Tom Wade und der graue Bär
Es war eine kalte Novembernacht, als wir, ein halbes Dutzend Jäger, in einem halb geschützten Lager um ein helles Feuer lagen und Jagd- und andere Abenteuer erzählten. Tom Wade, ein großer riesenhafter Mann, der stets sehr still und in sich gekehrt lebte, den man aber seiner Gutmüthigkeit wegen sehr schätzte, ward ebenfalls aufgefordert, Etwas aus seinem Leben zu erzählen. Er schüttelte anfangs mit dem Kopfe und wollte nichts davon wissen, endlich aber begann er doch:
„Es mögen wohl fünfzehn Jahre her sein, als eine Partie von uns, zehn an der Zahl, von Bonn’s Salzquell zu einer Büffeljagd in der Richtung nach Santa-Fè aufbrach. Wir hatten zwei oder drei gute Pferde, die Büffel zu jagen und ein Paar Packmaulesel bei uns. Wir hielten es nicht für nöthig, viel Lebensmittel mitzunehmen, da wir ja darauf rechnen konnten, Wildpret zu finden. Als wir indessen auf die große Straße kamen, hörten wir von den Händlern, daß es in diesem Jahre wenig Büffel gebe, und wir beschlossen daher, uns rechts zu wenden und den Missouri höher hinauf zu gehen. Wir setzten zuletzt bei Council Bluffs hinüber und zogen die Höhenfläche am Ufer entlang.
„Aus irgend einer Ursache war das Wildpret äußerst selten und je weiter wir gingen, desto mehr verlor es sich. Seitdem wir die Pflanzungen hinter uns gelassen hatten, schossen wir nur so viel, als zu unserm Unterhalt diente und wir besaßen kein Pfund im Vorrath. Da das Wetter aber schön war, beschlossen wir weiter vorwärts zu ziehen, bis wir die Büffelgegend erreicht hätten und jede Nacht waren wir daher weiter ab von den Pflanzungen und damit auch ferner von dem Wildpret. Zuletzt wurde es so selten, daß wir eine Nacht insgesammt in’s Lager kamen, ohne etwas geschossen zu haben. Nie werde ich diese Nacht vergessen, als wir uns um das Feuer setzten und Jeder zu berichten hatte, daß er auch keine einzige Kreatur gefunden habe. Wir fingen daher an zu glauben, daß wir in ein Pechland gerathen wären und besser daran thäten, umzukehren.
„Als aber Einer diesen Vorschlag machte, wurde er allgemein verhöhnt und ihm geantwortet, daß wir, da wir einmal so weit gegangen wären, nicht an Zurückgehen denken könnten. Was würden unsere Leute zu Hause wohl sagen, wenn sie hörten, daß wir einen Abend nichts zu essen gehabt hätten. Außerdem war es doch wahrscheinlich, daß wir morgen Wildpret finden würden. Irgendwo mußten doch Büffel in den Prairien sein und wir würden nur um so größeren Appetit darnach haben, wenn wir ein wenig gefastet hätten.
„Diese Gründe behielten das Uebergewicht und am nächsten Morgen brach unser Zug westwärts auf.
„Ich hatte einen prächtigen Hund, Namens Brutus mit mir genommen. Er war, ich sage Euch, das klügste und treueste Thier, das je dagewesen ist. Er war so an mich attachirt, wie nur ein Thier es einem menschlichen Wesen sein kann – und dabei war er muthig, schlau, wachsam und that Alles, was ich ihm hieß. Nie habe ich vorher oder nachher einen Hund so lieb gehabt, als ihn. Er war mein steter Begleiter. Sowie der Tag graute, war er auf, während der ganzen Jagd war er mir zur Seite oder jagte das Wild, das ich geschossen hatte, und Nachts schlief er mir zu Häupten und schützte mich vor Gefahren. Er war ein nobler Hund.
„Die Jagd am nächsten Tage war so unglücklich, wie die am Tage vorher. Es war kein Wildpret zu sehen. Ich hatte allein einen Prairiehund geschossen und brachte ihn mit, weil er doch besser war, als gar nichts. Nie werde ich die gierigen Blicke vergessen, mit denen meine Beute angesehen wurde. Er war nicht größer, als ein Fuchs. In einem Augenblick war er abgeledert, ausgeweidet und in zehn Stücke getheilt. Brutus bekam die Eingeweide und die Knochen. Ich habe hungrige Wölfe Fleisch verschlingen sehn, aber ihre Gier war nichts gegen die meiner hungrigen Gefährten. Ich mochte das Fleisch nicht und legte es daher zu Brutus Theil, aber der Hund nahm es nicht, so hungrig er auch war, er sah mich an und legte sich dann still nieder. Das Fleisch blieb liegen, ich streichelte ihn für sein edles Betragen und als ich wieder hinsah, war das Stück verschwunden.
„Jetzt wurde eifriger über die Rückkehr gesprochen, aber ein Umstand hatte diese erschwert. In unserm Jagdeifer hatten wir nicht an unsere Thiere gedacht und diese waren weit weggelaufen, um zu grasen. Die danach ausgesandt waren, sie zu suchen, hatten sie nicht gefunden, und es wurde daher nothwendig, weiter vorzugehen, um auf der Jagd zugleich unsere Pferde und Esel zu [304] suchen. Ein Pferd war glücklicher Weise da geblieben. Es war zu alt, um fortzulaufen.
„Nachdem der Prairiehund verzehrt war, hörten wir bald darauf ein Schnaufen hinter unserm Lager. Wir sahen das Pferd sich auf die Hinterbeine aufrichten und dann auf die Seite sinken.
Das Beil hatte seine Stirn getroffen. Eine Stunde darauf hatten meine hungrigen Kameraden sich voll gegessen und sanken in tiefen Schlummer. Brutus und ich holten uns auch unsern Theil. Es schien mir die köstlichste Mahlzeit, die ich je genossen hatte. Das erste Stück verschlang ich halb roh, fast ungeröstet. Dann überkam auch mich der Schlaf, der immer nach solchem Exzeß folgt und ich überließ es Brutus, mich zu bewachen. Es gab indessen nichts zu bewachen, und wären in dieser Nacht Indianer gekommen, es wäre uns ganz recht gewesen, denn dann hätten wir ihnen ihre Jagdbeute abnehmen können. Es störte uns jedoch nichts.
„Das Pferdefleisch unterhielt uns beinahe eine Woche lang, ging aber zuletzt auch aus. Wir zogen immer vorwärts, trafen aber kein Wild. An dem Tage, als das Fleisch zu Ende ging, kamen wir mit der gewöhnlichen traurigen Nachricht zusammen, das nichts geschossen war, nicht einmal ein Prairiehund oder eine Schlange. Ich sah Joe Winn, einen meiner Jagdgefährten, einen großen, starken Mann einen begierigen Blick auf Brutus richten, und der Hund kroch augenblicklich an meine Seite und legte sich nieder.
„Am nächsten Abend machte Winn den Vorschlag, daß Brutus geschlachtet werden solle.
„Ich griff nach meiner Büchse und schwor, daß der Erste, der die Hand an den Hund lege, des Todes sein solle. Keiner regte sich, denn sie wußten, wie lieb ich den Hund hatte. Die ganze Zeit über sah der Hund mich starr an, als ob er sein Geschick in meinen Augen lesen wolle. Als er sah, daß ich nach der Büchse griff, schien er meinen Entschluß zu wissen, denn er wedelte mit dem Schwanze und legte sich dann auf seinen gewöhnlichen Ruheplatz.
„Meine Kameraden drangen aber darauf mit so viel Vorstellungen in mich, daß ich endlich einwilligte, daß der Hund getödtet werden solle.
„Als ich Joe Winn das Beil nehmen sah, ging ich aus dem Lager fort, um nicht das Ende meines treuen Freundes zu sehen. Ich wandte mich aber doch um, um ihm noch einen letzten Blick zuzusenden und sah, wie er mich sanft und bittend ansah, als wüßte er, was über ihn gesagt worden, und bäte mich, ihn zu schützen. Er regte sich dabei nicht von seinem Platze, sondern sah mich nur starr an. Ein Wink von mir und er wäre Winn an die Kehle gesprungen, aber er regte sich nicht. Ich wandte mich ab und hörte gleich darauf das Beil auf seinen Kopf niederfahren und diesen zerschmettern. Einen Augenblick darauf fühlte ich etwas an meinem Schenkel und sah den Hund meinen Fuß lecken. Das Blut strömte aus seiner Stirn, aber nach dem tödtlichen Schlag war er noch aufgesprungen und verendete zu den Füßen seines Herrn, um seine letzte Ergebenheit kund zu geben. Ich konnte es nicht mit ansehn. Ich weinte wie ein Kind.“
Hier bedeckte Wade sein Gesicht. Die Thränen traten ihm noch in die Augen und auch ich konnte den riesigen Mann nicht weinen sehen, ohne daß mir die Wangen dabei feucht wurden. Endlich fuhr er fort: „Als ich mich ausgeweint hatte, trat ich auf Joe Winn zu. Joe Winn, sagte ich, es war gut für Euch, daß meine Büchse mir nicht zur Hand war. Ich vergebe Euch, aber vergessen kann ich Euch diese That doch nicht, die mich des edelsten und treuesten Geschöpfes beraubte. Der arme Brutus! Sein letzter Blick hat mir seitdem immer auf der Jagd vorgeschwebt. Ich mußte ihn immer sehen, wie er mich zuletzt anblickte. Ihr kennt die Schrecken noch nicht, welche diese Jagd mit sich brachte, Phil, aber für mich war dieser Augenblick doch der furchtbarste.
„Mir wurde mein Antheil an dem Hunde zuertheilt, ich konnte es aber nicht essen. Ich trug es heimlich aus dem Lager und[WS 1] begrub es im Sande. Meine Thränen flossen darüber hin und ich fühlte mich trostlos verlassen. Meine Gefährten mußten mich dabei wohl belauscht haben, denn als ich am andern Morgen einen Blick auf die Stelle warf, sah ich, daß sie umgewühlt war. Auch dieser Rest des armen Brutus war von den Hungrigen verschlungen worden.
„Im Lauf des Tages verschwand jede Spur von dem Hundefleisch. Als daher am nächsten Abend wieder nichts geschossen war, entstand eine sehr ernste Berathung, was nun zu thun sei. Die Aussicht auf Wildpret war fast ganz verschwunden, die Rückkehr ebenso trostlos als das Weiterziehen. Alles war verzehrt, was das menschliche Leben erhalten konnte, da schlug Einer vor – ich weiß nicht mehr, wer es war, da wir wahrscheinlich Alle umkommen würden, sei es besser für die Uebrigen, daß Einer sich opfere, und daß kann die Rückkehr versucht würde. Der Vorschlag wurde mit nur einem mißfälligen Gemurre angenommen und beschlossen, daß man noch einen Tag die Jagd versuchen, und wenn auch diese ohne Erfolg bleibe, einen aus der Gesellschaft auswählen wolle, der sich entweder selbst tödten oder von Einem getödtet werden solle, den das Loos dazu bestimmte.
„Der nächste Tag verfloß wie gewöhnlich und wir kamen sämmtlich mißgestimmt und hoffnungslos in’s Lager zurück. Einstimmig und ohne ein Wort zu sagen, bildeten wir einen Kreis. Endlich brach einer das Stillschweigen und schlug vor, das das Loos in folgender Weise entscheiden solle: Es sollten zehn Stäbe von ungleicher Länge geschnitten und von Einem, dem die Augen verbunden worden, an die Erde gelegt werden. Jeder solle mit verbundenen Augen ziehen. Der den kürzesten Stock zog, sollte das Opfer, der den längsten zöge, der Vollstrecker sein.
„Dies wurde ausgeführt. Niemand sprach ein Wort dabei.
Man hörte nur den unsichern Schritt und den kurzen Athem jedes Einzelnen, als er mit verbundenen Augen an die Stelle geführt wurde. Endlich erfolgte die Entscheidung. Ich zog den längsten Stab und Joe Winn, der Mörder des Brutus, den kürzesten.
„Ich habe manche Hinrichtungen gesehen, und schon manchen Mann sterben sehen, Phil, aber solch Gemisch von tödtlicher Angst und Verzweiflung sah ich nie, wie dieser Mann sie kund gab, als das Loos ihn als Opfer bezeichnete. Es war der peinlichste Anblick, den ich je in meinem Leben hatte. Wir wandten uns sämmtlich unwillkürlich ab und erwarteten, daß der unglückliche Mann selbst die Weise angeben möge, in der er vom Leben scheiden wolle.
„Er stand von seinem Platze auf und sagte: „„Jungen, mir ist der kürzeste Stab zugefallen und –““ hier stockte seine Stimme vor Bewegung. Als er sah, daß wir unsere Gesichter abwandten, stieg in dem unglücklichen Manne plötzlich ein Hoffnungsstrahl auf. Im nächsten Augenblick faßte er mich beim Arm und wisperte mir zu, aber so, daß es Alle hören konnten, in dem jammervollsten, herzbrechenden Tone: „„O Wade, rette mich? Rette mich, Tom! Ich weiß, Du kannst es, wenn Du willst. Wenn Du es sagst, werden die Andern mich nicht tödten wollen. Ich weiß es, sie werden’s nicht. Sag’ es, lieber Tom, und ich will Alles für Dich thun. O Tom, schieß mich nicht todt! Schieß mich nur jetzt nicht todt. Wir können ja noch einen Tag ohne Nahrung zubringen. Ein Tag wird uns ja nicht so hart ankommen. Ich glaube sicher, wir finden morgen etwas. Du wirst etwas schießen, ich weiß es. Laß mich also nicht jetzt sterben. Ich kann jetzt nicht sterben. O, rette mich, Tom! Morgen will ich sterben, ohne ein Wort zu sagen. Ich habe Deinen Hund todtgeschlagen, Tom, aber die Andern haben mich dazu aufgehetzt. Du kannst sie darnach fragen, wenn Du willst. Wenn er noch am Leben wäre, sollte ihm jemand ein Haar krümmen. Rette mich, Tom, Du kannst, wenn Du nur ein Wort sagst. Willst Du’s thun, lieber Tom?““
„Dabei verschlang der Mann meine Hand mit Küssen. Ich fühle eine tiefe Verachtung gegen Feiglinge. Die Erwähnung des Brutus hatte mich vollends toll gemacht, aber mein besseren Gefühl und der starke Widerwille gegen das Vergießen von Menschenblut bei kaltem Blute gewannen das Uebergewicht, und indem ich mich zu meinen Kameraden umwandte, fragte ich sie, ob sie Winn bis morgen Abend leben lassen und ob wir’s noch einmal einen Tag mit der Jagd versuchen wollten. Das wurde angenommen, jedoch mit der Bedingung, daß, wenn es nöthig wäre, Winn das erste Opfer sein sollte.
Wir schliefen die Nacht so gut es anging und der Anbruch des Tages fand uns sämmtlich zur Jagd bereit. Wir gingen nach verschiedenen Richtungen aus, mit der Verabredung, daß wir uns mit Sonnenuntergang in demselben Lager treffen wollten.
„Mir war der Tag in fruchtlosem Suchen verstrichen, als sich mein Blick auf etwas richtete, was ihn für einen Augenblick ganz starr fesselte. Es war das köstlichste Schauspiel, das ich unter diesen Umständen genießen konnte. Ich sah im Sande die frische Spur eines großen Thieres. Mein Herz schlug hoch, indem ich meine Büchse unter den Arm nahm und mich zur Verfolgung anschickte. [305] Je mehr ich vordrang, desto frischer wurden die Spuren, und ich sah, daß ich dem Thiere nahe war.
„Ein Paar Schritte vorwärts lösten sich meine Zweifel. In einem kleinen Dickicht sah ich, zum ersten Mal in meinem Leben, einen grauen Bären. Wir mußten uns wohl zugleich erblickt haben, denn wir gingen auf einander los. Es war ein mächtig großes Thier, aber beinahe ebenso verhungert wie ich. Ich hob meine Büchse und feuerte, die Aufregung mußte mich aber wohl verhindert haben, gut zu zielen. Nachher fand ich, daß meine Kugel sein Schulterblatt getroffen hatte, damals wußte ich dies indessen nicht. Wir rückten auf einander los, bis wir ganz nahe waren. Ich erinnere mich noch seiner kleinen rothen Augen, die nach mir stierten und wie er mit seinen Klauen nach mir schnappte, die mit blutigem Schaum bedeckt waren. Alle Jäger hatten mir von diesem furchtbaren Thiere erzählt – daß Alles vor ihm fliehe, daß Kugeln keine wahrnehmbare Wirkung auf sein Fell übten, und daß sein Angriff gewissen Tod bringe. An alles dieses dachte ich aber damals nicht, ich war nur von der wahnsinnigen Gier nach Nahrung getrieben. Wenn statt eines Bären zwölfe dagewesen wären, würde ich mich auf den nächsten geworfen haben!
„Wir kamen an einander. Hier an dieser Schulter trage ich noch die Narbe der ersten Begegnung. Ich fühlte nichts davon, obgleich sie eine häßliche Schramme zurückließ. Mein erster Stoß mit meinem Jagdmesser drang, wie ich nachher fand, in seine linke Schulter und schnitt eine tiefe Wunde. Wir rangen mit einander. Ich war entschlossen, er sollte mir nicht entwischen. Lieber hier den Tod finden, als im Lager. Mein Gegner schien von demselben Entschluß beseelt zu sein, und Bisse und Stöße wurden mit furchtbarer Schnelligkeit und in vollem Stillschweigen ausgetheilt. Wir fochten denselben furchtbaren Kampf. Der Hunger hatte uns beide zur Verzweiflung getrieben. O Brutus, wie fehltest du mir da! Hättest du mir nur fünf Minuten beistehen können, wie wäre mancher schwere Biß, manche häßliche Schramme erspart geblieben.
„Endlich warf ein wohlgezielter Stoß oder der starke Blutverlust den Bären nieder. Gleich war ich auf ihm. Die Anstrengungen, die er mit seinen furchtbaren Klauen machte (eine davon habe ich noch zu Hause), nahmen mir fast die Kräfte, aber mein Messer war doch noch wirksamer als sie. Ich weiß nicht, wie lange dieser Kampf dauerte; glücklicher Weise packte er mein Pulverhorn und zerrte es zwischen seine Zähne. Ich hatte die Geistesgegenwart, es noch weiter in seine Kehle mit meiner linken Hand hinabzustoßen, während die rechte mit dem Messer in seiner Seite arbeitete. Bald fand ich, daß Erstickung eintreten müsse, wenn ich diese Operation lange genug fortsetzte. Wie ich meinen Platz auf seinem Leibe behauptete, weiß ich nicht, denn seine Anstrengungen und sein Sträuben waren furchtbar. Ich hielt aber aus, und bemerkte endlich, daß sie nach und nach weniger häufig und stark wurden. Noch ein Paar Augenblicke, und noch ein Paar Stöße beendeten den Kampf und mein Feind lag todt vor mir. Ihr könnt Euch denken, was ich zuerst that. Wäret Ihr an meiner Stelle gewesen, Ihr hättet ebenso gehandelt. Aus seinem noch zuckenden Fleisch schnitt ich Stück auf Stück und verschlang es so roh und blutig es war. Dann dachte ich an meine Gefährten. Einen Theil von dem Bären nahm ich mit mir, verbarg es in der Nähe und wartete dann ruhig auf die Rückkehr der Andern. Endlich kamen sie an, Einer nach dem Andern, Joe Winn zuletzt. Obwohl mir meine Wunden sehr unangenehm waren, so hatte ich doch beschlossen, Winn für seinen Todtschlag meines Hundes zu bestrafen und nahm deshalb eine so ernste Miene an, als es mir unter diesen Umständen nur möglich war. Die Jagd der Andern war wie gewöhnlich erfolglos ausgefallen und Joe’s Gesicht war voll Angst und Schrecken. Sobald der Bericht abgestattet war, wandte ich mich zu Winn.
„Nun, Joe, Ihr habt den Bericht gehört. Seid Ihr zu heute Abend fertig?“
„Ich weiß nicht, ob das Blut an meinen Kleidern mich verrieth, oder ob ihm die zufriedene Miene, die ich doch nicht ganz verbergen konnte, Trost einflößte, er faßte mich scharf in’s Auge, fiel dann plötzlich auf die Knie nieder und rief zwischen Angst und Freude schwebend aus: „O Gott, ich bin gerettet! Ich bin gerettet! Tom hat was geschossen. Seht seine Kleider an, seht das Blut an seinem Haar und um seinen Mund an. O du mein Herrgott, ich bin gerettet.“
„Dabei sprang der Elende wieder in die Höhe und jubelte und tanzte im Kreise umher. Die Andern hatten gar nicht Zeit, das Letzte zu hören, denn er hatte mich dabei zugleich ergriffen und tanzte mit mir wie ein Comanche umher. Ich mußte daher erst ihre Zweifel lösen, indem ich ihnen von meinem Glück erzählte und daß ich ein Stück Fleisch mitgebracht und nahe beim Lager verborgen habe.
„Nun Jungens wißt Ihr woran Ihr seid. Es hätte sich nicht für Euch geschickt, daß Ihr Euch wie Wölfe verschlingt, das würde Euch doch hart angekommen sein. Wenn Ihr mit mir gehen wollt – und hier brachen alle auf – so will ich Euch den Platz zeigen, wo ich’s verborgen habe. Aber geht ordentlich daran und nehmt jetzt nur ein Stück und nachher mehr. Da unter dem Strauche. Nicht so hastig!
„Wenn Ihr jemals eine Flucht wilder Tauben durch die Wälder habt sausen sehn oder wenn Ihr jemals ein Volk Rebhühner gesehen habt, das der Habicht verfolgt, oder wenn Ihr ein Dutzend Pferde, die zum Rennen abliefen, beobachtet habt, so könnt Ihr Euch einen Begriff von dem Rennen machen, das nun folgte. Ich dachte, ich sollte vor Lachen bersten. Und wer meint Ihr wohl, wer zuerst da war? – Joe Winn!
„Die ganze Nacht hindurch erscholl das Lager von Witzen über den armen Joe und ein schallendes Gelächter folgte jedesmal, wenn er ab und zu in kläglichem Tone sagte: „Lieber Tom, ich will für Euch Alles thun, was Ihr nur auf der Welt wünscht. Sagt es, Tom. Warum wollt Ihr’s nicht sagen?“
„Am nächsten Tage brachen wir nach dem Rest des Bären aus, und nachdem wir Alles, aus Furcht, es könne uns fehlen, sorgsam eingepackt hatten, zogen wir heimwärts. Unser Vorrath reichte so lange bis wir Wildpret fanden und endlich kamen wir glücklich in unsern Pflanzungen an.“
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: nnd