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Topographia Braunschweig Lüneburg: Luchow

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Topographia Germaniae
Luchow (heute: Lüchow)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 140–143.
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[T71]
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Luchow.

Die Statt Luchow ist im Dannenbergischen Antheil deß Fürstenthumbs Lüneburg / vngefehr zwo Meile von Saltzwedel gelegen / vnd soll der Ort / wo jetzund die Statt gebawet ist / vor Jahren nur ein Paß oder Damm gewesen seyn / dabey zwey kleine Beystrassen / vnd bey einer jeden ein Krug oder Wirthshauß nur gelegen haben. Es befindet sich auch / wann newe Brunnen gegraben / daß in der Erden / bey zwey Mann hoch / vnd tieffer / lauter Bohlwerck von Eichen / Ellern / oder Büchen Holtz / gar starck / wie Haußbalcken / über einander gelegt / welches man alles mit Axten bey Stücken abhawen / vnd herauß bringen müssen / dahero dann zu schliessen / daß diese Statt sey auff lauterm sümpfigen vnd morastigen Grunde fundiret vnd gebawet. Es sind auch vor vielen Jahren die Steinwege in der Erden zwey oder dreymahl erföhet / vnd wieder gepflastert / welches dann Anno 1626. als man einen Pfal eines Mannes hoch / worüber grosse Ketten gespannen / in die Erde setzen lassen / auch wahrgenommen / vnd so viel Steindämme befunden.

Diese Statt ist gelegen / der Apparentz der Mauren nach / womit sie anfangs / vnd noch guten theils vmbgeben / in einer runde / hat eine Hauptgasse / so die grosse lange Gasse heisset / welche zwey Thore hat / davon das eine / so im Osten oder gen Auffgang der Sonnen ligt / das Saltzwedelsche Thor / von der Statt Saltzwedel / drey Stunden von hinnen in der Marcke daran grentzet / genant wird: Das ander wird das Drafeinsche Thor / von dem da hinauß ligenden Wendischen district vnd Dörffern / der Drafehn von Alters geheissen / genennet; Es sind auch an dieser grossen langen [141] Gassen / etzliche transversal oder Beygassen gelegen / vnd sind diese Gassen vnd Strassen anfangs / ehe vnd zuvor das Kriegswesen diesen Ort / Land vnd Statt berühret / allenthalben bewohnet gewesen / vnd zwart anfangs mit ein hundert vier vnd zwantzig Bürgerpflichtigen Häusern / wovon in diesen Kriegesläufften zwantzig gantz demoliret vnd herunter gerissen / vnd 23. wüste befunden.

Ausserhalb den Thoren der Statt / sind neben den Bürgerlichen Scheuren / auch andere Wohnungen / welche von den Tagelöhnern / Botten / vnd andern bewohnet werden. Diese ausser den Thoren belegene Wohnungen vnd Oerter / sind von Alters nach Wendischer Sprach / die Kaurnitzen geheissen / derer zwo / als die Saltzwedelsche / da man nach Saltzwedel hinauß gehet / woselbst vnsers gnädigsten Fürsten vnd Herrn ansehnliches Vorwerck / nebst zugehörigen stattlichen Weinberge / Ackerbaw / Wiesenwachs / Viehzucht an Rind vnd Schaffvieh gelegen. Die andere Kornitze heisset man die Drevehnische / woselbst das arme Hauß / vnd die dabey gelegene Capell zu S. Jurgen geheissen / nach dem Norden / vnd gegen über Südwerts / der von Plato drey Vorwercke ligen / die auch ihre Länderey nahe an dem eusser Thor vnd der Statt haben.

Das Fürstl. Schloß vnd Ampthauß Luchaw / ist an einer lustigen gegend solcher gestalt belegen / daß es auch von den Alten / wegen dessen Fruchtbarkeit vnd Güte / Frießland verglichen worden / vnd mit dem incorporirten Ampte Warchke / vnd darin liegenden Flecken Bergen vnd Clentze / auch fünff Adelichen Sitzen / als deren von Plato zu Grabow / die von Knesebeck zu Colbern vnd Corvin / die von Bodendorff zu Wolterstorff / die von Bodendieck zu Schnega / vnd die von Dannenberg zu Bückow / in die länge fünff / vnd in die breite vier Meilweges begriffen / vnd darin guter Ackerbaw / Viehzucht / Fischereyen / vnd sonsten / was zu deß menschlichen Lebens Notturfft gehörig / nebst ansehnlichen Höltzungen vnd Wäldern / als nahmentlich die Lucia / die Plancken / (worin ein Eichenbaum / der Schönebaum genant / zu befinden / welcher wegen dessen proportionirten Schönheit / an länge / geradigkeit vnd dicke / für dem / vnd noch jährliches von viel tausent Menschen besehen worden / vnd noch besehen wird / Inmassen ab denen vielen Abzeichen vnd Nahmen / so darauff geschnitten / vnd dabey gefunden werden / mit mehrem zu ersehen ist) die Landwehr / vnd der beyden Fürsten Holtz / belegen; worin nicht allein an allerhand frucht- vnd vnfruchtbaren Bäumen / als Eichen / Buchen / Dannen / Fichten / Bircken / Ellern / vnd anderm Holtz: besondern auch an hohen vnd niederm Wildprät / wie das Nahmen haben mag / wo nicht überflüssig / demnach nach Notturfft verhanden.

Gemeltes Schloß ist von den Gassen der Statt Luchow abgelegen / mit Wasser zu hinterst / vnd beyseits vmbflossen / vorn mit einer Zugbrücken / vnd vmbher mit einem Wall verwahret / der Thurn ist wegen seiner schönen runde / vnd mit einem Vmbgang gezierten Figur / neben der Kirchen / Rahthauß / vnd Glockenthurn / so von der Kirchen zimlich abliget / auch andern Bürgerlichen hohen: mit Stein bedeckten Häusern / von aussen schön anzuschawen / vnd dahero Luchaw mit denen / mit Ziegel bedeckten Scheunen / als wann es eine grosse Statt / welches doch nicht ist / von denen / so derselben gelegenheit nicht bekant / anzusehen.

Dieses Schloß hat Fraw ANNA / geborne Gräfin zu Nassauen / welche Hertzog OTTEN zu Braunschweig vnd Lüneburg vermählet gewesen / in welchem Jahre aber / weiß man nicht eigentlich / auffgebawet / die ist gestorben Anno 1514. Dieser Hertzog Otto ist vnsers Gnädigsten Fürsten vnd Herrn / Herrn AUGUSTI, Hertzogens zu Braunschweig vnd Lüneburg / welcher Anno Christi 1579. den 10. Aprilis, felici fidere gebohren / Abavus, Hertzog Heinrich Proavus, Hertzog Ernst / Avus, Hertzog Heinrich der Ander S. Fürstl. Gn. Pater gewesen.

Es gibet auch in der Statt Luchaw drey Wassermühlen / welche Sr. Fürstl. Gn. [142] zustehen. Die Jetza / Jeza fluvius, welche bey Betzendorff / jenseit Saltzwedel entspringet / von Saltzwedel anhero fliesset in einem Strom / theilet sich obenwerts in vier Ströme / deren zween ausserhalb beeder Statt-Thor / vnd zween durch die Statt fliessen / daß vier Brücken müssen gehalten werden. Niederwerts der Statt kommen diese vier Ströme wieder in einen Strom / biß nach Dannenberg / doch eine halbe Meile disseits / vnd oben Dannenberg / gehet der Strom wieder in zween Ströme / da einer auff die Mühle daselbst gehet / vnd der Mühlengrabe heisset / vnd der ander nach der rechten Hand vmb die Statt / vnd von dannen biß gen Hitzger in die Elbe fleusset / daß man also von Luchow auff der Jetza / vnd forters von Hitzger auff der Elbe biß in Hamburg fahren / vnd commerciren kan. Dieser Fluß gibt schöne wolschmeckende Fische / allerhand Gattung / an Hechten / Parsen / Ahlen / Bleyerfisch / Rapen / vnd sonderlich Krebse / hat auch sonsten seinen kundbaren rühmlichen Nutzen.

Die gantze Nahrung der Statt Luchow bestehet im Bierbrawen / vnd allerhand Handwercken / welche Nahrung dann wegen Manglung der Ampts Vnterthanen / sehr abgenommen / sonderlich daher / wie dieses Orts männiglich bekant / was für ein erbärmliches Blutbad vor Luchow / in dem notorischen Rusticidio, leider begangen / in dem Anno 1643. den 21. Junij / von dem Schwedischen Obristen Bähren / vnd dessen vntergebenem Regiment zu Roß / vmb geringer Vrsache willen 350. Bawren / fast in einer Stunde jämmerlich erschlagen / vnd 138. die theils zerquetschet / gefänglich angenommen / so sich mit 1104. Rthlrn. rantzioniren müssen / vnd noch viel davon gestorben. Der Obriste Bähr ist / nach geschehenem niederhawen dieser armen Bawrsleute / dadurch manche Wittwe vnd Wäiselein geworden / mit dem gantzen Regiment / in das allbereit durch die einlogirte drey Schwedische Regimenter zu Roß verderbte Stättlein gerücket / vnd 6. Wochen damit darin logiret / vnd es solcher gestalt zugerichtet / daß dessen Gedächtnuß bey Menschengedencken nicht wird vergessen werden.

Das Ampt Warpke / welches dem Fürstl. Ampte vnd Hause Luchow vor ohngefehr hundert Jahren incorporiret / soll anfangs ein sumpfichter Ort gewesen / vnd von Graff Vlrichen von Warpke zu erst erbawet seyn / derselbe soll / nach dem Er im Ehebette einen Jungen Graffen / vnd drey Fräwlein / die alle zum heyrahten keine Beliebnuß getragen / das Closter Distorff / das noch in gutem Stande / in der Chur Brandenburg / an der Warpischen Grentze belegen / fundiret vnd erbawet haben / im Jahr 1171. Welche Nachrichtung / nebst deß gedachten Graff Vlrichen Gemählde oder Bildnuß / in der Kirche zu gedachtem Closter Distorff noch jetzo / vnd daß zu der Zeit zu Warpke ein Schloß / mit Wall vnd Graben vmbgeben gewesen / gestanden / zu ersehen / Weiln aber wegen Abgang Distorffischer Intraden / das Ampt Warpke sehr in Abnehmen gerahten / ist es gleichsam als ein Vorwerck geachtet / vnd wie schon gemelt / mit denen dazu gehörigen Intarden / dem Ampt Luchow incorporiret.

Alldieweiln es dannoch nicht vneben gelegen / haben S. Fürstl. Gn. Hertzog Julii Ernsten hochlöblichen Angedächtnuß / vnsers jetzo beyder Fürstenthumbe Wolffenbüttel vnd Dannenberg regierenden gnädigen Landesfürsten vnd Herrn / Herrn Augusti, Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg Fürstl. Gn. Herrn Bruders / wegen der da herumb / absonderlich aber in einem lustigen Holtze / der Gein genant / stehenden schönen frucht- vnd vnfruchtbaren Bäumen / an Eichen / Büchen / Espen / Ehlern / vnd dergleichen Weichholtze befindlicher Wildbahn / ein ansehentliches / von Holtz vnd rechten Steinen vffgeführtes Jagthauß / mit ordentlichen Gemächern / vnd ausserhalb mit Gängen vmbgeben / wie auch einem reisigen Stalle / vnd einem langen Steindamm / so noch zu sehen / Anno 1604. anfangen / bawen / vnd Anno 1608. es vollenden lassen.

Es ist auch für vngefähr 30. Jahren [143] bey dem Dorffe Lose / in dem Ampte Luchow belegen / ein Brunn entsprungen / der zu vielen Kranckheiten genutzet / vnd dannenhero viele hundert krancke vnd breßhaffte Leute / hohes vnd niedern Standes sich dahin begeben / vnd denselben gebrauchet / seine Wirckung hat sich nach etlichen Jahren hinwieder verlohren / jetzo aber / vnd zwar in anno 1652. sich wieder ereuget vnd herfür gethan / auch allbereit vnterschiedenen krancken Leuten / so desselben Wassers gebrauchet / zu ihrer vorigen Gesundheit verholffen / Wie lange es nun continuiren möchte / wird die Zeit lehren.