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Volkssage (Badische Wochenschrift Nr. 34)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Auguste Pattberg
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Titel: Volkssage
Untertitel:
aus: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. In: Neue Heidelberger Jahrbücher, Band 6, Seite 103–104
Herausgeber: Reinhold Steig
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Koester
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Erscheinungsort: Heidelberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Internet Archive, Commons
Kurzbeschreibung:
Originaltextstelle: Badische Wochenschrift Nr. 34 vom 21. August 1807, Sp. 543–544
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[103]
Volkssage.[1]

In der alten Burg Schwarzach lebte ehmals ein Ritter, seinen Namen hat die Tradition nicht aufbewahrt, doch erhielt sie die Sage, dass er blind gewesen sey und neun Töchter gehabt habe, welche so schön als tugendhaft gewesen seyen. Alles würden sie aufgeboten, alles, ja selbst ihre Schönheit aufgeopfert haben, um ihrem Vater das Licht seiner Augen wieder zu erkaufen. In einer benachbarten Walburg lebte damals ein Ritter, wild und finster waren seine Blicke; verborgen lag seine Burg von hohen Tannen umgeben, schwarz war sie von aussen, wie seine [104] Seele von innen. Vergebens stellte er lange den schönen Jungfrauen[WS 1] nach, ihre Verachtung war sein wohlverdienter Lohn. Ergrimmt nahm er seine Zuflucht zur schändlichsten List; verschmähte Liebe entflammte sich in seinem Herzen zur bittersten Rache. Im erborgten Gewande eines Pilgers trat er eines Tages zu den Jungfrauen, und versprach ihnen ein untrügliches Mittel für die geblendeten Augen ihres Vaters; er befahl ihnen, in einem nahe gelegenen Thale vor Sonnenaufgang eine Pflanze zu pflücken, die er ihnen anwiess; der bestimmte Ort war ein schauerlich einsames Thal, von hohen überragenden Buchen und Eichen umgeben, die es nicht der Sonne noch dem Mond gönnten, das hohe Riedgras zu bescheinen, welches der feuchte Boden hervorbrachte; daher nennt man auch noch heute dieses Thal die kalte Klinge. Am nächsten Morgen, lange vor Sonnenaufgang, enteilten die zärtlichen Töchter der Ruhe; sie gingen frohen Muthes dahin, um dem Vater die heilsamen Kräuter zu brechen. Doch nie kehrten sie wieder, denn der Ruchlose ermordete sie, und begrub ihre Leichname im öden unbesuchten Thale. Der Vater, in Verzweiflung über den Verlust seiner Kinder, starb bald aus Gram, und den Mörder forderte in spätern Tagen das Bewusstseyn seiner schrecklichen That zur Sühne auf: er stiftete in der Gegend ein Kloster, auch liess er die Leichname der ermordeten Jungfrauen wol dreissig Jahre nachher in geweihte Erde bestatten.

P.     

  1. Badische Wochenschrift. Nr. 34. Freitags den 21. August 1807. Sp. 543–44. Vgl. oben S. 79.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Jungfauen