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Von der Kleider-Ordnung

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Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Von der Kleider-Ordnung
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 314–317
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
siehe Eines Ehrb. Rahts der Stadt Hamburg gemachte Kleider-Ordnung
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[314]
107. Von der Kleider-Ordnung.
(1652–1654.)

Vor zweihundert Jahren, als Pracht und Luxus in allen Ständen Hamburgs gar zu groß geworden, haben Rath und Bürgerschaft gemeinsam eine strenge Kleider-Ordnung erlassen, die meistentheils gegen die Hoffahrt des Hamburger Frauenzimmers gerichtet war, welches damals in seinen Anzügen alles Maaß überschritt, und der Gold- und Silber-Brockate, Perlen und Edelsteine, Spitzen-, Sammet- und Seiden-Stoffe nie genug auf den Leib hängen konnte, also daß manch guter Bürger an der Prunksucht seiner Eheliebsten elendiglich zu Grunde gehen mußte. In der neuen Kleider-Ordnung aber stand’s genau geschrieben, was zu tragen verboten war, nämlich Seiden-Knüppels (Spitzen), mit Edelsteinen besetztes Geschmeide aller Art, güldene oder silberne Stoffe und Stickwerke und dergl. Die den vornehmeren Frauen erlaubten Mäntelchen (Mantillen) durften von keinem Seidenzeuge, auch nicht mit Zobel und anderm köstlichen Futter staffiret sein. Güldene Ketten durften die Frauen des ersten Standes, dahin die Frauen der Rathmänner, der Graduirten (Doctoren wie Licentiaten), der [315] Kaufleute u. A. m. zu rechnen, wohl tragen, aber ohne Perlen und Demanten, und ihre „Hüllen“ (Hauben) konnten von güldenem oder silbernem Laken sein. Den zweiten Stand betreffend war es insbesondere den Frauen derer Procuratoren, Canztisten und anderer Rathsdiener, Handwerksmeister, Brauer, Schiffer und solcher „mittelmäßigen Standespersonen ihres Gleichen“ gänzlich verboten: Kleider, Sammet, Seide und Atlas, oder gar seidene Strümpfe zu tragen, indem sie sich dieser Stoffe nur als Garnirung bedienen, jedoch den Sammet-Saum nicht breiter denn ein Quartier tragen sollten. Die Frauen des dritten oder niedern Standes aber, die der Tagelöhner, Arbeitsleute, Knechte aller Art, imgleichen Mägde und Ammen, sollten sich alles Seidengezeuges gänzlich enthalten bis auf mäßige Seidenschnüre zur Verbrämung u. s. w. Und mit scharfen Geldbußen gegen die dawider handelnden „Verbrecherinnen“ hatten Rath und Bürgerschaft gedräuet, und Alles wohl eingerichtet zu haben geglaubt. Nach zwei Jahren wurde dies Mandat nochmals von den Kanzeln verlesen und sonst publicirt, und neu hinzugefügt, daß Regenschirme niemals von Seide, Taffet oder Brokat, sondern nur von Rasch und bloßerdings ungesäumt und ohne Zierung sein sollten, bei 11 Thalern Strafe.

Und diese Mandate hingen am Rathhause und an den Straßenecken, alle Pastoren predigten für ihre strenge Nachachtung und gegen die Kleiderpracht, und der Rath, E. Oberalten, übrige Collegia und E. Bürgerschaft waren voll guten Willens, der Prunkliebe der Frauen hinfort keinerlei Vorschub zu geben, – und dennoch blieb Alles beim Alten, keine weibliche Seele kehrte sich an das Mandat; ihre eigenen Frauen und die der Graduirten trugen nach wie vor Demanten, Perlen und Goldbrokat; die Ehehälften der Procuratoren, Amtsmeister und Brauer gingen einher, wie bislang, in ganzen Seidenkleidern [316] oder gar in seidenen Strümpfen; und Tagelöhnerinnen, Ammen und Mägde schmückten sich wie die Meistersfrauen, wenn sie ihr bestes Zeug zeigen wollten; und daß von allen diesen „Verbrecherinnen wider die durch Rath- und Bürgerschluß beliebte Kleider-Ordnung“ etliche beim Kopfe genommen und wirksam abgestraft wären, davon ist keine Kunde.

Die Ehemänner aber, die auf das Mandat pochten und ihren Liebsten zumutheten, den Kleiderprunk einzustellen, gaben solch unvernünftig Ansinnen bald wieder auf, nachdem sie beim Morgentrunk, Mittagsmahl, Vesperbrodt und Rathtessen, vielleicht auch sonst noch genugsam erfahren, was es auf sich hat, wenn ein Mann seiner Frau in puncto ihrer Toilette Vorschriften zu machen gedenkt. Und Pastoren wie Rathsherren, Oberalten und alle Erbgesessenen machten trübselige Gesichter und ließen’s gut sein.

Und als einige Jahre darnach dennoch einige waghalsige Herren im Rathe und in Collegiis (es mögen lauter Wittwer gewesen sein) aufs Neue von gesetzgeberischen Gelüsten in Betreff einer nach strengeren Kleider-Ordnung befallen wurden, da sollen die Frauen der Hamburger Würdenträger eine Vergadderung unter sich gemacht haben, um solch neue Gefährdung zu hintertreiben. Die Rathsfrauen sollen heimlich mit den Graduirten- und Oberaltenfrauen zusammen gekommen sein, ihre alten sehr häkelichen Rangstreitigkeiten durch gegenseitige Concessionen verglichen und gemeinsame Verabredung genommen haben, wie sie am Besten ihren Männern das neue Project verleiden könnten. Diese Manier ist nicht bekannt geworden, aber wohl weiß man das Resultat: daß die beabsichtigte neue strenge Kleider-Ordnung nicht zu Stande gekommen ist. Und so oft jene Wittwer ihren Antrag erneuert haben, sollen Majora stets lange Gesichter gemacht, sich verlegen umgeschaut und den Kopf getrauet, – Dominus [317] Praeses aber flugs ein weniger delikates Thema aufs Tapet gebracht haben.

Also haben E. E. Rath, sämmtliche Collegia und Ehrb. Bürgerschaft es anerkennen müssen, daß in gewissen Dingen das Kyrion oder die höchste Obrigkeit nicht bei ihnen stünde, auch nicht bei kaiserlicher Majestät, – wohl aber Niemandem anders innewohne, als ihrem Frauenvolke!

Anmerkungen

[387] Nach der alten Verordnung. Was der Erzähler hinzugefügt hat, ist leicht zu erkennen.