| Die Generalsynode des Jahres 1849.
Unter ernsteren Auspizien hat keine bayerische Generalsynode ihre Beratungen begonnen als diejenige, welche in der Zeit vom 28. Januar bis 21. Februar 1849 in Ansbach tagte. Durch die tiefeingreifenden Veränderungen auf staatlichem Gebiet war auch der bisherige Rechtsbestand der Landeskirche ins Schwanken geraten. Mit den Grundrechten schien ein neuer, vorläufig freilich noch völlig unsicherer Rechtsboden für die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche geschaffen. Diese veränderten Beziehungen der Kirche zum Staate neu zu regeln betrachtete die öffentliche Meinung und die Synode selbst als einen wesentlichen Teil ihrer Aufgabe. Schon bei dieser Frage war ein Aufeinanderplatzen der Geister zu erwarten. Noch heftigere Kämpfe stellte die Verschiedenheit der konfessionellen und theologischen Ueberzeugungen, die sich innerhalb der Synode begegneten, in Aussicht. Die äußerste Rechte der Synode bildete die kleine, konfessionell entschieden gesinnte Fraktion der Gesinnungsgenossen Löhes, der v. Tucher, Decan Gademann, Pfarrer Deinzer, Hommel, Ott, Sörgel und noch etliche Landleute angehörten, und der sich bei manchen Abstimmungen noch etliche der übrigen Synodalen von verwandter Ueberzeugung anschlossen. Den Ausschlag bei den Abstimmungen gab die an Zahl am stärksten vertretene Mittelpartei, die in ihrem Schoße allerdings sehr mannigfach abgestufte konfessionelle Standpunkte bis zum unionistisch verschwommenen Standpunkt herab vereinigte. Auch an einer äußersten rationalistisch gesinnten Linken fehlte es nicht, die durch die plumpe Derbheit ihres Auftretens ersetzte, was ihr an Zahl und geistiger Bedeutung abgieng. In Folge der damals noch bestehenden Unterordnung der wenigen reformierten Gemeinden im diesseitigen Bayern unter das Regiment der bayerischen Landeskirche saßen auch zwei reformierte Abgeordnete in der Generalsynode. Schon dies flüchtige Bild von der Zusammensetzung der Synode zeigt, daß Löhe nicht Unrecht
| hatte, wenn er behauptete, die Generalsynode von 1849 habe eher einem kirchlichen Parlamente als einer wahrhaftigen Repräsentation
der Kirche geglichen, die Art.
VII der Augustana als Minimum der Eintracht fordere, daß
einträchtiglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Worte gemäß gereicht werden. Löhe leugnete es nicht, daß die Generalsynode von 1849 im Vergleich zu den früheren Synoden der bayerischen Landeskirche einen Fortschritt bezeichnet, daß in ihr viel mehr Bekenntnistreue und Dringen auf Bekenntnistreue als früherhin zu bemerken war, aber am Maßstab einer wahrhaft kirchlichen Synode gemessen erschien sie ihm doch allzusehr hinter ihrer Aufgabe zurückgeblieben.
Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, eine Geschichte dieser Synode zu schreiben, vielmehr wird es für unsern Zweck genügen, wenn wir die Anträge, Beschwerden und Forderungen, welche Löhe im Namen des evangelisch-lutherischen Bekenntnisses an die Generalsynode richtete, und die Beschlüsse, welche dieselbe zur Erledigung der wichtigsten Punkte der Löheschen Petition faßte, hier einer etwas eingehenderen Würdigung unterziehen. Die Petition, welche er zur Vorlage an die Generalsynode verfaßte, und welche von 7 geistlichen und weltlichen Synodalabgeordneten, 24 Pfarrern und vielen Gemeindegliedern, im Ganzen von 330 Personen unterschrieben war, finden unsere Leser als Nummer 1 der Aktenstücke zur kirchlichen Bewegung in Bayern im Anhang in extenso mitgeteilt.
Welche Aufnahme und Erledigung fanden nun diese Anträge und Beschwerden bei der Generalsynode?
Der ersten Forderung: „daß von der Synode in
corpore ein unumwundenes, rückhaltloses Bekenntnis zu den gesamten Symbolen der lutherischen Kirche nach dem rechtverstandenen
quia, nicht
quatenus gegeben werde“ kam die Generalsynode gewissermaßen
| zuvor. Beim Beginn der
VII. Sitzung zu Anfang der Beratung über die Verfassungsfrage trat der erste Sekretär der Synode, der Jurist
Dr. Bucher von Würzburg, auf und apostrophierte nach einigen einleitenden Worten die Versammlung folgendermaßen: „Lassen Sie unsern Verhandlungen den Stempel der kirchlichen Weihe aufdrücken damit, daß wir frei, offen und unumwunden
erklären, daß wir auf dem Grunde unseres evangelisch-lutherischen Bekenntnisses stehen. Weichen wir nicht von diesem Grunde, so können wir weder von oben, noch von unten verkannt werden; der König wird erkennen, daß wir auf unerschütterlichem Grunde stehen, und die uns gesandt, müssen inne werden, daß wir ein festes Haus bauen wollen, dessen Grund der ist, der von Anfang an gelegt ist. Folgen Sie diesem Drange Ihres Herzens und bekennen Sie es mit mir, daß wir auf nichts anderes bauen als auf das evangelisch-lutherische Bekenntnis.“ – Nach diesen Worten erhob sich die Versammlung mit Ausnahme von etwa elf Gliedern und gab ihr Ja und Amen. Ein geistlicher Abgeordneter war von der feierlichen Gewalt dieses Augenblicks so ergriffen, daß er ausrief: „Der Segen des HErrn ruhe auf dieser Stunde! Amen.“
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Eine plötzliche Begeisterung schien die Synode ergriffen zu haben, man fühlte sich gehoben im Bewußtsein solch unerwarteter Einmütigkeit und Einhelligkeit im Glauben und Bekenntnis – aber die Ernüchterung kam bald. Zwar daß der reformierte Synodalabgeordnete
Dr. Renaud sich sofort in seinem und der Seinigen Namen zum reformierten Bekenntnis bekannte, war nur selbstverständlich, wenn sich auch dadurch sofort der alte Schade der konfessionellen Mischgestalt der bayrischen Landeskirche bloßlegte. Der Protest hingegen, welche der Abgeordnete v. Muffel in der Sitzung vom 15. Februar gegen die Benennung „unsere evangelisch-lutherische Kirche“ und gegen den Bekenntnisakt vom 5. Februar und zwar „im Interesse der freien Forschung“ erhob, mußte der Selbsttäuschung
| der Synode in betreff ihrer vermeintlichen Glaubenseinigkeit gründlich ein Ende machen. Nur 29 Abgeordnete schlossen sich den Gegenprotesten des Dekan Maier von Rügheim und des Abgeordneten Hommel an. Schließlich reduzierte der Abgeordnete Bucher, der geistige Urheber jenes Bekenntnisaktes, wenigstens für seine Person den Wert desselben dadurch auf Null, daß er bei Gelegenheit des v. Muffelschen Protestes seinem Bekenntnis vom 5. Februar folgende authentische Interpretation gab: „Dem evangelisch-lutherischen Bekenntnisse, wie solches in den Bekenntnisschriften niedergelegt d. h. im Geist aufgefaßt ist, nicht aber dem tötenden Buchstaben dieser Blätter hange ich an und betrachte letztere als den Ausdruck, nicht aber als den strikten Inbegriff dieses Bekenntnisses. Ferner erblicke ich in diesem Bekenntnis lediglich ein Zeugnis von der evangelischen Freiheit der Forschung in der heiligen Schrift... Eben im Vollgefühle dieser evangelischen Freiheit erkläre ich, daß ich auf dem Fundamente der evangelisch-lutherischen Bekenntnisse stehe.“ Ein anderer Abgeordneter geistlichen Standes äußerte einige Tage darauf: „Weder die symbolischen Bücher der evangelisch-protestantischen Kirche, noch die dogmatischen Schriften der bewährtesten protestantischen Theologen gäben einen bestimmten Begriff von dem in unsern Tagen so häufig genannten evangelisch-lutherischen Bekenntnis, noch könne dieser Begriff auf geschichtlichem Wege unzweifelhaft gewonnen werden.“ (!) Ein rationalistisch gesinnter Dekan erklärte geradezu: „Die Generalsynode sei keine lutherische, sondern eine protestantische, sie habe es nicht mit den Angelegenheiten der lutherischen, sondern mit denen der gesamten protestantischen Kirche zu thun. Das Dogma könne hier durchaus nicht entscheiden.“
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Kann man nach solchen und ähnlichen Erklärungen der Synode Löhe Unrecht geben, wenn er von dem mancherseits als eine höchst erfreuliche kirchliche That gepriesenen Bekenntnisakt, vom 5. Februar eine sehr geringe Meinung hatte, ja „dies winzige Bekenntnis der
| Synode zum Bekenntnis nur als ein Manöver, die Bekenntnisfrage zu umgehen“ als eine „Komödie“ bezeichnete? Wird man es ihm verargen, wenn er – natürlich unter Anerkennung des konfessionellen Standpunkts
Einzelner – der Synode als
Körperschaft den lutherischen Namen und Charakter absprach? Wollte die Mehrheit der Synode sich ja nicht einmal für die von Löhe (s.
Petition II, 2) beantragte Trennung des Kirchenregimentes der lutherischen und der reformierten Kirche aussprechen, aus Furcht den Vorwurf der Lieblosigkeit auf sich zu laden, wie sie andrerseits auch der unierten pfälzischen Kirche gegenüber, welche damals die Aufhebung ihrer Unterstellung unter das protestantische Oberkonsistorium beantragt hatte, den Wunsch aussprach, daß dieselbe sich wieder mit ihr unter Einem Kirchenregiment vereinigen möge. Und doch wollte eben diese pfälzische Kirche sich nicht einmal auf den Boden der sog. Konsensusunion sondern mit Entschiedenheit auf den der konfessionslosen Union stellen und hatte hauptsächlich aus dem Grunde mit dem Oberkonsistorium in München sich überworfen und die Lösung des bisherigen kirchenregimentlichen Verbandes beantragt, weil die oberste Kirchenbehörde den § 3
[1] der pfälzischen Unionsurkunde in dem Sinne deutete, daß der Konsensus der lutherischen und reformierten Symbole als Bekenntnis der pfälzischen Union gelten sollte. Die pfälzische Generalsynode hingegen wollte aus dem erwähnten Paragraphen das Recht der kirchlichen Lehrfreiheit ableiten und gab zugleich von dem was sie unter Lehrfreiheit verstand eine unzweideutige Probe dadurch, daß sie einen öffentlichen Leugner der Gottheit Christi zu ihrem Sekretär erwählte. Zwar erließ die diesseitige Generalsynode in einer ihrer letzten
| Sitzungen eine ernste Ansprache an die Pfälzer, in der die Notwendigkeit eines kirchlichen Bekenntnisses und das Ungenügende einer Berufung auf die heilige Schrift als alleinige Lehrgrundlage treffend nachgewiesen ist, aber sie wußte doch auch in dieser Ansprache der unierten pfälzischen Kirche keine höhere Zumutung zu machen, als die, sich auf den Boden der Konsensusunion zu stellen, und keinen dringenderen Rat zu ertheilen als den, wieder unter die gemeinsame Ordnung des kirchlichen Regimentes zurückzukehren.
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Und wie im Verhältnis zu Reformierten und Unierten, so ließ die Synode auch offenbaren Leugnern und Gotteslästerern gegenüber die nötige Entschiedenheit kirchlichen Handelns vermissen. Löhe hatte (
Petition II, 8) die Uebung wenigstens des unerläßlichen Minimums von Kirchenzucht gegenüber offenbar ungläubigen, dem Bekenntnis beharrlich widersprechenden, in Lastern und groben Sünden lebenden Gemeindegliedern beantragt. Es lag auch der Synode ein eklatanter, die Strenge kirchlicher Zuchtübung herausfordernder Fall dieser Art vor: die Platner-Ghillanysche Petition „Verbesserung der protestantischen Glaubensschriften und des protestantischen Kirchenwesens betreffend“, in welcher die Lehren von der Gottheit Jesu, von der Existenz eines bösen Geistes, von der Erbsünde, von der ewigen Verdammung aller Menschen und ihrer alleinigen Rettung durch den Glauben an das versöhnende Opferblut Christi, endlich die Lehre von der Auferstehung des Fleisches als heidenchristliche Verunstaltungen der reinen Lehre Jesu, als nicht zu rechtfertigender Aberglaube bezeichnet, deren Beseitigung aus dem protestantischen Lehrbegriff verlangt und im Weigerungsfall mit Austritt aus der lutherischen Kirche unter Vorbehalt der Ansprüche auf einen entsprechenden Teil der Kirchengüter gedroht wurde. Löhe und viele andere mit ihm erwarteten, daß die Synode diese Lästerschrift durch eine kirchliche That, nämlich die der Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit solchen Lästerern, beantworten werde.
| Die Generalsynode hatte aber keine andere Antwort als „Indignation und Hoffnung auf Rückkehr der Verirrten“.
Diese Mitteilungen werden hinreichen, die Stellung der Generalsynode zum Bekenntnis zu charakterisieren. Ein vollbewußtes Stehen auf den Symbolen, eine Bekenntnistreue, die nicht bloß mit der Thesis des Bekenntnisses sich einverstanden wußte, sondern auch ein Verständnis für die ausschließende Bedeutung des Bekenntnisses und die daraus sich ergebenden Folgen für das kirchliche Verhalten besaß, fand sich bei den allerwenigsten Gliedern der Synode. Hier war die scharfe Kritik der Synodalverhandlungen, die Löhe in seinem Schriftchen: „Die bayerische Generalsynode vom Frühjahr 1849 und das lutherische Bekenntnis“ übte, am verdientesten.
Anders lag die Sache bei der Frage nach der Fortdauer des landesherrlichen Summepiskopats, insofern als die Synode hier keine Macht zu beschließen, sondern nur das Recht der Meinungsäußerung oder der Bitte hatte. Die Synode entschied sich für „Fortbestand des landesherrlichen Summepiskopats unter wesentlichen Modifikationen“. Manche Synodalen, darunter auch einige Unterzeichner der Löheschen Petition, stimmten diesem Beschlusse mit dem Vorbehalt bei, daß damit nur ein Provisorium aufgerichtet, kein Definitivum geschaffen werden solle. Man war sich eben dessen bewußt, daß die Frage nach der Fortdauer des landesherrlichen Summepiskopats eine und dieselbe sei mit der Frage nach dem Fortbestand der Volkskirche als solcher und scheute vor der Verantwortung zurück, eine solche Entwicklung der Dinge selbstthätig herbeizuführen. Daß an dem erwähnten Beschluß der Synode übrigens auch Menschenfurcht und andere nicht aus dem Geist stammende Rücksichten ihren Anteil gehabt haben mögen, soll damit nicht geleugnet werden. Von manchen Seiten verstieg man sich sogar zu prinzipiellen Rechtfertigungen des Summepiskopats des Landesherrn. So erklärte z. B. ein Dekan denselben für ein charakteristisches Merkmal der
| lutherischen Kirche, womit sie, der römischen und reformierten Kirche gegenüber sich als die Kirche der gerechten Mitte erweise; ja ein anderer Dekan stellte geradezu die Behauptung auf: die Kirche habe sich immer unter dem Zepter besser befunden, als unter dem Krummstab.
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Löhe, der in seiner Petition den Antrag an die Generalsynode gerichtet hatte, sie möge auf die Vorteile des königlichen Summepiskopats verzichten und an den Landesherrn die Bitte stellen, auch seinerseits auf das Summepiskopat Verzicht zu leisten, war selbstverständlich mit dem Beschluß der Synode in Betreff des landesherrlichen Summepiskopats sehr unzufrieden. Die Eventualität, welche auch viele der bestgesinnten Mitglieder der Synode fürchteten: Auflösung der Volkskirche, Wegfall der bisherigen autoritativen Stützen des Kirchenregiments, freikirchliche Gemeindebildungen etc. war für ihn keine schreckende, sondern vielmehr eine wünschenswerte Aussicht. Die Verfassung der apostolischen Kirche, deren Studium ihn in dieser Zeit viel beschäftigte (vgl. seine im Jahre 1849 bei Raw in Nürnberg erschienenen Aphorismen über die neutestamentlichen Aemter und ihr Verhältnis zur Gemeinde) war das kirchliche Verfassungsideal, das Löhe im Herzen trug. Auch sah er in dem damals noch einheitlichen Bestande der separierten Kirche in Preußen den geschichtlichen Beweis geliefert, daß „bei vorhandener Einigkeit im Glauben und Bekenntnis es einem wahrhaft kirchlichen Regiment auch ohne den Stecken des Treibers, d. h. ohne den gewaltigen Namen eines irdischen Königs an einigender, zusammenhaltender Kraft und Autorität nicht fehle.“ Von solchem Standpunkte aus verurteilte Löhe den Beschluß der Generalsynode in Sachen des Summepiskopats mit vielleicht zu großer Schärfe. „Die Synode – sagte er –
konnte den Hirtenstab nicht übernehmen,
darum übertrug sie ihn einem Fürsten und zwar einem römisch-katholischen Fürsten.“ „Wenn die Rede davon war, daß die Mecklenburger ihren Großherzog gerne
| selbst zum obersten Bischof ihrer Landeskirche wählen würden, so ist dies immer noch etwas ganz anderes; ihr Landesherr ist gleichen Glaubens, ein
praecipuum membrum ecclesiae. Aber der König von Bayern ist ja römisch.“ „So geht doch alles fein päpstisch her. Unter dem Papste hausen Römische, unierte Griechen, armenische Christen, Dominikaner, Franziskaner, Jesuiten etc.; sie sind Eins im Kirchenregiment, im Papst;
der bindet sie alle zusammen und ersetzt ihnen allen mit seinem Hirtenstabe die mangelnde Einigkeit der Geister. Hier (in Bayern) hausen die gestrengen Lutheraner, die mäßigen, die Pietisten, die Rationalisten – alle vereinigt durch Eine Synode und durch Ein Kirchenregiment. Das Summepiscopat ist römisch, das Kirchenregiment ist uniert, die Kirche ist lutherisch, reformiert, uniert, rationalistisch.
Indes trotz dieser schneidenden Kritik war Löhe doch maßvoll und unbefangen genug, die Aufhebung des landesherrlichen Summepiscopats für keine conditio sine qua non seines Bleibens in der Landeskirche zu betrachten. „Wäre weiter nichts – sagte er in seiner schon erwähnten Beleuchtung der Synodalbeschlüsse – als der Summepiskopat des römisch-katholischen Fürsten, wir würden uns bedenken. Wir würden uns bei entschiedener Liebe und Bewunderung der ebenso freien als festen, durch die Geschichte völlig bestätigten apostolischen Verfassung doch in jede Verfassung gefunden haben. (Aber) es handelt sich vor allem um Bekenntnistreue etc.“
Es scheint uns von Wichtigkeit, diesen Punkt schon hier zu betonen. Nicht seine Vorliebe für freikirchliche Institutionen war es in erster Linie, was Löhe den Gedanken des Austritts aus der Landeskirche so ernst nahe legte, auch nicht die sittlichen Schäden der Landeskirche und die mangelnde Sittenzucht innerhalb derselben, sondern der Mangel an Bekenntnistreue, die thatsächliche Nichtgeltung des Bekenntnisses bei formaler Rechtsbeständigkeit desselben. Darauf, nämlich auf Wahrung des Bekenntnisses und Einführung desselben
| in seine Rechte, zielten alle seine an die Generalsynode gerichteten Anträge ab; dafür kämpfte er sein Leben lang, wenn auch späterhin, und zwar je länger desto mehr nach Lage der kirchlichen Verhältnisse in Bayern sein Kampf für das Bekenntnis und sein Gegensatz gegen das unionistische Wesen im Lande sich auf Bekämpfung der Abendmahlsmengerei und die Anbahnung einer reinen Abendmahlspraxis konzentrierte. Die entschiedene Betonung der (im Verhältnis zu dem heilsordnungsmäßigen Charakter der Gnadenmittel zwar untergeordneten, im Gegensatz aber zu unierten Anschauungen so wichtigen) Bedeutung der Sakramente als der
notae professionis ermöglichte es ihm, das Wesen der konfessionellen Treue in der strenggläubigen Festhaltung der reinen Abendmahlslehre und in der entsprechend gewissenhaften Verwaltung der sakramentlichen Stiftung des HErrn zu finden. Wie gesagt, gehört übrigens diese praktisch-populäre
Formulierung des Gegensatzes gegen die Union d. h. die Beschränkung des Kampfes um das kirchliche Bekenntnis auf das Gebiet der
Abendmahlsgemeinschaftsfrage einer etwas späteren Zeit an, wenn gleich Löhe schon damals in seiner
Petition 4a beantragt hatte, „daß die lutherischen Pfarrer angewiesen werden sollten, keine refomierten Gemeindeglieder zum heiligen Abendmahl anzunehmen etc.“
Doch wir kehren von dieser schon etwas vorgreifenden Betrachtung wieder zu der Berichterstattung über die Verhandlungen der Generalsynode von 1849 zurück.
Die meisten Anträge der Löheschen Petition waren im Laufe der Verhandlungen der Synode irgendwie zur Erledigung gekommen.
Als endlich – in der letzten Sitzung, fast vor Thorschluß – der Referent, Dekan Bachmann von Windsbach, mit seinem Bericht über die Löhesche Petition zum Vortrag kam, mußte sie mit einer dem Gegenstand nicht geziemenden und nicht förderlichen Eile abgethan werden. Bezüglich der noch unerledigten Punkte der
| Petition (
Ziffer 4, a und
b und
Ziffer 8) beschloß die Synode auf Antrag des Referenten:
- „daß alle lutherischen Geistlichen bei ihrer Ordination und alle Religionslehrer bei ihrer Amtseinweisung verpflichtet werden sollten, die geoffenbarte Lehre des heiligen Evangeliums nach dem in den sämtlichen symbolischen Büchern niedergelegten Bekenntnisse der Kirche treu und lauter zu predigen und
- daß in allen vorkommenden Fällen fortan streng auf Bekenntnistreue der Pfarrer und Religionslehrer gesehen, die Abweichenden belehrt, ermahnt, gewarnt und bei beharrlichem Widerstand vom Amte entfernt werden sollten.“
Damit war Ziffer 4, a und b der Löheschen Petition erledigt und zwar, wie es schien, in einer die Antragsteller befriedigenden Weise. Allein Löhe erklärte sich durch diesen Synodalbeschluß nicht zufriedengestellt. Nicht nur, daß er den Ausdruck „das in sämtlichen symbolischen Schriften niedergelegte Bekenntnis“ zu unbestimmt und zweideutig (weil im Sinne des quatenus deutbar) fand; der wesentlichste Mangel dieses Beschlusses schien ihm die stillschweigende Uebergehung seiner ausdrücklich gestellten Forderung „einer Verpflichtung auf sämtliche Symbole mit quia, nicht mit quatenus“ zu sein.
Gänzlich ungenügend fiel der Beschluß der Synode aus den sub. Ziffer 8 gestellten Antrag Löhes aus. Löhe hatte dort als unerläßliches Minimum der Zucht ein „Verbot der Spendung des heiligen Abendmahls an offenbar ungläubige, dem Bekenntnis beharrlich widerstrebende, in Lastern und groben Sünden lebende Gemeindeglieder, bevor sie den Unglauben und die Sünde erkannt und Zeichen der Reue gegeben hätten“ gefordert. Der Berichterstatter jedoch beantragte am Schlusse seines übrigens ernst und würdig gehaltenen Referates, es sei an das k. Oberkonsistorium die Bitte zu stellen:
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- 1) daß unter Bezugnahme auf eine bereits bestehende Verordnung die Gesamtgeistlichkeit ermahnt werde, es hinsichtlich der Zulassung zum heiligen Abendmahl hinfort ernster und strenger zu nehmen, als es bisher der Fall gewesen sei; und
- 2) daß ausdrücklich ausgesprochen werde, es solle keinem Geistlichen zugemutet sein, wider sein Gewissen jemandem das heilige Abendmahl zu reichen etc.
Löhe hielt diesen Antrag mit Recht nicht für ausreichend. Er überließ die Zuchtübung dem Gewissen und der Treue des einzelnen Hirten, während Löhe von dem richtigen Grundsatz ausgieng, daß bei der Handhabung der Zucht alle Bedeutung und aller Segen pastoralen Handelns „in der allgemeinen Anerkennung und Uebung der Kirche liege, und diese sich richtig allein in einem Verbote ausspreche,“ wie er es sub Ziffer 8 seiner Petition gefordert hatte. Allein die Synode warf sogar den Antrag ihres Referenten als zu weitgehend ab, und der von ihr unter großem Tumult durch Stimmenmehrheit gefaßte Beschluß gieng nur dahin: „es solle bei der bereits in dieser Beziehung bestehenden Verordnung sein Verbleiben haben und dem k. Oberkonsistorium überlassen bleiben, dieselbe bei der Geistlichkeit in Erinnerung zu bringen.“
Das war nun freilich ein mehr als dürftiges, auch hinter billigen Erwartungen zurückbleibendes Resultat der Löheschen Bemühungen um Aufrichtung der Zucht. Die allerdings durch die Umstände gebotene Eile und Eilfertigkeit, mit welcher die ernsten gravamina seiner Petition behandelt, ja in einer Art von summarischem Handeln abgethan wurden, bestärkte ihn in dem Eindruck, daß es der Synode wie an Bekenntnistreue selbst, so auch an dem Willen und der Fähigkeit gefehlt habe, die bekenntnis- und schriftwidrigen Mißstände der Landeskirche in Lehre und Leben zu beseitigen.
In der bereits mehrfach erwähnten „Beleuchtung der Synodalbeschlüsse“, die im März des Jahres 1849 bald nach Schluß der
| Generalsynode erschien, resümierte er sein Urteil über dieselbe in folgenden Sätzen: Man kann an der Synode im Vergleich mit früheren viel Löbliches finden, aber Bekenntnistreue im kirchlichen Sinne kann ihr nicht nachgesagt werden. Viele haben sich als Gegner der Bekenntnistreue erwiesen – und auch die hervorragendsten Männer haben es unterlassen, es zu sagen, was sie unter Bekenntnistreue verstehen. Da war nirgends ein einmütiges, nirgends ein völliges Bekenntnis; niemals paßte Art.
VII der
Augustana auf diesen obersten Rat der sogenannt lutherischen Landeskirche Bayerns... Die Synode ist trotz vielen Redens von „unserer lutherischen Kirche“ doch als Synode uniert und zwar nicht bloß mit den Reformierten, sondern auch mit den Rationalisten in ihrer Mitte etc.
- ↑ Anm. Dieser Paragraph lautet: „Die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche (der Pfalz) hält die allgemeinen Symbola und die bei den gesamten protestantischen Konfessionen gebräuchlichen symbolischen Bücher in gebührender Achtung, erkennt jedoch keinen andern Glaubensgrund noch Lehrnorm als allein die heilige Schrift.“