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Trient (Meyer’s Universum)

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CLIX. Die Virginia-Universität in den vereinigten Staaten von Nordamerika Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band (1837) von Joseph Meyer
CLX. Trient
CLXI. Benares, die heilige Stadt der Hindus
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TRIENT
in Tirol

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CLX. Trient.




Die große Straße, welche aus Deutschland durch Tyrol von Innsbruck über den Brenner nach Italien führt, ist der niedrigste unter allen Pässen über die Alpen. Sein Hochpunkt liegt nur 4700 Fuß über dem Meere. Er ist zugleich einer der bequemsten und unterhaltendsten Wege, und unter allen, die aus dem Norden nach der Halbinsel führen, der schönste und sicherste. Maria Theresia erbauete ihn.

Von Innsbruck bis zur Scheidecke des Berges windet sich die Straße bald rechts, bald links, an der dem Innstrome tosend entgegenschäumenden Sill aufwärts. Auf dem Südabhange des Brenners bekommt der Reisende die noch tosender der Etsch zustürzende Eisak zur Begleiterin. Auch hier, wie auf allen Alpenpässen, bewährt sich die physikalisch-merkwürdige Beobachtung, daß alle von Osten gegen Westen hinstreichende Gebirgsketten auf der Südseite weit schroffer abfallen, als auf der Nordseite. Bei Brixen schon beginnen die Weinberge, und auf dem Botzener Friedhofe zeugen die ersten Cypressen von der Nähe des italischen Himmele. Feigen und Granatbäumchen dauern in den Gärten aus, und in den sonnigen Buchten der Felsenwände, die im Zickzack die Eisak bespült, wuchert freiwillig der Caktus Opuntia (die gemeine Fackeldistel[WS 1]), der heißesten Erdreviere Bewohnerin.

[60] Der Weg von Botzen bis Trient, immer der Etsch entlang, ist schnell wechselndes Erscheinen und Verschwinden malerischer Ansichten, wie in einem Guckkasten. Wenige Stunden vor Trient breitet sich rechts das Thal der dem größern Strome zurauschenden Non aus, entzückende und weite Blicke in die Gebirge öffnend. Es ist das reizendste im italienischen Tyrol und der Sommeraufenthalt vieler Familien Trient’s, welche hier Landhäuser und Gärten besitzen. Sein oberer Theil heißt VAL DE SOL. Es steigt dieses Thal bis zu den Gletschern des Oerteler auf, und belohnt den Wanderer durch alle Schönheiten und Wunder der Hochalpenwelt. Zwischen St. Michael und Lavis, der letzten Poststation vor Trient, engert sich der Weg zu einem Defilee; aber nicht lange, so verwandelt sich dieses bei einer scharfen Krümmung in ein prächtiges Thal, und der staunende Blick überschaut die Ebene, in deren Schooße die uralte Hauptstadt des südlichen Tyrols sich lagert.

Trient – das Tridentium der Alten – ist etruskischer Gründung, folglich früherer als Rom. Später ward es zur Hauptstadt der Coromannen, bis es, mit ganz Rhätien, dem Joche der Römer sich beugte. – Bei dem Verfalle des Weltreichs wechselte es unaufhörlich Geschicke und Herren. Denn an dem Wege gelegen, den die Italien überziehenden Völker des Nordens und Ostens nahmen, gehörte es bald den Hunnen, bald den Gothen, bald den Lombarden und Franken. Später war es ein Grenzwaffenplatz zwischen Italien und Deutschland, bald den Venetianern, bald Oesterreich unterthan. Einige Zeit unabhängig unter einem Fürstbischofe, wurde es kurz vor der Auflösung des deutschen Reichs von Oesterreich in Besitz genommen, und theilte später das Schicksal Tyrol’s, mit dem es 1814 an das alte Herrscherhaus zurückfiel.

Die Stadt selbst, so schön auch ihr äußeres Ansehen ist, ist im Innern winklich und düster. Sie hat etwa 800 Häuser und 10,000 Einwohner. Die hier schiffbar werdende Etsch gibt das Mittel zu einem starken Zwischen- und Speditionshandel von Italien nach Deutschland ab, der für viele Familien die Quelle des Reichthums geworden ist. Die große Kirche Sante Maria (das mit der hohen Kuppel überdachte Gebäude auf unserm Stahlstich) ist für die Kulturgeschichte höchst merkwürdig geworden als der Ort, wo das weltberühmte Conzilium gehalten wurde, das letzte und folgenwichtigste aller Generalversammlungen der Väter der Kirche.

Der Anlaß zu diesem Conzilium war das laute Verlangen der Christenheit nach gründlicher Reformation der Kirche, die sie von einer allgemeinen, freien, von Pabst und Fürsten unabhängigen Versammlung hoffte. Lange hatten sich die Päbste gesträubt, ein Conzilium zu berufen; denn sie fürchteten, die Beschlüsse desselben möchten ihrem Ansehen und ihrer Macht gefährlicher werden, als alle früheren. Gleichwohl konnte der römische Stuhl dem wiederholten Begehren, welches Karl der Fünfte mit allem Gewicht seiner Macht unterstützte, endlich nicht widerstehen: und als Karl auf dem Reichstage zu Augsburg, 1536, den Ständen die Zusammenberufung eines Conziliums feierlich versprach, mußte man, um wenigstens zu verhüten, daß der weltliche Herrscher die Prälaten seines Reichs nicht eigenmächtig versammelte, in Rom Anstalt dazu treffen. Pius der Dritte lud das Conzil nach Mantua, [61] sorgte aber gleichzeitig dafür, daß es nicht zu Stande kam. Vom Regensburger Reichstage, 1541, auf’s neue und hart darum angegangen, berief es Paul, der Nachfolger jenes Pius, zum andern Male für 1542 nach Trient. Aber der Kaiser war indessen auf einen Kriegszug nach Frankreich gegangen, und der römische Hof benutzte diesen Umstand, die Versammlung zum zweiten Male zu vereiteln. Ein paar Jahre verstrichen: da schrieb es der Pabst zum dritten Male aus – für den 15. März 1545, abermals nach Trient. Der Sommer verging in Rangstreitigkeiten unter den Abgeordneten der Kirche, und in – Lustbarkeiten. Endlich am 13. December 1545 wurde die Versammlung, bei welcher sich etwa 110 Bischöfe und Prälaten der christlichen Abendländer eingefunden hatten, feierlichst eröffnet. Der Pabst hatte dafür gesorgt, sie mit seinen Creaturen und mit Leuten, die den Absichten des römischen Stuhls blindlings dienten, zahlreich zu beschicken; und als in der ersten Sitzung der Antrag: daß nicht die Majorität der Nationen, wie zu Constanz, sondern die Stimmenmehrheit der Anwesenden bei den Berathungen entscheiden solle, durchging, war auch der römischen Curie gewonnenes Spiel gesichert. Der Pabst leitete das Conzilium durch den Kardinal del Monte, dem Haupte der römischen Legation. Eine Kurierlinie zwischen Trient und Rom, und stündliche Correspondenzen während der Versammlungszeit, dienten dazu, um aus allen Ereignissen in der Zwischenzeit Nutzen zu ziehen, und Alles zum Vortheile der Absichten des römischen Hofs zu wenden, der nichts mehr fürchtete, als eine von allen weltlichen und vielen geistlichen Fürsten gewünschte Wiedervereinigung der gespaltenen Kirche, auf billige und solche Grundlagen gegründet, welche auch den Protestanten annehmbar wären. So gingen die Erwartungen und Hoffnungen von Abstellung alter Mißbräuche und von Verbesserung des Kirchenwesens, welche die Völker auf diese Versammlung ihrer Oberpriester gestellt hatten, schon im Keime zu Grunde, und gleich nach den ersten Sitzungen wurde die Klage der besserwollenden Minderzahl, das Conzilium sey nicht frei und ein williges Werkzeug des römischen Bischofs, laut und offenkundig. Am 3. März 1547 entschied man, daß derjenige lateinische Bibeltext, welcher als Vulgata bekannt ist, fortan als der ausschließlich authentische, und die Kirche als alleinige Auslegerin desselben gelten solle, und der noch wichtigere Beschluß, welcher die Tradition, als Erkenntnißquelle der christlichen Religion, der Bibel gleich stellt, ging voraus. Durch diesen wurde jene Menge kirchlicher Gebräuche, welche die heil. Schrift nicht vorschreibt, die aber die Kirchenväter erwähnen, oder spätere Synoden einführten, und welche die Protestanten als schriftwidrige Erfindungen des Aberglaubens, der Priester-Herrschsucht, der Geldgier und des Betrugs ansehen, göttlichen Satzungen gleichgeachtet, und die ungeheuere Lehre von der unumschränkten Gewalt der Kirche über Glauben, Cultus, Gut und Leben der Christen, erhielt Stabilität und Unantastbarkeit. Es lag in solchen Beschlüssen die Absicht des römischen Stuhls klar zu Tage. Dem Trienter Conzil, (anstatt es, nach den Hoffnungen und Wünschen der Völker, zum Friedensstifter und Versöhner der kirchlichen Angelegenheiten zu machen), wollte er die dämonische Bestimmung geben, die Spaltung der Kirche und die Trennung von Katholiken und Protestanten [62] zu verewigen. Das Spiel war zu offen. Unter dem Einflusse und dem Schutze des Kaisers raffte jetzt die Opposition ihre ganze Kraft auf, um dem Pabste die Verfolgung seiner Siege zu erschweren: da dekretirte dieser die Versetzung nach Bologna. Der Kaiser und die meisten der deutschen Prälaten protestirten dagegen und blieben in Trient. Nun aber vertagte der Pabst das Conzil. Erst 1551 kam es wieder zu Stande und jetzt sollten auch protestantische Prälaten Theil daran nehmen. Die Zeit der Stürme des ausgebrochenen Kriegs zwischen den protestantischen Ständen und dem Kaiser war sehr übel gewählt. Churfürst Moritz von Sachsen marschirte auf Trient los, und vor dem protestantischen Heere flohen die versammelten Väter. Pabst Paul der Vierte, welcher durch das Beil und die Scheiterhaufen der Inquisition herrschte, wollte von keinem Conzil hören; erst unter dessen Nachfolger, 1561, erfolgten neue Einladungen zur Wiederberufung. Die päbstliche Legation erschien an der Spitze von 116 der ihr ergebensten Bischöfe, Erzbischöfe und Prälaten; aber auch die Opposition, meistens deutsche und französische Prälaten, hatte sich gerüstet, und es begann nun ein Kampf, in dem es Skandal genug gab, aber nichts entschieden wurde. Zwei Jahre vergingen also, bis die allgemeine Ueberzeugung die Oberhand gewann, von diesem Conzilium sey für Verbesserung der Kirche nichts mehr zu hoffen. Die Opposition war ermüdet. Die meisten ihr angehörigen Prälaten reisten ab, und, entmuthigt, leisteten die Zurückbleibenden dem römischen Phalanx schwachen Widerstand. Nun folgten die wichtigsten und folgenreichsten Beschlüsse zum Aufbau eines ewigen Damms gegen alle Verbesserung in der katholischen Kirche rasch nach einander. Das Dekret von der Priesterweihe und Hierarchie, wodurch bestimmt wurde, daß die Rechte und Würden aller Bischöfe nicht göttlichen, sondern päbstlichen Ursprungs seyen; das Dekret vom Sakrament der Ehe, worin das Cölibat der Geistlichen geboten war, die Dekrete vom Fegefeuer, über Heiligen-, Reliquien- und Bilderdienst, über Klostergelübde, Ablaß, Fasten etc. etc., und endlich das, welches die Abfassung des einzigen authentischen Katechismus und Breviers dem Pabste übertrug, zeigten die Vollständigkeit des Siegs der römischen Curie. Das Conzilium hatte Alles verwilligt, was Rom verlangte: diesem blieb kein Wunsch mehr übrig. Da wurde die Schließung dieser folgenschweren Versammlung, welche mit Hinzurechnung der Unterbrechungen 22 Jahre gedauert hatte, verkündigt. 255 Erzbischöfe, Bischöfe und Prälaten unterschrieben am 4. December 1563 die gefaßten Beschlüsse in der letzten feierlichen Versammlung in der Kirche zu Santa Maria, und nach dem Hochamte erhob sich der Kardinal von Lothringen, das Haupt der päbstlichen Partei, im Vollgefühle des errungenen Siegs, von seinem Sessel und schrie: Anathema den Protestanten! – Anathema den Ketzern! schrieen die Kirchenfürsten insgesammt, und der Tempel des Herrn dröhnte wieder von Verwünschungen.

So endigte diese welthistorische Versammlung – deren ursprünglicher Zweck Versöhnung der kirchlichen Spaltungen im Abendlande gewesen, mit ewiger Trennung zwischen Katholiken und Protestanten.Friede sollte sie gebären und sie gebar Völkermord und Verwüstung, gränzenlosen Jammer und Elend; – sie ward zur Mutter der Pariser Bluthochzeit und des dreißigjährigen Krieges.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Fadeldistel