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Wilhelm Löhes Leben (Band 2)/Löhes charismatische Begabung

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« Löhe als Seelsorger an Kranken- und Sterbebetten Johannes Deinzer
Wilhelm Löhes Leben (Band 2)
Löhes Verdienste um das Gotteshaus und um den Schmuck und die Zier der heiligen Stätten  »
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Löhe’s charismatische Begabung.

 Schon in dem vorhergehenden Abschnitt dieses Kapitels war gelegentlich davon die Rede, daß Löhe an eine Fortdauer der Charismen in gewissem Maße glaubte und daß er namentlich dem Jac. 5 befohlenen Amtsgebet an Krankenbetten eine besondere Kraft und Erhörlichkeit zuschrieb. Sein Glaube half ihm zu reicher Erfahrung dieser Art und die Erfahrung bestätigte rückwirkend wieder seinen Glauben. Wir wählen aus der großen Zahl wunderbarer Gebetserhörungen, die Löhe erfahren durfte, einige von völlig glaubwürdigen Personen berichtete Fälle zur Mittheilung für unsere Leser aus.

 In einer Nacht wurde Löhe geweckt und zu einem an Halsbräune erkrankten Kinde, welches er während des Tages schon mehrfach besucht hatte, geholt. Es war das einzige, etwa 2 Jahre alte Söhnchen von Leuten, welche schon viele Kinder zu Grabe getragen hatten, und welchen auch die Hoffnung auf Nachkommenschaft genommen war. Löhe eilte in das von dem seinigen nur wenig entfernte Haus, da er selbst der Ueberzeugung war, daß es mit dem Kinde schnell zu Ende gehen werde.| Er fand das Kind gebrochenen Auges, nur noch schwach röchelnd, bewußtlos im Sterben liegend. „Da ist nichts mehr als der Tod“ sagte er und wollte sich anschicken, das Kind einzusegnen. Als die Mutter die gewiß den meisten Neuendettelsauern bekannten Einsegnungsgebete anstimmen hörte, that sie Löhe Einhalt mit der flehentlichen Bitte, er möge um des Kindes Leben und Genesung bitten. Löhe erwiderte ihr: sie sehe ja doch, daß das Kind schon in den letzten Zügen liege, und daß Gott ein Wunder thun müßte, wenn das Kind nur noch eine Stunde leben sollte. „Dies kann Gott thun; wenn Sie recht beten, Herr Pfarrer, so wird mir Gott mein Kind nicht nehmen; o beten Sie nur“, dies war die Antwort der Mutter. Auch der Vater, ein stiller Mann, der wenig Worte sprach, bat Löhe dringend, er möge um Erhaltung und Genesung seines Kindes bitten, ehe das schwankende Lebenslichtlein gar erlösche. So geschah es denn auch. „Mit aufgehobenen Händen“ – so erzählte mir die noch lebende Mutter des Kindes – „betete Löhe um das Leben des Kindes: ,Ach, HErr, hilf – schenke dieser Mutter ihr Kind – sie schreit zu Dir wie das kananäische Weiblein – sie läßt nicht ab, bis Du ihr hilfst – hilf ihr doch u. s. w.“ Das Kind, das völlig bewußtlos, stumm, kalt und wie vom Tod schon gestreckt dalag, schlug nun wieder die Augen auf und fieng an zu weinen. „Nun wollen wir ihm eine Labung geben“, sagt Löhe und reicht ihm ein Stückchen Zucker und siehe – das Kind greift darnach und verzehrt es auch sofort mit größtem Behagen, während es Tage vorher schon nichts essen, kaum einige Tropfen Wasser mit Mühe hinunterbringen konnte. Am folgenden Tage schlief das Kind, am dritten Tage aber war es gesund, mit Ausnahme von etwas Mattigkeit, und verlangte aufzustehen. So lange der Knabe noch kleiner war, nahm ihn die Mutter, so oft sie Löhe vorüber gehen sah,| und hob ihn mit Dankes- und Freudenbezeugungen in die Höhe, oder öffnete die Fenster und hielt ihn hinaus, damit Löhe ihn sehen und sich mit ihr von neuem der Erhörung seines Gebetes freuen sollte.


 Ein anderes Ehepaar hatte von mehreren Kindern ein einziges Töchterchen übrig behalten. Das Kind, ein sonst hübsches Mädchen, war durch ein Gewächs an der Oberlippe entstellt, das, anfangs klein, allmählich so anwuchs, daß das Kind nur mit Mühe essen und athmen konnte.

 Die Aeltern ließen nun Löhe bitten, er möge sie besuchen und das Kind ansehen, was da zu thun sei. Als man das arme Kind aus der Ofennische, in der es saß, an das Fenster trug, sah Löhe mit Entsetzen, wie sehr es entstellt war und welche Qual es leiden mußte, und rieth den Aeltern, sie sollten möglichst schnell mit dem Kinde nach Erlangen gehen, um die geschicktesten Aerzte zu Rate zu ziehen. Der Mann aber sagte: „Herr Pfarrer, ich mein halt, Sie könnten das Beste thun“. Löhe fragte, wie er das meine? „Ja, wenn Sie beten thäten“, war die Antwort. Löhe betete mit dem Kinde und den Aeltern, forderte aber zugleich, daß die Letzteren den Arzt, als denjenigen, welcher hier den nächsten Beruf habe, fragen sollten, was sie auch versprachen. Am andern Morgen brachte der Mann voll Freuden das Kind: Löhe solle doch sehen, wie viel besser es bereits mit demselben geworden sei, er möge doch öfter mit dem Kinde beten. Natürlich wollte der Mann nun gar nicht mehr zum Arzt, allein Löhe drang darauf, daß ein Arzt das Kind sehen müsse, was denn auch geschah. Der Arzt erklärte, daß es hier kein anderes Mittel der Hilfe gebe als eine Operation, daß dies aber in dem vorliegenden Falle eine sehr gefährliche Sache sei. Löhe betete darauf wiederholt| mit dem Kinde und nach einigen Tagen brachte der Vater das Kind wieder, welches Löhe nun kaum mehr erkannte, denn das Gewächs, welches gewiß so groß wie ein Entenei gewesen war, war nun fast völlig verschwunden, eine kleine rothe Narbe zeigte noch die Stelle an. Das Kind war selbst voll Freude und ungemein zuthunlich gegen Löhe. Nachdem das entstellende Gewächs entfernt war, sah man erst, wie hübsch das kleine Mädchen war. Nach einigen Jahren starb aber die Mutter, und trotz der sorgsamsten Pflege einer Stiefmutter starb auch das zarte Kind, ehe es confirmiert werden konnte.




 Doch nicht blos leiblich Kranke, sondern auch Angefochtene und Besessene fanden auf Löhe’s Gebet oft wunderbare Heilung. Namentlich in früheren Jahren war der Zudrang solcher Hilfesuchender groß. Ein christlich geförderter Landmann von Dettelsau, in dessen Hause Leidende dieser Art meist Herberge fanden, äußerte mir gegenüber: „Man darf wol sagen, Dettelsau hatte damals eine Wunderzeit. Gemütskranke und Angefochtene giengen damals in meinem Hause, wo sie meist ihre Niederlage (Herberge) hatten, so zahlreich aus und ein, und konnten oft schon Tags darauf, wenn Löhe einmal über ihnen gebetet hatte, geheilt oder gebessert wieder abreisen, daß ich oft nicht einmal nach ihrem Namen fragte.“ Besessene blieben meist etwas längere Zeit, da ihr Zustand eingehendere pastorale Behandlung notwendig machte. Gemäß den in seinem „Evangelischen Geistlichen“ entwickelten Grundsätzen pflegte Löhe bald den compendiarischen Weg des Exorcismus, bald – und vielleicht häufiger – den langsamer zum Ziele führenden der seelsorgerlichen Behandlung und des Gebetes über dem Leidenden einzuschlagen.

 Die Beantwortung der Frage, ob in einem bestimmten Fall Besessenheit vorhanden sei, hielt Löhe nicht für leicht.| Nicht blos – sagte er – ist der Teufel ein Lügner, sondern auch die menschliche Natur ist voll Heuchelei und Gleißnerei, so daß Täuschungen leicht möglich sind. Fälle, in welchen die von den Alten als Kennzeichen der Besessenheit aufgeführten Erscheinungen sich zeigten, kamen ihm übrigens nicht selten vor. Ein Landmädchen, die über ein Vierteljahr in Neuendettelsau sich aufhielt und dann vollkommen befreit von ihrer Plage von hier weggieng, fieng z. B. plötzlich einmal an, englisch – und zwar ein ganz reines und correctes Englisch – zu sprechen. Eine andere las Messe wie ein römischer Priester. Auch die in manchen neueren Fällen bemerkte seltsame Erscheinung, daß Gegenstände, die sich unmöglich in einem menschlichen Leibe natürlicher Weise erzeugen können, als Glasscherben, Nadeln, Nägel, sich von solchen Kranken absondern, wurde von Löhe gleichfalls beobachtet, desgleichen die solchen Personen zuweilen eigene Gabe der Wahrsagerei etc.
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 In dem ersten der oben erwähnten Fälle, der uns von dem schon genannten Landmann als Augenzeugen eingehend berichtet wurde, verfuhr Löhe folgendermaßen. Er ließ die betreffende Person jeden Abend nach Tisch in sein Haus bringen und die drei Artikel des christlichen Glaubens aufsagen, worauf er dann auch über ihr betete. Nur mit großem Widerstreben ließ sich die genannte Person in Löhe’s Haus führen. Anfangs brachte sie nicht einmal die ersten Worte des Glaubensbekenntnisses über die Lippen. Wenn sie ansetzen wollte zu sprechen: „Ich gl – –“, so war ihr plötzlich die Kehle wie zugeschnürt und sie fiel „wie ein Stück Holz“ zu Boden. Dazwischen hinein ließ sich eine widerwärtig schnarrende – von der Sprechweise des Mädchens ganz verschiedene – Stimme vernehmen: „Zu dem Schwarzen geh ich nimmer“. Auch in directer Anrede wurde Löhe oft mit dem Ehrenprädicat: „Du Schwarzer, du Schwarzer“| betitelt. Einmal – doch nicht in Löhe’s Gegenwart – behauptete der Geist, er könne auch beten. Er begann in lästerlicher Weise das V. U. zu verunstalten: Vater unser, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe im Reich der Finsternis!

 Endlich gieng der erste Artikel und nach noch größeren Schwierigkeiten auch der zweite und dritte. So erstarkte die Person nach und nach und wuchs geistlich wie ein Kind heran. Schließlich wurde es ihr auch möglich, in die Kirche zu gehen und das Sacrament zu empfangen. Nach etwa 20 Wochen konnte sie Dettelsau geheilt verlassen. Der Verlauf ihrer Heilung war ganz von der Art, wie ihn Löhe in seinem Ev. Geistlichen beschreibt, wenn er dort II, 312 sagt: „Wird das Haus voll Licht und Lebens, das zuvor voll Dunkelheit oder Zwielicht gewesen ist, so wird es dem höllischen Bewohner in demselben nicht mehr wohl sein und er wird es vielleicht verlassen, ohne alle die leidigen und beschwerlichen Demonstrationen, welche der zweite Weg (des Exorcismus) mit sich bringt.“ Die Person, an welcher dies alles vorgieng, lebt heute noch, ist an einen Bürger des Städtchens F. verheiratet, wo sie der Landmann, aus dessen Munde wir unsern Lesern diese Besessenheitsgeschichte nacherzählen, vor einigen Jahren besuchte, und ist seit Jahrzehnten völlig von ihrer dämonischen Plage frei.




 Wir wollen im Folgenden einige uns eingehender berichtete Fälle dieser Art mittheilen.

 Ein Bauernsohn aus der Altmühlgegend, welcher zeitlebens frisch und gesund gewesen war, bekam von einem alten Weib eine Wurst zu essen. Sehr bald darauf wurde er leidend und bekam Zufälle, die jedermann für dämonischer Art halten mußte. In solchen Fällen pflegt das Landvolk nicht den Arzt oder den Geistlichen zu rufen, sondern man geht zu einem alten| Weib oder einem Schäfer oder sonst wem, der „etwas kann“, und hilft das nicht, so geht man zum katholischen Geistlichen, der den Leuten etwa ein Amulet umhängt, und erst, wenn das alles erfolglos geblieben ist, dann sucht man vielleicht den Arzt. Der genannte Jüngling hatte schon alle diese Curen durchgemacht, er hatte weit und breit alle, die im Ruf standen etwas zu können, gut bezahlt und ihre Ratschläge treulich befolgt, er hatte auch Aerzte gebraucht, allein ohne Erfolg; es war Jahr und Tag vergangen, ohne daß er nur die geringste Arbeit vollbringen konnte, und da er wie der Knabe im Evangelium „oft in’s Feuer und Wasser geworfen wurde“, so konnte er nicht allein gelassen werden und war nicht nur selbst sehr geplagt, sondern auch eine Plage der Seinen. Gegen die benannten Hilfsmittel hatte die aus ihm sprechende Stimme nichts einzuwenden gehabt, und er hatte allenthalben hin gehen oder fahren können ohne Widerstand. Als eines Tages einige Bekannte den Rat ertheilten, man solle den jungen Menschen nach Neuendettelsau zu Löhe bringen, und erzählten, daß auf dessen Gebet hin so viele von ihrer Plage geheilt worden seien, erklärte der Kranke selbst, daß er gerne dorthin wolle; alsbald aber erhob sich die mit schauerlichen Tonen aus ihm sprechende Stimme: „Nach Dettelsau mag ich nicht, überall hin geh ich, aber zu dem Pfaffen in Dettelsau geh ich nicht, das ist der Allerpfiffigste, der soll mir Ruhe lassen“. Der Bursche hingegen erklärte in ruhigen Momenten, daß er sich sehne, baldmöglichst nach Dettelsau zu kommen. Die Angehörigen wollten sich auch aufmachen nach Neuendettelsau zu gehen, allein es war unmöglich, der arme Mensch wurde geworfen und fürchterlich gequält. Nachdem mehrere Versuche, den Weg nach Neuendettelsau zu Fuß zurück zu legen, vereitelt worden waren, entschloß man sich, dorthin zu fahren.| Die Pferde wurden eingespannt, der Kranke von starken Männern auf den Wagen geschafft. Als aber die Pferde anziehen sollten, gieng es nicht, die Thiere schnaubten, schäumten, bäumten sich, brachten den Wagen etwa einige Schritte vorwärts, um dann schweißtriefend stehen zu bleiben. Alles Antreiben war vergebens. Man spannte nun vier Pferde an. Mit diesen gieng es erst nicht besser, doch endlich zogen sie an. In Schweiß gebadet, mit Mühe und Not nach langer Fahrt brachten die vier Pferde, welche stark und wohlgenährt waren, das Wägelchen mit den drei bis vier Menschen nach Dettelsau, d. h. bis vor das Dorf, weiter konnte man sie nicht bringen. Die Leute stiegen dann mit dem Kranken ab, und das Fuhrwerk fuhr leer herein.
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 Der Kranke wurde zu Löhe gebracht. Löhe gebot dem Geist, der aus dem Kranken redete, zu schweigen und hinzugehen, wohin er gehöre. „Ich gehör’ in’s Teufels Reich“ war die Antwort. Hierauf ließ Löhe den Jüngling seinen Glauben bekennen, was demselben fast unüberwindliche Schwierigkeit verursachte. Darauf betete Löhe mit dem Kranken, der nun samt den Seinen Löhe bat, ihn einige Tage zu behalten. Er wurde bei einer braven Familie untergebracht und kam immer zur Zeit des Abendgebetläutens zu Löhe, welcher dann mit ihm und für ihn betete und ihn das apostolische Glaubensbekenntnis und Vaterunser beten ließ. Schon am zweiten Tage sagte er zu seinen Hausleuten, er möchte arbeiten, sie sollten ihm Holz und Werkzeug geben, damit er Schleißen machen könne. Vom dritten Tag an war er wie neugeboren, machte fleißig Holz klein, arbeitete sonst und half seinen Wirtsleuten aus eigenem freien Antrieb in allen Geschäften, während er Jahr und Tag nicht die mindeste Arbeit gethan hatte. Nach acht Tagen konnte Löhe ihn nach Hause schicken, als fröhlichen, von seinem Jammer| genesenen Menschen. Später besuchte er Löhe aus Dankbarkeit noch mehrfach, und es konnte sich jedermann überzeugen, daß er genesen war und blieb.




 Ein Mädchen aus der Gegend des Hahnenkammes wurde zu Löhe gebracht mit dem Bemerken, sie sei „angefochten“, und mit der Bitte, Löhe möge für sie beten. Alle jene Leiden, welche von unregelmäßigem Blutumlauf oder von gestörtem Nervenleben stammend auf das Gemüt wirken und so verschiedenartige Krankheitszustände hervorrufen, sind in der Altmühlgegend, besonders unter der Landbevölkerung, sehr häufig, und jeder Leidende dieser Art nennt sich „angefochten“. Das Mädchen, von dem wir reden, eine große, stattliche Bauerndirne, hatte heftige Zufälle, so daß die Ihrigen sie auch für besessen hielten. Natürlich hatte auch sie schon an vielen Orten Hilfe gesucht; sie trug um den Hals ein Amulet und auf dem Rücken oder der Brust ein Säckchen, das ihr ein katholischer Geistlicher umgehängt hatte. Löhe nahm ihr diese Dinge ab und fand in dem Säckchen, das fest zugenäht war, ein Streifchen Papier, auf dem mit allerlei Zeichen und Schnörkeln ein Spruch aus dem Evangelium Johannis stand; in das Papier waren einige Schweins- oder Hundshaare und ein Stückchen Knochen eingenäht. In andern Fällen der Art fand Löhe in ähnlich beschriebenen Papierstreifen kleine Kreuze oder Medaillen von Blech. Auf die Bitte der Anverwandten willigte Löhe ein, die Dirne einige Tage bei sich zu behalten und zu beobachten. Um sie zu beschäftigen, schickte er sie zu den Mägden in die Küche, wo sie auch eine Weile spülen half. Plötzlich sieht Löhe, der gerade am Fenster stand, von oben – vom Bodenladen aus – etwas herabfliegen. Er meint, es sei ein Kissen oder sonst etwas, aber mit Entsetzen bemerkt er, wie das vermeintliche| Kissen zu laufen anfängt, und gewahrt, daß es seine Patientin sei. Die Dirne war in den Taubenschlag geraten und hatte sich von da kopfabwärts herunter gestürzt, ohne sich nur einen Finger verstaucht oder eine Beule geschlagen zu haben. Sie wurde nun sicherer verwahrt, allein schon am anderen Morgen war sie spurlos verschwunden. Alles suchte, bis man sie endlich gegen Mittag in dem Backofen unter dem Herd, in dem gerade vier Laibe Brot gebacken werden konnten, versteckt fand. Löhe sah ein, daß er diese Person nicht im Haus behalten könne. Die Kranke wurde deshalb in einer Familie des Ortes untergebracht, in welcher eine kranke Tochter war und ein alter Vater, die beide immer zu Hause und im Zimmer sein mußten. Der Vater hatte versprochen, Benigna (so hieß das Mädchen) zu beaufsichtigen und sie am Abend zum Gebetläuten in’s Pfarrhaus zu bringen. Am ersten Tag war es leidlich mit ihr gegangen, aber schon am zweiten Tag kam der alte Mann zitternd vor Aufregung zu Löhe und sagte ihm, daß er Benigna diesen Morgen schon vermißt, aber doch bald in der Krautkufe sie wiedergefunden habe; jetzt fehle sie aber schon wieder seit dem Mittagessen und es sei kein Ort und Winkel in seinem Haus, den er nicht durchsucht habe, ohne sie finden zu können. „Das kann ich Ihnen sagen, Herr Pfarrer“, meinte der alte Mann, „ lieber will ich einen Metzen F.... hüten als diese Person.“ Löhe beruhigte den Mann und versprach ihm, ihren Angehörigen zu schreiben, damit diese sie wieder holten. Als er auf dem Rückweg seines Hauses ansichtig wird, was muß er sehen? Die Vermißte sitzt rittlings oben auf dem First seines Daches und betrachtet sich von diesem erhöhten Standpunkt aus die Welt. Der Mann geht nun, um Leitern anzulegen und sie herunter zu holen, sie wartet anscheinend auch seiner Hilfe, allein wie er eben ansteigt, erhebt| sie sich, klettert wie eine Katze über das Dach und zum Bodenladen herein. Froh, sie nun fest zu haben und mit dem Vorsatz, sie nicht mehr auskommen zu lassen, geht der Mann auf den Boden, um sie herunter zu holen, jedoch sie ist abermals spurlos verschwunden; es kommt die Nacht, man merkt wol hie und da ein kleines Geräusch, doch läßt sich nichts finden; die Nacht vergeht, der Tag auch wieder, man findet sie nicht, man hört im Stall, auf dem Boden, in der Küche, einmal da, einmal dort Geräusch, doch bis man an einen Ort kommt, ist es schon wieder in der anderen Ecke. So vergehen Tage, bis man sie endlich in dem hohlen Raum zwischen dem Stallgewölbe und dem Fußboden des darüber befindlichen Zimmers fand, an einem Ort, der gerade so viel Raum bot, um sich dort verkriechen zu können, ohne daß begreiflich war, wie sie dorthin gelangen konnte. Man brachte sie zu Löhe. Dieser sagte, er wolle noch einmal mit ihr beten und sie des andern Tags in Begleitung einiger Leute nach Hause schicken. Es wurde gebetet und – was sie vorher nicht gethan – sie betete das V. U. mit, setzte sich dann ruhig nieder und erzählte, wie es sie in den Tagen, während sie vermißt wurde, herumgejagt und wie sie nicht so viel Macht über sich gehabt habe, sich deutlich hören zu lassen. Sie erzählte ihre Krankheitsgeschichte und ihren Lebenslauf, verabschiedete sich dann und gieng genesen in ihre Heimat zurück. Man hat nicht gehört, daß sie wieder rückfällig wurde.




 Noch ein dritter Fall mag hier Erwähnung finden. Als Löhe im April 1869 in dem Diaconissenfilial Polsingen bei Gelegenheit der Einweihung des dortigen Betsaals sich mehrere Tage aufhielt, wurde ein etwa 12–13 Jahre altes Mädchen aus Mainheim, das an höchst merkwürdigen Anfällen litt und| seit ungefähr einem Jahre nicht mehr gehen konnte, zu Löhe gebracht. Auf die Bitte der Aeltern betete Löhe über dem Kinde, dessen Angesicht sich während des Betens in schreckenerregender Weise verzerrte. Nachdem das Kind wieder zu sich gekommen war, wurde es mit den Aeltern allein gelassen. Bald aber wiederholten sich die Anfälle und Löhe wurde wieder gerufen. Er betete und machte das Zeichen des Kreuzes über dem Mädchen, worauf es wieder ruhig wurde.

 Es dauerte aber nicht lange, so wurde Löhe zum dritten Male gerufen. Er betete nun noch dringender, sprach den christlichen Glauben und das Vaterunser; das Mädchen schrie laut auf: da wandte Löhe den Exorcismus an, worauf das Mädchen ruhig wurde, tief aufathmete und völlig zum Bewußtsein kam. Jetzt nahm Löhe das Mädchen bei der Hand, forderte sie auf, von der Bank, auf der sie saß, aufzustehen und das Gehen zu versuchen. Da das Mädchen die Füße beim Gehen noch nachschleppte, sagte Löhe zu ihr: Gehe ordentlich! hebe deine Füße besser auf! – Gehe allein! Und siehe: das Mädchen vermochte allein im Zimmer auf und ab zu gehen.

 Nun hieß Löhe die Leute nach Hause gehen, mit der Weisung, ihm wieder Bericht zu erstatten, das Mädchen aber brauche nicht mehr zu kommen.

 Zwei Tage darauf kam der Vater voll Freude und sagte: „Herr Pfarrer, das Mädchen ist gesund, gestern ist sie in der Schule gewesen.“ Das Mädchen blieb gesund.


 Wer ein Tagebuch geführt oder ein sehr gutes Gedächtnis gehabt hätte, alles zu behalten, könnte ein Buch schreiben, wenn er alle Kranken und ihre Leiden nennen wollte, die Löhe’s Gebet und durch dasselbe Hilfe und Heilung suchten. Löhe| selbst sprach selten von seinen Erfahrungen auf diesem Gebiete; er suchte auch den Zulauf abzuwehren, weil er die Kranken nicht nach Bedürfnis unterbringen und verpflegen lassen konnte. Früher nahm er oft auf vieles Bitten hin Leidende vorbenannter Art in sein Haus auf, als aber späterhin seine Kinder mehrfach schwere Krankheiten durchzumachen hatten, konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, diesen Umstand mit den vielen Kranken und Besessenen in Verbindung zu bringen, die so häufig in seinem Hause gewesen waren. Doch wurde auch späterhin, besonders auch auf schriftlichem Wege, Löhe’s Gebet in Fällen von gewöhnlichen oder durch dämonischen Zauber verursachten Krankheiten oft gesucht, und Gott schenkte ihm viele, oft augenfällige und augenblickliche Erhörung. In seinen Briefen an eine ihm nahestehende vertraute Person rühmt er die große Gnade, welche Gott ihm durch die vielfachen und augenfälligen Gebetserhörungen schenke.





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