HErr, will ich dienen, in Deinen Heiligen Dir dienen, Ein Ziel will ich haben; ich will sein wie das brennende Licht, das sich selber verzehrt, indem es anderen dient, und in diesem heilsamen Scheinen für die Elenden, Armen und Kleinen will ich mich verzehren, ohne etwas anderes zu wollen als daß Du, wenn meine Zeit kommt, mich aufnehmest in Deinen Freudenhimmel. Meine| Arbeit sei meine Freude, Dein Wohlgefallen mein Trost und mein Gebet, meine Andacht, mein seliger Umgang mit Dir sei meine Wonne, bis daß ich sterbe.“
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 Ein andermal fand eine Einsegnung dreier Schwestern statt, von welchen die eine aus einer Krippe kam, die andere in einer Krippe sich befand, die dritte für eine Krippe bestimmt war. Das Thema der Ansprache war hier naheliegend. Dieselbe gieng aus von der Unnatur, die durch die Sünde in die Welt gekommen ist und die so groß ist, daß wir den normalen Zustand der Dinge, den Stand der ursprünglichen Vollkommenheit, uns gar nicht mehr vorstellen können. Wir können uns den Sommer nicht denken ohne seine Hitze, den Winter nicht ohne seine Kälte, die Hitze nicht ohne ihren Druck, die Kälte nicht ohne ihr Wehe. Ja nicht blos können wir uns aus dieser gegenwärtigen Welt die durch die Sünde eingedrungene Unnatur, d. h. das Übel, nicht mehr wegdenken, sondern die barmherzige Hilfe selbst, die dem Übel steuern will, muß oft eine gewissermaßen unnatürliche Form annehmen wie z. B. in der Liebesthätigkeit an der sog. Krippe. Die Krippe ist voll Unnatur, eine recht auffällige Erscheinung des menschlichen Elends. Wenn eine Mutter noch so kinderreich ist, so hat sie doch unter der Schaar ihrer Kinder nur ein einziges kleines, weinendes und schreiendes Kind, und dies eine vermag ihre Kräfte in Anspruch zu nehmen. Dies ist die Last der Krippe, wie sie der HErr der Familie und dem ehelichen Leben auferlegt hat. In der Krippenanstalt dagegen ist auf einen engen Raum eine Menge von weinenden und schreienden Kindern zusammengepfercht, denen die Diakonissin, ohne daß das natürliche Gefühl der Mutterliebe die Pflicht versüßt, ihre Zeit und Kraft, ihre Nerven, ihre Tage und Nächte opfern muß um des bischen Nutzens willen, den sie schafft. Denn hier haftet der Wohlthat selbst die Verkehrtheit an, und man muß, im Bewußtsein der Unfähigkeit vollkommene| Hilfe zu bringen, sich mit einer kleinen Linderung des Übels begnügen. Wie aber der ewige Vater, da Er mit der Sünde auch die Folgen der Sünde, das Übel, in der Welt aufheben wollte, nur Ein Mittel wußte, die Liebe, die den Eingebornen in die Krippe, ja ans Kreuz hinan brachte, so können auch die, welche an ihrem Teil die Übel des Lebens lindern und seine Mängel ausfüllen wollen, dies nicht anders als durch Liebe. Liebe also bedürfen die Dienerinen Jesu etc.

 Bei einer andern Aussegnung war Luc. 10, 38–42 der der Ansprache zu Grunde gelegte Text. Martha wurde hingestellt als Vorbild derjenigen Frauen, die in einem thätigen Leben mit Werken der Liebe dem HErrn dienen, Maria dagegen als Vorbild derer, die abgezogen von den irdischen Geschäften, allein das ewige Ziel im Auge, der Betrachtung göttlicher Dinge und der Pflege des inneren Lebens sich widmen. Nun sei ohne Zweifel Mariens Teil, wenn nur zwischen ihm und dem Marthas zu wählen wäre, das vorzüglichere – nach dem Urteil des HErrn selbst; aber eben so wahr sei es, daß im Grunde jede der beiden Schwestern eine Einseitigkeit darstelle. Höhere Vollkommenheit weiblichen Lebens erscheine in Maria, der Gottesmutter, die ihrem Sohne und Erlöser gedient habe von seiner Jugend an, dazu dem Pflegevater Joseph, und die doch dabei zugleich gewesen sei eine Herzogin des inwendigen Lebens, von der gerühmt werde, daß sie alle zu ihr geredeten Gottesworte behalten und in ihrem Herzen bewegt habe. Darum sei der Diakonissin zu wünschen, daß sie Maria-Martha sei und und heiße, keine Einseitigkeit pflege, sondern die Harmonie der Seele, das rechte Gleichgewicht des beschaulichen und des thätigen Lebens herzustellen versuche etc.

 Eine auf den Tag der h. Olympias fallende Schwesterneinsegnung veranlaßte Löhe, das Bild dieser größten Diakonissin der morgenländischen Kirche zur Betrachtung und Nachfolge vorzustellen.| Er pries an ihr nicht blos das Heldentum ihrer Selbst- und Weltentsagung (nach kurzer Ehe in noch sehr jugendlichem Alter zur Witwe geworden, wies sie alle Werbungen um ihre Hand ab, ließ sich zur Diakonissin an der Gemeinde zu Konstantinopel einsegnen und verwandte ihre großen Reichtümer ganz im Dienst der Armen und Elenden), sondern vor allem ihre Treue in der Jüngerschaft ihres großen Hirten und Seelsorgers Chrysostomus, d. h. nicht sowol ihre persönliche Anhänglichkeit an ihn, als vielmehr die Entschiedenheit, mit der sie sich zu ihm und seinem Amte in schwerer Zeit bekannte und die Leiden teilte, die ihn um seines heiligen Eifers willen in Sachen der Zucht trafen. Olympias, die „Märtyrerin des Hirtenamtes“ war ihm in ihrem Verhältnis zu Chrysostomus ein Vorbild der richtigen Stellung des Diakonissentums zum Hirtenamt, d. h. des innigen Anschlusses der Diakonissin an dasselbe, sowie der dabei allerdings unvermeidlichen Teilnahme an den Nöten, Kämpfen und Leiden, die das Zeugnis der Wahrheit und der Eifer um die Zucht von Seiten einer verweltlichten Christenheit auch heutzutage einem treuen Hirten einzutragen pflegt. Die Nutzanwendung von diesen geschichtlichen Erinnerungen lag der damaligen Zuhörerschaft Löhes nicht fern, wenn es auch jetzt vergessen ist, wie die Neuendettelsauer Diakonissenschar namentlich in der ersten Zeit unter der Ungunst, die auf dem Namen ihres Stifters lastete, zu leiden hatte.

 Zum Schluß mögen noch einige Mitteilungen aus einer Rede, die bei der Einsegnung zweier Witwen gehalten wurde, hier Platz finden.

 Eine Witwe – sagte hier Löhe – ist ein Weib, welches nach 1 Cor. 7, 34 die Welt hinter sich hat. Des Weibes Welt und Leben ist der Mann; ist der Mann ihr genommen, so ist sie fertig mit dem Leben. Die Vergangenheit liegt für sie da hinten. Desto herrlicher tritt ihr die Zukunft entgegen. Zwischen ihre Vergangenheit und Zukunft drängt sich keine irdische Hoffnung| mehr; sie wartet auf die edelste Zukunft, den Tag der Erscheinung Jesu, das Morgenrot jener Welt leuchtet in ihre Seele, sie lebt für die Ewigkeit. Eben deshalb ist sie aber auch der Gegenwart mächtig. Nachdem sie die Arbeit für sich, Mann und Kinder hinter sich hat, arbeitet sie für Christi Glieder und ist fleißig in jenen Werken, nach welchen der Richter aller Welt am jüngsten Tage fragen wird. Sie freut sich alle Tage, die müden Glieder zu ihres Gottes Dienst zu gebrauchen und aus dem Docht ihres Alters eine helle Flamme werden zu lassen, die da predigt von dem Lichte Christus und seiner unaussprechlichen Liebe. Sie wird wieder jung, denn der Geist der Ewigkeit, der in ihr herscht, ist ein jugendlicher Geist; und während auf ihrem Haupt der Mandelbaum blüht, die Haare falb werden, Kräfte und Sinne schwinden, so ist ihr Geist wie ein Vogel,[1] der, wenn er vollends los geworden ist von den Todesbanden, auffliegt zu Gott und den Schaaren derer, die sein warten und ihn einführen wollen unter die Haufen der ewigen Lobsänger.

 Welch ein Lebensglück ist damit der Witwe, der rechten Witwe vorgezeichnet! – Wenn ich mir einen Jüngling, eine Jungfrau in wahrer Schönheit denken soll, so denke ich sie mir sinnend unter dem Kreuze stehen die Augen aufschlagend und mit Begier fragend: Was soll ich Dir, mein Seelenfreund, für Deine Treue geben? So fragt auch Ihr, und bekommt die Antwort: Thut die Werke des Euch befohlenen Berufs – –. Seid unter der Schaar der Dettelsauer Diakonissen diejenigen, welche den Chor anführen; seid unter den würdigen Diakonissen die würdigeren, und zeigt, daß die Apostel und das Altertum Recht gehabt haben, wenn sie vor andern die Witwen zum Diakonissenberuf erwählten. Friede sei mit Euch im Leben und im Sterben! Amen.



  1. Omnis spiritus ales – ein Lieblingswort Löhes.


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