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Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs/§.13

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« §.12 Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs §.14 »
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Textdaten
Autor: Johann Christoph Harenberg
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Titel: Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs ...
Untertitel: §.13 - An welche man sich nichts zu kehren hat, weil sie solche Grillen behaupten, so den natürlichen und geoffenbahrten Wahrheiten schnurstracks entgegen stehen.
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Erscheinungsdatum: 1733
Verlag: Johann Christoph Meißner
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Erscheinungsort: Wolfenbüttel
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Quelle: Digitalisat des Göttinger Digitalisierungszentrums bzw. bei Commons
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§. XIII.

[56] Es giebt annoch eine Art des Ungehorsams gegen GOtt im Verstande, welcher sich dennoch der Wunderwercke rühmet. Denn es sind Menschen, welche die Gabe der Göttlichen Lehr-Offenbahrung ihnen anmassen, und das Wort GOttes als unzulänglich zur Seligkeit, sonderlich für die Vollkommenen, ausgeben, auch sich wegen der vermeinten Feuer- und Geistes-Tauffe, desgleichen anderer Apostolischer Gaben, Apostolische nennen. Diese sind dem reichen Manne in der Hölle gleich, welcher nicht zufrieden war mit dem Rahte GOttes zu der Seeligkeit der Menschen, und des [57] wegen Wunderwercke begehrte, dadurch seine Brüder errettet werden sollten. Aber wie lautete der göttliche Bescheid? Er lautete also: Sie haben Mosen und die Propheten, laß sie dieselben hören. Hören sie Mosen und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht gläuben, ob jemand von den Todten auferstünde. Luc. XVI.29.31. Was will man mehr, wenn die heilige Schrift uns unterweisen kann zur Seeligkeit durch den Glauben an Christo JESU, daß ein Mensch GOttes sey vollkommen zu allen guten Wercken geschickt? 2. Tim. III.15.17. Ist auch ein anders oder verschiedenes Evangelium, wodurch wir selig werden sollen, zu hoffen? Ich erinnere mich der Worte (b)[1] des Apostels Pauli Gal. I.6.7.8. Mich wundert, daß ihr euch so bald abwenden lasset von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, auf ein ander Evangelium, so doch kein anders ist; ohne daß etliche sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren. Aber so auch wir, oder ein Engel vom Himmel, euch würde ein Evangelium predigen, anders, denn das wir euch geprediget haben, der sey verflucht. Zu was Ende sind nun neue Wunder-Wercke und neue Eingebungen der himmlischen Lehren von nöhten? Oder darf man etwa mit Gichteln Teufels-Lehren (a)[2] für geoffenbahrte Wahrheiten ausgeben? Ists etwa erlaubt, [58] daß wir mit Gichteln die Ordnung, so GOTT in seinem Worte vorgeschrieben, dem Welt-Geiste (b)[3] zuschreiben? Wer ist der Welt-Geist? Gichtel antwortet, daß es der Werck-Meister alles Bösen, und der Versucher der ersten Eltern, Christi, und aller Gläubigen sey. (c)[4] Wie? folget nicht nach Gichtels Meynung hieraus, daß der Satan die heilige Schrift (d)[5] eingegeben? Sollte GOtt zur Behauptung solcher Lehre und zu solchem Ungehorsam des Verstandes auch Wunder-Wercke ausüben? Ist die Heilige Schrifft hinlänglich zur Erlangung der Seeligkeit und der Vollkommenheit, warum soll man denn neue Wunder-Wercke, so zur Fortsetzung neuer Lehr-Offenbahrungen erfordert werden, durch alle Jahrhunderte des Neuen Testaments ansetzen? Und dennoch ist dieses des GOTFRIED ARNOLDS Haupt-Sache, so wohl in der (**)[6] Kirchen- und Ketzer-Historie, als auch insonderheit in der Beschreibung der Mystischen Theologie.[7] Soll auch GOtt Wunder-Wercke thun zu Unterhaltung und Bestätigung einiger Atheisterey? Kan sich auch GOtt selbst verläugnen, der nicht lügen kan, und der die Wahrheit selbst ist? Ists nicht eine Atheisterey, wenn man GOtt in ein cörperliches, [59] materielles und theilbares Wesen (*)[8] verwandelt? Macht man nicht GOtt zu einem solchen Wesen, wenn man die Wiedergebuhrt ansiehet, als eine Einsenckung eines Theils des göttlichen Wesens in die Seele, welchen neuen überkommenen Theil man Sophiam, die Tinctur, Christum in uns, etc. zu nennen pfleget? Macht man nicht GOtt zu einem solchen Wesen, wenn man eine jede Seele als einen Theil GOttes ansiehet? Ist es nicht eine Abgötterey, wenn man einen GOtt anbetet, der der wahre und untheilbare GOtt nicht ist, sondern ein Hirn-Gespinste? Verwandelt man nicht die Creatur in GOtt, wenn man durch die Wiedergebuhrt einen wesentlichen Saamen GOttes und ein Stück der Gottheit in die Seele empfängt, auch vermeinet, daß die Seele (***)[9] in GOtt verwandelt werde? Ich erinnere mich der Worte Pauli, Rom. I. 22. 23. [60] Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren worden, und haben verwandelt die Herrlichkeit des unvergänglichen GOttes in ein Bilde, gleich dem vergänglichen Menschen. Gichtel, der Anfänger des Jacob Böhmens, hätte billig einsehen sollen, daß Böhme die Welt selbst, und die Kraft derselben, für GOtt halte. Denn was heissen die Worte in Mysterio magno c.1. n.2. p.2717. GOtt ist ein ewig Nichts, er ist vor der Schöpfung nichts, nach der Schöpfung aber alles. (e)[10] Der berüchtigte CONRAD DIPPEL spottet, aus diesem Ungrunde, der Schöpfung aller Dinge aus nichts. Der berühmte Weltweise RUDIGER beschreibt die Schöpfung, als eine Würckung aus unausgedehnten Theilen, welches die integrantes nach seiner Meynung sind, so von keiner Creatur getheilet werden können. Diesen Herrn gefällt des Benedicti Spinozae (*)[11] Meynung, daß die Würckungen GOttes allezeit immanentes seyn. Dahero kommt es, daß man die Nicht-Zurechnung unserer Sünden und die Zurechnung des Verdienstes Christi, so doch in der Göttlichen Wahrheit gegründet ist, herdurch ziehet, und dagegen den Einfluß der selbstständigen [61] Gottheit in die Seele den Leuten anpreiset, nach Art der meisten, und zwar unreinen, Mysticorum. Daher verwirft man die Würckungen der Sacramenten, und macht blosse ohnmächtige und todte Zeichen daraus. Dis ist der Inbegriff der Schrifften des TENHARTS, des TOBIÆ EISLERS, und anderer ihres Gelichters, worunter ich auch rechne die Betrachtung von der Wiedergebuhrt über die Worte Christi Joh. III. 3. so einem gottseeligen und erfahrnen Lehrer zugeschrieben, und nebst den Kennzeichen der wahren Wiedergebuhrt von T. E. a. 1731. 8. zu Helmstädt herausgegeben worden. Denn darinn wird die Zurechnung des Verdienstes Christi der Einbildung zugesellet p. 20. die Wiedergebuhrt wird für eine wesentliche Gebuhrt aus GOttes (**)[12] Wesen, dergleichen Christi ewige Gebuhrt von Vater ist, gehalten p. 24,25,27. Der einfältige Mann läugnet, daß die Kinder in der Tauffe wiedergebohren werden, und nennet diese Meynung eine Einbildung, die man den Einfältigen vormache p. 28. Der Spruch Joh. III. 5. wird erklährt von dem Buß- und Thränen-Wasser, und von dem Winde, der das gewaschene trocknet p. 40. Er setzt p. 43. daß die äussere Wasser-Tauffe, und also auch die Kinder-Tauffe, nur ein Denckmahl sey der geistlichen Wiedergebuhrt, Wenn nun solche Lehrer öffentlich anderst lehren als (f)[13] heimlich, und sich [62] beständig wiedersprechen, sind sie denn nicht Heuchler vor GOtt und vor der Welt? Aber aus dem Atheistischen und Spinosistischen Grunde können keine andere Früchte erwachsen. Der Leser wird schon längst gedacht haben, daß dieses den Vampyrs nichts angehe. Allein es wird mir derselbe hoffentlich erlauben, daß ich die Grund-Sätze des drey-köpfigten Welt-Geistes erst anzeige und beleuchte, damit ich desto ungehinderter fortgehen, und von denen Hermetischen Christen keiner ungegründeten Sätze beschuldigt werden könne. Denn es ist nichts gemeiners, als daß die Scheinheiligen, so mit des Spinozä Meynungen den Grund des Christenthums anitzo hie und dort umwühlen, die wahre Weisheit, so sich auf das Licht der Vernunft und des Göttlichen Worts stützet, verdächtig machen (g)[14] und auszureuten gedencken. [63] Dagegen habe ich denselben den eigenen Ungrund vorlegen müssen, ob sie etwa nüchtern, vernünftig und christlich werden wollen.


  1. (b) In gleichen Falle schärfet VINCENTIVS Lirinensis diese Worte ein in Commonitorio I. §. 12, p. 24. 25. ed. Rom. 1731. 8.
  2. (a) 1. Tim. IV.1.2.3.
  3. (b) Theosophische Send Schreiben Th. III. p. 228. Th. IV. p. 50. 67. 77.
  4. (c) Th. I. p. 137. 249.
  5. (d) MEYENBERG in den Tiefen des Satans p. 236. sqq.
  6. (**) Der Herr Baron von Puffendorf sagte zum Könige, daß dis Buch heissen müste: Arnolds tausend Lügen.
  7. [WS: vermutlich Druckfehler, im Druck „Cheologie“]
  8. (*) Als Apollinaris solche Gedancken von GOtt hegete, wurde er von allen Rechtgläubigen verabscheuet. VINCENTIVS LIRINENSIS in Commonitorio I. §. 17. p.37. Ipsam verbi naturam putabat Apollinaris esse discissam, quasi aliud eius permaneret in Deo, aliud vero versum fuisset in carnem. Et §. 18. p. 39. Mutabile non est verbum Dei, ut ipsum verteretur in carnem.
  9. (***) Es können dennoch dergleichen Irrthümer bey gewissen Persohnen, so sich dem höchsten GOtte gäntzlich übergeben und ihm zu gehorsamen suchen, an der Seeligkeit keinen Schaden thun, denn JEsus für sie bittet: Vater! vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun. MISCELLANEA LEIBNITIANIA p. 243. sqq. Jedoch erinnere ich mich auch der wahren Aussprüche Matth. V. 89. Gal. V. 12. Eph. V. 6.9.10. VI. 17.
  10. (e) I.F. BVDDEVS de Atheismo & superstitione c. II. §.5. p. 519. Isagog. theolog. L. II. c.7. p. 1371. I. C. WALCHIVS Einleitung zu den fürnehmsten Religions-Streitigkeiten p. 640. sq.
  11. (*) Conf. I. F. BVDDEI Diss. de Spinozismo ante Spinozam CVDWORTH Intell. system. p. 377. sqq. HISTOIRE VNIVERSELLE depuis le commencement du monde, iusqu' à present To. 1. a la Haye 1732. 4. p.10. sqq.
  12. (**) Man beziehet sich disfals auf die Particul ix, aus. Aber bedeutet diese allzeit causam emanaritem & materialem?
  13. (f) VINCENTIVS Lirinensis in Commonitorio I. §. 26. [62] p. 64. sqq. Audias quosdam ipsorum dicere: Venite, o insipientes & miseri, qui vulgo Orthodoxi vocitamini, & discite fidem veram; quam praeter nos nullus intelligit, quae multis ante saeculis latuit, nuper vero revelata & ostensa est: sed discite furtim & secretim; delectabit enim vos. Et item: Quum didiceretis, latenter docete, ne mundus audiat, nec Ecclesia sciat: paucis namque concessum est, tanti mysterii sensum capere. Nonne haec verba sunt illius meretricis Prov. IX. 4. 16. 17. 18.
  14. (g) Auf gleiche weise suchten die Donatisten ihre irrigen Lehren zu unterstützen. POSSIDIVS in Vita Augustini c.7. p. 22. ed. Ioannis Salinae Neapolitani Romæ 1731. 8. OPTATVS Milevitanus L. II. n. 4. So machtens auch die Arianer. VINCENTIVS LIRINENSIS in Commonitorio I. §. 6. p. 11. ed. Rom. 1731. 8. Insonderheit zogen sie mit List und Schmeicheley [63] die Hof-Leute und Bedienten des Kaysers Constantii an sich, und machten alle ehrliche und gelehrte Leute verdächtig. GREGORIVS NAZIANZENVS Invectiva I, in Iulianum. Sie zogen auch den Kayser an sich. VINCENTIVS I. c.