Von Wölfen verfolgt
[55] Von Wölfen verfolgt. (Mit Illustration Seite 40 und 41.) Isegrimm schreckt heutzutage in Deutschland nur die Kinder in Fabelgeschichten; die Zeiten sind längst vorüber, da er eine wahre Landplage bildete. Nur in den Vogesen, im fernen Osten des russischen Reiches, wohl auch in Ungarn und der Walachei erdreistet er sich im Winter, von Hunger gepeinigt, Reisende und Wanderer anzugreifen, und in diesem Angriff ist er dann tollkühn und gefährlich, da er ihn, namentlich in den zuletzt genannten Ländern, nicht einzeln, sondern in ganzen Rudeln ausführt. Hungrige Wölfe sind es auch, die das walachische Sechsgespann, das den russischen Kurier durch die öden Länderstrecken der Moldau trägt, zur rasenden Flucht antreibt. Das packende, mit seltener Naturtreue wiedergegebene Bild des berühmten Schlachtenmalers Professor Adolf Schreyer ist eine Reminiscenz aus dem russisch-türkischen Kriege von 1853 bis 1855, denn während dieser Zeit befand sich der Künstler in der Walachei, in Ungarn und Südrußland, wo er Gelegenheit hatte, Land und Leute kennen zu lernen und russischen Kurieren zu begegnen.
Adolf Schreyer wurde 1828 zu Frankfurt am Main geboren und erhielt daselbst eine ausgezeichnete Erziehung. Begabt mit einem entschiedenen Sinne fürs Zeichnen, warf er sich hauptsächlich auf das Studium des Pferdes. Er besuchte verschiedene Gestüte Deutschlands und bezog dann die Akademien von Düsseldorf und München. Nach Beendigung des Krimkrieges begleitete er den Fürsten von Thurn und Taxis nach Asien und Aegypten und wurde dann vom Kaiser von Oesterreich nach Wien berufen. Im Jahre 1861 begab sich Schreyer abermals nach Afrika, um dort die Araber und ihre Pferde gründlich zu studiren. Nach seiner Rückkehr ließ er sich in Paris nieder, wo ihm ein glänzender Empfang zu Theil wurde.
Seine hervorragendsten Gemälde sind: „Die Schlacht bei Waghäusel“, im Besitze des Großherzogs von Mecklenburg, „Die Schlacht von Komorn“, „Ein Kavallerie-Angriff“, „Der Fürst von Thurn und Taxis, verwundet bei Temesvar am 9. August 1849“. Auf der großen Ausstellung im Palais de l’Industrie 1864 war Schreyer durch zwei Bilder vertreten: „Araber auf der Jagd“ und „Kosakenpferde im Schneegestöber“, für die ihm die Preisrichter einstimmig die goldene Medaille zuerkannten. Das zuletzt erwähnte Bild kaufte Kaiser Napoleon.
Schon im Jahre 1863 erhielt Adolf Schreyer in Belgien die große
goldene Medaille und 1864 den Leopoldsorden. 1865 und 1867 wurde
ihm abermals in Paris die große goldene Medaille zu Theil, und außerdem
[56] sind ihm noch Medaillen in Wien, München, Sidney etc. zuerkannt worden.
Die Werke Schreyer’s werden nicht nur in Deutschland, Oesterreich,
Frankreich, England und Belgien, sondern vorzugsweise auch in Amerika
hochgeschätzt, und viele derselben befinden sich dort in öffentlichen Galerien.
Auch der Sultan Abdul Aziz zählte zu Schreyer’s Verehrern, er besaß
fünf von dessen Bildern. Schreyer ist ein Künstler voll Energie, voll
Wärme, voll Poesie und dramatischer Kraft. W. H.