Vom siebenten deutschen Bundesschießen
Kaum irgendwo ist das Schützenwesen volksthümlicher, als im südlichen Baiern, wo sich Jeder als einen geborenen Schützen betrachtet. Bis in die neueste Zeit, welche der Wehrkraft des Volkes ganz andere Formen gegeben hat, überwachten der Staat und die Gemeinden selbst das Schützenwesen als ein für die Landesvertheidigung unentbehrliches Institut, indem es gesetzlich geregelt und durch verschiedene Vortheile begünstigt ward. Kein Wunder also, daß der stolze Satz: „Ein Schütz’ bin ich“ – den Ehrgeiz des Landmannes wie des Städters in gleicher Weise weckte und der Gang zur Schießstätte von jeher als ein ehrenvolles Privilegium des freien Mannes galt.
Unter solchen Verhältnissen erregte schon die Kunde, das siebente deutsche Bundesschießen werde in der baierischen Landeshauptstadt abgehalten werden, überall freudige Sensation.
In München selbst wurden die Vorbereitungen zu dem Feste mit wahrer Begeisterung betrieben; die Garantiefonds waren bald aufgebracht, und es schien auch die Beschaffung eines passenden Platzes nicht schwer; man dachte von vornherein an die „Wiese“. Was die so kurzweg „Wiese“ benannte Fläche dem Münchener ist, muß erst erklärt werden. Auf dem westlich der Stadt gelegenen großen Plane, welcher durch die Ruhmeshalle mit dem Kolossalbilde der Bavaria abgeschlossen wird, feiert die baierische Landwirthschaft ihr jährliches Hauptfest, welches zugleich ein großartiges Volksfest darstellt, an dem die Bewohner des ganzen Landes und fast ausnahmslos die Einwohner Münchens theilnehmen. Dieser Platz, den die Tradition bereits geheiligt hat, ist jedem Münchener werth und theuer; denn Erinnerungen, die bis in die fernsten Tage der Kindheit zurückgehen, verleihen ihm eine Art historischen Ranges, und deshalb glaubte man den Gästen nichts Schöneres bieten zu können, als die „Wiese“, vollständiger ausgedrückt: die Theresien-Wiese. Nach einigen mühsamen Unterhandlungen mit den dortigen Grundbesitzern ward das nöthige Areal dem großen Zwecke gewonnen, und nun begann eine eigenartige Arbeit. Man begnügte sich nicht damit, nach Muster der obligaten Volksfeste für die Unterkunft der Theilnehmer zu sorgen, sondern trachtete, dem Charakter Münchens als Kunststadt entsprechend, das Aeußere des großartigen Werkes durch die Weihe der Kunst zu veredeln.
Die Künstlerschaft nahm sich mit Eifer und Liebe der Sache an, und bald lagen die Entwürfe für die Bauten nach Angaben des Malers Rudolph Seitz und des Architekten Gabriel Seidl vor, deren Namen in den weitesten Kunstkreisen wohl bekannt sind. Im Frühjahre wurde mit den Arbeiten begonnen, und am 22. Juli, einen Tag vor der Eröffnung des Festes, stand die kleine Schützenstadt fertig da.
Der frühe Morgen des nächsten Tages sah die Münchener geschäftig, ihre Häuser zum würdigen Empfange der Gäste zu schmücken. In bunten Wellen wogten die mächtigen Flaggen des Reiches, des Landes und der Stadt durch die Lüfte, und was an Blumen, Kränzen und Guirlanden aufzutreiben war, wurde dem frohen Beginnen geopfert. Auf dem festlich geschmückten Bahnhof wurde jede neu ankommende Schützenabtheilung von einem Comitémitgliede begrüßt; hierauf erschienen zwölf wahrhaftige Münchener Kindeln – in die Tracht des bekannten Mönchleins gekleidete Kellnerinnen – und kredenzten den schäumenden Pokal. Das mundete den von der Fahrt und durch die Hitze mitgenommenen Schützen, und neugestärkt folgten sie dann der Schützenmusik, welche sie nach dem alten Rathhause geleitete, woselbst die Fahnen aufbewahrt wurden.
Auf den Straßen entwickelte sich reges Leben und Treiben. Tausende von Münchnern bildeten förmlich Spalier, um die Ankommenden zu sehen und zu begrüßen, und es war, als ob mit den Gästen die eigentliche Festesbegeisterung ihren Einzug in der Isarstadt gehalten hätte. Die in mehreren Schulhäusern errichteten Massenquartiere waren zwar einfach, aber reinlich und freundlich ausgestattet; eine in launigen Versen abgefaßte Hausordnung machte den Gast mit der Hauspolizei bekannt, und ein Wunsch- und Beschwerdebuch gab ihm Gelegenheit, sein Herz, wenn es sich durch etwas beengt fühlen sollte, zu erleichtern.
Der folgende Tag, wohl der glanzvollste und schönste der ganzen Festperiode, sah mit hellen Augen gar freundlich in die Stadt herein, und schon in früher Morgenstunde rüstete sich alle Welt zum Festzuge. Wer selbst nicht activ betheiligt war, eilte einen passenden Zuschauerplatz zu finden, zu erhaschen, zu erkämpfen. Gegen Mittag war der riesige Körper des Festzuges zusammengefügt, und langsam setzte er sich in Bewegung.
Nach der Absicht der Arrangeure sollte die Eintönigkeit eines aus gleichen Elementen zusammengesetzten Zuges durch stellenweise Einschiebung einer historischen Abtheilung unterbrochen werden, und ein Erfolg sonder Gleichen lohnte diese glückliche Idee, deren Ausführung allerdings erst durch die Aufopferung der Arrangeure und Theilnehmer möglich wurde. Wochenlang war unter der Direction der Maler Flüggen, Schraudolph und Hierl geschneidert, gemalt, cachirt, gezeichnet und gestickt worden, und einzelne Theilnehmer scheuten die Kosten zur vollkommen getreuen Nachahmung der Originalcostüme nicht. Es waren vier solcher historischer Gruppen, und eine errang immer mehr Beifall als die andere.
Den Zug eröffneten Bannerträger und Turnerabtheilungen; sodann folgte die Gruppe des Scheibenschießens; da zogen Pfeifer, lustige Märsche blasend, und scheibentragende Zieler, in schwarz-gelb – die Münchener Stadtfarbe – gekleidet, vorüber; in ihrer Mitte wurde eine kolossale reichverzierte Ehrenscheibe mit dem Bildnisse der Fortuna getragen; dann rollte der Festwagen, von pomphaft geschirrten Rossen gezogen, heran; auf diesem boten sich zwei mächtige vergoldete Löwen, welche Scheiben hielten, den Blicken dar, der weithin schauende Aar aber schwebte mit ausgespannten Flügeln darüber.
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[566] Nun erschien die erste Schützengruppe, und an ihrer Spitze schritten die von weither herzugeeilten Gäste aus der Türkei, aus Manila und Nordamerika, unmittelbar darauf in langem Zuge die Schweizer, dann die außerbaierischen Landeskinder in alphabetischer Ordnung. Wunderschön präsentirte sich die zweite historische Gruppe, die Jagd. Gestalten aus längst vergangenen romantischen Zeiten zogen nun an den staunenden Blicken vorüber: Fanfarenbläser mit mächtigen gebogenen Jagdhörnern, Jagdgesinde mit Armbrust und Speer, die Hatzrüden an der Leine führend, eine glänzende Cavalcade von Rittern, Imkern und Damen, darunter Falkoniere mit lebenden Falken, Wildträger mit Beute beladen und eine roth bezogene Kutsche mit Edelfrauen; herrlich war der Festwagen zu schauen; darauf stand unter einer großen Eiche der ritterliche St. Hubertus und der verhoffte Hirsch; in dem Gezweige des Baumes saßen Vögel und allerlei Gethier trieb sich darin umher. Jubelnd empfing man allerorts dieses Prachtstück der künstlerischen Gestaltungsgabe.
Die dritte Gruppe brachte die Wehrkraft; markige Gestalten zu Fuß und zu Roß, theils dem Volk aus der Zeit des Bauernkriegs, theils den Kriegsläufern aus der Landsknechtperiode angehörend, zogen heran; manch eisengeharnischter Ritter, manch junger Fant mit dem Flamberg in der Hand erntete reichen Dank aus schönen Augen; auch die in diese Gruppe eingereihten baierischen Oberländer Schützen in ihrer nationalen Tracht wurden lebhaft begrüßt. Nun nahte das herrlichste Bild, dessen sich ein deutsches Herz freuen konnte: der von acht prächtig geschürten Rossen gezogene goldstrahlende Triumphwagen der Germania, mit Krone, Schild, Mantel und Schwert; sie war eine edle, schöne Frauengestalt, diese Germanin und mit stolzem, brausendem Jubelgeschrei wurde sie empfangen, sodaß sich das Gesicht der holden Frau immer und immer wieder mit flammendem Roth bedeckte. Eine nicht minder anmuthige Gefährtin stand als Lenkerin des Gespanns in antiker Gewandung auf dem vordern Theile des Wagens.
Die vierte Gruppe endlich, welcher Fanfarenbläser und Edelfräuleins zu Pferd mit den Standarten der früheren Feststädte voranritten, enthielt die auf einem Wagen thronende und von Pagen umgebene Munichia.
Wo der Zug erschien, wurde es im Volke und in den Häusern lebendig; jubelnde Zurufe, Tücherschwenken und Blumenregen aus allen Fenstern begrüßten denselben. Besonders stürmisch wurden die Oesterreicher willkommen geheißen - und mit Recht; denn sind sie nicht die außer Hause weilenden Söhne unserer nationalen Familie, und haben sie nicht als solche Anspruch auf besondere Freudenbezeigung? Denkt man bei solchen Auszeichnungen nicht auch an den Kampf, den Deutsch-Oesterreich gegen seine Widersacher im Innern auszutragen hat? Ich habe mir Mühe gegeben, in dieser Sache Erkundigungen einzuziehen, und habe nur freudige Anerkennung, nirgends die Spur einer Verstimmung unter den Festgästen gefunden.
Vor der Feldherrnhalle erfolgte der feierliche Act der Uebergabe der Bundesfahne durch die Herren Rechtsanwalt Reinartz und Dr. Bausch Namens der Stadt Düsseldorf an den ersten Bürgermeister der Stadt München, Dr. von Erhard. Diesem Acte wohnten die Mitglieder des königlichen Hauses, die Minister und andere hohe Staatsbeamte, die Stadtvertretung und das Festcomité. an; die Sängervereinigung trug das von Professor Schönchen componirte und von Hermann Lingg verfaßte Lied „Gruß den Schützen“ vor, worauf sich der Zug wieder in Bewegung setzte und nach zwei Uhr am Festplatze anlangte.
Werfen wir nunmehr einen flüchtigen Blick auf den feenhaft ausgeschmückten Platz, ehe das wimmelnde Treiben davon Besitz genommen hat! Unmittelbar hinter dem Haupteingange befand sich ein weitgedehnter Vorplatz, der, für das fahrende Volk von Händlern, Raritätenbesitzern u. dergl. bestimmt, den sogenannten „Wurstelprater“ darstellte. Hier waren die obligaten Schaubuden untergebracht; die Mitte des Platzes durchschnitt eine breite Straße, welche, mit einer Flaggenallee geziert, direct zum Hauptportale führte. Beim Anblicke dieses Thores regte es sich traumähnlich im Beschauer. „Wo habe ich dies gesehen?“ fragte er sich, „in irgend einer Stadt, als Bild oder gar nur in der Phantasie auf Grund einer Lectüre?“ Es ist ein Stadtthor, wie es die ehrwürdigen, prächtigen Städte des Mittelalters geziert hat. Von zwei Thürmen flankirt, dehnt sich das niedere Portal so in die Weite, daß die Kaufleute mit ihrem Gute einziehen und auch ein Fähnlein Stadtknechte gut einreiten mag. Die Bemalung dieses reizenden Bauwerkes mit Rauten und Wappentieren und die Verzierung mit alten, echten Fahnen trug wesentlich dazu bei, die Illusion zu erhöhen; schräg aufsteigende Löwen schmückten die Wandflächen der Thürme; über dem Thore war das Stadtwappen Münchens angebracht, und eine massige Holzgallerie verband die Thürme unter sich.
Statt des gestrengen und griesgrämigen Thorschreibers saß in dem Stübchen des linkseitigen Thurmes ein Kind der Neuzeit, das die Welt mit Neuigkeiten in Form von Tagesblättern versorgte, während die Thorwache gegenüber von der freiwilligen Feuerwehr gebildet wurde. Nach dem Eintritt durch dieses Thor fesselte den Beschauer sofort der Anblick der Festhalle, welche die östliche Seite des Festraumes einnahm. Dieselbe zeigte einen mächtigen Mittelbau mit hohem Dachstuhl und zwei sich in stumpfem Winkel gegen den Platz hereinbringende Langhallen, die wieder durch Erkerthürmchen abgeschlossen waren.
Eine Reihe von Portalen erleichterte den Zugang der Massen und für den controllirbaren Verkehr waren besondere Schrankenvorrichtungen hergestellt. Die äußere Ausstattung der Festhalle zeigte ebenso viel Reichthum, wie künstlerischen Geschmack, und das Dach war mit grünem Tannenreisig überdeckt, was einen ungemein freundlichen Anblick bot. Hoch am Giebel des Mittelbaues sah man St. Hubertus und den Hirsch angebracht; die kleinen Ercker desselben aber waren mit Elchschädeln, die vergoldete Geweihe trugen, geziert, und über dem Hauptthor breitete ein riesiger deutscher Adler seine mächtigen Schwingen aus. Zwei prächtige Kolossalfiguren, cachirt und bemalt, hergestellt von Meister Gedon, ein stattlicher Jäger und eine Jägerin, bewachten den Zugang in das Innere, das gleichfalls entsprechend decorirt war. Das Balkenwerk des Oberbaues verhüllten mächtige Eichenlaubbögen, während die im Mittelschiff befindliche Musiktribüne mit Gobelins und musikalischer Trophäen verkleidet war; über derselben prangten Bilderwerke, welche die von Hermann Lingg in seinem Gedichte so prächtig gezeichneten vier Stämme: Sachsen, Franken, Schwaben und Baiern in hübscher, entsprechender Gestaltung versinnbildlichen.
Grün und goldig schimmerte der Festhalle gegenüber der Gabentempel, ein auf breitem Unterbau ruhender Kiosk mit Kuppeldach, das durch eine mit Hirschköpfen verzierte Pyramide gekrönt war. Vier hochstämmige Föhren überschatteten den ganzen Bau, und aus dem Geäste der prächtigen Bäume blinkten verlockend die großen goldenen Aepfel der Hesperiden. Die den westlichen Abschluß bildende Schießhalle bestand gleichfalls aus einem Mittelbau und zwei Hallenflügeln in der Gesammtlänge von beinahe zweihundert Meter. In derselben befanden sich die Schießstände, die Plätze der Warner und Schreiber, die Ladetische und Ruheplätze für die Schützen.
An diese Hauptbauten schloß sich nun eine Reihe von Nebengebäuden, namenlich Stätten der Erholung und Erfrischung. Außer der Wirthschaft in der Festhalle waren nur noch vier Wirtschaften in Betrieb gesetzt worden; jede derselben zeigte einen anderer Charakter. Da war einmal „Der wilde Jäger“, ein phantastischer Bau mit doppeltem Thurmaufsatz, das Dach mit alten Hohlziegeln gedeckt; eine Eule mit großen Augen bildete die Windfahne; vom Thurme herab hing als Firma am eisernen Arm der einladende Krug, und an der Facade prangte Hackelberg's, des wilden Jägers Bild zu Roß, in Sturm und Nacht dahinfliegend.
Nicht weit vom wilden Jäger erblickte man das Wirtshaus „Zum goldenen Hirsch“, dem äußeren Ansehen nach ein Gebirgsgasthaus älterer Ordnung, mit tiefliegenden kleinen Fenstern und einem Altan unter dem vorspringenden Dach; auch der Maibaum vor dem Hause war nicht vergessen; das hübsche Häuschen erinnert an irgend ein am Waldsaum liegendes als Wirtshaus installirtes Forsthaus.
Auf der südlichen Seite zunächst der Schießhalle stand die Wirthschaft „Zum blinden Mann“, doch war mit dieser Firma keinerlei Anzüglichkeit auf unglückliche Schützen beabsichtigt; o nein – dieser blinde Schütze ist überall bekannt; es ist der kleine Herzensjäger Amor. Welche Geschäfte derselbe während des Schützenfestes gemacht hat, konnte statistisch leider nicht nachgewiesen werden; bei dem großen Verkehr der schönen Welt auf dem Festplatze ist jedoch anzunehmen, daß er erkleckliches Unheil angerichtet habe.
Dicht neben den kleinen nackten Schlingel befand sich die „Schützenliesl“, welcher unter den vier Gasthäusern unbedingt der [567] Preis zugesprochen werden muß. Zwischen einem Walde von jungen Fichten und Föhren erhob sich hoch in die Luft ein einfacher Sattelthurm, wie man ihn vielleicht in den von allen großen Verkehrsstraßen abseits liegenden Orten des Flachlandes noch sieht. Das Dach war mit Binsenstroh gedeckt, und ein gravitätisch vor dem Neste stehender Storch hielt dort seine Wacht, während aus dem obersten Fensterlein eine auf einer Stange hängende, mit Blumen und Bändern verzierte Schleifkanne als Handwerkszeichen herauslugte; die Façade endlich zeigte das Bild der Schützenliesl, eines drallen, auf einem in den Wolken rollenden Bierfasse dahintanzenden und dabei Bier und Rettige servirenden Landmädchens; als Kopfbedeckung dient der gluthäugigen Schönen eine Scheibe und ihre ganze Haltung ist so keck, so verführerisch, daß alte und junge Sünder unmöglich anders konnten, als für die Liesl schwärmen. Das genial ausgeführte Bild entstammt dem Atelier unseres berühmten Landsmannes Fritz August Kaulbach, welchem auch am letzte Tage vor Abbruch der „Schützenliesl“ eine Ovation dargebracht wurde.
Der ganze Festplatz stellte sich den Blicken der Besucher überhaupt in einer so günstigen Weise dar, daß wohl Keiner denselben betrat, ohne seiner freudigen Uebeeraschung Ausdruck zu geben. Unter solchen Auspicien konnte man dem Beginne des Festes getrost entgegen sehen; zumal die Leitung des Ganzen in bewährten Händen von Bürgern und Künstlern lag. Als erster Präsident fungirte der Erzgießer und Bildhauer Ferd. von Miller, als Stellvertreter der Großbräuer Gabriel Ledelmayer; das Ehrenpräsidium hatte Prinz Ludwig von Baiern übernommen, und hat derselbe sein Amt in liebenswürdigster Weise und mit großer Ausdauer versehen; er war bei allen Festlichkeiten zugegen und bewährte sich auch als eifriger und vortrefflicher Schütze.
Sofort nach dem Eintreffen des Zuges in dieser improvisirten kleinen Schützenstadt nahm in der Halle das Festbankett seinen Anfang, an welchem sich über zweitausend Personen betheiligten. Begeisterte Reden würzten das frohe Mahl; Prinz Ludwig selbst begrüßte die Gäste mit warmen Worten, und mancher seiner Sätze erntete stürmisches Bravo. Mittlerweile hatte das Schießen begonnen, und mitrailleusenartig krachten die Büchsen von den Ständen her; gegen Abend wurden die ersten Becher vertheilt; der erste Sieger war auch in München der bekannte Schütze Heinr. Knecht aus St. Gallen.
Auf dem Festplatze aber wogten Tausende durch einander, welche gekommen waren, die Herrlichkeiten zu besehen und mit den Gästen fröhlich zu sein. In den Wirthsbuden war bald kein Platz, kein Krug mehr aufzutreiben; überall tönte Musik, Gesang und fröhliches Jauchzen; man lagerte sich in Gruppen auf dem Grasboden, und das herrliche Wetter gestattete, das Gelage bis nach Mitternacht auszudehnen; elektrisches Licht goß über die Scene den Zauber einer Vollmondsnacht, und ohne nach der raschen Flucht der Stunden zu fragen, sang, trank und tanzte das glückliche Völklein weiter.
Der nächste Abend vereinigte die Gäste zum Festball in der Halle, und ein reicher Flor von Damen verherrlichte die der leichtfüßigen Terpsichore geweihten Stunden; wohl drückte eine Glühhitze auf die wogende Menge, allein wann hätte dies den Eifer tanzlustiger Paare zu dämpfen vermocht? – Die am Dienstag veranstaltete Herrenkneipe wurde durch ein launiges Festspiel „Die Enthüllung des Monumentes Münchhausen’s“ eingeleitet, und am Nachmittag dieses Tages war zur Belustigung des Volkes, alter Sitte zufolge, „ein Ochsenbraten“ in Scene gesetzt worden; unter Anwendung einer eigens hierzu construirten Vorrichtung gelang es denn auch, einen ganzen Ochsen kunstgerecht am Spieße zu braten, und in kurzer Zeit war derselbe von den appetitreichen Zuschauern bis auf die Knochen verspeist.
Am stärksten war der Festplatz am Freitag Abend besucht, an welchem Tage die Monstre-Musikaufführung – sechs Militärcapellen mit 250 Mann – unter Direction des königlichen Obermusikmeisters Hüne stattfand; man hat die Menge der Anwesenden auf 90,000 bis 100,000 Personen geschätzt. In Bezug auf die Tonwirkung hat dieses Concert den Erwartungen nicht ganz entsprochen, aber hinsichtlich der musikalischen Leistung erfuhr es einstimmiges Lob; denn trotz der Masse Mitwirkender gelang es doch, ein Ensemble zu erzielen, das auch die feinsten Nüancirungen zur Geltung brachte. Ein dem Münchener ungewohntes Schauspiel bot die an diesem Tage von dem in Norddeutschland wohlbekannten Aëronauten Securius unternommene Luftschifffahrt.
Der Sonnabend zeigte sich endlich dem schon früher geplanten Unternehmen eines Ausfluges an den Starnbergersee günstig. Ein Extrazug brachte die etwa 800 Köpfe zählenden Theilnehmer nach Starnberg, wo der festlich geschmückte Salondampfer schon ihrer Aufnahme harrte. Die Villenbesitzer längs des westlichen Ufers hatten zum feierlichen Empfang beflaggt, und von allen Häuschen her wehten den Gästen Grüße entgegen. In Possenhofen wurde ausgestiegen; durch den herrlichen Park wanderte man nach Feldaffing, um dort ein Frühstück einzunehmen, und dann ging es fort nach dem eigentlichen Ziele, dem reizend gelegenen Tutzingkeller. Die wackern Tutzinger hatten Alles aufgeboten, ihre Gäste zu ehren; es waren Triumphpforten errichtet, eine geschmückte Rednerbühne aufgestellt, ein Feuerwerk und eine Beleuchtung vorgesehen, kurz Alles bedacht, was sich bei einem Kellerfeste arrangiren läßt.
Endlich brach der letzte Tag an, der den kunstfertigen Schützen die Gaben Fortuna’s bringen sollte. Es waren in der That herliche Preise, welche im Gabentempel aufgeschichtet lagen; denn die Städte, die Fürsten und Private hatten gewetteifert, denselben reichlich auszustatten – da funkelte es von goldenen und silbernen Pokalen, von Bechern und Uhren und anderen Kleinodien. Der kostbarste auf 4000 Mark Werth geschätzte Preis, ein silberner Hirsch mit einem Thurm auf dem Rücken, ward einem Landshuter Bürger zu Theil; berechtigt hierzu waren drei Schützen – das Loos entschied für den Glücklichen. Abends erstrahlte zum Abschiede die nächst dem Schießplatze gelegene Bavaria in der herrlichsten Beleuchtung; ein grandioses Feuerwerk entzückte die Menge – und dann hatte das siebente deutsche Bundesschießen – eines der gelungensten seiner Art – sein Ende erreicht. Ueber den Verlauf desselben herrscht nur eine Stimme: die Münchener haben gethan, was menschenmöglich war, und der Himmel hat mit Sonnenschein und freundlichem Wetter seinen Segen dazu gegeben.