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Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs/§.16

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« §.15 Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs §.17 »
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Textdaten
Autor: Johann Christoph Harenberg
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Titel: Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs ...
Untertitel: §.16 - Von den Weltgeiste und Rüdigerischen Geiste, auf welche man sich hierin nicht zu beziehen hat, weil es Hirngespinste sind.
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Erscheinungsdatum: 1733
Verlag: Johann Christoph Meißner
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Erscheinungsort: Wolfenbüttel
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Quelle: Digitalisat des Göttinger Digitalisierungszentrums bzw. bei Commons
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§. XVI.

[66] Jedennoch hat sich unter seinen Schülern der bekannte D. ANDREAS RUDIGER gefunden, so von den Geistern fast gleiche Gedancken geheget [67] hat, als Thomasius in dem Buche vom Wesen des Geistes. So viel ich aus des Rüdigers Lehren und den Erklährungen, so er darüber gegeben hat, erkenne, befinde ich, daß er zu jeder Würckung eine Berührung, so in einem cörperlichen Puncte geschiehet, erfordere. So bald wir nun dieses zugeben, folget weiter, daß auch die Seele aus zusammengesetzten Theilen bestehe, weil sie, nach des Herrn Rüdigers Meynung, in den Leib würcket, und der Leib wiederum seine unmittelbahre Würckung der Seele eindrücket. Daher denn dieser berühmte Mann dahin verfallen ist, daß er ausdrücklich gelehret hat, weßmassen die Seele aus ergäntzenden Theilen bestehe, und nur durch eine sonderbahre Gnade GOttes unsterblich sey. Es wird manchem wunderlich scheinen, wie man auf diese Weise die Erschaffung aller Dinge, so fern durch solche das mögliche, so nicht würcklich war, zur Würcklichkeit gebracht worden ist, erklähren könne. Denn wie kann man in dem, so nicht würcklich ist, ein punctum physicum finden, durch dessen Berührung die Würckung zu Stande gerichtet sey? Dieses hat der Herr Rüdiger auch selbst wahrgenommen, und deswegen kam es ihm bedencklich für, den gewöhnlichen Begriff, den wir von der Schöpfung haben, beyzubehalten. Es beliebte ihm demnach seine Meynung also auszudrücken, daß die Schöpfung in einer Darstellung der ausgedehnten Theile bestehe, welche vorhin nur ergäntzende oder integrantes waren. Wir wollen ein Exempel geben. Die kleinsten Eierchens eines Saamen-Körnleins bestehen aus ergäntzenden [68] Theilen. So bald diese Theilchens die ausdehnende Kraft äussern, und gleichsam gesten, werden sie grösser, und werden durch die Ausbreitung von innen, und durch Ansetzung der Theile von aussen, ausgedehnet. Dergleichen Ausdehnung nennet der Herr Rüdiger (*) [1] eine Schöpfung. Auf gleichen Schlag erklähren die Mystischen Theologi das Werck der Bekehrung. Sie sagen, es werde ein Theil GOttes in die Seele eingesenckt, welcher eine Gästung oder Gährung veruhrsache, dadurch die wiederstrebenden und todten Theile der Seele abgesondert, versetzet und gereiniget würden: nach geschehener Verwirrung und Gährung, so sie die Reinigung und Busse nennen, entstehe ein heller Schein, und darauf eine Ruhe, welche sie die Hochzeit des Lamms und Vermählung mit der Sophia nennen: und würde die Gährung oder Entgröbung und Abtreibung der Schlacken so oft wiederhohlet, als sich wiederum wiederstrebende und todte Begierden, so sich in der groben Welt beruhigen wollen, anfinden. Man braucht hiebey des Verdienstes Christi nicht. Denn der Theil (a)[2] GOttes, der nach einiger Meynung, wie eine Perle im Acker, schon in Ungläubigen und Heyden zugegen ist; nach anderer Vermuthung aber erst muß eingeflösset werden; ist schon der selbständige [69] Christus in uns, und das wesentliche Wort, so aus der Selbständigkeit GOttes uhrstanden oder hervorgehen soll. Aus diesen vielen Christis bestehet endlich der gantze Mystische Christus, als aus so vielen ergäntzenden und ähnlichen Theilen. Man ersiehet hieraus ohne meine Erinnerung, daß ein solcher GOtt ein zusammengesetztes und zerstreuliches, theilbares Wesen sey, der sich ausdehnen könne. Dis ist eben derjenige Begrif, welchen der unglückselige Mensch, der zu Anfange des XVI. Seculi das Frantzösische Lumpenbuch, so sich anhebet: quoiqu’ il importe à tous les hommes de connoitre la verité, verfasset, und zur Umstürtzung aller Religionen zu Papier gebracht hat. Denn es stehet daselbst ausdrücklich §. 10: Si l’ on demande, ce que c’est que Dieu? Je reponds, que ce mot nous presente un Etre infini, dont l’un des attributs est, d’être une substance ETENDUE, par consequent eternelle & infinie. Und nach einigen Worten: Ainsi la matiere & la quantité n’ont rien, qui soit indigne de Dieu. Hieraus läßt sich ferner abnehmen, was dasjenige sey, so diese unglückselige den Welt-Geist nennen. Sie verstehen darunter die Thätigkeit, so nicht von innen aus dem eingesenckten Theile GOttes, oder aus dem selbständigem Christo in uns, hervorgehet; sondern welche einen andern Grund der Würckung hat. Aber o bedaurens-würdige und verblendete Seelen! Ist ein ausgedehnter, theilbahrer und zertheilter GOtt auch ein GOtt? Dieses sind Eigenschaften der Welt und der Creatur, mit nichten aber des höchsten Schöpfers. [70] Wer kan ohne die gröste Bosheit einen solchen GOtt anbehten? Ist ein solcher GOtt nicht ein Unding und ein unmögliches Wesen? Ein theilbarer GOtt ist ein silbernes Holtz. Allein woher kommt man auf solchen Atheistischen Verfall, da man nichts denn Wahrheit und Heiligkeit vorgiebet? Wenn es mir erlaubet ist zu sagen, so ist es eine Brut, welche alsdenn entstehet, wenn die grobe Unwissenheit sich mit dem Stoltze paaret. Die Gelegenheit ist dazu durch einfältige Leute gegeben worden, welche mit Scheidung der Metallen und Vermischung der mineralischen Säfte umgegangen sind. Denn wie demjenigen alles roht scheinet, der durch ein rohtes Glaß siehet: also ist es denen Hermetischen Weltweisen auch ergangen. Sie muhtmasseten, daß alle Würckungen, so gar auch die Göttlichen, auf solche Art vollführet würden, dergleichen sie bey ihren Scheidungen und Vermischungen wahrgenommen hatten. Demnach stelleten sie sich die Welt als eine Capell oder alembicum vor, und den lieben GOTT als das thätigste, so in der Abtreibung, Umschmeltzung und Scheidung, seine Kräfte am meisten äussert. Es fället mir ein, daß die tummen Indianer dafür halten, welcher gestalt sich ein Drache für die Sonne oder den Mond lege, um ihn zu verschlingen, so oft eine Finsternis am Himmel mit blossen Augen gesehen wird. Die Einfältigen haben zum öftern aus eigener Erfahrung abgenommen, daß die geflügelten grossen Schlangen oder Drachen die andern Thiere anfallen und verschlingen. Hieraus haben sie geschlossen, daß eben dergleichen [71] Würckungen auch am Himmel zu suchen und zu finden seyn. Wir lassen den Kindern ihre Puppen, und den Phantasten ihre Hirn-Gespinste, und gehen weiter. Wir nehmen keinen Theil an solchen irrigen Einbildungen, so in dem Grunde nichts als Atheistereyen sind. (§. 13.) Ich weiß zwar wohl, daß Christian Victor Tuchtfeld noch neulich ebenfalls sonderbahre Dinge von dem Astral-Geiste vorgegeben. Allein weil der Begrif desselben annoch eines und das andere in sich zu fassen[3] scheinet, so wollen wir mit ihm annoch einen Schritt weiter gehen, wenn wir zuvor erinnert haben, daß der Welt-Geist, so fern er dem theilbahren GOtte, der sich ausdehnen kan, entgegen gesetzet ist, ein Unding und Hirn-Gespinste sey. Denn weil dergleichen GOtt gar nicht is, so hat er auch kein Gegentheil. Denn es ist dieses nichts anders, als wenn ich das silberne Holtz dem bleyernem Holtze, oder die antiperistasin der alten Schul-Lehrer der non-antiperistasi entgegen setzen wolte.


  1. (*) In dem Vorbericht gegen Wolffens Meynung von dem Wesen der Seele Theor. II. §. 21.
  2. (a) Daß die ingenia phantastica recht zu Irrthümern und Ketzereyen gebohren seyn, erinnert gar wohl D. HEVMANNVS in Actis philos. P. IV. p. 595.
  3. [WS: vermutlich Satzfehler, im Druck „fas-“]