Ueberfall im Walde
[856] Ueberfall im Walde. (Zu dem Bilde S. 844 und 845.) In unseren deutschen Wäldern wird der Reisende von solchen Gefahren, wie sie das wirkungsvolle Bild Kowalskis darstellt, nicht bedroht. An der Grenze des Reichs im Osten und Westen treiben sich noch einige Wölfe herum, aber so frech sind sie nicht, daß sie sich an ein Gespann heranwagen sollten. Die kritische Scene, die der Maler uns vorführt, ist dem Leben in dem fernen Osten Europas entlehnt. Dort liegen die Verhältnisse allerdings anders als bei uns. Laut statistischen Angaben werden in Rußland jährlich gegen 170000 Wölfe erlegt und gegen 200 Menschen von diesen Raubtieren zerrissen. Dort kommen solche Ueberfälle im Walde vor, aber glücklicherweise äußerst selten. Für gewöhnlich ist Isegrim kein Held, der ohne weiteres stärkere Gegner angreift. Er zieht es vor, schwächeres Wild mit List zu jagen, und geht dem Menschen geflissentlich aus dem Wege. Einer der mächtigsten Triebe, die die Welt bewegen, der nagende Hunger, verändert jedoch gänzlich seinen Charakter. In der schweren Winterszeit wird der hungrige Wolf tollkühn; um Beute zu erlangen, scheut er dann keine Gefahr, und er wird zum furchtbaren Gegner, wenn er, zur Meute vereint, auf Jagd ausgeht. Das Bild Kowalskis ist somit keineswegs nach einem Märchen aus längst verklungener Zeit gezeichnet – es ist vielmehr sehr realistisch, giebt die nackte Wahrheit wieder. Die beiden Männer im Schlitten sind fürwahr in einer verzweifelten Lage – ihr Heil ruht auf der Treffsicherheit des Schützen, der, wie der Augenschein lehrt, im kritischen Augenblick das nötige kalte Blut zu bewahren versteht. *