Sport und Sportsmen in England
Was ist Sport? – Vor allen Dingen ist der Begriff, den dieses Wort einschließt, aufzusuchen. Denn Sport ist ein durch und durch national englisches Ding, und die einfache Uebersetzung in die Sprache eines anderen Volkes ist geradezu unmöglich, da mit der Sache ein entsprechender Name fehlt. Zudem sind die Engländer selbst nicht einig, welcher Umfang dem Ausdruck zu geben sei, und manchen Dingen, die die Einen darunter rechnen, bestreiten Andere die Ehre dieses Ranges. Das Wörterbuch sagt aus: Sport ist Vergnügen. Dies ist zum Mindesten ungenau. Ein Wörterbuch kann freilich keine Erläuterung, sondern muß eine Uebersetzung geben, und soll diese in einem einzigen Worte geschehen, so kommt Vergnügen vielleicht noch am nächsten.
Von welcher Seite nun aber den Begriff fassen und festhalten? – Das Einfachste scheint, mit einer Aufzählung der hauptsächlichsten Beschäftigungen anzufangen, die zum Sport gerechnet werden. Haben wir durch eine äußere Uebersicht eine ungefähre concrete Vorstellung gewonnen, so werden wir mit Hülfe dieser leichter die allgemeinen Charaktere entdecken. – Obenan unter den verschiedenen Arten des Sport stehen denn die fünf Ballspiel, Pferderennen, Jagd, Fischfang und Wasserfahrten. Diese sind, so zu sagen, die Blume des Sport, und auf sie wird der Name in vorzüglichem Sinne angewandt. Sie aber erschöpfen bei Weitem nicht die reiche Mannigfaltigkeit von Belustigungen, welche in Wahrheit dahin gerechnet werden müssen. Das Reich des Sport ist im Grunde überhaupt kein fest und ein für alle Mal abgeschlossenes. Die verschiedenartigsten menschlichen Thätigkeiten können unter Umständen den Charakter eines Vergnügens dieser Art annehmen. Ganz besonders wird eine Beschäftigung zum Sport, wenn Einzelne darin eine hohe Vollkommenheit erlangen und öffentliche Wettkämpfe, einen sogenannten Match, unter einander zur Belustigung einer größeren Menge veranstalten. So unter Anderm die einfache Fortbewegung des Menschen auf seinen Füßen: Dauerläufe und Wettmärsche sind häufig anzusehen, und gelten als Sport unter der besondern Bezeichnung Pedestrianism. Aehnlich Schwimmen und Rudern und manche andere Thätigkeiten untergeordneter Art.
Unter dieser bunten Vielfältigkeit von Belustigungen, theils Einzelner, teils einer größeren Anzahl, fallen folgende allgemeine und unterscheidende Merkmale des Sport in’s Auge. Alles abstracte Vergnügen, jeder bloße Genuß des Geistes oder der Seele, ist dem Begriffe fremd. Es ist immer eine äußere, eine körperliche Verrichtung, eine natürliche Thätigkeit von Mensch oder Thier, deren eigene Ausübung oder Anschauung das Vergnügen gewährt. Und gerade in diesem realen, physischen Elemente liegt ein großer Theil des Einflusses, den der Sport auf die Ausbildung der Manneseigenthümlichkeit des Engländers hat. Sodann ist es immer eine Thätigkeit, die von irgend einer Seite die Entwickelung einer besonderen Vollkommenheit voraussetzt, sei dies Körperkraft und Ausdauer, oder Gewandtheit und Geschick. Daher die so gewöhnliche Verbindung des Wettstreitens, des Ringens um den Preis der höheren Vollendung, mit fast allen Arten des Sport. –
Von der Bedeutung des Sport in dem Leben und in der Bildung des englischen Volkes kann sich der Ausländer kaum eine vollkommene Vorstellung machen, ohne dieses Treiben aus der Nähe mit angesehen zu haben. Es sind weniger die Gegenstände und Weisen der Belustigung, die das Interesse und die Bewunderung des fremden Beobachters auf sich ziehen, als vielmehr der Geist, mit dem die Nation sie auffaßt und belebt. Ein jedes Volk hat sein Vergnügen; manche der englischen Sports sind uns selbst vertraut und auf deutschem Boden heimisch. Aber es fehlt hier die tiefe und – es ist nicht zu viel gesagt – die wirklich großartige Durchdringung des nationalen Lebens mit jenem Element. Was den Sport so hoch über die Vergnügungsarten anderer Völker stellt und ihn im eigentlichen Sinne des Worts zu einem Culturelement macht, ist namentlich Zweierlei. Das Eine ist die Allgemeinheit, mit der er von dem ganzen Volke in allen seinen Kreisen getheilt wird. Jeder Engländer, ohne Ausnahme, von dem königlichen Prinzen und dem Nobleman durch die zahllosen Abschichtungen der Gesellschaft herunter bis zum gewöhnlichen Droschkenkutscher und Straßenkehrer, ist ein geborener Sportsman, das heißt, ein Mensch, der am Sport Freude und Lust findet und den lebendigsten Antheil nimmt. Dies schließt natürlich nicht aus, daß Einzelne es darin den Andern zuvorthun und sogar nicht selten aus dem Vergnügen einen Beruf machen. Nichts kann einem Fürsten in England eine sicherere Popularität gewinnen, als wenn er ein guter Sportsman ist, der seinen Fuchs hetzt und auf seinen Gaul wettet wie der erste und letzte seiner Unterthanen. Der Umstand aber, daß die Vornehmsten und Besten des Volkes in jenen Belustigungen voran stehen, giebt diesen selbst eine Weihe und einen Adel, und bewahrt sie am sichersten vor gefährlicher Ausartung. Der andere Punkt, den ich vorhin im Sinne hatte, ist die Intensität und die Mächtigkeit des Interesses, welches der Einzelne am Sport [233] nimmt. Man muß die Wichtigkeit, die wirkliche Innigkeit und Andacht angehört haben, mit welcher der englische Sportsman seine Angelkunst und seine Cricketspiele, seine Segelfahrten und sein Waidwerk wie die höchsten Fragen des Staatswohles und des Heiles seiner Seele discutirt, um zu verstehen, daß es sich in der That dabei um mehr als eine gewöhnliche flüchtige Lust, daß es sich um ein bleibendes Stück des Menschen handelt. Und jenes außerordentliche Interesse kann bei einem Volke des Geldes unmöglich in die Brust gebannt bleiben; es muß einen klingenden Ausdruck finden. Nichts als das ist die Wette, welche fast unzertrennlich zu allen Arten des Sport gehört, bei denen ein Preiskampf stattfindet, ganz besonders aber bei den Pferderennen wahrhaft ungeheuerliche und nicht selten an Tollheit grenzende Dimensionen erreicht. Die Wette, soll ich mich so ausdrücken, ist nur die Uebersetzung eines großen Interesses in ein anderes, welches den Gedanken des Engländers nicht minder nahe liegt und seinem Wesen nicht weniger eigenthümlich ist.
Eine vollständige Beschreibung aller einzelnen Arten, eine umfassende Theorie und Anleitung zur Praxis, mit anderen Worten eine Erschöpfung des Gegenstandes würde die Aufgabe eines vielbändigen und eigentlich nie abzuschließenden Werkes sein. Uns aber kommt es nicht auf eine solche Erschöpfung an, nicht auf eine Durchwanderung des ganzen, unabsehbar weiten Gebietes. Wir haben genug, wenn wir uns, so zu sagen, einige der Höhenpunkte aussuchen und von da eine oberflächliche Umschau halten. Als die hervorragendsten Charaktere des Sport, denen wir eine Betrachtung im Einzelnen zuwenden können, wurden schon oben Cricketspiel, Segeln, Jagd und Fischfang und Pferderennen genannt.
Das Cricketspiel ist eine Verbindung verschiedener Hantirungen, welche Körperkraft und Geschicklichkeit in gleichem Maße üben und auf die Probe stellen. Werfen und Fangen, Schlagen und Laufen sind gewissermaßen die Grundelemente, aus denen das Spiel zurecht gemacht ist. Es wird regelmäßig von zwei gegeneinander streitenden Parteien unternommen, welche je elf Mann zu zählen pflegen. Auf einem ebenen Rasengrund sind in einer Entfernung von zwanzig bis dreißig Schritt zweimal drei Stäbe senkrecht in den Boden gesteckt, auf denen ein vierter querüber lose aufliegt. Dies sind die beiden sogenannten Wickets, welche den eigentlichen Gegenstand des Streites bilden. Jede Partei strebt mit dem Ball das Wicket der andern zu treffen, so daß der unbefestigte horizontale Stab herunterfällt. Die Abwehr des Balls geschieht durch einen Schläger oder Preller, mit welchem derselbe abgefangen und zu der Partei, die ihn schickt, zurückgeschlagen wird. Während dieser Zeit, die hingeht, bevor der Ball von der andern Partei wieder gefangen ist, darf der Spieler, welcher ihn zurückgeschlagen hat, zu dem andern Wicket hinüber und zu dem seinigen zurück, überhaupt so vielmals als möglich hin- und herlaufen. Nur muß er es so abmessen, daß er in dem Augenblick, wo der Gegner den Ball wieder in der Hand hat und im Begriffe steht, ihn auf’s Neue nach dem Ziele zu werfen, entweder neben seinem eigenen oder dem fremden Wicket steht, um den Ball in einem Falle abschlagen, im andern die Absendung verhindern zu können. Die Zahl jener Läufe, welche eine Partei vor der andern voraus hat, entscheidet schließlich das Spiel. Die Regeln und Vorschriften im Einzelnen sind ziemlich verwickelt. Alle Umstände und Verhältnisse sind vorgesehen und durch eine Art Gewohnheitsrecht geordnet: so die Entfernungen, die Art und Weise wie geworfen und gefangen werden muß, namentlich auch die Beschaffenheit des Balls und der Schläger. Letztere bestehen in einem flachen Stück Holz, am untern Ende in einen runden, zweihändigen Griff zugeschnitzt. Der Verbrauch an diesen Instrumenten ist ungeheuer, da sie zu Dutzenden durch den Stoß des Balles am Griffe abgebrochen werden. Nur altes, ausgelagertes Weidenholz gilt als dazu verwendbar, und auf den öffentlichen Spielplätzen sieht man die Scheite in hohen Schobern aufgeschichtet. Der Ball ist nicht elastisch. Das Material, aus dem er angefertigt wird, ist Strick und Leder, die, in künstlicher Weise zusammengearbeitet, eine Kugel fast von der Härte eines Steines geben. Der gewöhnliche Preis eines solchen Cricketballs ist nicht weniger als zwei bis drei Thaler. Die Wucht und Stoßkraft, womit derselbe auffliegt, ist eine außerordentliche und kann, wenn er den Körper des Spielers trifft, leicht eine schmerzliche Verwundung verursachen. Die Unterschenkel pflegen daher durch eine Leder- oder Korkschiene geschützt zu werden. Die große Geschicklichkeit besteht darin, den mit dem Preller zurückgeschlagenen Ball auf der Mitte der geöffneten Hand zu fangen und sofort die Finger zu schließen. Mancher Anfänger aber muß, ehe er die gehörige Sicherheit erlangt, sein Lehrgeld in einem zerbrochenen Finger oder unglücklichen Falls gar in einem eingeschlagenen Nasenbein bezahlen.
Cricketspiel ist von allen Sports, welche in eigener Ausübung und nicht im bloßen Zuschauen bestehen, der bei Weitem verbreitetste. Es ist buchstäblich nicht zu viel gesagt, daß es keinem Engländer fremd ist, welcher nicht geradezu den ärmeren Classen angehört. Der Knabe wird in die Kunst eingeweiht, sobald er nur kräftig genug ist, Ball und Schläger zu führen, und die Unterrichtung im Cricket ist, beiläufig gesagt, für einen tüchtigen Meister ein gutbezahlter Beruf. Aber das Spiel gehört durchaus nicht allein, ja nicht einmal vorzugsweise, der Jugend. Der erwachsene Mann und selbst der vornehme Mann bewahrt ihm nicht nur ein lebhaftes Interesse, sondern pflegt es und übt es selber fort, und mancher Graukopf tritt noch in die Schranken. Das Cricket ist aber auch, mit seiner kräftigenden Bewegung im Freien, von allen Sports vielleicht der, welcher den Körper am meisten bildet und stählt; jedenfalls ist es, mit seinem Wetteifern in wirklicher Geschicklichkeit, von allen der edelste. Nirgends fühlt sich der Sohn Albions wohler und heimischer, als auf dem Rasenanger, in dem leichten Beinkleide und der flacheingedrückten farbigen Mütze, der Uniform des Cricketspielers, Ball und Schläger in der Hand. Im ganzen Lande umher, in Stadt und Flecken, bestehen Clubs, welche die Pflege dieses Sport zum Zwecke haben; der erste von allen ist der sogenannte Marylebone-Cricket-Club, dessen Spielregeln fast allgemein angenommen sind. Und mehr: – wo den Angelsachsen sein rastloser Unternehmungsgeist hinführt, wo er auch sei auf dem Erdboden, daß er seinen Fuß hinsetzt und ein Haus baut, überall nimmt er sein Cricket mit. Unter Canada’s rauherem Himmel, unter der heißen Sonne des Ganges, in Nord und Süd, überall findet er einen grünen Plan für seinen Sport, der, wie Erholung uns allen, sein Bedürfniß ist.
Die Freude und das Interesse am Spiele steigern sich zu einem höheren Grade bei einem Cricket-Match, das heißt bei einem Wettstreit, welchen zwei übrigens einander fremde Parteien von Spielern auf eine Herausforderung hin um die Ehre und den Preis des Sieges veranstalten. Namentlich pflegen die verschiedenen Clubs sich in dieser Weise zu messen, und während des ganzen Sommers vergeht fast kein Tag, wo nicht irgendwo auf dem Boden Englands einer oder mehrere solcher Kämpfe ausgefochten werden. Der Spielplatz wird bei solcher Gelegenheit abgeschlossen und von den Zuschauern ein Eintrittsgeld erhoben. Ein unparteiischer Schiedsrichter, welcher immer ein gründlicher Kenner des Spieles sein muß, wird bestellt, um die Einhaltung der Regeln zu überwachen und etwa entstehende Streitigkeiten durch seinen Spruch zu schlichten. Der Preis, um den gestritten wird, besteht in Geld oder in einem andern Werthgegenstand, die von Freunden dieses Sport ausgesetzt oder durch Unterzeichnung aufgebracht werden. Der Ruf eines Clubs steht hier auf dem Spiele, und so wird denn von beiden Seiten das Höchste aufgeboten und mit einem Eifer gestritten, als ob es Ehre und Existenz gälte. Das Ballwerfen und Abschlagen wird da oft professionellen Spielern anvertraut, die darin eine außerordentliche Fertigkeit besitzen und nicht selten zehn Guineen und mehr für einen Nachmittag erhalten. Bringt der erste Tag keine Entscheidung, so wird der Kampf ausgesetzt und am folgenden frisch aufgenommen; bisweilen zieht er sich bis zum dritten und länger hin. Auch Absonderliches fehlt nicht, für welches der liebe Gott in dem Geiste der Engländer einen besonders großen Platz gemacht zu haben scheint. Vor nicht langer Zeit erhielt unter Anderm eine englische Gesellschaft von fernen Landsleuten in Australien eine Herausforderung. Welch gefundenes Essen! Die leidenschaftlichen Sportsmen hatten nichts Eiligeres zu thun, als sich mit dem nächsten Dampfer einzuschiffen und auf dem fernen Continent den Match auszumachen, worauf sie umgehends die Rückfahrt nach der Heimath antraten. Dem Londoner Publicum zeigten im vergangenen Sommer die Blätter einen rätselhaften Match unter der Ueberschrift: „Ein Arm wider ein Bein“ an. Tausende von neugierigen Zuschauern fanden sich auf dem Platze ein und trafen eine Gesellschaft von zweiundzwanzig Invaliden aus dem Greenwich-Hospital. Elf von ihnen hatten wirklich nur einen Arm. die Andern nur ein Bein. Mit den wunderlichsten Bewegungen führten die begeisterten Krüppel das Spiel aus, welches eigentlich [234] den vollen und kräftigen Gebrauch aller Gliedmaßen voraussetzt. –
Durch das Gebot der Verhältnisse auf das Wasser gleichsam angewiesen, sind die Engländer auch in Wahrheit zu dem ersten und unternehmendsten Schiffervolk des Erdballs geworden. Und so haben sie denn auch ihre besondern Wasserbelustigungen. Rudern und Segeln, in Verbindung mit Wettkämpfen, bilden den sogenannten aquatischen Sport.
Die Heimath des Ruderers ist der Fluß. Auf den bewegten lebendigen Wellen der Themse, des Tyne, des Clyde und der andern herrlichen Ströme der drei Königreiche, – da wo die Fluthung des Wassers selbst und der nie ruhende Verkehr von Dampfern und andern Fahrzeugen Schwierigkeit schaffen, – da ist am Ersten ein kräftiger Arm und eine sichere Hand zu erproben und zu zeigen. Das Rudern ist vorzugsweise ein Vergnügen des Knaben und Jünglings. Auf den Schulen der Aristokratie und auf den Universitäten ist es, wo dieser prächtige Sport vor Allem seine begeisterten Verehrer und seine tüchtigen Meister zählt. Der beliebteste Platz für Rowing-Matches oder Boat-Races, das sind die Ruderwettkämpfe, ist das Bett der Themse, von der London Brücke stromaufwärts. Bald sieht man dort Einzelne in langen pfeilgespitzten Flachbooten, bald ganze Gesellschaften in größeren Nachen sich messen. Keines dieser Feste ist aber berühmter, als der große Match, welcher alljährlich an der bezeichneten Stelle zwischen den Universitäten Oxford und Cambridge ausgerudert zu werden pflegt. Die beiden altgelehrten Anstalten senden dazu die besten Leute des Faches, die sie unter ihrer Studentenschaft aufzuweisen haben. Es ist eine große Auszeichnung, ein Vertrauensvotum, unter die Acht gewählt zu werden, mit welchen jede ihr Boot bemannt, und so die Ruderehre der Universität auf seinen Arm gestellt zu erhalten. Die Ufer des Flusses, wo sie zugänglich sind, und die zahlreichen Brücken pflegen an diesem Tage mit einer Menge von Zuschauern beiderlei Geschlechts und der höchsten Classen besetzt zu sein. Denn nicht selten haben Pairs von England einen Sohn unter den einen oder den andern Achten, und manche der zartblonden Töchter Albions schickt klopfenden Herzens ihr blaues Auge den stattlichen Jünglingen nach, die sich ihrerseits an dem Bewußtsein der schönen Gönnerschaft zu doppelter Anstrengung begeistern.
Edler noch als das Ruder ist das Segel, und Yachtfahrten zählen zu den vornehmsten Sports. Es ist eine Liebhaberei des Adels und anderer reicher Leute in England, ein gutbemanntes Segelboot, nicht selten bis zu mehreren hundert Tonnen Gehalt, zu ihrem Privatvergnügen zu besitzen. Große Geldsummen werden oft auf diese ansehnlichen Spielzeuge verwandt: sie werden mit der größten Sorgfalt gezimmert und mit höchstem Geschmack und Comfort ausgestattet. Zahlreiche Clubs pflegen und fördern die Segelbelustigung. In Seehäfen und an den Flußmündungen werden häufige Wettfahrten unternommen, die sogenannten Regattas. Der Eigenthümer einer Yacht, welcher mit um den Preis streitet, pflegt dabei auf seinem Schiff zu sein, um an der Ehre und zuweilen an der Gefahr des Kampfes in unmittelbarster Weise Theil zu nehmen. Für sportlustige Freunde und Angehörige wird ein Dampfer nebenher geschickt, der die Boote in einiger Entfernung begleitet und auf dem sich’s die Gesellschaft unterdessen wohl sein läßt. Am Ufer versammelt sich eine bunte Menge, welche dem Verlauf des Streites mit größter Spannung folgt, die Abgehenden mit Winken und Zuruf entläßt, und den an der Spitze des Geschwaders heimkehrenden Sieger mit tobendem Hurrah empfängt. Gewöhnlich wird derselbe Weg zweimal zurückgelegt, das heißt, die Aufgabe der Fahrzeuge ist, bis auf eine gewisse Entfernung hinauszusegeln, draußen zu wenden und dann nach dem Auslaufungsplatz zurückzusteuern. In diesem Sport sind neuerdings auch internationale Wettkämpfe zu verschiedenen Malen unternommen worden. Franzosen haben sich mit den Engländern gemessen, aber in der Regel den Kürzeren gezogen, während die kühnen Yankees manchen wohlgewonnenen Preis dem ärgerlichen John Bull hinweggetragen haben. –
Der Fischfang mit dem Netz ist Handwerk, aber kein Sport. Dieser Name kommt vielmehr nur zwei andern Fangweisen zu. Die eine von ihnen ist das Spießen, wobei die Fische in der Nacht durch Fackelschein angelockt werden und für die unzeitige Neugier mit dem kalten Tode zu büßen haben, der sie von der kräftig gezielten Stoßlanze des lauernden Feindes trifft. Doch ist diese Art wenig in Gebrauch; am häufigsten wird der Aal so gefangen. Der eigentlich verbreitete und wahre Sport ist das Angeln, – bei uns kaum bekannt, in England zu einer förmlichen und schwierigen Kunst ausgebildet, deren Uebung nicht Wenige über alle andere Erdenlust setzen. Angeln heißt nicht, sich in wartender Geduld an’s Wasser setzen und den Haken hinein hängen lassen. Will der Sportsman auf Erfolg rechnen, so muß er eine Menge von Kenntnissen und Hantirungen los haben, die nur durch lange Beobachtung und Uebung erlangt werden können. Von den dritthalbhundert Gattungen verschiedener Fische, welche die Flüsse und Seen und Küstengewässer Englands behausen, will fast jeder auf seine eigene Weise gefangen sein, und dem passionirten Angler ist es nicht nur darum zu thun, überhaupt etwas an den Haken zu kriegen, sondern gerade seinen bestimmten Fisch nach Hause zu bringen. Vor allen Dingen geht durch diesen ganzen Sport die Grundclassification von Süß- und Salzwasser-Angeln. Nicht allein, daß in dem verschieden beschaffenen Element anders gebildete Thiere mit andern Gewohnheiten leben, sondern der ganze Apparat und Aufzug ist natürlich ein verschiedener, je nachdem der Angler auf starkem Boot in das schaukelnde Seegewoge hinaussegelt, oder seine Leine in dem stillruhigen Spiegel des Binnensees oder dem sanftgleitenden Fluß auswirft. Ein ganz verschiedenes Fischen ist es mit der Ruthe oder mit der bloßen Leine, mit dem natürlichen Wurm oder dem künstlichen Köder. Und so giebt es tausend Einzelheiten und Unterschiede, welche Angelkunst und Angellust für den Geübten in der That zu einem der abwechselndsten und anziehendsten Zeitvertreibe machen.
Der Fisch aber, welcher von allen so zu sagen als der vornehmste und dessen Fang als der oberste Sport dieser Gattung angesehen wird, ist der Salm, der „König des Baches“, wie ihn pomphaft seine Verehrer nennen. Dieses stattliche Thier erreicht ein Gewicht von 15 bis 20 Pfund, und nicht selten weit mehr, und ist frischgesotten das schmackhafteste Gericht, welches der Engländer einem Gaste vorzusetzen hat. Die Flüsse von Westengland und Wales, vor Allem die schottischen Bergwasser, sind außerordentlich reich an diesem köstlichen Bewohner. Der jährliche Fang in dem Fluß Tay wird allein auf 70,000 angeschlagen, und ganze Schiffsladungen voll, in Eis gepackt, gehen aus den Häfen Schottlands nach der hungrigen Hauptstadt. Gesetze binden die Verfolgung des Salms an gewisse Schranken, um eine Verminderung des dem englischen Gaumen wie dem Angler fast unentbehrlichen Thieres zu verhindern, welche bei der stets wachsenden Nachfrage und dem nie erschlaffenden Sportsinn sonst schnell eintreten müßte. Die eigentliche Zeit, in der dem Salm nachgestellt wird, ist Spätfrühling und Frühsommer. Vom Mai zum August, gleichzeitig mit der Londoner Saison, wüthet der Krieg gegen den friedlichen Fisch. Wenn das Parlament vor der heißen Augustsonne hinwegschmilzt und London nach dem Land auswandert, kommt auch er aus der Saison und erhält seinen Waffenstillstand bis zum kommenden Frühjahr.
Der Sportsman, welcher dem Salm nachgeht, macht sich in der ersten Frühe eines warmen Junimorgens hinaus an den Fluß. Am liebsten hat er die Zeit nach einem lauen Regen, welcher die Fische nach der Oberfläche des Wassers zu ziehen pflegt. Er wählt sich in der Regel am Ufer einen guten Stand, oder rudert auch wohl auf einem Kahn eine kurze Strecke in’s Wasser hinein. Das Geräthe besteht in der gewöhnlichen langen Angelruthe und einer Leine, welche mehrere hundert Ellen mißt, aber zum guten Theil auf eine Rolle gewunden ist. Der Köder ist die sogenannte Fliege, das ist eine aus Zwirn, Draht und andern Ingredienzen nachgebildete Libelle, deren gebogener Leib von festem Eisen selbst den tückischen Haken bildet. Die Fliege ist am Ende der Leine befestigt. Etwa zwei Ellen über ihr ist ein Stück Kork angebracht, das Float genannt, welches auf dem Wasser schwimmt und den schweren Köder nicht tiefer hineinsinken läßt. Der Angler wirft die Leine aus und hält sein Auge unverwandt, oft stundenlang, auf den Kork gerichtet, bis endlich mit einem Nu der ersehnte Moment erscheint und das Float unter Wasser geht. Jetzt beginnt der eigentliche Sport und die wahre Kunst. Das Untersinken des Float ist das untrügliche Zeichen, daß ein Biß geschehen ist, das heißt, daß ein Fisch den Köder geschluckt hat und mit dem Haken im Halse die Leine sammt dem Korke fortzieht. Die nächste Bewegung des Anglers ist ein kurzer Ruck mit der Ruthe: er dient dazu, das Eisen dem Thiere fester in’s Fleisch zu bohren. Dann aber wird die Leine fahren gelassen, und der Fisch wickelt sie im Fortschießen ab. Ist sie zu Ende, so wird sie und an ihr das [235] Opfer herangewunden, aber nur um sogleich auf’s Neue losgelassen zu werden. So tobt sich das arme gefangene Geschöpf in seinem eigenen Elemente aus. Endlich schleudert ein kräftiger Zug des Sportsman den Fisch auf’s Ufer. Er versichert sich seiner durch Hand oder Fuß, und reißt den blutenden Haken mit Gewalt aus Maul und Eingeweide.
Dies ist der glückliche Ausgang. Zuweilen aber hält ein starker Fisch den Angler stundenlang in Schweiß und Arbeit, schießt im Wasser auf und ab und reißt schließlich die Leine entzwei. Das muß dann so gut hingenommen werden, als sich der Aerger über einen mißlungenen Fang verwinden läßt. Wenig hilft dem Sportsman das Bewußtsein, daß sich das verwundete Thier an dem unerbittlichen Haken in seinem Leibe zu Tode rasen muß. Er muß mit leerem Sack und vergebens lecker gemachter Zunge nach Hause ziehen und für diesmal den Sport verwünschen. Denn das Angelvergnügen erreicht seinen Gipfel und Abschluß eigentlich erst, wenn der herrliche Fisch auf silberner Schüssel dampft und der Lust des Fanges die gastronomische Krone aufgesetzt wird. Geduld macht hungrig, und je länger ein armes schuldloses Thier den Feind warten ließ, um so wackerer wird ihm dieser außer dem Eisen auch den Zahn fühlen lassen.
Daß die Lust des Wettstreitens auch zu weit getrieben werden kann, zeigt uns das Beispiel von Angling-Matches, welche von Zeit zu Zeit um goldene Becher, silberne Theekessel und Anderes veranstaltet werden. Hier fehlt in der That das Element für ein gegenseitiges Messen, da das Gewicht des Fisches den Ausschlag giebt. Es erfordert wohl Geschicklichkeit, überhaupt einen Fisch zu fangen; daß aber gerade ein Zwanzigpfünder an meinem und nur ein Fünfzehner an Deinem Strick anbeißt, das ist doch wahrlich nichts, was vernünftiger Weise mir zum Verdienst angerechnet werden kann.