Theodor Körner’s Liebesfrühling
[71] Theodor Körner’s Liebesfrühling. (Mit dem Bildniß seiner Braut, Seite 72.) Von allen Sängern und Kämpfern der Befreiungskriege preisen wir heute als den glücklichsten jenen Jüngling, der in der reinsten und höchsten Begeisterung einer Doppelliebe im immergrünen Kranze weniger Jahre lebte und dichtete, kämpfte und starb. Die Liebe zu Vaterland und Freiheit hatte schon dem Studenten zu Freiberg und Leipzig die kräftige und oft stürmische Seele erfüllt. Als er aber 1811, ein junger Mann von zwanzig Jahren, nach Wien kam, um als Hoftheaterdichter sein Talent zu erproben, öffnete sich sein Herz jener anderen Liebe, die dem Leben erst die wahre Weihe verleiht: Antonie Adamberger, eine Zierde des Burgtheaters, ward seine Geliebte und bald seine Braut.
Toni entstammte einer Schauspielerfamilie, ihr Großvater und ihre Mutter hatten sich auf der Bühne ausgezeichnet. Körner’s Mutter sagte von ihr: „Toni war sehr schön, sehr liebenswürdig, und ihr Ruf tadellos.“ Theodor’s persönliche Bekanntschaft mit ihr datirt von der Generalprobe seines Lustspiels „Der grüne Domino“, im Januar 1812. Wie glücklich er sich in seiner Liebe und in seinem Berufe gefühlt, spricht unumwunden eine Stelle des Briefes aus, in welchem er seinem Vater (am 10. März 1813) den Entschluß verkündet, als Freiwilliger mit in den Krieg zu ziehen: „Des Glückes Schoßkind rühmte ich mich bis jetzt; es wird mich jetzt nicht verlassen. – Daß ich mein Leben wage, das gilt nicht viel; daß aber dies Leben mit allen Blüthenkränzen der Liebe, der Freundschaft, der Freude geschmückt ist, und daß ich es doch wage, daß ich die süße [72] Empfindung hinwerfe, die mir in der Ueberzeugung lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst zu bereiten, das ist ein Opfer, dem nur ein solcher Preis entgegengestellt werden darf.“
Der Krieg begann und er erhob Theodor Körner zum hervorragendsten Dichter des Befreiungskrieges. Mag die strenge Kritik an seinen dramatischen Arbeiten mäkeln, mag sie in seinen Lustspielen noch Kotzebue’sche und in seinen Trauerspielen Schiller’sche Nachahmung tadeln – so vergesse man nicht, daß Theodor Körner das zweiundzwanzigste Jahr noch nicht erreicht hatte, als er starb, also in einem Alter, in welchem die Mehrzahl der schaffenden Geister mit ihren ersten Versuchen hervortritt und die Laufbahn erst beginnt, die hier schon vollendet vor uns liegt. Dagegen hat keiner wie er vermocht, „den idealen, freudigen, todverachtenden Geist seiner großen Zeit so schwung- und gluthvoll darzustellen, ihm in seinen Liedern den reinsten, schönsten und bleibendsten Ausdruck zu verleihen.“
Später sind „Theodor Körner’s Werke“ in verschiedenen Ausgaben und vielen Auflagen verbreitet worden. Hat Niemand in der reichen Sammlung von Gedichten Etwas vermißt? Erregte es kein Verwundern, daß dieser allzeit fertige Sänger für sein Liebesglück so selten in die Saiten gegriffen haben sollte?
Diese Frage erhält jetzt erst ihre Beantwortung. Auch Theodor Körner lebte und sang seinen „Liebesfrühling“, er selbst hat eine Sammlung von Gedichten in einer Handschrift, einem Oktavband von 118 Blättern, hinterlassen, das er „Reisebüchlein“ betitelte und welches alle seine Liebesgrüße an Toni von 1812 an enthält. Man hatte aus Rücksicht auf Toni, welche 1817 die Bühne verließ und dem Inspektor des kaiserlichen Museums, Herrn von Arneth, die Hand reichte, die Veröffentlichung dieses poetischen Schatzes unterlassen. Die Handschrift war von Körner’s Mutter dem Wächter der Körner-Gräber zu Wöbbelin, L. Wiechelt, als Andenken anvertraut, durch dessen Sohn, den Gutsbesitzer Julius Wiechelt-Wendischhof, sie endlich der Verborgenheit entzogen worden ist. Vor uns liegt, in geschmackvoller Ausstattung, das Buch. „Aus Theodor Körner’s Nachlaß. Liedes- und Liebesgrüße an Antonie Adamberger. Zum erstenmal vollständig und getreu nach der eigenhändigen Sammlung des Dichters herausgegeben von Friedrich Latendorf. Mit dem Porträt von Antonie Adamberger in Stahlstich. Leipzig, Verlag von Bernhard Schlicke (Balthasar Elischer). 1885.“
Wer einen Blick auf Toni’s Antlitz wirft
und Theodor Körner’s Dichtergeist richtig
schätzt, für den wird jede Empfehlung dieses
„Nachlasses“ unnöthig sein. Fr. Hfm.