Polynesian Reminiscences or Life in the South Pacific Islands
Das vorliegende Werk berechtigt schon durch den Namen seines Verfassers zu Erwartungen; denn der Name Pritchard ist mit einigen der bedeutendsten Ereignisse, welche die polynesischen Völker im Laufe dieses Jahrhunderts betroffen haben, auf das engste verbunden. Der Pritchard, welcher als Missionar der Londoner Missionsgesellschaft, als englischer Consul und als Gewissensrath und politischer Leiter der Königin Aimata einen so entschiedenen Einfluß auf die Vorfälle ausgeübt hat, durch welche Tahiti factisch unter französische Herrschaft gebracht worden ist, war der Vater des Verfassers; dieser selbst ist der Pritchard, von dem als englischem Consul der freilich fehlgeschlagene Versuch ausging, den Archipel Viti zu einer englischen Colonie zu machen. Wenn daher das Werk vorzugsweise den Zweck hat, die politische Thätigkeit sowohl des Verfassers als seines Vaters zu rechtfertigen, so wird man das begreiflich finden; zum Glück enthält es jedoch noch mehr.
Der Verfasser hat einen sehr großen Theil seines Lebens auf den polynesischen Inseln zugebracht. Er ist in Tahiti geboren und hat seine ersten Jugendjahre bis zum zehnten dort verlebt. Bei seines Vaters gewaltsamer Entfernung aus Tahiti durch die französischen Behörden befand er sich in England; dies verließ er 1848 und begab sich nach Samoa, wohin sein Vater von der englischen Regierung als Consul gesandt war, und als dieser 8 Jahre später sein Amt als Consul niederlegte, wurde der Sohn sein Nachfolger, erhielt jedoch 1858 den Befehl, seinen amtlichen Wohnsitz nach Viti zu verlegen. Aus diesem Archipel ist er endlich in Folge seiner Absetzung 1863 nach England zurückgekehrt. [185] Er ist ohne Zweifel ein gebildeter Mann und ein scharfer Beobachter, dabei vorurtheilsfreier als sein Vater in Betreff der Missionare und ihrer Thätigkeit; er ist mit den Landessprachen bekannt und hat sich durch seinen langen Aufenthalt auf diesen Inseln eine genaue Kenntniß von den Ansichten und der Lebensweise der Eingeborenen erworben. Das Werk, das er geschrieben, nimmt daher immer einen bedeutenden Rang unter den Quellen ein, aus denen wir unsere Kunde von den polynesischen Völkern schöpfen müssen, wenn ich es auch nicht, wie Seemann in der Vorrede, an Wichtigkeit denen von Ellis und Mariner an die Seite stellen möchte; wenn es nicht das leistet, was es unter anderen Verhältnissen hätte leisten können, so liegt das eben daran, daß bei der Abfassung augenscheinlich der Hauptzweck des Verfassers gewesen ist, seine politische Thätigkeit im richtigen Lichte darzustellen und zu rechtfertigen.
Auf eine Vorrede des bekannten Naturforschers Berth. Seemann, der darin entschieden Partei für den Verfasser nimmt, wie das schon in seinem schönen Werke: Mission to the Fiji Islands der Fall ist, folgen 18 Kapitel ohne weitere Abtheilung, die jedoch in drei bestimmt geschiedene Gruppen von verschiedener Wichtigkeit zerfallen. Die beiden ersten behandeln Tahiti und schildern die Besitznahme dieser Insel durch die Franzosen. Es ist dies eigentlich die erste englische Darstellung dieses Ereignisses, das bisher nur nach französischen Quellen beurtheilt werden konnte, und es macht einen guten Eindruck für beide Parteien, daß ihre Angaben selbst in Kleinigkeiten so genau übereinstimmen; man kann es danach nicht bezweifeln, daß es einzig die Schlauheit und der Bekehrungseifer der katholischen Priester und der Ehrgeiz und die Eifersucht der französischen Seeoffiziere gewesen ist, die durch geschickte Benutzung eines durch die Befangenheit und Intoleranz der protestantischen Missionare gebotenen Anlasses die Vernichtung der politischen Selbstständigkeit Tahiti’s und seine Verbindung mit Frankreich herbeigeführt hat, ein Wechsel, der bis jetzt wenigstens weder Tahiti noch Frankreich irgend einen Vortheil gebracht, in seinen Wirkungen auf die Eingeborenen aber den Geistlichen beider Religionsparteien eine Lehre gegeben hat, die sie wohl berücksichtigen sollten.
Die folgenden sieben Kapitel handeln von den Samoanern, und ich stehe nicht an, sie für den wichtigsten und interessantesten Theil des ganzen Werkes zu erklären. Eine systematisch geordnete Darstellung liebt der Verfasser augenscheinlich nicht; daher behandelt er zuerst im dritten Kapitel die Art der Kriegsführung, wozu ihm der Krieg die Veranlassung gab, der gerade bei seiner Ankunft 1848 auf der Insel Upolu unter den Eingeborenen ausgebrochen war, im folgenden die Berührungen zwischen den Samoanern und den Europäern. Das fünfte Kapitel enthält in einer etwas seltsamen Verbindung Bemerkungen über die Religion und Kochkunst der Einwohner, das sechste über ihre Sitten und Gebräuche (Kleidung, Hochzeiten, Begräbnisse u. s. w.), das siebente über ihre Spiele, welchem Abschnitte auch Nachrichten über die interessanten Vögel der Samoagruppe beigefügt sind; im achten schildert er die Arten des Fischfanges, während das neunte von den weißen Vagabonden handelt, die sich auf diesen Inseln wie überall im ganzen Ocean umhergetrieben haben und zum Theil noch umhertreiben. Diese Abschnitte enthalten eine Menge schätzenswerther und wichtiger Beobachtungen, welche unsere Kenntnisse von den Samoanern nicht unbedeutend [186] erweitern, die bisher einzig auf den der Natur der Sache noch nicht erschöpfenden Berichten der Wilkes’schen Expedition und Erskines und den Mittheilungen des nicht unbefangenen Missionar Turner beruhten; es findet sich darin auch manches Neue wie über die Religion, die Ehe und die Begräbnißfeierlichkeiten dieses Volksstammes, die auf Berichte der Eingeborenen gestützte Nachricht von dem Vorkommen eines der für die südlichen Theile der Erdoberfläche so charakteristischen Laufvögel (wie Pritchard meint, vielleicht eines Apteryx) in Rarotonga u. s. w.
Die letzten neun Kapitel behandeln Viti und sind, wie es schon die Ueberschrift des zehnten: Cession of Fiji zeigt, wieder überwiegend politischer Art; weil diese Cession, welche das englische Ministerium, auf den Bericht einer dorthin gesandten Commission und, wie es scheint, hauptsächlich auf die Bemerkungen des Führers derselben, des Obristen Smythe, gestützt, später zurückwies, einzig Pritchard’s Werk gewesen ist, so sind sie recht eigentlich eine Oratio pro domo, und es muß zugestanden werden, daß er sich darin bei der sichtlich etwas rücksichtslosen Art seiner Enthebung vom Consulat mäßiger und ruhiger ausspricht, als es wohl erklärlich wäre. Er erzählt zuerst (im zehnten Kapitel) die Veranlassung, welche den Fürsten Thakombau von Mbau bewog, auf seinen Rath der englischen Regierung die Souveränität über den ganzen Archipel anzubieten, – bekanntlich die Maßregel eines amerikanischen Schiffskapitäns, die zu den unverantwortlichen Gewaltthätigkeiten gehört, welche sich selbst gebildete Europäer nicht selten gegen die schwachen Häuptlinge dieser Völker zu Schulden kommen lassen, und die dereinst zur gerechten Strafe in ihrer ferneren Entwickelung das für die Amerikaner sehr unangenehme Resultat haben wird, den Archipel trotz der einstweiligen Ablehnung von Thakombau’s Anträgen doch unter die englische Herrschaft zu bringen, – dann die Reise, welche er darauf zur Förderung seiner Pläne nach England unternahm, und auf der er Erfahrungen machte, die ihn hätten vorhersehen lassen können, daß er seinen Vorsatz schwerlich zur Ausführung bringen werde. Dabei berührt er seine Verhältnisse zu den Wesleyanischen Missionaren nur nebenbei und läßt es mehr ahnen, daß auch ihr Einfluß in England nicht ohne Folgen für das Mißlingen seiner Pläne gewesen ist; wenn er das als die Folge ihrer Besorgniß vor dem Eindringen der bischöflichen Kirche, welche die unausbleibliche Folge der Besitznahme gewesen wäre, darstellt, so dürfte das ein Irrthum sein, vielmehr möchte die kluge Parteilosigkeit, welche Pritchard in den Händeln zwischen den Wesleyanern und Katholiken sich zur Richtschnur gesetzt hatte, und die ihm als Begünstigung der Katholiken ausgelegt ist, an der üblen Stimmung der Missionare gegen ihn größere Schuld gehabt haben. Bei seiner Rückkehr aus England brachte er dann 1859 eine Versammlung der bedeutendsten Häuptlinge des Volkes zu Stande, welche die einseitig von Thakombau beantragte Cession anerkannte und zugleich bis zur Entscheidung der Regierung ihm eine Art Oberherrschaft zugestand, hauptsächlich zur Schlichtung der Händel, die zwischen den Eingeborenen und den fremden Kaufleuten so häufig ausbrachen, und die Eigenmächtigkeit der Maßregel, die er damit entschuldigt, daß sie auf einer Aufforderung der Häuptlinge von ihm ergriffen ist, scheint hauptsächlich die Bedenken in England gegen ihn erregt zu haben, die zu seiner Absetzung führten, ob sich gleich nicht läugnen lassen wird, [187] daß diese Zeit der Oberhoheit des englischen Consuls für das Gedeihen des Landes und die Entwickelung der europäischen Colonien sehr günstig gewesen ist. Die folgenden Kapitel enthalten nun eine ausführliche Darstellung seiner Lage und seiner Thätigkeit während dieser Zeit bis zu seiner Abberufung 1862; sie geben ein scharfes und ausführliches Bild von dem Zustande Viti’s in diesen Jahren, namentlich sind sie lehrreich zur Beurtheilung der Versuche, welche der tonganische Häuptling Tubou, der sich mit Stolz König Georg nennen läßt, machte, um seinen Einfluß und seine Herrschaft auch über Viti auszudehnen. Aber ohne Zweifel ist die Schilderung der Folgen (im sechszehnten Kapitel), welche seine plötzliche Entsetzung durch Aufhebung der obrigkeitlichen Autorität, die er ausgeübt, auf die Einwohner des Archipels gehabt hat, zu stark aufgetragen.
Das siebzehnte Kapitel hat die Ueberschrift: Fijian Mythology, Cannibalism and Polygamy. Es giebt einzelne Mittheilungen über das interessante Volk, welches die Inseln von Viti bewohnt, sie sind jedoch im Ganzen nur dürftig und die Bemerkungen über die Religion der Vitier an Werth nicht mit den Berichten der Missionare zu vergleichen; das Interessanteste darin sind noch die Mittheilungen eines heidnischen Vitiers über seine Ansichten von dem Uebergange der gestorbenen Häuptlinge in die Unterwelt (Mbulotu). Das achtzehnte Kapitel endlich, Polynesian Anthropology, handelt von ganz anderen Dingen; es enthält eine Vergleichung der drei Volksstämme von Viti, Tonga und Samoa, die dem Verfasser vorzugsweise bekannt geworden sind, und er hebt darin besonders die vielfachen einzelnen Punkte hervor, in denen sie trotz der physischen Verschiedenheit der ersten von den beiden anderen übereinstimmen, ohne daß er die Consequenzen darausgezogen hätte, die sich daraus ziehen lassen.
Außerdem hat der Verfasser seinem Buche noch zwei Anhänge beigefügt, von denen der erste über die physischen und psychologischen Beziehungen der Bewohner der erwähnten drei Inselgruppen, der zweite über ihre Haar- und Schädelbildung handelt; diese Bemerkungen sind jedoch von geringer Bedeutung.