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Untergegangene Bergwerke

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: E. K.
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Titel: Untergegangene Bergwerke
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 482
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[482] Untergegangene Bergwerke. Zu den schönsten Sagen, die im Volke der österreichischen Alpen und namentlich in dem Volke Obersteiermarks leben, dürfen unstreitig jene gezählt werden, welche von verfallenen oder untergegangenen Bergwerken berichten. Vielleicht hat aber auch kein Volk eine so lebendige Phantasie, eine so stark entwickelte dichterische Begabung als das Volk der Alpen; zeigen sich ihm doch Jahr um Jahr, im Sommer wie im Winter, die gewaltigsten Naturerscheinungen. Und aus denselben scheint, bald im Guten, bald im Bösen, die Stimme einer höheren Macht zu sprechen, welche diesen einfachen Menschen als die Urheberin alles dessen dünkt, was sie in Freude oder Leid bewegt.

Den obersteirischen Aelplern gilt es als gewiß, daß in ihrem Landestheile einst alle edlen Metalle heimisch waren und daß nur der sündhafte Uebermuth der Knappen, denen es zu gut erging, die Schuld trage, daß alle diese reichen Schätze heute nicht mehr zu finden seien.

Die dunkle Geschichte vom Untergange eines Silberbergwerkes in dem obersteirischen Orte Zeiring, von welchem nur eine ungenaue Ueberlieferung erzählte, hat sich im Laufe von Jahrhunderten zu einer Sage verdichtet, die das Wesen, Denken und Fühlen der Aelpler am genauesten kennzeichnet. Mit silbernen Kugeln auf silberne Kegel schoben da einst die übermüthigen Knappen; aber auch dies war den rohen Menschen zu harmlos. Es war an einem Sonntagnachmittag und ein Großmütterchen ging just mit seinem Enkelkinde, einem bildhübschen goldlockigen Knäbchen, aus der Kirche heimwärts. Der Weg führte die beiden an der Kegelstätte vorüber. Kaum hatten die wilden Gesellen aber das gebrechliche Weibchen erblickt, so begannen sie dasselbe zu verspotten. Die Alte nahm den Spott nicht ruhig hin, ließ vielmehr ihre scharfe Gegenrede ertönen, welche die tollen Kegelschieber nur noch mehr entflammte. Einer der verwegensten von ihnen ergriff plötzlich und unerwartet den blonden Knaben und hatte ihm im Nu das Köpfchen abgeschlagen, um mit demselben zu kegeln. Aus Schreck erstarrte das alte Mütterchen fast, und sie brachte erst kein Wort über ihre Lippen. Ueber der unerhörten Frevelthat aber war ihr eine mit Mohnsamen gefüllte Flasche entfallen und die Körner lagen verstreut auf dem Erdboden. Da rief sie mit funkelnden Augen und bebenden Lippen, zitternd am ganzen Körper: „So viele Mohnkörner hier auf der Erde liegen, so viele Jahre wird es in Zeiring keinen Bergsegen mehr geben!“ Und am nächsten Tage, als 1400 Knappen eingefahren waren und in der „Schicht“ arbeiteten, erbebte plötzlich die Erde, von allen Seiten stürzten Gewässer herein, welche „die besten Erzgänge“, wie es heißt, „mit rasender Eile erfüllten.“ Von allen Knappen im Bergwerke entkam auch nicht einer. E. K.