Verfassung des Hauptzeughauses in Dresden zu Anfang des 18. Jahrhunderts
← Die früheste dichterische Schilderung Dresdens | Verfassung des Hauptzeughauses in Dresden zu Anfang des 18. Jahrhunderts (1900) von Ernst Freiherr von Friesen Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900) |
Paul Buchner, ein Dresdner Baumeister der Renaissance → |
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Das Hauptzeughaus in Dresden wurde in den Jahren 1559 bis 1563 vom Kurfürsten August in der Nähe des später eingegangenen Elbthores erbaut. Es konnte in damaliger Zeit als ein prachtvolles Gebäude gelten und wurde von den Nachfolgern des Erbauers in einen so vorzüglichen Stand gesetzt, daß der Kaiser Matthias, der es im Jahre 1617 besuchte, ihm seine volle Anerkennung aussprach. In späterer Zeit sorgten namentlich die Kurfürsten Johann Georg II. und III. für dessen Vervollkommnung; letzterer stellte die meisten der 1683 vor Wien erbeuteten Trophäen darin auf. Auch unter Friedrich August I. (dem Starken) wurde es bedeutend erweitert, sein Nachfolger Friedrich August II. aber gestaltete es gänzlich um; er ließ durch den Generalmajor von Fürstenhof das alte Gebäude 1740 fast ganz abtragen und ein neues Stockwerk aufsetzen, was 18
000 Thaler kostete. 1879 hörte es auf Zeughaus zu sein, da sein Inhalt in das neu erbaute Arsenal übergeführt wurde.In der älteren Zeit war ein sehr wichtiger Posten der des Obersthaus- und Landzeugmeisters. Man verstand unter dieser Bezeichnung den Chef und Oberkommandanten sämmtlicher Zeughäuser, Festungen und festen Häuser im Lande mit deren gesammtem lebenden und todten Material, d. h. Personal und Inventar. Sein Rang wechselte in den verschiedenen Zeiten vom Oberstleutnant bis zum Generalleutnant und es wurden ihm zuweilen, wenn er eine hohe Stellung in der Armee einnahm, noch weit höhere Befugnisse eingeräumt, als die angegebenen, z. B. das Kommando über die gesammte Haus- und Feldartillerie des Landes, die Oberinspektion über das Ingenieurwesen u. s. w.
Dem ersten Obersthaus- und Landzeugmeister begegnen wir 1540-1555, also noch bevor das Hauptzeughaus erbaut wurde, in der Person des von Wirand gen. Vogt, dem in ununterbrochener Reihe andere folgten, bis in der Zeit, von der hier die Rede sein soll, im Jahre 1705, der Generalmajor August Christoph Graf von Wackerbarth hierzu ernannt wurde, der die Stelle bis zu seinem Tode – er starb als Generalfeldmarschall am 11. Oktober 1734 in Dresden – bekleidete.
Ueber das zum Hauptzeughause gehörige Personal giebt uns eine Musterrolle vom Jahre 1705 Aufschluß, also dem Jahre, in welchem Graf Wackerbarth das Kommando übernahm:
1 Obersthaus- und Landzeugmeister (Graf Wackerbarth), 1 Oberzeugmeister (Oberst Joh. Gottf. Schmidt), 1 Zeughauptmann, 1 Oberzeugschreiber, 3 Oberzeugwärter, 1 Zeugwärter, 1 Oberfeuerwerksmeister, 1 Auditeur, 1 Artillerie-Sekretär, 1 Artillerie-Schreiber, 1 Stückgießer, 1 Stückvorschneider, 1 Mechanikus, 1 Pulvermacher, 1 Kronknecht, 2 Kohlenknechte, 1 Zeltschneider, 12 Handlanger oder Schneller, 1 Thorwärter im Zeughause, 1 Thorwärter im Zimmerhof; im Wagenhaus: 1 Schirrmeister, 2 Wagenknechte; zu den Gefangenen: 1 Profos, 2 Steckenknechte; bei der Haus-Artilleriekompagnie: 1 Premierleutnant, 1 Zeugdiener, 1 Zeugwärter, 1 Fourier, 1 Feldscheer, 2 Tambours, 1 Feuerwerksergeant, 12 Feuerwerker, 2 Sergeanten, 4 Corporale, 21 Büchsenmeister, 9 Werkleute, 6 Minirer, darüber 60 Büchsenmeister aus der Bürgerschaft.
[242] Von Interesse dürfte ein Blick auf das Alter aller im Hauptzeughause Angestellten sein, wie es aus der Musterrolle von 1723, die einen etwas veränderten Personalbestand aufweist, ersichtlich ist. Von den zum Stabe gehörenden Offizieren und Beamten war der Adjutant der jüngste mit 30 Jahren, dann aber war der nächst ältere bereits 40 Jahre, die anderen 50, 60, der älteste 73 Jahre.
Bei der Artillerie-Leibkompagnie war der Hauptmann 65, der Premierleutnant 53, der Sousleutnant 72 Jahre, die 12 Feuerwerker zwischen 58 und 79 Jahren, die 4 Korporale bis zu 48 Jahren, 48 Kanoniere zwischen 25 und 64 Jahren, 12 Schneller zwischen 33 und 62 Jahren; ferner waren die Werkleute zwischen 30 und 69 Jahren, der Schirrmeister 80 Jahre, die 4 Wagenknechte 38–70, der Profos 36, die 4 Festungsknechte 37–55 Jahre.
Man wird es begreiflich finden, daß bei einem aus so verschiedenartigen Elementen zusammengesetzten Truppenkörper, dessen einzelne Mitglieder zum kleinsten Theil unter 40 Jahren, zum größeren Theil über 40 Jahre, ja sogar bis zu 80 Jahren alt waren, von militärischem Geist keine Rede sein konnte, das Ganze hatte den Charakter einer Zunft an sich. Als der General Graf Wackerbarth 1705 das Kommando über dieses Korps übernahm, dem hauptsächlich die Aufbewahrung der Geschütze, aller anderen Handfeuerwaffen, Ausrüstung, Munition, Pulverfabrikation etc. übertragen war, traten außerdem noch hinzu die gesammte Artillerie, die Roßpartei und die Baugefangenen. Bei allen diesen Abtheilungen aber herrschten Zustände, die uns heute fast unglaubhaft erscheinen.
I. Die Artillerie bestand aus der bereits erwähnten Hauskompagnie, auch Leibkompagnie oder Hauptmann Richters – der Zeughauptmann war – Kompagnie, dann aus der Feldartillerie, nämlich dem Stabe zu 15 Mann, und 3 Kompagnien: Schumann, Weise und Probst, zu 86 Mann, einer Pontonierkompagnie zu 40 Mann und einer Handwerkerkompagnie zu 30 Mann. Dieser Sollbestand war aber bei keiner Abtheilung erreicht, sondern es fehlten beim Stabe 11, bei Richter 56, Schumann 60, Weise 32, Probst 22, den Pontonieren 1, den Handwerkern 17 Mann, so daß an dem Gesammtbestande von 429 Mann nicht weniger denn 199 Mann mangelten, daher nur 230 Mann vorhanden waren.
Mit Ergänzung dieser vakanten Stellen beeilte man sich keineswegs, denn das Geld für dieselben floß in die Tasche der Kompagnie-Kommandanten, von denen es entweder zum eigenen Nutzen oder auch wieder zur Werbung neuer Mannschaft verwendet wurde. Die Neubesetzung vakanter Offiziers- und Unteroffiziersstellen genehmigte auf Vorschlag der Obersthaus- und Landzeugmeister, doch auch dieser beeilte sich nicht allzusehr damit.
Darüber, wie es im Innern der Kompagnien ausgesehen haben mag, giebt uns eine im Kriegsarchiv vorhandene Ordre des Grafen Wackerbarth Aufschluß, welche er am 28. November 1707 erließ, nachdem er die Artillerie-Kompagnien einer eingehenden Besichtigung unterzogen hatte. Sie lautet:
„Mit besonderem und höchstem Verdruß habe ich bei meiner itzigen Anwesenheit sehen und erfahren müssen, wie mal habilement die Kgl. Artillerie sowohl bei der Leib- als denen anderen 3 Feldcompagnien beschaffen, inmaßen nicht nur unansehnliche, kleine, blöde, ungeschickte Leute, sondern auch Invaliden und Kranke darunter zu befinden, mit welchen die Königlch Dienstleistungen der Gebühr nach nicht versehen, weniger die Offiziers versichert sein können, daß bei ereigneter action ihnen schuldige assistence geleistet und das Kglch. hohe Interesse dadurch befördert und in Acht genommen werden möge. Alldieweilen aber Se. Kglch. Majestät nächst Anwendung einer eifrigsten Sorgfalt und Mühe, gleichwohl ein so hohes Geld darauf gewendet, daß nicht nur brave, geschickte, mannhafte und gesunde Leute angeworben, sondern ihnen auch, nach dem Unterschied der Proben, die Artillerie-Kunst fideliter unterwiesen, desgleichen sämmtliche Compagnien allzeit in solchen Flor und capacitet conserviret und erhalten werden sollen, daß Kglch. Majestät ehe und allewege ihrer guten Wissenschaft und treuen Dienste sich versichern, der Offizier aber davon Ehr und Ruhm haben und erlangen möge. Nun aber dieses ermangelt und weder Kglch. Majestät Nutzen und Dienst noch des Offiziers Gloir von diesen schlechten Leuten zu vermuthen, – Als wolle der Herr Oberzeugmeister denen Capitäns diesen meinen Mißfallen hierüber intimiren und dann durch alle Compagnien ein solche Riforma anstellen, daß alle dergleichen kleine, ungeschickte, blöde und invalide Leute ausgemustert und dagegen von den Capitäns andere, wohlgestalte, geschickte und ansehnliche Kerls an deren Stelle wiederum angeworben, auch denenselben die Artillerie soviel ein Kanonier und Feuerwerker zu wissen von Nöthen und zwar beides, sowohl die Anwerbung als die Lehre auf ihre der Capitäns Unkosten solcher Gestalt unterwiesen werden möge, damit zu Ende Martii nächstkommenden 1708. Jahres ein jeder Capitän seine Compagnie komplet habe und zur Musterung parat sei“ u. s. w.
Gegen diese Verordnung remonstrirten die Kapitäns der Artillerie in einer Eingabe vom 10. Dezember 1707 und baten:
1. daß die Musterliste, wie bisher, allemal nach dem Effektivstande, also hinfüro und vom 1. Oktober 1707 bis ultimo März 1708 nach dem Completstande [243] eingereicht und jeder Compagnie das völlige Traktament danach abgestattet werden möge, damit jeder Kapitän zufolge der erhaltenen Ordre anstatt derjenigen Feuerwerker und Kanoniere, so Se. Exc. sowohl auf ihr Anhalten dimittirt als auch bei dero angeordneten Riforma ausgemustert, andere tüchtige Mannschaft wiederum angeworben, bis zur Musterung unterhalten und dieselbe in der Artillerie auch gebührend unterweisen könnte, zu welcher Unterweisung sie gleichergestalt um die Munition aus dem Hauptzeughause unterthänigst ansuchen;
2. daß ihnen ein Stück nebst etwas Pulver und Kugeln aus dem Hauptzeughause überwiesen werde, damit sie ihre alte und neuzuwerbende Mannschaft theoretisch und praktisch ausbilden könnten;
3. werden Se. Exc. um Bescheid und Rsolution angesucht, auf welche Art und Weise die Kapitäns von den jetzt dimittirten Leuten, die sie auf eigene Kosten angeworben, ihre Satisfaktion suchen und ob ihnen nicht erlaubt, die Vermögenden zu Anschaffung eines anderen tüchtigen Mannes oder zu Restituirung des Werbegeldes anzuhalten;
4. Weil bisher die Beimontur nebst der Leibesmontur bei der Kriegs-Casse decontiret und innebehalten, auf die Mannschaft aber das allerwenigste wieder angewendet worden, dahero auch erfolget, daß die Leute so mal habil sich aufführen, ja vielmal aus Mangel an Schuhen und Strümpfen ihren Dienst nicht versehen könnten, so bitten die Kapitäns es dahin zu disponiren, daß der Abzug sothaner Beimontur ihnen hinfort selbst concediret oder doch von dem bisher abgegangenen quanto ihnen so viel ausgeantwortet werden möchte, damit sie die Anschaffung mehrgedachter Beimontur beobachten und die nackend gehenden Leute damit versorgen könnten;
5. Beziehen sich ermeldete Kapitäns auf ein douceur, so Se. Exc. ihnen zu nöthigen Schreibmaterialien, item zur Reparatur der Spiele und Gewehre vormals und zwar für jeden Mann monatlich 6 Pf. gnädig promittirt, um deren Continuation und fernere Passirung sie nochmals für die neuanzuwerbende Mannschaft bitten;
6. Remonstriren dieselben, nachdem die Löhnungen nebst dem Brode nunmehr bei angeordnetem völligen Traktament cessiret, daß der Mannschaft nicht möglich sei, so lange zu subsistiren, bis mit Ausgang des Monats die gänzliche Auszahlung erfolgte, und bitten daher in Gnaden zu erhoffen, daß ihnen der noch restirende Monat August 1706 gleichsam auf jetzigen und künftigen Monat par avance zum Erhalt bedeuteter Mannschaft aus der Kriegs-Casse bezahlt werden möchte, da die gewöhnliche Liste darüber auch bereits an das Hohe Geh. Kriegs-Raths-Collegium dahin signirt und unterschrieben worden.
Eine Resolution darauf ist nicht vorhanden. Indessen sind viele Mannschaften bis Ende des Jahres ausgemustert worden.
II. Die Roßpartei, welche die Stelle unserer heutigen Trainbataillone einnahm, bestand laut einer Bestandsliste vom 29. Juni 1705 aus: 1 Equipage-Kapitän, 1 Equipage-Leutnant, 1 Proviantmeister, 1 Oberwagenmeister, 1 Oberschirrmeister, 4 Unterwagenmeistern, 1 Roßarzt, 25 Schirrmeistern und 290 gemeinen Knechten. An Königl. Pferden wurden aufgeführt: 867 Pferde für die Artillerie und Munition der Infanterie, 90 PFerde für 8 Schiff- und 7 Requisitenwagen für Schiffbrücken, 234 Fuhrmannspferde und 145 Offiziers- und Marketenderpferde.
Mit dieser Roßpartei, welche hauptsächlich für die nach dem Elsaß ausmarschirenden Truppen bestimmt war, sollte Hauptmann Mylius auf dem „Sande“ bei Dresden, zwischen der Neustadt und der Haide, kampiren. Er erstattete darauf einen Bericht, in dem er sagt: Da er gegen 900 Pferde habe und dazu nur 290 Knechte, so mangelten ihm wenigstens noch 160 Knechte, um deren Gestellung er bitte; außerdem mache er darauf aufmerksam, daß er in dem tiefen Sande keinen Kampirpfahl einschlagen könne, die Pferde daher meistens frei herumliefen und Schaden nehmen könnten, auch würde ihnen durch den Wind der feine Sand in die Augen und Ohren getrieben. Die Pferde, von denen schon viele in der Druse lägen, würden noch weiter erkranken, er könne die Verantwortung hierfür nicht übernehmen. Es wird darauf befohlen, daß der Equipageleutnant in den Spreewald entsendet werden, um dort gute Weideplätze für die Pferde auszusuchen. Mehrere Schirrmeister werden aber außerdem nach Stolpen, Dippoldiswalde, Frauenstein und Lommatzsch geschickt, um zu erforschen, ob sich dort günstige Gelegenheiten zur Unterbringung der Pferde finden würden.
Am 5. September 1705 rückte die Roßpartei in einem Bestande von 382 Knechten und 982 Pferden mit dem mobilen Korps nach dem Elsaß zur Belagerung von Hagenau ab. Hierbei muß bemerkt werden, daß die Offiziere der Artillerie sehr reich mit Pferden ausgestattet wurden: ein Major 9, Hauptmann 6, Quartiermeister 4, Premierleutnant 3, Sousleutnant und Stückjunker 2 Pferde etc. Gleich nach dem Ausmarsche wurden abermals, und zwar für den nordischen Krieg, Truppen mobil gemacht und wieder Pferde angekauft. Der Preis, der damals gezahlt wurde, schwankt nach einer Einkaufsliste zwischen 17 und 30 Thalern.
Im Januar 1706 hat der General Graf Wackerbarth diese Roßpartei inspizirt und schreibt darüber unter dem 28. Januar: Mit der größten Bestürzung habe er wahrnehmen müssen, wie sich bei der Musterung die Stückknechte [244] in gar schlechter Montirung befänden; die meisten hätten weder Stiefeln noch Strümpfe, und er begreife nicht, wie die Leute in der gegenwärtigen Montur einen Feldzug bei anhaltender Kälte aushalten sollten. Es soll Verordnung ertheilt werden, daß den ganz nackend gehenden Leuten Röcke, Strümpfe und Stiefeln verabfolgt werden.
Eine Musterliste der Roßpartei vom 13. Mai 1710 giebt deren Stärke auf 279 Köpfe mit 531 Pferden an. Zum unmittelbaren Gebrauch im Zeughause waren dort 4 Baupferde ständig und 8 Pferde von der Artillerie stationirt. 1733 waren diese in so schlechtem Stande, daß der Antrag gestellt wurde, sie lieber zu verkaufen und statt dessen für die zu leistenden Fuhren Pferde von hiesigen Fuhrleuten zu miethen; dem wurde aber nicht entsprochen, sondern bestimmt, daß die schlechten Artilleriepferde gegen bessere von der Roßpartei umzutauschen, die 4 unbrauchbaren Baupferde aber zu verkaufen seien; der Verkauf erfolgte und brachte für alle 4 Pferde 20 Thaler.
III. Eine dritte Beigabe zum Kommando des Hauptzeughauses waren die Baugefangenen. Diese Bande von Verbrechern, deren wir nach einem Verzeichniß von 1720 116 Mann, 1722 95 Mann vorfinden, stand unter besonderer Aufsicht von einem Profos und 2 Steckenknechten, zu denen 1723 noch 2 Knechte kamen. Der Profos und seine Knechte erscheinen in sehr zweifelhaftem Lichte, denn im Bestands-Rapport von 1705 wird bei einem Profos Müller die Bemerkung gemacht: „ist wegen seines üblen Verhaltens dimittirt worden“ und in Klammer daneben „Müller stahl“. – Der erste Steckenknecht wurde „wegen beschuldigter Diebereien dimittirt“ und dafür ein Gefangener angestellt, der bereits nach 3 Monaten desertirte, worauf man einen neuen anwarb „aus Oedenburg in Ungarn“. Wenn in der Instruktion, deren mehrere vorhanden sind, dem Profos und seinen Knechten eingeschärft wird, sie sollen den Gefangenen keinen Branntwein schenken, sich mit ihnen nicht in Gemeinschaft einlassen und ihnen nicht zur Flucht behülflich sein, so möchte man fast annehmen, daß dergleichen Dinge öfters vorgekommen sind. Der Profos erhielt allerdings monatlich nur 4 Thaler, von 1722 an 6 Thaler Gehalt und für jeden freigelassenen Gefangenen, der durch Urtheil und Recht verurtheilt worden, 1 Thaler, für einen, der nur auf willkürliche Zeit dahin geschafft und geschlossen wurde, 14 gute Groschen, für einen Konstabler, Schneller, Maurer oder Zimmermann 2 Groschen.
Die Gefangenen wurden nach der Instruktion von 1731 in 3 Klassen getheilt: 1. infame Delinquenten, 2. solche, welche nicht gar infamer, aber boshafter Weise gesündigt und 3. solche, welche durch zufällige Verhältnisse in den Bau gekommen waren. Diesen 3 Klassen entsprechend wurden sie untergebracht, eingeschmiedet und mit Arbeit versehen.
Sie waren in den Kasematten untergebracht und zwar die 1. Klasse in den schlechtesten. Nach einer Verordnung vom 19. März 1717 sollten sie daraus entfernt und ins Königl. Provianthaus gebracht werden, dagegen machte aber Oberzeugmeister Schmidt Vorstellungen und gab an, da in diesem Gebäude viel Proviant und Getreide läge, die Gefangenen aber oft an Krankheiten litten und einen gräßlichen Gestank verbreiteten, so würde der Proviant davon leiden. Infolge einer Eingabe des Generals Grafen Wackerbarth aber, welcher verlangt, daß die Baugefangenen doch etwas besser untergebracht und beköstigt werden möchten, wurden sie durch Verordnung vom 5. Juli 1717 in die Kasematten des Fraumutterhauses an der Kreuzstraße verwiesen.
Zur Beköstigung erhielten sie seit 1687 täglich 3 Pfund Brod und 1/2 Mäßchen Salz. An hohen Festtagen, d. h. zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Königs Geburtstag, Bier. Nur wenn sie krank waren, bekamen sie andere Kost, worüber ein besonders für sie angestellter Feldscheer entscheiden mußte. Es heißt: „wenn sie einer besonderen Maladie unterliegen,“ bekommen sie 3 Tage täglich 1/2 Pfund Rindfleisch, 2 Tage Zugemüse, d. h. 1/4 Mäßchen Haidegrütze oder Graupen und 2 Tage Suppe von Rindfleischbrühe, auch statt des Brodes Semmel und 2 Kannen Kofent, weniger Kranke nur 1 Tag Rindfleisch, 1 Tag Haidegrütze, 1 Tag Graupen, die übrigen Tage 3 Pfund Brod und Kofent.
Die Bekleidung scheint eine sehr dürftige gewesen zu sein, denn es sind verschiedene Anzeigen vorhanden, in denen dringend um Lieferung neuer Bekleidung gebeten wird. So bittet der Oberzeugmeister Schmidt am 28. November 1718, da er nur noch 5 Röcke, 5 Paar Strümpfe, 9 Paar Schuhe und 6 Hemden hätte, um Lieferung von 35 Röcken, 57 Paar Hosen, 59 Paar Strümpfen, 68 Paar Schuhen und 61 Hemden.
Jeden Sonntag wurden die Gefangenen zum Gottesdienst geführt, der in Betstunde und Examen bestand. Zweimal jährlich wurde kommunizirt, am Gründonnerstag und Michaelis. Durch eine Verordnung vom 3. April 1713 wurde angeordnet, daß die Katholischen nicht mehr wie bisher in die evangelische, sondern in die katholische Kirche geführt würden.
Jeder Baugefangene wurde, sobald er eingeliefert war, eingeschrieben und eingeschmiedet, erst bei der Entlassung wurde er wieder ausgeschmiedet. Die Eisen waren Bein- und Halseisen von verschiedener Schwere; große Beineisen wogen 22 Pfund, mittlere 15–16 Pfund, kleine 5–8 Pfund. Sie wurden von den Verbrechern, entsprechend den oben genannten 3 Klassen, Tag und Nacht getragen, denn sie waren vernietet und wurden [245] erst wieder entfernt, wenn der Delinquent den Bau verließ. Die erste Klasse wurde nach einer Verordnung von 1731 beschwert mit 17–22 Pfund, die zweite mit 10–16 Pfund, die dritte mit 5–8 Pfund. 1740 trat eine Verschärfung bei der ersten Klasse auf 20 bis 24 Pfund, bei der dritten bis auf 10 Pfund ein. Wie in der Bekleidung und anderen Dingen, herrschte auch hierin Mangel und Unordnung. Am 11. November 1720 meldet der Auditeur Kotsch, daß er aus Mangel an Eisen von den drei eingelieferten Musketieren – es wurden nämlich alle Deserteure auf den Bau eingeliefert – nur einen, der auf 4 Jahre verurtheilt wäre, habe einschmieden lassen können, die beiden anderen seien jeder nur mit einer Bein- und Handschelle belegt worden, denn er habe bei einem Bestande von 116 Mann nur 114 solche Eisen; da aber fast täglich noch mehr eingeliefert würden, bäte er um mehr Eisen. Auf diese Klage des Auditeurs hin wird verordnet, daß diejenigen Behörden, welche Delinquenten auf den Bau einlieferten, auch für Beschaffung der nöthigen Eisen zu sorgen hätten!
Die schweren Eisen verursachten den Verbrechern natürlich die größten Schmerzen, und öfters gingen deshalb Gnadengesuche ein. In einem solchen Gesuch heißt es: „Wir fallen vor Ew. Exzellenz Füßen fußfällig nieder in der tiefsten Erniedrigung und bitten um der theuersten Wunden Jesu willen um Befreiung, da die Eisen die Schultern verwunden und wir die grausamsten Schmerzen ausstehen müssen“. Die Betreffenden hatten gestohlen und trugen bereits 7 Jahre lang Eisen. Wann das Brandmarken eingeführt worden, ist nicht zu ersehen; eine Nachricht vom 29. Januar 1739 besagt, daß der Nachrichter Polster 4 Thlr. 12 Gr. für jedes Brandmarken zu erhalten habe, und zwar 2 Thlr. 12 Gr. für das Brandmarken selbst und 2 Thlr. für Herrichten des Eisens.
Die Arbeit der Gefangenen war den 3 Klassen entsprechend eine schwerere oder leichtere. Die erste Klasse wurde mit Karrenfahren, Steinschleppen, Mistladen, später auch mit Kloakenreinigen beschäftigt. Ihre Arbeit dauerte im Sommer von früh 4 bis Abends 6 Uhr, im Winter von früh 6 bis Abends 5 Uhr. Die zweite Klasse hatte gelindere Arbeit und wurde im Sommer von 1/25 bis 1/26 Uhr, im Winter von 1/27 bis 1/25 Uhr beschäftigt, während die dritte Klasse wieder früh und Abends 1/2 Stunde weniger Arbeit hatte.
Auch auswärts wurden die Baugefangenen verwendet; so war der Festungsbauknecht Palisch im Jahre 1717 mit 40 Gefangenen zur Arbeit in Grimma kommandirt. – Am 25. März 1738 wurden 60 Baugefangene dem Kaiser für den Festungsbau in Belgrad zur Verfügung gestellt. Sie wurden auf 11 vierspännigen Wagen unter Aufsicht des Profosen und unter Bedeckung von 1 Leutnant und 60 Infanteristen über Freiberg, Chemnitz, Zwickau, Plauen nach Eger transportirt und dort dem kaiserlichen Oberst Dörfinger mit Lieferschein übergeben. Der Bericht des Profosen beschreibt sehr eingehend diesen 5 Tage dauernden Transport, wie fast an jedem Tage wenigstens ein Wagen umgeworfen worden und wie er schließlich mit Mühe die Gefangenen an den Obersten übergeben hätte. Dieser hätte Anfangs mehrere nicht nehmen wollen, weil sie behauptet hätten, sie wären krank und könnten nicht arbeiten, und er verlange nach dem Vertrage nur gesunde und kräftige Leute; er, der Profos, habe ihm aber gesagt, wenn der Herr Oberst jedem glauben wollte, daß er krank sei, dann würden sofort alle 60 Mann sich krank melden. Von den abgelieferten Leuten waren nach dem vorhandenen Verzeichniß nur einer 21 Jahre, die anderen alle 40 bis 58 Jahre alt.
Erst wenn der Delinquent pardonnirt oder entlassen wurde, konnte er wieder ausgeschmiedet werden und hatte dann 2 Thlr. 4 Gr. 3 Pf. für das Ausschmieden zu entrichten, und zwar 21 Gr. dem Profos, 12 Gr. den 4 Knechten zur Theilung, 8 Gr. dem Festungsbauschreiber, 5 Gr. 3 Pf. dem Auditeur und 6 Gr. dem Schmied für das Ausschmieden.
Ueber die Verwaltung des Zeughauses hat der Oberzeugmeister Johann Gottfried Schmidt[1] unter der Aufschrift „Was etwa mit Einem oder dem Anderen passirt etc.“ Aufzeichnungen hinterlassen, welche den Charakter der Ursprünglichkeit tragen, da sie jedenfalls stets an dem Tage bewirkt worden sind, an dem sich die Thatsachen ereignet haben. Sie geben uns daher ein treues Bild nicht nur von den damals im Zeughause herrschenden eigenthümlichen Zuständen, sondern auch vom Charakter und den Anschauungen des Generals, der sein ganzes Leben in dem engen Raume des Dresdner Hauptzeughauses zugebracht hat.
Zuvörderst sehen wir, woe er und das Zeughaus durch Lieferungen von Pulver gemißbraucht wurden.
„22. August 1708. Dato schickte Ihre Durchlaucht der Herr Statthalter dero Laquaien zu mir, mit vermelden, sie würden morgen auf die Jagd reisen, möchten gern von de Königs Pirschpulver etwas haben, ob sie nicht aus dem Zeughause ein 12 Pfund bekommen könnten. Ich lasse mich darauf entschuldigen, ich dürfte [246] ohne Verordnung und Quittung nichts ausgeben, wollten aber Ihre Exzellenz die Gnade haben und einen Schein unter dero hohen Hand geben, so wollte ich gar gern so viel folgen lassen.
Am 23. August.
Kommt obiger Laquai früh Glock 7 wieder zu mir; Ihre Durchlaucht wollen nicht gern einen Schein ausstellen. Sie wollten lieber das Pulver beim Zeughaus bezahlen. Ich lasse mich aber excusiren, es würde beim Zeughaus kein Pulver verkauft, ich wollte es lieber gegen dero Schein geben. Darauf ging er wieder fort. Ich schickte aber den Feuerwerker Schönewetter und lasse (Ungnade zu vermeiden) mich erbieten: Im Falle Ihre Durchlaucht keinen Schein geben wollten, vor Geld wir auch nichts verkaufen dürften, Ihre Durchlaucht aber gleichwohl von hiesigem Pirschpulver gern was haben wollten, so stellte in Ihre Durchlaucht gnädigst Gefallen, ob Sie allenfalls 12 Pfund anderes Pirschpulver anher schicken wollten, weil es dem Zeughaus indifferent, so sollte so viel anderes Ihre Durchlaucht abgeliefert werden. Schönewetter brachte die Antwort zurück, Ihre Durchlaucht ließe sichs also gefallen, in 2 Stunden wollte sie es abholen lassen. Gegen 10 Uhr kommt voriger Laquai und bringt in einem Sack 12 Pfund Pirschpulver, worauf ich dem Oberzeugwärter Haubold befahl, es in Empfang zu nehmen und dagegen von gutem Königlichen Pirschpulver so viel abfolgen zu lassen.“11. November 1715. [2] ich heute meine Reverenz machte und unter anderem wegen der Pulver-Magazine, so in Altdresden und in hiesiger Festung sein, ich Verrechnung that, als welches er schon vor etlichen Tagen wissen wollte, ich ihm auch nach einander meldete, wo itzo Munition verwahrt stünde, antwortete er: das möchte er wohl schriftlich haben, wo diese Magazine wären, und was in jedem sich befände. Darauf ich mich aber excusiret, daß ein Solches Ihrer Exzellenz ich wohl mündlich referiren könnte, aber schriftlich von mir zu geben könnte ohne Vorwissen und Befehl Ihrer Königl. Majestät ich solches nicht thun und hätten Ihre Königl. Majestät und dero Vorfahren dies allzeit vor sich behalten und niemand wissen lassen wollen, was vor Vorrath beim Hauptzeughause sei, wie sie denn auch 1703 allergnädigsten Special-Befehl an den damaligen Gouverneur, den General-Feldzeugmeister Grafen von Zinzendorf ertheilt, ein Inventar fertigen zu lassen, jedoch mit der Bedingung, daß niemand dazu gezogen werden sollte als die, so expresse im Hauptzeughause verpflichtet, darauf auch niemand als ich un 2 Oberzeugwärter sich desselben unternehmen dürften; als es fertig, hatte das Inventar hochgedachtem Herrn Generalfeldzeugmeister ich selbst übergeben, in der Meinung, sie würden es an Königl. Majestät einliefern. Er hatte es aber nicht ansehen wollen, sondern mir befohlen, weil Ihre Königl. Majestät es nicht wissen lassen wolle, ich es selbst übergeben sollte, welches auch geschah, und hatte hochgedachter Exzellenz, wenn sie es verlangt hätte, wie viel Munition zur Defension der Festung vorhanden, ich allzeit mündlich Nachricht gegeben, dessen ich mich auch itzo und niemals weigern würde und überdies Se. Exzellenz sich wenig könnten danach richten, weil der Vorrath bald ab- bald zunähme und sich oft verändere. Allein der Herr General gab zur Antwort: Das thut nichts, ich sollte es doch mal wissen, es gehört doch dazu, was mir anvertraut, ich will den König deswegen fragen. Ich gab zur Antwort, wenn es Ihre Majestät gnädigst befehlen, werde ich nicht entgegen sein.
„Als beim Hr. General JanoAm 15. November darauf fragt der Herr General Janus im Königl. Vorgemach mich, da ich gleich bei Majestät Audienz gehabt und aus dessen Gemach herausgekommen, ob Se. Majestät mir wegen des Pulvers, davon er, der Herr General, vor etlichen Tagen mir gedacht, etwas gesagt hätte; als ich nun antwortete: Nein, so sagte er mir darauf, er hätte den König gefragt, aber zur Antwort bekommen: Es wäre nun schon hier so eingerichtet, er, der König, könnte es nicht ändern. Der Herr General fuhr fort und sagte, das hätte ihn darauf geführt, daß, wenn Munition auf die Festung Königstein geführt würde, der Commandant allda doch alle Vorräthe wisse; darauf antwortete ich, ja das wäre also, allein die auswärtigen Commandanten hätten nichts mehreres unter sich, als den Vorrath, so zur Defendirung der Festung geordnet; hier aber gehörte der Vorrath nicht vor die Festung allein, sondern vor das ganze Land und das hätten die vorigen durchlauchtigen Churfürsten und auch Se. Majestät selbst jederzeit zu wissen sich allein vorbehalten, und referirte ich ihm wiederum, was mit dem Inventario vorgegangen und wie es das Reglement erfordert. – Sagte er darauf: ich gäbe doch auf die geheim Kriegs-Canzlei Nachricht, was vorräthig wäre; ich antwortete, von mir wäre dergleichen noch niemals gefordert worden, auch von mir nichts dahin gegeben, außer wenn etwa eine Ausgabe von Gewehren verordnet werden sollte, so müßte ich denn zuweilen Nachricht eingeben, was vorhanden, damit sie disponiren könnten. Wenn aber vom Pulver ein Abgang sich ereignete, erinnerte ich soches in Zeiten beim Geh. Kriegs-Raths-Collegio, damit mehreres angeschafft würde; jedoch ohne Benennung des noch vorhandenen Vorraths. Wenn aber Se. Exzellenz mich fragen würden, ob das oder jenes, so sie zur Defendirung der Festung nöthig erachtet, [247] vorhanden, so würde deroselben das Nöthige niemals verschweigen oder zu offenbaren mich verweigern – gefiel endlich die Antwort: Er, der Herr Gouverneur, sehe es wohl, daß es auf ein gutes Vernehmen ankomme.“
So eifersüchtig und scheinbar gewissenhaft Schmidt hier das Geheimniß bewahrte, wieviel er Pulver unter seiner Obhut habe, und wo dasselbe verwahrt werde, so leichten Herzens gab er Pulver und Blei u. s. w. aus den königlichen Vorräthen zum Privatgebrauch des Grafen Wackerbarth her, sobald ihm darüber ein Schein ausgestellt wurde, wie er ihn bereits vom Statthalter Fürsten Fürstenberg verlangt, aber nicht erhalten hatte. Die sehr vielen vorhandenen Quittungen lauten stets: „Zwei Pfund Pirschpulver und fünf Pfund Blei seind aus dem Königl. Hauptzeughaus allhier vor Sr. Exc. des Herrn General und Gouverneur Grafen von Wackerbarths Reitpferde zu exerzieren und vor sie selbsten zum Schießen auf dero mündliche Ordre abgefolgt worden, worüber hiermit quittirt und bescheinigt etc.“; die meisten sind von Johann Christoph Seyfferth, Küchen- und Stallschreiber, unterschrieben, manche vom Stallmeister Momerz oder, wenn es sich lediglich um die Jagd handelte, von Johann Gottfried Böhme, Jäger des Grafen.
Diese Lieferungen wiederholten sich mindestens aller zwei Monate, so daß nach einer annähernden Berechnung in den Jahren von 1721–1726 allein 127 Pfund Pirschpulver, 123 Pfund Blei und 275 Flintensteine nachzurechnen sind. Jedenfalls ist aber noch viel mehr geliefert worden, worüber keine Quittungen vorhanden sind, denn in einer später 1732 aufgestellten Berechnung giebt Schmidt an, daß bis dahin, außer dem Pirschpulver, noch 503/4 Zentner Hakenpulver an den Grafen Wackerbarth geliefert worden sind.
In weit ausgiebigerer Weise aber benutzte Graf Wackerbarth die im Hauptzeughaus vorhandenen Pferde, welche er als vollständig zu seiner Verfügung stehend betrachtete. Sobald Wagen und Pferde für den General gebraucht wurden, schickte Seyffert, der Küchen- und Stallschreiber, oder der Generaladjutant de Nassau eine Spezifikation in das Hauptzeughaus des Inhalts: „Wie die Wagen nach Sedlitz Sonnabend den etc. abzugehen fertig sein sollen: Um 2 Uhr ein Wagen mit Köchen und Küchenutensilien, um 4 Uhr ein Wagen mit Keller und Conditorei, um 5 Uhr ein Wagen mit den Kammerdienern. Ueberdieß ist alle Morgen, so lang als Ihre Exzellenz in Sedlitz sein, ein Wagen mit Brod und etwas anderen Viktualien nach Sedlitz zu schaffen nöthig. Um 1 Uhr ein Wagen für den Stall.“ – Oder ein anderes Mal: „Sonntags den 17. November 1726 wollen Ihre Exzellenz der Herr General nach Dresden; dazu ist vonnöthen, daß die zugedeckte Chaise, die offene Chaise, ein Lohnwagen und ein Rüstwagen, jeder mit Pferden bespannt, bei Zeiten heraus kommt, welches Herr Kerner oder der Hausmann bei dem Herrn Generalmajor bestellen soll etc. gez. Seyffert.“ – Oder am 3. Dezember 1726. „Spezifikation wann die Wagen nach Sedlitz abgehen sollen: 1 Wagen für die Küche und Fr. Kresse noch heute Abend 1/26 Uhr mit 4 Pferden, 1 Wagen morgen früh um 7 Uhr für die Conditorei und Kellerei mit 4 Pferden, 1 Wagen morgen früh um 9 Uhr vor die Garderobe 4 Pferde, 1 Wagen vor den Stall morgen früh um 7 Uhr mit 4 Pferden; Donnerstag 4 Pferde vor den ordinären Küchenwagen, soll abgehen aus Dresdne früh morgens Glock 8 Uhr. Freitags als den 6. wollen Se. Exzellenz wieder hereinkommen, da dann 1 Wagen vor die Stallequipage mit 4 Pferden und 12 Pferde wie ordinär vor die 3 Wagen, Garderobe, Küche und Keller zu besorgen sind. gez. de Nassau.“ Bei diesen immer wieder an ihn gestellten Anforderungen mochte dem General Schmidt wohl mitunter der Gedanke kommen, daß der General Graf Wackerbarth selbst keine Kenntniß davon habe. Am 23. Oktober 1726 registrirt er in seinen Aufzeichnungen: der Herr Oberstleutnant de Nassau hätte einen Kutscher geschickt, der Pferde verlangen sollte, um den Baumeister Knöfel nach Sedlitz zu fahren, da seine Pferde Steine fahren müßten. Schmidt habe erwiedert, es wäre ihm verboten Pferde zu geben, und nur wenn es der Graf Wackerbarth direkt beföhle, würde er solche hergeben, und fährt fort: Um 9 Uhr darauf rede ich mit dem Herrn Oberstleutnant de Nassau selbst in Sr. Exc. Vorzimmer und bat ihn, es an ihn selbst zu bringen, daß sie sich doch nur überhaupt erklären möchten, wenn ich Pferde geben sollte oder nicht; worauf er sagte, er hätte für Knöfel inmittelst Pferde von Sr. Exc. geben müssen, er würde es aber thun und anfragen. Ich antwortete: Wenn der Herr Oberstleutnant mir sagen ließe, Se. Exc. hätten es befohlen, so sollten allezeit ganz willig soviel Pferde, als von Nöthen, gegeben werden, so machte ich mir Registratur und könnte mir doch Hoffnung machen, daß Ihre Exc. davon wüßten und mich, wenn die Pferde ruinirt, defendiren Würden, weil die Rechnung nicht von Sr. Exc., sondern höheren Orts abgenommen würde. – Vielleicht sind erst nach dieser Remonstration Schmidts die oben wiedergegebenen, von de Nassau unterschriebenen Spezifikationen ausgestellt worden. Dafür aber, daß schon lange vor dieser Zeit Mißbrauch mit den Pferden des Zeughauses getrieben wurde, liegen noch andere Beweise vor. Ein Konzept zu einer Eingabe über diese Angelegenheit liegt vor vom 8. August 1719, welches lautet: „In was vor ein erbärmliches Unglück die Vestung Sonnenstein durch einen unverhofften Donnerschlag gestern Abend gegen 5 Uhr gesetzt und wie davon unterschiedliche Menschen [248] getödtet, item der Vice-Commandant selbst, der von Reisewitz, kläglich verschüttet und um sein Leben gebracht worden, ist leider Ew. Exc. durch den genommenen Augenschein bekannt geworden und wäre zu wünschen, der große Gott würde, nachdem er mit dergleichen Heimsuchen nicht nur Königstein, Pleißenburg und andere Orte bereits besuchet, es genug sein lassen, wie wir dann denselben herzlich darum ersuchen, unser armes Dresden vor dergleichen Unglück zu bewahren, dahin mein Dichten und Trachten Tag und Nacht gerichtet ist, alle praecautiones zu beobachten, wenn es nur zureichen wollte, und muß Ew. Exc. klagen, wie sogar der Generaladjutant Schmidtgrabner ohne Unterschied die Königl. Bau- und Zeugpferde wider dero Wissen und Willen pfleget aus den Ställen zu ziehen und an Privatarbeit anzulegen, da ihm doch öfters untersagt worden ist, sich doch hierin zu menagiren und zu betrachten, daß diese Pferde fürnehmlich um Feuersgefahr willen unterhalten würden und wenigstens Tag und Nacht 2 Paar in den Ställen beibehalten werden müssen; dessen ungeachtet kehrt er sich daran nicht und da er heut sämmtliche 8 Pferde weggenommen, nicht meldende, wann derselbe retour, habe ihn fragen lassen, ob es denn mit Ihrer Exc. Willen und Wissen geschehen, er mir Antwort gegeben: er müsse die Pferde haben – welches ich an seinen Ort gestellt sein lasse. Ist es Ew. Exc. Befehl, wohl, gut, werde ich nicht zuwider sein, geschieht es aber contra dero imperio, hoffe ich, Sie werden eine solche disposition treffen, daß es mir zu keiner Verantwortung gereiche, Ew. Exc. auch selbsten keinen Nachtheil imputirt werde, ich habe es bei dem Sonnensteinschen malheur erinnern wollen etc.“ Bereits nach 2 Tagen, am 10. August, schreibt er abermals: „Der Schirrmeister Andreas referirte mir vorgestern Abends 9 Uhr, als ihm der Generaladjutant Schmidtgrabner befehlen lassen, alle 8 Pferde herzugeben, um damit nach Sedlitz zu fahren. Ich aber besagten Generaladjutant durch ihn befragen ließ, ib denn dies Sr. Exc. expresser Befehl wäre, daß gar kein Pferd hier bleiben sollte, mit der Vorstellung, man hätte itzo das klägliche Exempel zu Sonnenstein, die Gewitter stünden noch am Himmel und lassen sich hören und könnte auch hier leicht ein Unglück entstehen, man hätte sodann nicht ein Pferd, eine Schleife mit Wasser oder eine Spritze zuführen zu können; hätte nun Se. Exc. es expresse befohlen, wäre es alles gut und ich hätte nichts zu erinnern, thäte er es aber vor sich, so könnte er auch leicht die Verantwortung auf sich nehmen. Darauf hat er zur Antwort gegeben: Wir müssen sie haben, er thäte es vor sich nicht, es blieben noch Pferde genug in der Stadt, er müßte noch Lohn- und Postpferde dazu nehmen. Darauf sind auch alle 8 Pferde fortgeschickt worden, jedoch Abends nach 9 Uhr alle wieder gekommen.“
Hierüber weist aber General Schmidt noch eine Menge von Schanzzeug und anderen Utensilien nach, welche der General Graf Wackerbarth aus den Beständen des Hauptzeughauses entnommen haben soll. Er stellt eine Rechnung auf, nach welcher 160 Schaufeln, 44 Spaten, 96 Radehauen, 60 Keilhauen, 5 Aexte, 31 Beile, 3 Sägen und eine ungezählte Menge von eichenen Bohlen, Pfosten, Balken, Brettern etc. zum Bau des Schlosses in Sedlitz und des dortigen Gartens entnommen worden sind und welche sich zum Schaden des Grafen Wackerbarth in den Jahren 1720–26 auf die Summe von 3171 Thlr. 22 Gr. beläuft.
Die Frage liegt sehr nahe, was wohl den General Schmidt veranlaßt haben kann, eine so detaillierte Rechnung über alles das aufzustellen, was Graf Wackerbarth entnommen hat. Wenn wir auch annehmen wollen, daß General Schmidt aus Gewissenhaftigkeit alles gebucht und verrechnet hat, um, wie er mehrmals selber angiebt, von aller Verantwortlichkeit entlastet zu sein, da er stets nur den direkten Befehl seines Vorgesetzten befolgt hat, so muß doch auch noch ein anderer Umstand in Rechnung gezogen werden. Schmidt trachtete danach, die Stelle des Obersthaus- und Landzeugmeisters zu erhalten. Der Nachweis, daß Graf Wackerbarth das Hauptzeughaus mißbrauchte und schädigte, sollte wohl dazu dienen, daß man diesem das Kommando nehmen und es an Schmidt übertragen sollte, der es jedenfalls, nach seiner Ansicht, gewissenhafter führen würde. Dies ist ihm nun nicht gelungen; auch nachdem Graf Wackerbarth 1734 gestorben war, wurde nicht Schmidt, sondern der direkt unter diesem stehende General Obmaus Obersthaus- und Landzeugmeister.
Das führt nun aber noch zu weiteren Vermuthungen. Graf Wackerbarth war ein sehr vornehmer und wohlhabender Herr, der es kaum nothwendig hatte, Pulver und Blei aus den Beständen des Hauptzeughauses umsonst zu entnehmen, sich die Hacken und Schaufeln zum Bau seines Gartens umsonst liefern zu lassen und sich Pferde und Wagen von der Artillerie zu borgen. Der Verdacht liegt daher nahe, daß er alle diese Dinge bezahlt hat, das Geld aber von seinen Leuten unterschlagen worden ist. Spielen doch die geschilderten Vorgänge in einer Zeit, in welcher vom Kabinetsminister an bis herab zum Küchenjungen alles bestechlich war und jeder stahl und betrog!
- ↑ Er war in Dresden 1660 als der Sohn des am 26. Mai 1687 verstorbenen kursächsischen Zeugleutnants und Inspektors der Pulvermühle Gottfried Schmidt geboren. Im Jahre 1687 wurde er Oberzeugwärter beim Hauptzeughause und zeichnete sich durch seine wissenschaftlichen Kenntnisse und seine artilleristischen Erfindungen in so hervorragender Weise aus, daß er sehr schnell avancirte und bereits 1703 zum Obersten der Artillerie und Oberzeugmeister ernannt wurde; in dieser Stelle avancirte er am 12. März 1716 sogar zum General und bekleidete diesen Posten bis zu seinem am 23. Juli 1736 im 77. Lebensjahre zu Dresden erfolgten Tode.
- ↑ Stadtkommandant General Janus von Eberstädt.