Vom Dorfe
(12. August 1845. Gohlis bei Leipzig).
I.
Still ist’s im Dorf – der letzte Erntewagen
Er schwankte eben voll und schwer herein;
Die Abendglocken haben ausgeschlagen,
Die Sonne sank mit sanftem Purpurschein.
Wo in der weiten Runde Alles still,
Und nur der Heimchen alte Flüsterweisen
Den Tag, der nun vollendet, selig preisen.
Die Mondessichel hängt am Firmamente,
Wie da man sehnend dorthin hob die Hände,
Und noch vom Mondschein blasse Lieder sang.
So steh ich einsam in des Gartens Ruh,
Seh ruhig nur den bunten Blumen zu –
Der Kindheit Buch liegt vor mir aufgeschlagen.
Geht durch die Luft, die still zu stehen schien?
Ich will das Haupt dicht an die Erde legen,
Es klang wie Jagdruf und wie Büchsenknall,
Wie tausendfacher Menschenstimmen Schall – –
Nicht möglich! – nein – ein Wahn hat mich bethört,
Wie würde hier und jetzt ein Schuß gehört?! –
II.
Im stillen Dorf beim letzten Abendrot.
Doch dort – doch dort gab es noch fleißge Hände,
Und eine andre Ernte hielt der Tod.
Die Sonne hat es wohl voraus gesagt
Als mit dem Purpurmantel weit umhangen,
Der schöne Tag zur finstern Ruh gegangen.
Traun, dieser Nacht, da gab’s nicht sanfte Träume,
Es ward ein Schauerdrama aufgeführt –
Und manche Brust im innersten gerührt,
Und manches Herz, das plötzlich stille stand,
Und manche Seele, die zum Himmel schwand,
Und manchen Schrei, der, wenn auch hier verwehret,
Kein Heimchenzirpen, das so spät erklang!
Nur Hilferuf hört man zum Himmel schallen,
Das schönste Lied war manches Schwanensang.
Denn: „Eine feste Burg ist unser Gott!“
Und ließ er auch die nächt’ge That geschehen,
Wir bleiben doch in dem Vertrauen stehen.
Die Mondessichel schied vom Firmamente,
Sie sahn herab auf hoch erhobne Hände.
Zum Jammerruf, der sich der Brust entrang,
Die Nacht hat wohl für Klagelieder Raum,
Doch keinen mehr zu einem sanften Traum,
Wir singens doch, das schönste unsrer Lieder!