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Topographia Circuli Burgundici: Harlem

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Topographia Germaniae
Harlem (heute: Haarlem)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 137–139.
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[137] Harlem / Diß ist die Haupt-Stadt deß Kenemer-Landes / so ein Theil von Holland / ein herrlicher / prächtiger / und Volckreicher Ort / allda man die schöniste weisse Leinwat in grosser menge zu machen pfleget. Sie ist eine auß den vornehmsten Städten in Holland / deren / und deß Ländleins herumb / Inwohner / die Kenemarii, oder Kenemers / Kenefers / oder Kermers / genant / der Alten Caninesates seyn sollen. Theils wollen / es seye diese Stadt von Lemo, Dibbaldi der Friesen Königs Sohn / umb das Jahr Christi 1300. erbauet worden / die aber Zuerius, in Theatro Holland. und Beschreibung Harlems / pag. 125. widerleget. Petrus Scriverius vermeynet / daß sie den Namen entweder von den Coloniis Herulorum, oder von Eer / und Lemmer / gleichsam Eeerlem / bekommen. Besagter Zuerius aber hält sie von den Nordmannen / bey denen die Stadt Jerlem gefunden wird / herkommen zu seyn / und will / daß sie umbs Jahr Christi 800. erbauet worden. Sie ligt gar bequem / schön / und lustig / und hat viel Gassen. Der Fluß Spaaren / oder Sparna, (so ein gar lauters Wasser führet / und auß dem Rhein seinen Ursprung hat /) laufft mitten dardurch. Die meisten Häuser seyn sehr hoch / schön / und bequem erbauet / sonderlich auff / und umb den Marckt herumb / die auch alle wol bewohnet seyn / wie dann allhie alle Sachen / so von dem umb gelegenen schönen und ebnen Land täglich dahin gebracht werden / überflüssig zu bekommen; hat aber fast keine / oder doch gar enge Plätz / wegen einer so grossen menge Volcks allda. Und ob woln die Stadt herumb keine Bollwerck / und etwas Neues von Pasteyen hat / so ist sie doch sonst vest / und zimblich wol flancquiret / und hat einen grossen Wassergraben; im übrigen ihre alte Mauren und Thürne. Unter den offentlichen Gebäuen / ist sonderlich S. Bavonis Kirch zu sehen / welche wegen ihrer weite / und hohen Gewölbes / die Grosse genant / und allen andern Tempeln in Holl- und Seeland vorgezogen wird: Ist Anno 1472. durch Hülff Hertzog Albrechts auß Beyern / erbauet worden: und hat Anno 1559. sie Pabst Paulus IV. zu einer Bischofflichen Kirchen erhöhet; wiewol solches Bistumb von den Reformirten hernach wieder allda abgethan worden. Gegen über ist das Rahthauß / dessen Eingang ein doppelte Treppen hinauff hat; und stehen über der Thür drey alte Graffen von Holland in Stein gehauen: unten aber im Saal / sihet man auff der einen Seiten längs hinab alle Graffen von Holland / in rechter grösse abgemahlet. Es ist auch der Thurn allhie / den Zuerius Bakenesiam nennet / seiner unermeßlichen Kunst halber / wie auch deß Laurentii Costeri Hauß auff dem Marckt / zu sehen / unter dessen Bildnuß / wie Hegenitius, in seinem Itinerario p. 87. berichtet / folgendes gelesen wird:

Memoriae sacrum,
Typographia, ars artium omnium Conservatrix; hîc primum inventa, circa annum 1440.

Vana quid archetypos et praela Moguntia jactas?
Harlemi archetypos praelaque nata scias,
Extulit hic, monstrante Deo, Laurentius artem:
Dissimulare virum hunc, dissimulare Deum est.

P. S.

Dann die von Harlem wollen / daß bey ihnen am ersten Anno 1420. zur Buchtruckerey das Fundament / von dem gedachten Costero, gelegt worden seye. Vielerwehnter

[T73]

Harlem

[138] Zuerius pag. 134. meldet / auß Rabbi Iosephi Chronico, daß das allerältiste Exemplar / oder Buch / Anno 1428. zu Venedig sey getruckt worden; und saget ferners / daß zwar gedachter Laurentius, die hültzerne typos am ersten erfunden; die zinnerne / ehrine / und bleyine aber / nach jener Form / Ioannes Faustus, Burger zu Mäyntz / gemacht habe / wie er dann hievon weitläufftig / biß auff das 143. Blat / schreibet / und endlich den gelehrten Mann / Petrum Scriverium, anziehet / welcher ein Buch / von Erfindung dieser Kunst geschrieben / in dem er / wie Zuerius sagt / seines Vatterlandes Lob so tapffer gerettet / daß niemand / so die Warheit liebet / nunmehr sich darwider weitres setzen dörffte; wiewol sich dessen neulich Gabriel Naudaeus, ein Frantzoß / aber vergebens / und mit nichtigen Commentis, zu thun / unterstanden habe. Sihe aber / was darwider die von Mäyntz / und Straßburg / in den außgangenen Schrifften / sagen; Item J. Sauberti Historiam Bibliothecae Reip. Noriberg. pag. 61. seqq. et 106. seqq. Von Harlem war Joannes Hugo von Linschotten / welcher sich / durch seine Reisen in Ost-Indien berühmt gemacht hat / und Anno 1611. zu Enckhuysen gestorben ist. Es haben sich allhie unterschiedlich Denckwürdige / Glück- und Unglückliche Sachen / wie in grossen Städten zu geschehen pfleget / zu getragen / davon ehegedachter Zuerius, und darunter auch / wie mit der Harlemer Hülff / Graff Wilhelm der erste deß Nahmens zu Holland / der Anno 1223. gestorben / die Stadt Damiatam in Egypten Anno 1219. eingenommen: und von solcher Histori / neben obernanten Hegenitio pag. 85. seqq. und andern / auch Thedorus Schrevelius, in Trophaeo Pelusiaco, zu lesen. Anno 1572. und 73. belagerte Don Friderico, deß Hertzogen von Alba Sohn / die Stadt Harlem / die sich ritterlich hielte / und auch eine Wiitib / Namens Kennau / von 46. Jahren alt / die andere Weiber tapffer anführete. Die Belagerten schickten Tauben zum Printzen von Oranien / und er wieder zu ihnen / mit Briefflein / welche ihren Jungen zuflogen / daß also sie einander ihres Zustands berichten kunten. Sie musten sich aber endlich auf Gnad und Ungnad / wegen überhand genommenen Hungers / den 14. Julij / deß besagten 73. Jahrs / ergeben / als diese Belagerung sieben Monat gewehret hatte. Darauff alle Obriste / und die Soldaten meistentheils / geköpfft / gehenckt / und ertränckt worden / ausser etlich wenigen / so heimlich darvon kommen seyn: und muste die Burgerschafft vor ihr Leben / und Plünderung 200. tausent Gulden geben / und wurden gleichwol 57. der vornehmbsten Burger davon außgenommen; wie Meteranus lib. 4. histor. Belg. schreibet; wiewol Petro Cornelio, in seiner Historia di Fiandra lib. 5. fol. 96. berichtet / daß nur den Wallonen / und Engelländern / deren mehr als drey tausent gewesen / die Köpff / innerhalb acht Tagen / durch einen eigenen Scharffrichter / abgeschlagen; aber bey tausent Teutschen Soldaten / das Leben geschenckt worden seye. Und setzt er darzu / daß sie so freudig an den Todt / als zu einem Banchet / gegangen: und gebraucht sich / als ein Spanier / und eyferiger Romanist / dabey / in Italianischer Sprach / dieser Wort: tanto sono affettionati, et si lasciano ingannare questi martiri di satanasso alla lor setta. Sihe aber / was von dieser Belag- und Eroberung / und wie hierauff / Anno 1577. diese Stadt wiederumb sich dem Printzen von Oranien / als Stadthaltern in Holland / und der vereinigten Staaten Generaln / untergeben / den obgedachten Zuerium: und im übrigen von dieser berühmten Stadt / (so einen guten Lufft / einen schönen Lustwald / und darinn hübsche Spatziergäng / gleich vor der Stadt / und das Meer auff Fünff tausent Schritt von dannen abgelegen / sonsten aber keine Seen / und Pfützen herumb / und ein Carmeliter Kloster / hat / und allda die Schiff / so auff dem gedachten Fluß stetigs auff und ab gehen / einen sonderlichen Lust machen / auch das schöne schwartze Tuch allhie bereitet / hoch gehalten wird / und die Fische in grosser menge zu bekommen seyn.) auch Georg Braun im andern [139] Theil seines Städtbuchs / C. Ens in delic. apodem. pag. 175. seqq. Hegenitium in Itiner. p. 78. seqq. (allda er auch die Grabschrifften in der Hauptkirchen setzet /) und P. Bertium, in Beschreibung Hollands: welcher letzte ingleichem erzehlet / was / vor alten Zeiten / sich in dem Schloß Heemskercken zugetragen / auff welchem der Harlemer Herr gewohnet / aber von ihnen / wegen seiner Tyranney / belagert / und gemeltes Schloß geschleifft worden; und wie seine Gemahlin / an statt Gut und Gelds / so ihr außzutragen erlaubt gewest / ihren Herrn / und Gemahl auff ihre Schultern gefasst / ihn davon getragen / und also beym Leben erettet habe.