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Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland/Fünfter Abschnitt. Der Hexenturm

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Textdaten
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Autor: Oskar Wächter
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Titel: Fünfter Abschnitt
Untertitel: Der Hexenturm
aus: Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland
Seite 169–173
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: W. Spemann
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Quelle: Djvu auf Commons
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[169]
Fünfter Abschnitt.
Der Hexenturm.


Noch heutzutage stehen an manchen Orten die bedeutungsvollen Zeugen jener Verfolgungen, die Hexentürme oder „Drudenhäuser“.

Hier waren die Opfer eines grausamen Verdachts eingekerkert, und hier – wenn eine Angeklagte schon die Folter standhaft ertragen hatte – wartete ihrer in der Regel eine neue, nicht minder entsetzliche Qual von unabsehbarer Dauer.

Die unglücklichen Zermarterten wurden in die abscheulichsten Gefängnisse gelegt, in denen Kälte, Nässe, Finsternis, Unflat, Ungeziefer, Hunger, Mangel an aller Pflege, düstre Einsamkeit und „stetige Anfechtung“ sie der Verzweiflung nahe bringen mußten.

[170] Die Einrichtung der Hexentürme wird folgendermaßen beschrieben:

„In dicken starken Türmen, Gewölben, Kellern oder sonst tiefen Gruben sind gemeiniglich die Gefängnisse. In denselben sind große dicke Hölzer, zwei oder drei übereinander, daß sie auf- und niedergehen an einem Pfahl oder Schrauben: durch dieselben sind Löcher gemacht, daß Arme und Beine darin liegen können. Wenn nun Gefangene vorhanden, hebet oder schraubet man die Hölzer auf, die Gefangenen müssen auf einen Klotz, Steine oder Erde niedersitzen, die Beine in die untern, die Arme in die obern Löcher legen. Dann läßt man die Hölzer wieder fest auf einander gehen, verschraubt, keilt und verschließt sie auf das härteste, daß die Gefangenen weder Beine noch Arme notdürftig gebrauchen oder regen können. Etliche haben große eiserne oder hölzerne Kreuze, daran sie die Gefangenen mit dem Hals, Rücken, Arm und Beinen anfesseln, daß sie stets entweder stehen oder liegen oder hangen müssen, nach Gelegenheit der Kreuze, daran sie geheftet sind. Etliche haben starke eiserne Stäbe, daran an beiden Enden eiserne Banden sind, daran verschließen sie die Gefangenen an den Armen, hinter den Händen. Dann haben [171] die Stäbe in der Mitte große Ketten in der Mauer angegossen, daß die Leute stets in einem Lager bleiben müssen.

Etliche machen ihnen noch dazu große schwere Eisen an den Füßen, daß sie die weder ausstrecken, noch an sich ziehen können. Etliche haben enge Löcher in den Mauern, darin ein Mensch kaum sitzen, liegen oder stehen kann, darin verschließen sie die Leute mit eisernen Thüren, daß sie sich nicht wenden oder umkehren mögen.

Etliche haben fünfzehn, zwanzig, dreißig Klafter tiefe Gruben, wie Brunnen oder Keller aufs allerstärkste gemauert, oben im Gewölbe mit engen Löchern und starken Thüren, dadurch lassen sie die Gefangenen mit Stricken hinab und ziehen sie, wie sie wollen, also wieder heraus.

Nachdem nun der Ort ist, sitzen etliche Gefangene in großer Kälte, daß ihnen auch die Füße erfrieren und abfrieren, und sie hernach, wenn sie loskämen, ihr Lebtage Krüppel sein müssen. Etliche liegen in steter Finsternis, daß sie den Sonnenglanz nimmer sehen, wissen nicht, obs Tag oder Nacht ist. Sie alle sind ihrer Gliedmaßen wenig oder gar nicht mächtig, haben immerwährende Unruhe, liegen in [172] ihrem eigenen Unrat, viel unflätiger und elender, denn das Vieh, werden übel gespeiset, können nicht ruhig schlafen, haben viel Bekümmernis, schwere Gedanken, böse Träume, Schrecken und Anfechtung. Und weil sie Hände und Füße nicht zusammenbringen und wo nötig hinlenken können, werden sie von Läusen, Mäusen, Ratten und Mardern übel geplaget, gebissen und zerfressen. Werden über das noch täglich mit Schimpf, Spott und Dräuung, vom Stöcker und Henker gequälet und schwermütig gemacht.

Und weil solches alles mit den armen Gefangenen bisweilen über die Maßen lang währet, zwei, drei, vier, fünf Monat, Jahr und Tag, ja etliche Jahr: werden solche Leute, ob sie wohl anfänglich gutes Mutes, vernünftig, geduldig und stark gewesen, doch in die Länge schwach, kleinmütig, verdrossen, ungeduldig, mißtröstig und verzagt. –

In so schändliche, grausame, böse Türme, welche billig nicht Menschengefängnis, sondern die Teufelsmarterbank möchten geheißen werden, lassen die Richter oftmals unschuldige Frauen hinabwerfen. Da liegen die elenden blöden Weiber im Finstern …“

Die Kerkerhaft hat ihre Grade. Spee schreibt: „Will eine Angeklagte auf der ersten, zweiten oder [173] dritten Tortur nichts bekennen, so wird sie in ein ärgeres Gefängnis, an Fessel und Ketten gelegt, nach ausgestandner Marter in Elend und Bekümmernis sich zu verzehren. Inzwischen werden andere gefoltert und ihnen die Aussage in den Mund gelegt, daß die erste Gefangene von ihnen auf Hexentänzen gesehen worden sei oder was dergleichen sein mag. Darauf hin wird die Gefangene von neuem auf die Folter gespannt, bis sie endlich bekennen muß, was man von ihr hören will.“

Und in diesen Gefängnissen selbst gab es noch besondere Marteranstalten. So rühmten Bambergische Inquisitoren als ein wirksames Mittel, die Hexen zahm zu machen, „das gefaltet Stüblein“, in dem zu Bamberg erbauten Malefizturm, vermutlich eine Kammer, deren Fußboden aus scharfen Latten bestand.

Selbst nach erfolgter Freisprechung wurden die Verhafteten häufig noch im Kerker festgehalten, bis die Gerichtskosten bezahlt waren. So bei Marburg eine Frau, die zwei Jahre im Turm angeschlossen in Haft gehalten und gefoltert worden.