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Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 5. Februar 1870

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Titel: Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
Untertitel: vom 5. Februar 1870.
aus: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. S. 187–190
Herausgeber: Wilhelm David Koner
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Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Dietrich Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Scans auf Commons Google
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[187]
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 5. Februar 1870.


Der Vorsitzende, Herr Bastian, eröffnet die Sitzung mit der Anzeige, daß Se. Majestät der König Herrn Kiepert zu seiner Reise nach Kleinasien 2000 Thlr. bewilligt und daß das Comité der Ritterstiftung aus eigenen Mitteln noch 400 Thlr. hinzugefügt habe, um auch seinerseits eine Reise zu fördern, der eine so eminente Persönlichkeit in der geographischen Welt ihre Kraft zuwenden wird. Nach neueren von Dr. Nachtigal eingelaufenen Nachrichten stellen sich die Aussichten für den Reisenden besser, so daß es vielleicht gelingen wird, eine Karawane nach Bornu zusammen zu bringen.

Hierauf hielt Herr Müller einen Vortrag über Christenthum und Vaudou-Dienst auf Hayti. Er bestätigte, daß auch nach der Unabhängigkeits-Erklärung [188] die Bevölkerung der katholischen Kirche treu geblieben sei, und daß die Priester, trotz sehr leichtfertiger Moral, die Dogmen und Aeußerlichkeiten der Kirche mit Strenge aufrecht erhielten. Daneben besteht aber im Geheimen der aus Afrika stammende Vaudou-Dienst. Gott Vaudou hat auf Erden seinen Repräsentanten in der Schlange, und demzufolge werden alle Schlangen heilig gehalten. Der Dienst des Vaudou, zu welchem aber nur Schwarze zugelassen werden, besteht in Gelagen, unzüchtigen Tänzen und Thier- oder Menschenopfern. Soulouqe duldete den Vaudou-Dienst; Präsident Jeffrard arbeitete demselben entgegen, indem er Kirche und Schule zu heben suchte; dies hatte jedoch nur geringen Erfolg. Eben damals (im Jahre 1864) wurde in der Nähe von Port-au-Prince ein junges Mädchen geopfert und verzehrt. Die Theilnehmer, acht Personen, wurden allerdings von einer Jury zum Tode verurtheilt und erschossen und ihre Häuser verbrannt, aber die durch alle Schichten der Gesellschaft verbreiteten Anhänger des Vaudou-Dienstes veranlaßten zahlreiche Brände, und das Volk spaltete sich in Parteien. Schließlich dankte Jeffrard ab (1867) und man erwählte zum Präsidenten auf vier Jahre Salnave, der aber binnen zwei Jahren über 6000 Personen erschießen ließ. Jetzt hörte alle Ordnung auf, aller Reichthum ist zerstört, Vaudou-Dienst und Barbarei haben die Oberhand. In der Annexion an Nordamerika und einer damit verbundenen Einwanderung einer schwarzen Bevölkerung aus diesem Lande sieht der Vortragende das einzige Rettungsmittel.

Herr Jagor theilte mit, daß die spanische Regierung, die bisher in den Philippinen befolgte Handelspolitik verlassen habe, der es hauptsächlich zuzuschreiben war, daß diese von der Natur so bevorzugten Inseln durchaus nicht den ihnen gebührenden Rang im Welthandel einnahmen. Am 5. April 1869 ist ein Dekret erschienen, welches die den Verkehr mit dem Auslande hemmenden Schranken beseitigt. Diese Maßregel erscheint um so wichtiger, wenn man sie mit der fast gleichzeitig erfolgten Vollendung der Pacific-Bahn in Zusammenhang bringt. Zwischen Spanien und den Philippinen findet fast kein Handel statt, auch für die atlantischen Häfen sind die meisten anderen tropischen Productionsländer besser gelegen; das eigentliche Handelsgebiet der Philippinen ist die amerikanische Westküste. Californien, vor einigen Jahrzehnten eine Einöde, hat seine natürlichen Hülfsquellen so schnell entwickelt, daß es in den ersten 6 Monaten von 1868, bei einer Volkszahl von kaum ½ Million, für 20 Mill. Dollar Korn, für 11 Mill. Doll. andere Erzeugnisse, ungerechnet die edlen Metalle, ausführen konnte. Die Eisenbahn, die es mit den atlantischen Staaten verbindet, seine Hinterländer öffnet, einen beträchtlichen Theil des Chinahandels in diese Bahn lenkt, muß Californien auch einen Strom von Einwanderern aus dem Osten zuführen; über das Stille Meer dringen die Chinesen in Schaaren ein. In noch schnellerem Maße als die Volksmenge pflegen in diesen günstigen Gebieten die Production und der Wohlstand zu wachsen. Für den regen Verkehr, der sich dort zu entfalten beginnt, ist San-Francisco der Mittelpunkt. Diese Verhältnisse müssen auch auf die Philippinen ihre Rückwirkung äußern; denn mit Ausnahme der Sandwichs-Inseln ist keine andere tropische Colonie für das westliche Amerika günstiger gelegen, in Hinsicht der Beschaffenheit der Erzeugnisse kann ihnen keine andere Colonie den Rang streitig [189] machen. Eine bedeutende Entwickelung des bisher so sehr vernachlässigten Ackerbaues ist in den Philippinen jetzt um so sicherer zu erwarten, als seit etwa einem Jahre auch den Ausländern das Niederlassungsrecht gewährt ist und dadurch ein bedeutender Zufluß fremden Capitals in Aussicht steht.

Herr Kiepert legt zuerst vor: Uebersicht der Höhen-Verhältnisse der Hellenischen Länder in Europa, von Kiepert, 1869, 1 Bl.; ferner 2 Blätter seiner großen Karte der Türkei, woran er einige erläuternde Bemerkungen knüpfte. Hierauf machte derselbe eine Mittheilung über die im vorigen Jahre nach Central-Asien unternommene Expedition des Engländers G. W. Hayward. Die Reise wurde zu Anfang Octobers v. J. von Kaschmir aus angetreten und in einem Monat Jarkand erreicht. Hier fand der Reisende eine dichte Bevölkerung und eine sehr freundliche Aufnahme. Stadt und Gebiet sind mit Kaschgar vereinigt, dessen König, jetzt Mohammed Jakub, aus Khokand stammt und ein sehr bedeutender Fürst ist. Kaschgar, bis wohin der Reisende, 10 Jahre nach Schlagintweit, aber glücklicher als dieser, vordrang, ist die Residenz. Der Reisende hat von seinen astronomischen und geodätischen Instrumenten Anwendung machen können und auf der 400 englische Meilen betragenden Strecke zwischen dem Himalaja und dem Mustagh mehr als 20 Ketten auf 18 bis 20,000 Fuß hohen Pässen überstiegen. Auf der Rückreise gelang es demselben niedrigere Pässe aufzufinden. Die Längen dieser Gegenden sind bis jetzt um 2° unrichtig, die Breiten dagegen im Ganzen richtig. Der Vortragende gedenkt in 14 Tagen nach Syrien und Palästina abzureisen, vornehmlich das Ost-Jordanland zu erforschen und auf dem Rückwege vorzugsweise Karien zu besuchen.

Herr Zenker sprach noch einmal über die Eisenbahnen des Mont-Cenis, dessen Tunnel im Frühjahre 1871 fertig werden soll, und des St. Gotthardt. Der Letztere vermittelt die directe Verbindung zwischen Italien und Deutschland, während der Mont-Cenis, über welchen das Post-Felleisen von Indien nach England geht, auf den Handel zwischen Italien und Frankreich angewiesen ist. Die drei neuen Bahnlinien, welche man jetzt in Aussicht genommen hat, sind die über den St. Gotthardt, über den Lukmanier (auf Chur) und über dem Splügen. Bei jeder dieser Bahnen hat man ein oberes und ein unteres Project in’s Auge gefaßt, das untere stets mit längerem Tunnel, das obere dagegen alle Zeit mit viel größeren Kosten für den Waaren-Transport, so daß der Unterschied des Preises auf den zwei verschiedenen Wegen 2–4 Francs pro Ton betragen würde. Im Ganzen würden aber die Transportkosten bei Benutzung des St. Gotthardt viel geringer sein als bei dem Lukmanier oder Splügen. Kommt eine dieser Straßen zu Stande, so kann Genua ein Importhafen für Deutschland werden.

An Geschenken gingen ein:

1) Sexe, Le glacier de Boium en juillet 1868. Christiania 1869. – 2) Norsk Meteorologisk Aarbog for 1868. Udgifet af det Norske Meteorologiske Institut. 2den Aargang. Christiania 1869. – 3) Norges officielle Statistik. A. No. 1. Beretning om Skolevaesenets Tilstand. 1864–66. A. No. 2. Fattig-Statistik for 1866. B. No. 1. Criminalstastiske Tabeller for 1865. B. No. 2. Tabeller vedkommende Skiftevaesenet i Norge i 1866. 1867. C. No. 1. Resultaterne af Folketaelingen i Norge i Januar 1866. Tabeller vedkommende Folkemaengdens Bevaegelsi [190] i a. 1856–65. C. No. 2. Beretning om Rigets oeconomiske Tilstand. 1861–65. Heft 1. C. No. 3. Tabeller vedkommende Norges Handel og Skibsfart i 1867. C. No. 4. Beretning om Sundhedstilstanden og Medicinalforholdene i Norge i 1866. C. No. 5. Tabeller over de Spedalske i Norge i 1868. C. No. 8. De offentlige Jernbaner. 1867. 68. D. No. 1. Oversigt over Kongeriget Norges Indtaegter og Udgifter i 1867. F. No. 1. Den Norges Statstelegrafs Statistik for a. 1868. Christiania 1869. – 4) Daa, Oplysninger om en ny vej fra Bode til Piteå samt Skellefteå. Kristiania 1868. – 5) Budget for Marine-Afdelingen under Marine- og Post-Departementet fra 1. April 1869. Christiania 1869. – 6) Tableau de population, de culture, de commerce et de navigation pour l’année 1867. Paris 1869. – 7) Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Bd. IV. Heft 6. Bd. V. Heft 1. Berlin 1869. 70. – 8) Achter Jahresbericht des Vereins von Freunden der Erdkunde zu Leipzig. 1868. Leipzig 1869. – 9) Mittheilungen der geographischen Gesellschaft in Wien. 1870. No. 3. Wien. – 10) Bulletin de la Société de Géographie. 1869. Décembre. Paris. – 11) Petermann’s Mittheilungen. 1870. No. 1. Gotha. – 12) Revue maritime et coloniale. 1870. Janvier. Paris. – 13) Gaea. Natur und Leben. V. Heft 10. Köln 1869. – 14) Jahrbücher der K. K. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus von Jelinek und Fritsch. N. F. IV. Jahrg. 1867. Wien 1869. – 15) Bijdragen tot de taal-, land en volkenkunde van Nederlandsch Indië. 3. Volg. D. IV. St. 2. 3. ’s Gravenhage 1870. – 16) Statistisk Arbog for Kongeriget Norge. 1867. Heft 1–3. Kristiania 1867–69. – 17) Mémoires de la Société des sciences physiques et naturelles de Bordeaux. T. V. VII. Bordeaux 1867. 69. – 18) Revue des cours scientifiques. 1870. No. 7–9. Paris. – 19) Jahrbuch der K. K. geologischen Reichsanstalt. 1869. XIX. No. 4. Wien. – 20) Strobel, Paraderos preistorici in Patagonia. (Atti della Soc. ital. di scienze naturali X.) – 21) Strobel, Tracce dell’ uomo della età pietra tagliata ne Trentino. Verona 1867. – 22) Strobel, Oggetti dell’ età della pietra levigata rinvenuti nella provincia di San Luis nella republica argentina. Parma 1867. – 23) Strobel, Materiali di paleontogia comparata. Parma 1868. – 24) de Mortillet, Les Terramares du Reggianais. Paris 1865. – 25) Pigorini und Strobel, Die Terrama-Lager der Emilia. Deutscher Auszug mit Zusätzen von Prof. Strobel. Zürich 1863.