Weihnachtsabend im Stall
[834] Weihnachtsabend im Stall. (Mit Abbildung, Seite 831.) Es ist wirklich nicht blos ein Phantasiebildchen, etwa in eines pferdefreundlichen Künstlers Kopfe entstanden, sondern es ist die reine liebe Wirklichkeit eines Berliner Reiterpferdestalles am Weihnachtsabende, was wir da vor Augen haben. Wie weit diese schöne Sitte außerhalb Berlins verbreitet ist, können wir leider nicht angeben; das aber wird uns versichert, daß nur bei der Garde du Corps ein solches Stallfest nicht zu finden sei. Dagegen ist anzunehmen, daß dasselbe von Berlin sich Bahn in die Provinzen gebrochen habe, schon aus dem einfachen Grunde, weil einem Bedürfnisse des Gemüthes der deutsche Mensch überall mit Vorliebe abzuhelfen pflegt.
Es ist ein harter Dienst, der Reiterdienst. Man sieht nicht umsonst hoch zu Roß auf den Fußsoldaten hinab. In der Sorge für das leibliche Wohl von Roß und Mann nimmt jenes die erste Stelle ein, im Frieden wie im Kriege. Darum ist’s diesem zu gönnen, wenn er am Abende nach der letzten Fütterung und dem Streumachen zum Ausruhen sich so behaglich anlehnen kann, wie’s der Unsrige im Bilde thut. Aber heute ist's Weihnacht: der Kriegsmann hat ja auch eine Kindheit gehabt und hat eine Heimath, ein Vaterhaus, wo jetzt der strahlende Christbaum in einem Winkel des Stübchens oder auf dem alten Familientische steht, oder von der Decke herabhängt – und wie ihm einst als Knabe dort das Herz vor Wonne gelacht, so geschieht es jetzt Anderen, wenn’s nicht ganz still in dem heimischen Raume geworden ist. – Aber wie es auch daheim geworden sein mag, das Herz verlangt sein Recht, es muß seinen Weihnachtsabend feiern, und zwar mit seinem vertrautesten Cameraden. Ohne der menschlichen Freundschaft Eintrag zu thun, steht dem wackeren Reiter sein Pferd sehr nahe, er spricht sogar zu ihm und vertraut ihm Manches, das er sonst für sich behält. Warum soll sich nicht auch sein Pferd gerade heute mit ihm freuen? Also – frisch auf! Die heilige Nacht sinkt herab – es war ja auch ein Stall, in welchem zuerst ihr Stern leuchtete. So schmückt nun jeden Raufenkorb seine Reihe Lichtlein, und wer einen Tannen- oder Fichtenzweig erschwingen kann, belebt das Festbild durch diesen erfrischenden Raufenschmuck. Und so leuchtet der ganze Stall weihnachtfestlich, und ein Theil der Stimmung, der auch um den Familientisch nicht fehlt, ein Zug von heiligem Ernst und feierlicher Stille weht durch die Räume, die sonst an ganz Anderes gewöhnt sind. Es ist gewiß: die Pferde freuen sich mit! Sie wissen, daß ihnen mit dem Lichterscheine eine Freude bereitet werden soll, und sehen sie dies nicht an den Lichtern, so erkennen sie es ganz sicher an den Gesichtern ihrer Reiter, auf die sie sich ja so genau verstehen, wie der Hund. Ja, sie freuen sich, auch wenn sie es in der Freundschaft mit ihren Herren nicht so weit gebracht haben sollten, wie jenes ungarische Husarenroß, dem sein Reiter den Liebesbrief von seinem Schatz vorlas und ihm den Gruß ausrichtete von der Babettl, der guten.
Der Anblick eines solchen Weihnachts-Stallfestes ist um so wohlthuender, als bei der musterhaften Ordnung, Sauberkeit und Aufsicht in derartigen Militärräumen an eine Gefahr durch Feuer nicht zu denken ist; namentlich vom Eingang der Ställe aus übt das weithin übersichtliche Bild der schmucken Thierreihen und bunten Menschengruppen zwischen den flimmernden Lichtern seine überraschende Wirkung aus. Möge die schöne Sitte, von deren Existenz bisher wohl nur wenig bekannt war, treu bewahrt und immer weiter verbreitet werden!