Verse auf Swift’s Tod
Dans l’adversité de nos meilleurs amis nous trouvons toujours quelque chose qui ne nous déplait pas.
Im Unglück unserer besten Freunde finden wir immer etwas, was uns nicht mißfällt.
Wohl glaub’ ich selbst, daß ich den Zoll
Bald der Natur entrichten soll;
Die nähern Freunde denken dann
Auch egoistisch wohl daran;
Von meinem Tod, dünkt mich, sie sagen:
Bald wird’s mit Swift vorbei wohl sein!
Der Arme! sichtlich fällt er ein.
Gewiß sein Schwindel bleibt im Kopf,
Man merkt, wie sein Gedächtniß schwindet,
Er weiß nicht mehr, was er uns kündet,
Pflegt selbst den Freund auch zu vergessen,
Bei dem er jüngst zu Tisch gesessen.
Die er schon hundertmal erzählt!
Glaubt er, daß wir geduldig, traun
Die alten Witze noch verdaun?
Mit jüngern Leuten zwar verkehrt er,
Wohl muß er kürzen die Geschichten,
Will er die Freunde stets nicht lichten.
In einem Monat hat er jetzt,
Sie all ermüdet mit Geschwätz,
Längst ist sein Dichtergeist entschwunden;
Nach Reimen sucht er Stunden lang;
Längst ist gelähmt des Witzes Drang;
Was jetzt er schreibt ist eitler Kram
O, würf’ er nur die Feder fort!
Doch Rath ist nicht am rechten Ort.
Auch zeigt mir Mancher Zärtlichkeit,
Der mir ein höher Alter leiht:
Da er in Carls Regierung[1] reicht;
Jetzt trinkt er kaum ’ne Pinte Wein;
Das kann kein gutes Zeichen sein!
Sein Magen selbst wird kränklich gar:
Für sehr gesund und voll von Kraft;
Jetzt ist ihm alle Stärk’ entrafft.
Ob er wohl bis zum längsten Tag
Jetzt auszuhalten noch vermag?
Und Jeder glaubt, denkt er an mich,
So schlimm stand es mit mir noch nie!
In Bildern gleichsam sprechen sie;
Was dann Besorgniß heißt und Leid
Kein Freund empfindet solch Behagen
Wie selbst ein Feind, vorherzusagen
Ein Mißgeschick, wie sehr er auch
Beachten mag der Freundschaft Brauch,
Erkundigt. Wird der Diener künden,
Herrn Swift geht’s täglich schlimmer jetzt,
Wird er weit mehr dadurch ergötzt,
Als müßt’ er hören: Gott sei Dank,
Wer dann am besten als Prophet
Sich hier erwies, sagt sehr diskret:
Das Schlimmste, was man fürchten kann,
Sagt’ ich voraus von Anfang an.
Dem Fall vor, daß gesund und roth
Ich seinem Scharfsinn Schande mache.
So geht’s mir jetzt. In einer Sache
Stimmt jeder Freund schier überein:
Doch sollt’ auch gar ein Fremder leiden
An Schmerzen, die mich jetzt durchschneiden,
Mit wie viel Inbrunst würd’ er beten
Für meine Bessrung, würde treten
Erforschend wie ich vom Beginn
Der Krankheit an Diät gehalten,
Wodurch Erleichtrung ich erhalten;
Mein Tod auch gäb’ ihm größre Pein,
Und selbst noch in den letzten Stunden
Durch Schluchzen mein Gefühl verwunden.
Ihr guten Herrn braucht nicht zu sorgen!
Zwar sterb’ ich ganz gewiß nicht morgen;
Doch mein Termin ist schon notirt.
Er naht, gleich wird der Geist entschweben –
Wie geht’s – Swift lebt nur noch so eben –
Man liest ihm ein Gebet zuletzt –
Die Kund’ ist gleich eh man geläutet
Schon in der ganzen Stadt verbreitet. –
Bereiten wir uns all zum Sterben!
Was hinterließ er? Wer wird erben? –
Verwandt wird Alles, was sich findet,
Allein zu öffentlichen Zwecken –
Man kann doch überall entdecken,
Wie bei ihm Grillen nur gediehn,
Da sieht man seinen Stolz und Geiz! –
Er gab ja alles fort bereits. –
Nicht eh’, als er gestorben war;
Hat er im ganzen Lande gar
Nicht arme Vettern? Nur geneigt
Zum Hochmuth, that er Fremden Gutes,
Und schämte sich des eignen Blutes.
Die Herrn Poeten sehn sich jetzt
Man bietet aus manch Leichencarmen
Die Zeitung schwillt von überwarmen
Artikeln an, um Swift zu fluchen,
Auch sein Verdienst wohl aufzusuchen,
Als er Herrn Walpole’s[2] Spiel verdarb.
Die Aerzte, weise sehr, belieben
Des Todes Schuld mir zuzuschieben.
Der Fall war schwierig, sagen sie,
Hätt’ er’s gethan, so konnt’ er gar
Gewiß noch leben zwanzig Jahr,
Denn die Secirung gab uns kund,
Die innern Theil’ als ganz gesund.
So schnell nur immer möglich an.
Bei Hofe heißt es, Swift ist todt.
Die Dame, die viel Klatsch mir bot,[3]
Und die voll süßer Frömmigkeit
In schlechter Laune, doch sie fährt
Sogleich mit Christensinn bewehrt
Zu andern Freunden, die mir blühn:
Jetzt ist er todt; gewiß hat ihn
Und wird auch ihn mit Hohn erbauen.
Ein Kuppler, vornehm, reich und fein
Tritt beim Minister Walpole ein. –
Swift todt! – War er zum Tod bereit,
Doch könnt’ er leben meinetwegen,
Der Wicht! und auch die Feder regen,
Obgleich er Bischofsrang erwürbe,
Wenn Bolingbroke statt seiner stürbe!
Von mir verlegt, zieht dann von Swift
Drei staub’ge Manuscript’ hervor,
Putzt ab den Schmutz, denkt an den Flor
Von einem modischen Genie;
Verfuhr er doch so säuberlich
Mit Andern, Bessern noch wie ich!
Er wird der Welt gedruckt auch geben,
Mein Testament, so wie mein Leben,
Pasquille gegen mich, die all
Zum Tod allein geboren waren,
Auch werden revidirt in Schaaren,
Ob sie in diesen Zeitpunkt passen;
Wechsl’ ich die Scen’ um auszufinden
Die Herren all, die Schmerz empfinden,
Sobald sie meinen Tod vernehmen.
Pope wird sich einen Monat grämen,
Und Arbuthnot nur einen Tag.
Bolingbroke kaut die Feder ab,
Und eine Thräne rinnt hinab
Die Wang’ ihm dann. Die Andern zucken
Auch aus und sagen: ’s thut mir leid,
Doch Allen steht der Tod bereit.
Der Seele ganze Stärke beut
Gleichgült’ger Sinn im Weisheitskleid.
Wie kann sein Herz zum Mitleid schmelzen?
Bei Schlägen wird die Ruth’ er küssen,
Und resignirt sich zeigen müssen.
Der Narren Schwarm, der um ein Jahr
Empfindet ekle Furcht und Grauen;
Sie pflegten mich als Schirm zu schauen,
Der zwischen ihnen und dem Tod
Des längern Lebens Hoffnung bot;
Aufrichtig scheint mir ihre Trauer.
Die Freundinnen, die zärtlich fühlen,
Und besser ihre Rollen spielen,
Vernehmen es mit Schmerz, der dumpf:
Gott wird der Seele gnädig sein!
(Hier diesen Stich riskir’ ich fein.)
Ja, sechs Dechanten sind genug,
Zu halten ihm sein Leichentuch.
Trumpfkönig dort ist eingesetzt.)
Wird man den Herrn Gemahl gewahren
Im Leichenzug des Freundes fahren?“ –
„Der Anblick wäre grauenhaft;
Dann ein Versprechen gar verletzt.
Mylady, die gar sehr ihn schätzt,
Erwartet morgen ihn beim Whist.
Swift war sein Freund seit Jahresfrist;
Swift starb ja auch nach manchen Leiden.
Die Laufbahn mußt’ er endlich schließen.
Jetzt wird er höh’res Glück genießen.“
Wozu der Gram, wenn Freunde sterben?
Die Scene wechselt jetzt. Ein Jahr
Entschwand bereits. Wer denkt wohl gar
An Swift? Jetzt ist er expedirt,
Als hätt’ er niemals existirt.
Fort! – Folgen müssen seine Werke,
Und auch die Sterblichkeit erkunden;
Sein Hohn wird dann der Zeit nicht munden.
Landjunker, die denn doch bisweilen
Verlangen einen Swift; man sagt:
„Das Buch nach dem Sie da gefragt
Ist uns sehr wohl bekannt. Nicht wahr?
Der Autor starb vor einem Jahr?“ –
Als jüngst in meinen Magazinen
Verlegne Waar’ ich ausgeschieden,
War ich im höchsten Grad zufrieden,
Als ihn Pastetenbäcker nahmen;
Hieher nach London. Seiner Zeit
War Swift berühmt und auch gescheit.
Jedoch sein Styl ist jetzt veraltet,
Da besserer Geschmack hier waltet.“
Und Freiheitsmänner, die beim Essen
Alsdann sich wohl zusammenfinden,
Von Dem und Jenem Manches künden,
Und endlich, nach des Staats Gebrechen,
„Swift, wie wir aus Berichten sehn,
War seiner Zeit sehr angesehn.
Er höhnte stets der Narren Schwall
Und geißelte die Schurken all.“ –
Ein ganz verfluchter Tory war er!
Auch ward er ja zur Strafe drum
Vor seinem Tod erstaunlich dumm.“[4] –
„Doch, können wir den Mann vergessen,
So kühn und frei die Feder führte
Und sich mit höchstem Ruhme zierte?
Ist Irland ihm nicht hoch verpflichtet,
Weil er Bedrückung einst vernichtet?“ –
Ganz Andern überlassen sollen.
Es gab weit bessre Patrioten,
Die sich dem Volk als Führer boten.“ –
„Mocht’ er auch ein Genie wohl sein,
Auch sein Verfahren zu vertheidigen;
Stets lärmt’ er in Satiren, leidigen,
Und ließ die Menschen nie in Ruh.
Kam Grillenfängerei hinzu,
Kurz, Alles war dem Schmäher gleich.“ –
„Sir Robert Walpole war ja Whig,
Drum war er auch ja sicherlich
Nicht halb so schlimm, wie Swift ihn macht –
Um Bosheitsscenen zu enthüllen
In Lügenreisen und Pasquillen!“ –
„Gesteh’ ich, daß so oft er neckte,
Zu viel Satir’ im Blut ihm steckte.
An Zeitgenossen sie zu üben.
Durch Spott allein und Geißelschwingen
Läßt sich ja Laster niederbringen.
Erweckt’ er Zorn, wen trifft der Tadel?
Verachtet’ er. An Lasterhaften
Soll niemals wohl ein Tadel haften,
Weil sie den Herzogstitel führen?
Swift ließ dadurch sich nie geniren.
Nur Wen’ge, meist aus Mittelklassen,
Nie Narren hohen Rangs und nie
Von Lords Verwandte, die mit Müh
Erstreben selbst als Lords zu scheinen,
Mit Titeln, wo nur Schein gedieh,
Verwelkte Blumen der Pairie![5]
Er hätt’ es selbst als Schmach erkannt,
Wenn solch ein Wicht ihn Freund genannt.
Wollt’ ihn ein Pair zum Freund erkiesen;
Dann zog er’s vor, sich fortzuscheeren,
Mit witz’gen Köpfen zu verkehren
In altem Rock und staub’gen Schuh’n;
Auf Sterne, die mit Kupplern schon
Geschwelgt, erwies er Stolz und Hohn.“
„Dem Thron hat Achtung er gespendet,
Doch nie ward er von ihm verblendet.
Geschah’s, daß nie er Fürsten traute.
Er ward zum heft’gen Zorn gereizt,
Wenn sich ein Sklav bei Hof gespreizt.“
Denkt vorwärts euch in ein Jahrhundert,
„Der arme Swift! Ein Widerwille
War gegen Menschen einst ihm Grille!
So ward er allgemein verhaßt.
Hätt’ er’s benützt, so könnt’ er fast
Er wollte nie viel Aerger spenden;
Nur war er selbst sehr unzufrieden.
Wär’ ihm ein besser Loos beschieden,
Hätt’ er vielleicht sich so gefügt,
Kaum hätt’ er für Partein geblutet!
Wird jetzt ihm Bosheit zugemuthet?
Doch still! Er liegt ja lang im Grabe.
Die Schriften, seines Geistes Gabe,
In Versen ein’ge, meist in Prose,
Verfaßt in einer Toryzeit,
Worin er Harley Beistand leiht,
Auch jene Närrin Anna preist,
Von Toryschelmen angeführt,
Die mit den Stuarts intriguirt.
Pasquill’ auch, die schon längst verschollen,
Ob jener Zeit und voll von Schmollen.
So siehst du in dem letzten Band
Nur eine Lüg’ in jedem Wort;
Dort ist ihm schier das Herz verdorrt.
Nicht eine Predigt wirst du schaun,
„Ein Urtheil nun vermeidet Swift,
Das seine Werke selbst betrifft.
Stets ward von ihm verachtet schier
Der Recensenten Jagdrevier;
Ein jeglich Buch ward schnell vergriffen,
Wann Swift sich als Verfasser nannte,
Wobei er stets als Zweck bekannte,
Bei Unterhaltung zu belehren.
Wird’s ihr allein zur Schmach gereichen,
Doch Swift wird künft’gen Ruhm erreichen.
Sein Eigenthum (nur wenig traun),
Verschenkt’ er, um daraus zu bau’n
Ein Hauptbedürfniß, Britten eigen.
Ihr braucht nicht mehr vor ihm zu bangen;
Wird seine Asche Ruh’ erlangen?“
- ↑ Carls II.
- ↑ Der Minister Sir Robert Walpole. Vergl. die Biogr.
- ↑ Lady Suffolk, welche die Königin Anna gegen Swift erbitterte und alle Bemühungen Harley’s und Bolingbroke’s, ihn zum Bischof zu ernennen, vereitelte.
- ↑ Swift starb im Wahnsinn. Diese Verse sind im Bewußtsein des bald eintretenden Unglücks geschrieben.
- ↑ Jüngere Söhne von Pairs, die weder das Vermögen noch den Sitz im Oberhause erben, dagegen oft einen (in Wirklichkeit nichts bedeutenden) Titel führen, sobald der Vater (ein Pair) mehre derselben besitzt.