Zum Inhalt springen

Wie die Päpste von der Bibel denken

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
>>>
Autor: –h–
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Wie die Päpste von der Bibel denken
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 833–834
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[833] Wie die Päpste von der Bibel denken. In der neuesten Bannbulle beruft sich Pius der Neunte vielfach auf die Bibel; daher mag es nicht uninteressant sein zu hören, wie und was die Päpste von der Bibel eigentlich denken und sagen. Dabei lasse ich nur Päpste nach der Reformationszeit reden.

Bekanntlich sollen nach Benedict dem Vierzehnten Schriften und Bücher religiösen Inhalts, besonders aber die Bibel in der Volkssprache nur gehalten und gelesen werden, wenn sie mit Noten aus den Kirchenvätern oder mit erklärenden Anmerkungen von gutkatholischen Gelehrten gehörig versehen sind; außerdem müßten sie die Approbation des heiligen Stuhls besitzen. Im Gegenfall sind sie „mit Stumpf und Stiel auszurotten“.

Was dieses „Ausrotten mit Stumpf und Stiel“ eigentlich und schließlich bedeutet, zeigt erstlich der Umstand, daß im Jahr 1854 die Polizeidirection von Ofen in Ungarn, natürlich auf Veranlassung und Antrieb der erzbischöflichen Curie, die hunderteinundzwanzig Bibeln, welche bei der evangelischen Gemeinde dort aufgespürt worden, bis auf ein Exemplar, „woran der Pfarrer genug habe“, wegnehmen, in der Papierfabrik zu Brei stampfen, den Erlös daraus der evangelischen Gemeinde zustellen und den Empfang desselben vom Pfarrer sich quittiren ließ; ferner die Thatsache, daß noch am 7. December 1859 vor dem hierzu festlich beleuchteten Palast des Erzbischofs von Santa Fe de Bogota in Neugranada (Südamerika) eine massenhafte Bibelverbrennung stattgefunden hat. Kommen dergleichen Einstampfungen und Verbrennungen nicht zahlreicher vor, so geschieht das wohl nur, um mit Pius dem Siebenten zu reden, „aus zeitweiliger Accommodation an die Verhältnisse der Neuzeit“.

Daß diese „zeitweilige“ Anbequemung keine freiwillige, sondern blos eine durch den „verfluchten Geist der modernen Civilisation“ aufgenöthigte ist, bezeugen die alten und neuen Wuthausbrüche der Päpste gegen Bibeln und Bibelgesellschaften.

So befahl, um nur Einiges anzuführen, eine Satzung des Papstes Innocenz des Elften vom Jahre 1687: „Jeder sei gehalten, seine Bibel den Ortsgeistlichen auszuliefern, welche sie verbrennen sollen.“

Clemens der Elfte verdammte in der Bulle „Unigenitus“ vom Jahre 1713 die Behauptung des Jansenisten Quesnel: „es ist nützlich und nothwendig für Jedermann, zu jeder Zeit und an jedem Orte die heilige Schrift zu studiren.“

Clemens der Dreizehnte bedrohte das Lesen einer italienischen Bibelübersetzung seitens der Laien mit Galeerenstrafe.

Pius der Siebente bezeichnet in seiner Bulle vom 29. Juni 1816 den Wiederabdruck einer polnischen, von Clemens dem Achten im Jahr 1599 genehmigten Bibelübersetzung als „Pest und gottloses Unternehmen“. Die Bibelgesellschaften aber nennt er „arglistige Erfindung, wodurch selbst die Pfeiler der Religion untergraben werden.“

In einer andern Bulle vom Jahre 1819 über Verbreitung der heiligen [834] Schriften in den irischen Schulen schilt derselbe Pius die Bibel „eine Aussaat des Unkrauts, wodurch die Kinder schon früh mit dem heillosen Gift verdorbener Lehre angesteckt werden.“

Leo der Zwölfte bezeichnet in der Bulle vom 3. Mai 1824 die Bibelgesellschaften als „hinterlistige Erfindung“, warnt vor ihrer „tödtlichen Weide“ und nennt eine Bibel in der Volkssprache „todbringendes Geschenk“, eine protestantische Bibel aber gar „Evangelium des Teufels“.

Pius der Achte pflichtet dem Urtheil seines Vorgängers bei, indem auch er die von Bibelgesellschaften verbreiteten Bücher „eine Pest und die gefährlichste aller Ansteckungen“ nennt.

Gregor der Sechszehnte erließ am 8. Mai 1844 eine eigene Bannbulle gegen die Bibelgesellschaften, worin es heißt: „Wir haben beschlossen, sämmtliche Bibelgesellschaften mit apostolischer Autorität zu verdammen.“ Zugleich befiehlt er kraft derselben Autorität den Geistlichen, „die Bibeln in der Volkssprache den Gläubigen aus den Händen zu reißen“.

Pius der Neunte endlich sagt in seinem Rundschreiben an die Bischöfe vom Jahre 1850: „Unter dem Beistand der durch diesen heiligen Stuhl verdammten Bibelgesellschaften entblödet man sich nicht, heilige in die Muttersprache übertragene Bibeln ohne Beachtung der bestehenden Kirchenvorschriften zu verbreiten; unter falschen Vorspiegelungen empfiehlt man den Gläubigen das Lesen derselben. Ihr in Eurer Weisheit, ehrwürdige Brüder, begreift vollkommen, mit welcher Wachsamkeit und Sorgfalt Ihr Euch bemühen müßt, in den Gläubigen einen Schauder vor solch giftigem Lesen zu erwecken. Eure Aufgabe ist, sie zu erinnern daß kein Mensch das Recht hat, mit eigenem Verstande die Bibel zu erklären; daß Keiner sich anmaßen darf, die Schrift anders zu erklären, als die heilige Mutter Kirche, der allein unser Herr die Vormundschaft über den Glauben, die Entscheidung des wahren Sinns und die richtige Auslegung der heiligen Bücher anvertraut hat.“... „Weil also“ – fährt derselbe Pius in seiner Verfügung vom 24. März 1864 fort – „die Erfahrung zeigt, daß, wenn die heilige Schrift allenthalben in der Volkssprache zugelassen wird, daraus durch die Vermessenheit der Menschen mehr Nachtheil als Nutzen entspringt: so sei es in dieser Beziehung dem Urtheil des Bischofs oder des Inquisitors (Ketzerspürers) anheimgestellt, mit Beirath des Pfarrers oder des Beichtvaters das Lesen der von katholischen Verfassern übersetzten heiligen Schrift in der Muttersprache denjenigen zu erlauben, von welchen sie wissen, daß sie durch dieses Lesen keinen Schaden leiden … welche Erlaubniß diese schriftlich besitzen müssen … Wer aber ohne solche Erlaubniß sie zu lesen oder bei sich zu behalten wagt, der soll, bevor er sie dem Diöcesanbischof ausgeliefert hat, keine Sündenvergebung erhalten,“ was nach päpstlichen Begriffen nichts Anderes heißt als: Der soll in Todsünden sterben und – zur Hölle fahren.

Daher kann es nicht auffallen, von Quirinus in seinen Briefen über das vaticanische Concil vom Jahre 1870 zu hören: „Hier in Rom kann man wohl fast in allen Häusern ein Lotterie-Traumbuch finden, aber nie ein neues Testament und nur höchst selten ein Erbauungsbuch. Es ist, als ob der Grundsatz gelten solle: Je unwissender das Volk, desto größer muß der Antheil sein, welchen die Hierarchie dieses Volkes an der Herrschaft in der Kirche hat.“

Dem füge ich nur bei, daß die Bibel von den Papstgläubigen nicht gelesen werden soll, weil die Grundpfeiler des Papstthums und der römischen Curie eben nicht auf der Bibel ruhen.

–h–