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Die Virginia-Universität in den vereinigten Staaten von Nordamerika

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CLVIII. Venedig: – Die Piazetta und der Dogenpallast Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band (1837) von Joseph Meyer
CLIX. Die Virginia-Universität in den vereinigten Staaten von Nordamerika
CLX. Trient
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DIE VIRGINIA–UNIVERSITÆT
(Verein. Staaten v. Nord-America)

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CLIX. Die Virginia-Universität
in den vereinigten Staaten von Nordamerika.




Zwei große Epochen theilen die historische Zeit des Menschengeschlechts. In der ersteren hat dasselbe den Zustand der Kindheit durchlaufen. Sein Knabenalter wird von der zweiten bezeichnet. Diese ist’s, welcher auch unsere Zeit und noch eine lange Zukunft angehört. Sie hat begonnen mit der Erfindung der Buchdruckerkunst und der Entdeckung von Amerika.

Schon in dem ersten Jahrhundert nach der Erfindung jener Kunst der leichten und unendlichen Ideenvervielfältigung, äußerte sie die auffallendsten Wirkungen auf die Menschen, und schon in den ersten Dezennien verkündigte des Wissens erster Dämmerungsstrahl den Massen, welche bisher in tiefer Nacht der Unwissenheit gelebt, einen kommenden Tag. Der Völker Geist fing an, unveräußerliche Rechte zu ahnen, die Vernunft begann das Terrain zu untersuchen, auf dem ihr künftiges Universalreich sich aufzurichten habe, man begann zu nivelliren und aufzuräumen, die Nothwendigkeit zu ebnen, folglich abzutragen und auszufüllen die Höhen und Tiefen der Gesellschaft, trat hervor und wurde verstanden. Von der Idee erweckt, regten sich Kräfte, welche von Anbeginn des Geschlechts geschlummert, und Wünsche bewegten die Völker, die sie früher selbst nicht ahneten. Die Geschichte hörte auf, ein Schauspiel zu seyn, in welchem die Rollen blos an einzelne Kasten, Familien und Individuen vergeben waren und zu dem die Nationen sich wie stumme Zuschauer verhielten. Die Völker der Erde verlangten selbst-handelnd auf der Bühne zu erscheinen.

Dieß konnte nicht anders als gewaltsam geschehen, denn sie waren gefesselt; auch nicht ohne Widerstand von Jenen, welche die Vortheile der Gesellschaft so lange als Monopol ausgebeutet hatten. Da wurden neue Fesseln geschmiedet und neue Waffen erfunden gegen die Wirkung der beflügelten Ideen. Hohe Zeit war’s; denn schon hatten viele Völker die allerdrückendste ihrer Ketten, die der geistlichen Tyrannei, zerrissen, und die Kirchen-Reformation verkündigte der Welt Freiheit des Gewissens. Eins durch Gefahr, traten eifersüchtige Mächte zum Bunde zusammen. In Schlachten warfen sie aufgestandene Völker nieder; doch wurde die Freude des Siegs vereitelt durch die Entdeckung, daß ihr gefährlichster Feind nicht materieller, sondern von unsichtbarer und unaustilgbarer Natur sey, und ein Streit gegen ihn mit Eisen und Blei wenig fruchte. Auch der Thor kann rufen: Steht, ihr [53] Gestirne und leuchtet nicht mehr! Sie leuchten darum nicht weniger und wandern im Universum nicht langsamer die ihnen von der Allmacht angewiesene Bahnen. – Unabweislich und unabänderlich verkündigt jedes Morgenroth einen kommenden Tag. Was hat es geholfen, daß man Völker ersäuft im Blut, um die alten Formen zu bewahren? Den Geist, der in ihnen wohnte, den Nachtgeist der Unwissenheit, den trieb der erste Strahl des Feuers aus, das Faust und Guttenberg vom Himmel holten; er ist verflogen auf immer. Leserlich allem Volk stehen die Interessen der Wahrheit und der Menschheit am erhellten Horizonte. Wo ist noch Drang in den Nationen, oder nur Willfährigkeit, die Kriege der Könige und ihrer Dynastien zu schlagen? Selbst der Nationalhaß ist der Macht ein unbrauchbares Werkzeug geworden, und an der Stelle jener erkünstelten Mordlust der Völker, welcher das Wort „Vaterlandsliebe“ als Folie diente, ist das Nachdenken über der Gesellschaft Zwecke und Rechte, über ihren Zustand, und die Mittel und Wege, diesen zu verbessern, getreten.

Kunst und Wissenschaft, ehedem Sonderbesitz Weniger, ist und wird täglich mehr ein Gemeingut Aller, und die Vereinigung der Menschheit zu einer Familie, deren Glieder durchaus gleiche Rechte und gleiche Ansprüche auf Glückseligkeit haben, mit voller Freiheit, sie auf jede vernünftige Weise zu erstreben, gilt bei jedem Vernünftigen als höchster und letzter irdischer Zweck der Civilisation.

Aber dieses neue Weltreich, dessen Idee schon Pythagoras und so viele Denker nach ihm offenbarten, das aber erst durch Guttenberg’s Kunst von Individuen zu Völkern herabstieg, fand bei jedem Versuche zur Ausführung unübersteigliche Hindernisse auf der alten Erdhälfte, Hindernisse, die vor ein paar Jahrhunderten noch entmuthigender waren, als jetzt. Jenes Weltreich bestand in der Vorstellung Vieler; aber es hatte keine Existenz im Raume und in der Zeit. Man war sich unveräußerlicher Rechte bewußt; aber so bald sie sich geltend zu machen strebten, brachen sie an den Privilegien der begünstigten Kasten, wie leichte Schaumwolken am Fels. Umsonst mühten sich ab die Völker; umsonst markteten sie um die Anerkennung einzelner Rechte, und brachten andere zum Opfer; umsonst vergossen sie im verzweifelten Ringen Ströme von Blut; nirgends wollte es recht gelingen. Da ward’s Tausenden und Hunderttausenden unheimlich hierhüben, und die Sehnsucht nach einem Asyl führte die Blicke nach dem neuen Continente. Auswanderung nach Nordamerika wurde das Losungswort Aller, welche den Zustand in Europa weder vernünftig, noch erträglich fanden und die für die praktische Anwendung ihrer Ideen Raum und Freiheit suchten. Aber auch die Gegner freuten sich des gefundenen Auswegs, denn er entfernte Diejenigen, deren Anwesenheit ihnen Schrecken, und deren Pläne ihnen immerwährende Furcht einflößten. – Daß die Entdeckung und Ansiedelung Nordamerika’s nicht in eine frühere Periode fiel, daß sie nicht den bigotten und trägen Spaniern zu Theil geworden ist, sondern arbeitsfrohen Britten in der Zeit ihrer politischen und religiösen Emancipation, als die höchste Freiheitsbegeisterung die Nation durchdrang; daß endlich auch die Auswanderungs-Kanäle im Lauf der Zeit sich nicht verschlämmten, sondern rein gehalten und so erweitert wurden, [54] daß sie die Volksfluth eines Welttheils aufnehmen können ohne Furcht vor Ueberströmung; – daß dieses Verhältniß unserer Zeit zu Gute kömmt: – das ist das Werk der Vorsicht Dessen, der die Geschicke der Völker wie der Einzelnen mit Liebe lenkt. Wäre Nordamerika nur ein Jahrhundert früher von Europa kolonisirt worden, so wäre das Feudalsystem, mit allen seinen Volksglück- und Freiheittödtenden Consequenzen auf dasselbe übergegangen, und anstatt ein Reich der Vernunft und des menschlichen Glücks, und die Hoffnung für Millionen zu seyn, spiegelte es jetzt die Schauer-Zustände spanischer Colonien wider; – Nordamerika wäre ein Land:

„TO DESPERATES SHEWING DESPERATE SIGHTS.“

Es ist ein sehr glücklicher Umstand, daß nicht blos die ältern Staaten der Union, sondern auch noch fortwährend die neuern durch Menschen gegründet wurden und werden, die in der hohen Schule der Leiden erzogen und durch das Licht aufgeklärt sind, welches durch den Zusammenstoß widerstreitender Interessen im alten Europa, durch Revolutionen und deren Fehlversuche, in ihnen angezündet worden. Es setzt immer das Daseyn natürlichen Muths und Entschlossenheit voraus, wenn der Wunsch nach einem bessern Zustande so mächtig wird im Menschen, um die Scheu zu überwinden, sich aus langgewohnten Verhältnissen zu reißen, und ein ungewisses Schicksal jenseits des Weltmeers zu suchen. In jedem Falle sind es nicht geistesschwache Menschen, welche in Amerika eine neue Heimath suchen, wenn auch nicht immer edle und gute. Herumirrende Wesen, Menschen ohne Freistätte, Unglückliche, welche die alte Welt ausstößt, politische und religiose Schwärmer, Verfolger wie Verfolgte werden hier gute und glückliche Bürger. Die Nothwendigkeit der Arbeit, der angestrengten Arbeit, welcher jeder Neuansiedler sich unterwerfen muß, dämpft die Leidenschaften und hält die Begierden im Zügel. Die Last der Vorurtheile und der irrigen Meinungen, das mit aus Europa hinüber gebrachte Erbtheil, schüttelt der Geist dort bald ab, und die unter ihrem Druck erschlafften Seelenkräfte gewinnen dort, wo Beispiel und Bedürfniß gleich stark zu ihrem energischen Gebrauche auffordern, neuen Schwung. Religiöse Intoleranz findet keinen Boden, wo sie fortkommen, geschweige gedeihen könnte. Bekenner aller Sekten, die sich in Europa blutig haßten, und keinen Andersdenkenden neben sich dulden wollten, vereinigen sich hier, ohne ihren Ansichten zu entsagen, als Brüder; denn die Religion, entkleidet von allem falschen und ungehörigen Prunke; einfach, wie ihre Priester; weder herabgewürdigt zu einem Werkzeuge der weltlichen Macht, noch emporgehoben zu pharisäischem Ansehen, sondern rein in ihren Zwecken und Wirken, predigt dort blos Liebe gegen Andere, und Dankbarkeit gegen Den, der des Guten, was Jeder in gleichem Maaße genießt, so viel gab. Eiserner, anhaltender Fleiß, nöthig, um die Schwierigkeiten des ersten Anfangs, sowohl für den Landwirth, als Gewerbsmann, zu überwinden, der reiche Lohn, der solchem Fleiße unmittelbar nachfolgt, Wohlstand, Freiheit und Unabhängigkeit, ungestörter Genuß, Friede, Ruhe und ein endloser Wirkungskreis lassen Europa und alles darin ausgestandene Mißgeschick und allen Ingrimm darüber bald vergessen. Mit [55] Freuden geben dann die Einwanderer den Namen: Engländer, Irländer, Deutsche, Schweden, Franzosen etc. ihren Abschied, und nennen sich: Amerikaner.

Kein Wunder, daß der Strom der Einwanderung in die Vereinstaaten von Jahr zu Jahr zunimmt, zumal wenn man den Reiz hinzurechnet, welcher in den niedrigen Preisen neuer Ländereien[1], in der notorischen Fruchtbarkeit des Bodens, im hohen Werth aller menschlichen Arbeit, in der Leichtigkeit, sich zu nationalisiren, in den Wohlthaten eines ungefährdeten Friedens, in den weisen Gesetzen, in der vollkommenen Freiheit eines Jeden zum vernünftigen Gebrauche seiner Erwerbsfähigkeiten und in einer fast gänzlichen Befreiung von Abgaben und Steuern, für die arbeitende Klasse in Europa liegt, wo Lebensglück und Wohlstand ihnen so oft feindlich den Rücken kehren. Wenn irgendwo die Arbeit des Menschen nichts mehr gilt, wer mag’s ihm verdenken, wenn er sich dem Markte zuwendet, wo sie als sicheres Mittel zum Wohlstande Cours hat? Es erfordert ja in Amerika nicht mehr als die Fähigkeit eines [56] schlichten Landmanns[2], um von der Natur mit beharrlicher Anstrengung zuverlässig Das zu erringen, was zum Lebensglück eben gerechnet zu werden pflegt, wogegen in Europa die Anweisung des Armen auf die nackte Natur nichts wäre, als bitterer Hohn. Gerade weil der Zustand der europäischen Gesellschaft so ist, daß die Vermögenslosen noch dann zum Wohlstand gelangen können, wenn die Reichen arm gemacht werden; – eine furchtbare Alternative, die man seit einem Jahrhundert mit Sprüchen der Moral und Religion vergeblich bekämpft! – liegt die Begünstigung der Auswanderung nach Amerika gleich sehr im Interesse der Menschlichkeit, wie in dem der Staatsklugheit. Jeder Staat sollte seinen armen Bürgern zurufen: Wendet euch, statt euch im Drängen nach Verbesserung eurer Lage feindlich gegen eure wohlhabenden Mitbürger zu richten, an Nordamerika’s freigebige Natur! Es wäre fürwahr ein Leichtes, jedem Staate die Mittel nachzuweisen, durch welche er, ohne bedeutende Opfer für die Gesammtheit, den gemein-schädlichen Ueberschuß seiner Bevölkerung, jene Bevölkerung nämlich, welche mit aller Anstrengung ihrer Kräfte kaum die Mittel zur Erhaltung des nakten Lebens erschwingen kann, und früher oder später dem Staate eine Last wird, ihm aber immerfort ein Element der Gefahr ist, nach Amerika ableiten könnte. Bestimmt opfert ein jeder europäische Staat für die Wohlthätigkeits-Anstalten, gegründet dem äußersten Elende zu steuern, und für jene, welche bestimmt sind, Verbrechen zu verhüten, zu entdecken und zu bestrafen, welche im Schooße der Verzweiflung geboren werden, und die den Hunger zum Vater haben, weit mehr.

Leider aber ist’s ein allgemeiner und verjährter Glaube, daß das Elend und die drückendste Armuth eines Theils der Bevölkerung zum Staate gehöre, wie Dürre und Hagel zum Wetter, daß sie nothwendige Bestandtheile der civilisirten Gesellschaft seyen, und dieser Glaube verhärtet die Menschen, hindert die Enthüllung der letzten Ursache der Armuth und macht das Uebel unheilbar. Die Idee, daß, wollte man nur den Boden-Reichthum, den der allgütige Gott in unkultivirten Ländern so freigebig angewiesen, zur Armen-Colonisation benutzen, alle Armuth in einem Staate verschwinden müsse, hat noch nirgends Eingang gefunden.

Ich habe mich weit von meinem Gegenstande entfernt und lenke ein.

Man stellt sich in Europa gemeiniglich vor, daß die öffentliche Wohlfahrt in den vereinigten Staaten auf zu materiellen Grundlagen ruhe, und über dem allgemeinen Streben nach Erwerbung irdischer Glücksgüter [57] das Gelangen zu den geistigen, und zur höheren wissenschaftlichen Bildung vernachlässigt werde. Seltsamer Irrthum! Man gibt zu, daß im Bezug auf das Volksschulwesen Amerika alle Länder Europa’s überflügelt habe; daß eine Erscheinung, wie sie Frankreich, ja selbst Preußen in seinen östlichen Provinzen, noch gegenwärtig aufweist, daß nämlich Tausende von Dörfern keine Schulen haben, und daß Zehntausende von Kindern ohne allen Unterricht großwachsen, in Nordamerika etwas Unerhörtes ist. Man leugnet nicht mehr, daß kein Land in der Welt für die Elementarschulen verständiger und freigebiger gesorgt habe, als die Union[3]; aber man wirft ihr vor, als wäre für höhere Lehranstalten dort wenig gethan, weit weniger, als der Reichthum des Landes und seiner Einwohner erwarten lasse. Sehe man zu, wie dieser Vorwurf vor folgenden Thatsachen Stand hält!

Zu Ende des vorigen Jahres zählten die Vereinigten Staaten 81 Gymnasien, (Colleges) mit 749 Professoren, die alte Sprachen, (Lateinisch, Griechisch, Hebräisch), neuere Sprachen, Mathematik, Philosophie, Sternkunde, Geographie und Geschichte lehrten. Die Schülerzahl in sämmtlichen Gymnasien überstieg 34,000. Universitäten bestehen 13, mit 260 Professoren und etwa 5000 Studenten. 37 theologische Seminarien mit 230 Professoren und über 3000 Studenten sorgen für die Vorbereitung zum Priesterstande. Sieben dieser Institute gehören [58] den Katholiken; den protestantischen Sekten die übrigen dreißig. An 26 medizinischen Collegien lehren 184 Professoren; sie zählen über 5000 Studiosen. Eine öffentliche Büchersammlung fehlt an keiner von allen diesen Schulen; Bibliotheken deutscher Universitäten, in denen sich Bücherschätze Jahrhunderte lang anhäuften, sind es freilich nicht. Doch, obschon die Hälfte jener Institute ihre Gründung nicht über das vergangene Jahrzehend hinausführen kann, so haben doch bereits mehre 30,000 bis 50,000 Bände in ihren Schränken, und die Gesammtzahl der Bücher in allen Bibliotheken übersteigt eine Million. Man vergleiche diese Gymnasial- und Universitäts-Statistik Nordamerika’s mit der von Preußen (der Vergleich ist billig; denn beide Länder haben gleiche Volksmenge, und in keinem Staate Europa’s geschah neuerer Zeit für Schulwesen so viel Rühmliches, als in letzterem!), und dann wage man noch, von einer kärglichen Fürsorge der reichen Republiken für höhere Bildungsmittel zu reden! Wenn man aber erwägen wollte, daß Nordamerika kein ausgewachsener Staatskörper ist, sondern erst ein noch in seiner Bildungsperiode begriffener; daß über ein Drittel jener 200 Hochschulen an Orten blühen, welche vor 35 Jahren noch dichte Urwälder waren, wo der Bär hauste und der Bison, und Indianer kannibalische Feste feierten; wenn man die mehr als königliche Freigebigkeit betrachten, mit welcher alle diese Institute vom Staate ausgestattet worden, und man sehen möchte, mit welcher Bereitwilligkeit der Patriotismus der Bürger der Erweiterung der ältern und der Gründung neuer Bildungsanstalten fortwährend die größten Geldopfer bringt: so würde der unverständige Tadel des Europäers verstummen und er erröthend zugestehen müssen, daß das, was in so kurzer Zeit von Nordamerika geschah, mehr ist, als der Unbilligste zu fordern sich vermessen kann, genug, um die Bewunderung der Welt zu verdienen. Wahrlich! In einem Volke, das in der Zeit, wo es, seiner größeren Zahl nach, noch mit dem Ueberwinden der Natur und ihrer rohesten Anforderungen zu kämpfen hat, vollbringen kann, was Nordamerika leistete, in einem solchen kann keine Geringschätzung geistiger Bildung, keine Gleichgültigkeit für Wissenschaft und Kunst wohnen, und wenn alle andern Zeugen schwiegen, jene Thatsachen würden Amerika’s dereinstige hohe Bestimmung im Reiche der Wissenschaft vollkommen vindiziren. Das Dereinst aber ist vielleicht nicht so fern, daß es nicht viele meiner Leser erleben könnten. –

Die Landesuniversität des Staats Virginien in Charlotteville, gehört jenen Denkmälern an, welche das Andenken wahrhaft großer Menschen segensreich in die spätesten Zeiten tragen. Jefferson, Washington’s Freund und Nachfolger im Präsidentenstuhle, opferte der Gründung dieser Hochschule sein ganzes Vermögen, und die Sorge für ihr Gedeihen füllte, nachdem er vom Gipfel der Macht in den Kreis des Bürgers zurück getreten war, des großen Mannes Thätigkeit noch am späten Lebensabende aus. Auch das Aeußere dieser Anstalt, die selbst von europäischen Sachverständigen als ein Muster für ihres Gleichen anerkannt wurde, trägt das Gepräge des edlen, hochgebildeten Geistes, der sie schuf. Sie ward 1819 eröffnet. Ihr stehen 9 Professoren mit einem Rektor vor. Sie wird stark besucht und zählte im verwichenen Jahre über 400 Studenten.

[59] Die gleichzeitige Gründung so vieler der wissenschaftlichen Ausbildung gewidmeten Anstalten in dem Gebiete der Union, hat, in den letzten Jahren, bedeutenden europäischen Gelehrten es leicht gemacht, eine ihren Wünschen und ihrem Berufe angemessene Anstellung in den Vereinstaaten zu finden, was früher nie, oder doch sehr selten der Fall war. Das ist eine neue, höchst bedeutungsvolle Erscheinung. Sie vervollständigt den Cyklus derjenigen, welche sich an die Wanderung des Menschengeschlechts aus der Ost- in die Westwelt, mit Industrie und Handel, Gewerben, Künsten und Erfahrungen knüpfen. Was bleibt der alten Europa noch übrig, wenn ihr die schöne Amerika den letzten, strahlenden Juwel aus dem Diademe bricht, und die Coryphäen der Geister an ihren jugendlichen Busen zieht? Dann sind die Welttheilrollen wahrhaftig gewechselt! Amerika führt dann den Reigen, wird zum Mittelpunkte der Kultur, und Europa rückt an’s entgegengesetzte Ende. Dann aber bricht auch die Weltgeschichte ihr Haupttheater hierhüben ab, und ihre Helden wandeln auf der Bühne im Thale des Mississippi.





  1. Alles Land in den Vereinigten Staaten, welches nicht Eigenthum eines einzelnen Staats, oder von Individuen ist, ist Unionseigenthum. Alle diese Ländereien werden, ehe sie von der Regierung zu Markte kommen, auf Kosten der letztern vermessen. Alle sechs englische Meilen rammen die Feldmesser einen Pfahl in die Erde, und die daraus entstehenden regelmäßigen Vierecke, deren jedes folglich 36 englische Quadratmeilen Flächenraum hat, bekommen eine Nummer und heißen ein Ortsgebiet, eine Township. Gerade Linien theilen solche Townships wieder in 36 Quadraten, Sektionen genannt, deren jede 640 Acker groß ist. Diese werden wieder in Viertel- und Achtel-Sektionen – Bauerngüter – geschieden.
    In jedem Staate werden alljährlich 40 Ortsgebiete vermessen, und zweimal des Jahrs öffentlich versteigert. Das Angebot ist 1¼ Dollar für den Morgen. Das, was unverkauft bleibt, (stets der bei weitem größere Theil), ist zu jeder andern Zeit im Landverkaufbüreau (dem Landamte) des Distrikts, für 1¼ Dollar der Acker, zu bekommen.
    In den Landämtern sind genaue Karten und Flurbücher über alle vermessenen und verkäuflichen Landstrecken befindlich, und jedem Kauflustigen werden solche mit Bereitwilligkeit vorgelegt. Dieser kann sich sogleich Notizen machen und er geht dann an Ort und Stelle und besieht. Hat er gewählt, so verfügt er sich wieder in’s Landamt, sagt, er behalte die und die Nummer, eine ganze, oder Viertel- oder Achtel-Sektion in einer gewissen Township, der Registrator notirt es, der Käufer zahlt 1¼ Dollar per Acre und der Kassirer gibt ihm eine Quittung. Nach einiger Zeit wird ihm der vom Präsidenten unterzeichnete Grundbrief kostenfrei zugeschickt und er ist ein so vollkommner, unbestrittener Eigner seines Grundstücks, als irgend ein Freiherr der Welt.
    Die 16. Sektion jedes Ortsgebiets kommt, nach einer sehr weisen Einrichtung, gar nicht zum Verkauf, sondern wird, als Schulvermögen, zur künftigen Erhaltung der Elementar-Unterrichtsanstalten reservirt. Höhern Bildungsinstituten sind in jedem Staat noch besondere, oft sehr große Ländereien als Fond zugewiesen. Der Erlös der Ländereien darf von der Regierung nicht zu allgemeinen Staatszwecken nach Gutdünken verwendet werden; wird vielmehr zu 2/5 dem Staat, in welchem das verkaufte Land liegt, ausgeantwortet, zur Gründung und Dotirung neuer Bildungsanstalten, und 3/5 muß die Centralregierung zur Führung von Poststraßen in den der Neuansiedelung überlassenen Distrikten verwenden.
  2. Der Steuern (taxes) der N. A. Landleute sind, nach europäischen Begriffen, unglaublich wenige. Jeder, der eine Pflanzung (Farm, Bauergut) von 160 Acres (oder eine Viertel-Sektion) erworben hat, zahlt in den ersten 5 Jahren gar keine Steuern; später aber 1½ Cents (etwa 2 Kreuzer oder ½ Groschen) jährliche Grundsteuer vom Morgen, zusammen also 2 Dollars 40 Cents, und an Gemeinden- oder Cantonsabgaben etwa 1 Dollar 60 Cents: – Alles in Allem also etwa 4 Dollars jährlich. Von unbezahlten Dienstleistungen, Frohnden, Zehnten u. s. w. weiß der amerikanische Landmann, wie sich von selbst versteht, nichts.
  3. Schon vor 15 Jahren gab das Edinburgh Review das Geständniß: Die Mehrzahl der Amerikaner ist besser unterrichtet, als die Masse in irgend einem europäischen Lande. Der gereizte alteuropäische Dünkel bestritt gar heftig diese Behauptung und der Streit führte zu näherer Erforschung, welche die Wahrheit jener schon damals bewies. – Nachstehende, aus den neuesten „Annals of Education“ entnommene Angaben, die sich auf offizielle, jährlich erneuerte Recherchen stützen, sind von großem Interesse.
    Verhältniß der Schulunterricht erhaltenden Kinder zur Gesammtbevölkerung der verschiedenen Staaten:
    Nordamerikanische Republiken:
    In New-York wie 1 zu 3¾
    In Massachussetts wie 1 = 3⅞
    In Rhode-Island wie 1 = 4
    In Maine wie 1 = 4
    In Connektikut wie 1 = 4
    In Delaware wie 1 = 4½
    In Pennsylvanien wie 1 = 6
    In New-Yersey wie 1 = 7½
    In Virginien wie 1 = 8
    Europäische Republiken:
    In der Schweiz in 6 nördl. Kantonen wie 1 zu 6
    Europäische monarchische Staaten:
    In Würtemberg wie 1 = 6
    In Bayern wie 1 = 7
    In Preußen wie 1 = 7
    In den Niederlanden wie 1 = 8½
    In Schottland wie 1 = 9½
    In Oesterreich wie 1 = 12
    In England wie 1 = 13
    In Frankreich wie 1 = 17
    In Ireland wie 1 = 18
    In Portugal wie 1 = 88
    In Rußland wie 1 = 367