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Siebente Reihe von Experimental-Untersuchungen über Elektricität

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Textdaten
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Autor: Michael Faraday
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Titel: Siebente Reihe von Experimental-Untersuchungen über Elektricität
Untertitel:
aus: Annalen der Physik und Chemie, Band 109
Herausgeber: Johann Christian Poggendorff
Auflage:
Entstehungsdatum: 1833
Erscheinungsdatum: 1834
Verlag: Johann Ambrosius Barth
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Johann Christian Poggendorff
Originaltitel: Experimental Researches in Electricity. – Seventh Series.
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Philosophical transactions of the royal society of london. For the year 1834.
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
s. auch Experimental-Untersuchungen über Elektricität
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[301]
XXX. Siebente Reihe von Experimental-Untersuchungen über Elektricität; von Hrn. Michael Faraday.

(Uebersandt vom Hrn. Verfasser in einem besonderen Abzug aus den Philosoph. Transact. f. 1834. – Die sechste Reihe und der Nachweis zu den früheren finden sich S. 149 dieses Bandes. P.)


Vorwort.

661) Die Theorie, welche ich für den wahren Ausdruck der Thatsachen elektro-chemischer Zersetzung halte, und welche ich deshalb in einer früheren Reihe dieser Untersuchungen entwickelt habe[1], steht in solchem Widerspruch mit den seither aufgestellten Theorien, daß ich die größte Schwierigkeit finde, Resultate meiner Einsicht nach richtig anzugeben, so lange ich mich auf den Gebrauch der Kunstausdrücke beschränke, die mit einer gewissen hergebrachten Bedeutung üblich sind. Von dieser Art ist der Name Pol, mit den Beiworten positiv und negativ, und den damit verknüpften Ideen von Anziehung und Abstoßung. Gewöhnlich heißt es: der positive Pol ziehe den Sauerstoff, die Säuren u. s. w. an, oder vorsichtiger: er bestimme deren Entwicklung auf seiner Oberfläche, und der negative Pol wirke in gleicher Weise auf Wasserstoff, brennbare Körper, Metalle und Basen. Meiner Ansicht gemäß liegt aber die bestimmende Kraft nicht an den Polen, sondern in dem zersetzt werdenden Körper; und Sauerstoff und Säuren werden zum negativen Ende eines solchen Körpers gemacht, während Wasserstoff, Metalle u. s. w. am positiven Ende desselben entwickelt werden (518. 524).

662) Um Verwirrung und Umschreibung zu vermeiden, und um größere Genauigkeit in den Ausdruck zu [302] bringen als sonst möglich wäre, habe ich die Sache mit zwei Freunden reiflich überlegt, und mit deren Beistand gewisse andere Namen gebildet, die ich zum künftigen Gebrauche vorschlage, und nun definiren will. Die Pole, wie sie gewöhnlich genannt werden, sind bloß die Thore oder Wege, durch welche die Elektricität zum zersetzt werdenden Körper hinein- und heraustritt (556), sind also, wenn sie mit jenem Körper in Berührung stehen, die Gränzen seiner Erstreckung in Richtung des Stroms. Im Allgemeinen wird der Ausdruck von Metallflächen gebraucht, die mit der zersetzt werdenden Substanz in Berührung stehen; ob aber die Physiker ihn eben so allgemein von den Luft- und Wasserflächen (465. 471. 493) gebrauchen würden, gegen welche ich elektro-chemische Zersetzungen bewirkt habe, ist zweifelhaft. Statt des Namens Pol schlage ich den: Elektrode (ἠλεκτρον und ὁδος, der Weg) vor, und verstehe darunter diejenige Substanz oder vielmehr Fläche, sey sie von Luft, Wasser, Metall oder sonst einem Körper, welche in Richtung des elektrischen Stroms an den zersetzt werdenden Körpers gränzt.

663) Die Oberflächen, an welchen, nach der gewöhnlichen Terminologie, der elektrische Strom zu dem zersetzt werdenden Körper hinein- oder hinaustritt, sind die wichtigsten Orte der Action, und verdienen eigends unterschieden zu werden sowohl von den Polen, mit denen sie häufig, als von den Elektroden, mit denen sie immer in Berührung stehen. Nach einer Richtung suchend, auf welche ich als eine normale die elektrische Richtung beziehen könnte, ausdrucksvoll hinsichtlich ihrer beiden Verschiedenheiten und frei von aller Theorie, glaubte ich eine solche in der Erde zu finden. Wenn der Magnetismus der Erde von elektrischen Strömen herrührt, welche dieselbe umkreisen, so müssen sie eine beständige Richtung haben, welche, nach unserer gegenwärtigen Sprechweise, von Osten nach Westen, oder besser, [303] da es dem Gedächtniß mehr zu Hülfe kommt, mit dem scheinbaren Laufe der Sonne gehen würde. Nehmen wir für irgend einen Fall von elektrochemischer Zusammensetzung an, der zersetzt werdende Körper sey so gestellt, daß der durch ihn gehende elektrische Strom parallel und in gleicher Richtung gehe mit dem in der Erde vorhanden seyn sollenden, so werden die Oberflächen, durch welche die Elektricität zur Substanz ein- und austritt, eine unveränderliche Beziehung haben und beständig dieselben Kraftverhältnisse zeigen. Hienach schlagen wir vor; die östliche Fläche Anode (ἀνα, aufwärts, ὁδοσ Weg; der Weg vom Sonnenaufgang), und die westliche Kathode (κατα, niederwärts, und ὁδοσ; der Weg zum Sonnenuntergang) zu nennen. Welche Veränderungen auch in unseren Ansichten über die Natur der Elektricität und elektrischen Action eintreten mögen, so müssen sie doch die angeführte natürliche Richtschnur in gleicher Richtung und zu gleichem Betrage afficiren bei jeder zersetzt werdenden Substanz, auf welche man für die Zukunft diese Ausdrücke anwenden mag, und es scheint daher kein Grund zu der Vermuthung da zu seyn, daß sie werden zur Verwirrung führen oder irgend wie falsche Ansichten zu unterstützen streben. Die Anode ist daher die Oberfläche, durch welche, unserer gegenwärtigen Terminologie gemäß, der elektrische Strom eintritt; sie ist das negative Ende des zersetzt werdenden Körpers, das, wo Sauerstoff, Chlor, Säuren u. s. w. entwickelt werden; und steht der positiven Electrode gegenüber. Die Kathode ist die Fläche, durch welche der Strom den zersetzt werdenden Körper verläßt, ist dessen positives Ende; an ihr werden brennbare Körper, Metalle, Alkalien und Basen entwickelt, und sie steht mit der negativen Elektrode in Berührung.

664) Ich werde auch in diesen Untersuchungen Gelegenheit haben, Körper nach gewissen, aus ihren elektrischen Actionen hergeleiteten Beziehungen zusammenzustellen [304] (822), und da ich wünsche diese Beziehungen auszudrücken, ohne zugleich irgend eine hypothetische Ansicht einzuschließen, so werde ich folgende Namen und Kunstausdrücke gebrauchen. Manche Körper werden direct durch den elektrischen Strom zerlegt und ihre Elemente in Freiheit gesetzt, diese schlage ich vor Elektrolyte (von (ἠλεκτρον und λυω, ich löse) zu nennen. Wasser ist also ein Elektrolyt. Körper, welche, wie Salpeter- und Schwefelsäure, in secundärer Weise zersetzt werden (752, 757) sind nicht unter diesem Namen verstanden. Dann werde ich für den Ausdruck: elektrochemisch zersetzt, oft den auf gleiche Weise hergeleiteten: elektrolysirt gebrauchen, damit bezeichnend, daß der in Rede stehende Körper unter dem Einflusse der Elektricität in seine Bestandtheile zerlegt werde. Das Wort ist im Sinn und Klang analog dem: Analysiren, dessen Herleitung auch ähnlich ist. Der Ausdruck: elektrolytisch ist ohne Weiteres verständlich. Salzsäure ist elektrolytisch, Borsäure nicht.

665) Endlich habe ich einen Namen nöthig, um diejenigen Körper zu bezeichnen, welche zu den Elektroden, oder, wie man sie gewöhnlich nennt, den Polen zu gehen vermögen. Häufig werden Substanzen elektro-negativ oder elektro-positiv genannt, je nachdem sie, unter dem vermeintlichen Einfluß einer directen Anziehung, zum positiven oder negativen Pole gehen. Allein diese Ausdrücke sind zu unbezeichnend für den Gebrauch, welchen ich von ihnen machen müßte; denn wiewohl die Ansichten vielleicht richtig sind, sind sie doch nur hypothetisch und vielleicht auch falsch; und dann fügen sie, vermöge eines zwar sehr unmerklichen, aber, weil er unausgesetzt wirkt, doch sehr gefährlichen Einflusses, der Wissenschaft einen großen Nachtheil zu, indem sie Diejenigen, welche mit den Fortschritten derselben beschäftigt sind, auf die gewohnten Ansichten einengen und beschränken. Zur Unterscheidung dieser Körper schlage [305] ich vor, diejenigen, welche zu der Anode des zersetzt werdenden Körpers gehen, Anionen (ἀνιον, das Hinaufgehende), und die, welche zu der Kathode gehen, Kationen (von κατιον, das Herabgehende) zu nennen, und wenn ich Gelegenheit habe gemeinschaftlich von beiden zu sprechen, werde ich sie Ionen nennen. So ist Chlorblei ein Elektrolyt, und, wenn es elektrolysirt wird, entwickelt es zwei Ionen, Chlor und Blei; das erste ist ein Anion, und das letztere ein Kation.

666) Diese Ausdrücke einmal wohl definirt, hoffe ich, durch ihren Gebrauch in den Stand gesetzt zu seyn, viele Umschreibungen und Zweideutigkeiten im Ausdruck zu vermeiden. Ich bin nicht Willens, sie häufiger zu gebrauchen, als erforderlich seyn wird, denn ich bin vollkommen überzeugt, daß Namen und Wissenschaft zweierlei sind[2].

667) Es ist wohl zu merken, daß ich hier keine Meinung über die Natur des elektrischen Stromes ausspreche, außer der bei einer früheren Gelegenheit geäußerten (283. 517); und daß, wiewohl ich von dem Strome rede, als ginge er von den positiven Theilen zu den negativen (663), dieß doch nur zum Anschluß an die conventionelle, obgleich in gewissem Grade stillschweigende Uebereinkunft der Physiker geschieht, damit sie ein beständiges, sicheres und bestimmtes Mittel zur Bezeichnung der Richtung der Kräfte dieses Stromes haben.

[306]
§. 11. Von der elektro-chemischen Zersetzung
(Fortsetzung – Siehe Annalen, Bd. XXXII S. 401).


D. Ueber einige allgemeine Bedingungen zur elektro-chemischen Zersetzung.

669[3]). Von der Entdeckung der ersten elektro-chemischen Zersetzung an bis heute hat man bemerkt, daß diejenigen Elemente, welche in dem gewöhnlichen Spiele der chemischen Verwandtschaft einander am directesten entgegengesetzt sind, und sich daher mit der größten Anziehungskraft verbinden, auch am leichtesten an den entgegengesetzten Enden der in Zersetzung begriffenen Körper ausgeschieden werden (549).

670) War dieß Resultat schon deutlich, da das Wasser als wesentlich für dergleichen Zersetzungen gehalten wurde, und fast in jedem solchen Falle gegenwärtig war (472), so ist es jetzt noch weit deutlicher, nachdem gezeigt und bewiesen worden ist, daß das Wasser nicht nothwendig zu diesen Erscheinungen erfordert wird, (474), es vielmehr in den vermeintlich ihm eigenthümlichen Wirkungen von anderen Körpern weit übertroffen wird.

671) Das Wasser hat, vermöge seiner Beschaffenheit, der Natur seiner Bestandtheile und seiner häufigen Gegenwart bei elektrolytischen Actionen, bisher vorzüglich in diesem Rufe gestanden. Wiewohl es eine durch sehr kräftige Verwandtschaft gebildete Verbindung ist, giebt es doch seine Bestandtheile unter der Einwirkung eines sehr schwachen elektrischen Stromes aus, und es ist selbst zweifelhaft, ob in seiner Gegenwart eine Elektrolysirung stattfinden könne, bei der es nicht in seine Grundbestandtheile zerlegt wird.

672) Die verschiedenen Oxyde, Chloride, Jodide und Salze (402), welche, wie ich gezeigt, im flüssigen Zustande durch den elektrischen Strom nach demselben [307] allgemeinen Gesetze wie das Wasser zersetzt werden, erläutern in eben so auffallender Weise, wie thätig bei solchen Zersetzungen Elemente sind, die in ihren chemischen Beziehungen einander direct und kräftig gegenüberstehen.

673) Andererseits geben Körper, welche durch schwache Verwandtschaften zusammengehalten werden, sehr selten ihre Elemente aus. Man nehme z. B. die Gläser; viele derselben, die aus Kieselerde, Kalk, Alkali und Bleioxyd gebildet sind, lassen sich kaum für mehr als bloße Lösungen der Substanzen in einander ansehen[4]. Dennoch scheint Bouteillenglas, wenn es geschmolzen in die voltasche Säule gebracht wird, gar nicht zersetzt zu werden (408). Flintglas dagegen, welches directer entgegengesetzte Substanzen enthält, erleidet bei dieser Einwirkung schon einige Zersetzung; und wenn Bleiborat-Glas, welches eine bestimmte chemische Verbindung ist, zu dem Versuche genommen wird, giebt es leicht seine Bestandtheile aus (408).

674) Doch das Resultat, welches aus den erwähnten Fällen so auffallend hervorgeht, wird durch andere Fälle, wo man ein ähnliches erwarten könnte, nicht so unterstützt. Man könnte sagen, meine Theorie der elektro-chemischen Zersetzung ließe erwarten, daß alle zusammengesetzten Körper in dem Grade leichter durch den elektrischen Strom zerlegt werden würden, als ihre näheren oder entfernteren Bestandtheile durch eine stärkere Verwandtschaft verbunden wären. Ich bin nicht gewiß, ob dieß eine strenge Folgerung sey aus der Theorie; wenn aber der Einwurf durch Thatsachen dargeboten seyn sollte, so zweifle ich nicht, daß er durch eine innigere Bekanntschaft mit, und richtigere Vorstellung von der chemischen Verwandtschaft und der Wirkungsweise eines elektrischen Stroms auf dieselbe entfernt werden würde (518. 524); ohne diese Kenntniß trifft der Einwurf oben [308] so direct jede andere Theorie der elektro-chemischen Zersetzung als die meinige; denn wenn, wie es gemeiniglich der Fall ist, angenommen wird, daß die Körper sich desto kräftiger verbinden, je directer sie in ihren Anziehungskräften einander entgegengesetzt sind, so läßt sich der Einwurf mit gleichem Gewicht einer jeden bisher aufgestellten Theorie der Elektrolysirung machen, und als Stütze derjenigen, welche ich bereits gegen dieselben erhoben habe, ansehen.

675) Unter den kräftigen Verbindungen, welche nicht zersetzt werden, stellt die Borsäure oben an (408). Ferner werden Schwefeljodid und die Chloride von Schwefel, Phosphor und Kohle unter den gewöhnlichen Umständen nicht zersetzt, wiewohl ihre Elemente von der Art sind, daß sich das Gegentheil erwarten ließe. Antimonchlorid (402. 690), die Kohlenwasserstoffe, Essigsäure, Ammoniak und viele andere durch die voltasche Säule nicht zersetzbare Körper scheinen durch eine hinlänglich starke Verwandtschaft gebildet zu seyn, und demnach einen solchen Gegensatz in der Natur ihrer Elemente anzudeuten, daß man zu der Erwartung berechtigt wäre, die Säule würde diese trennen, besonders da in gewissen Fällen einer bloßen Lösung (530. 544), wo die Verwandtschaft verhältnißmäßig sehr schwach seyn muß, eine Trennung stattfindet[5].

676) Es muß jedoch nicht vergessen werden, daß diese Schwierigkeit größtentheils und vielleicht ganz abhängt von der Abwesenheit des Leitvermögens, welche den Durchgang des Stroms, und dadurch auch die Wirkungen desselben verhindert. Alle bekannten Verbindungen, welche starr Nichtleiter, flüssig aber Leiter sind, werden zersetzt, mit vielleicht alleiniger Ausnahme des [309] Quecksilberjodids (679. 691); und selbst das Wasser, welches seine Elemente beim Durchgang des Stroms so leicht ausgiebt, erleidet, wenn es völlig rein ist, kaum eine Veränderung, weil es dann ein sehr schlechter Leiter ist.

677) Sollte es späterhin bewiesen werden, daß das Ausbleiben der Zersetzung in den Fällen, wo sie aus chemischen Betrachtungen stark zu erwarten wäre (669. 674. 672), von der Abwesenheit oder dem Mangel an Leitvermögen herrühre, so würde auch zugleich bewiesen seyn, daß Zersetzung von Leitung abhange und nicht die letztere von der ersteren (413). Beim Wasser scheint dieß sehr nahe entschieden zu seyn. Andererseits ist der Schluß fast unabweisbar, daß bei den Elektrolyten das Durchlassungsvermögen für Elektricität von deren Zersetzbarkeit abhängt, indem sie nur so lange zersetzt werden als sie im Besitz dieses Vermögens sind, und zwar im Verhältniß zur Menge der getrennten Elemente (821). Ich mag mich jedoch für jetzt nicht dabei aufhalten diesen Punkt experimentell zu discutiren.

678) Wenn eine Verbindung Elemente enthält, welche bekanntermaßen zu den entgegengesetzten Enden der voltaschen Säule gehen, so scheinen doch die Verhältnisse, in welchen sie vorhanden sind, innig verknüpft mit der Zersetzbarkeit oder Unzersetzbarkeit ihrer Verbindung. So ist Zinnchlorür sehr leitend und zersetzbar (402), während Zinnchlorid weder leitet noch zersetzt wird (406). Quecksilberjodid, geschmolzen, wird nicht zersetzt (691), wiewohl es doch leitet; ich vermochte nicht es mit dem Jodür zu vergleichen, da das letztere in der Hitze in Quecksilber und Jodid zerfällt.

679) Diese wichtigen Verschiedenheiten veranlaßten mich, gewisse binäre Verbindungen zu prüfen, um zu ermitteln, ob ein die Zersetzbarkeit gemäß irgend einer Beziehung zu den Aequivalenten der Elemente regulirendes Gesetz zu entdecken sey. Unter den eben erwähnten [310] Verbindungen waren nur die niederen Stufen zersetzbar, und wenn man die Substanzen, welche zur Erläuterung der Strenge und Allgemeinheit des von mir entdeckten Gesetzes (402) der Leitung und Zersetzung angeführt wurden, nachsieht, so findet man, daß alle demselben unterworfenen Oxyde, Chloride und Jodide, mit Ausnahme des Antimonchlorids und Quecksilberjodids (wozu jetzt vielleicht noch das Quecksilberchlorid hinzugefügt werden kann), auch zersetzbar sind, während viele andere höhere Verbindungen derselben Elemente nicht dem Gesetz unterliegen und auch nicht zersetzt werden (405. 406).

680) Die strengsten Ausnahmen von diesem allgemeinen Resultat machen, wie es scheint, Körper, wie Schwefel-, Phosphor-, Salpeter-, Arsen- und manche andere Säure.

681) Beim Experimentiren mit Schwefelsäure fand ich keinen Grund zu glauben, daß sie an sich die Elektricität leite oder von ihr zersetzt werde, wiewohl ich früher dieser Meinung gewesen war (552). Sehr concentrirt ist sie ein viel schlechterer Leiter als verdünnt[6]. Wird sie dann der Wirkung einer kräftigen Batterie unterworfen, so erscheint Sauerstoff an der Anode oder positiven Elektrode, wiewohl viel davon absorbirt wird, Wasserstoff und Schwefel erscheinen an der Kathode oder negativen Elektrode. Nun war bei mir das Wasserstoffgas immer rein, nicht geschwefelt, und gegen den Schwefel in unzureichender Menge, so daß offenbar bei der Zersetzung Wasser mit zerlegt worden seyn mußte. Ich bemühte mich, den Versuch mit wasserfreier Schwefelsäure anzustellen. Diese schien mir im Zustand der Schmelzung kein Leiter zu seyn, auch nicht zersetzt zu werden; doch hatte ich von der trocknen Säure nicht genug zur Hand, um diesen Punkt genügend zu entscheiden. Ich glaube indeß, daß wenn durch Wirkung der Säule auf Schwefelsäure Schwefel erscheint, dieß in Folge [311] einer secundären Action geschieht, und daß die Säure selbst nicht elektrolysirbar ist (757).

682) Phosphorsäure, glaube ich, ist in demselben Fall; wegen der Schwierigkeit, mit schmelzender wasserfreier Phosphorsäure zu operiren, habe ich jedoch die Entscheidung dieses Punkts unmöglich gefunden. Phosphorsäure, die einmal Wasser enthält, kann durch Hitze allein nicht von demselben befreit werden. Und wenn man sie erhitzt, verfliegt die wasserhaltige Säure. Als Phosphorsäure, auf dem ringförmigen Ende eines Drahts (401) geschmolzen, der Einwirkung des voltaschen Apparats ausgesetzt wurde, leitete sie und zersetzte sich; allein immer ward an der negativen Elektrode ein Gas, ich glaube Wasserstoffgas, entwickelt, und der Draht wurde nicht so angegriffen, als es bei Abscheidung von Phosphor der Fall gewesen seyn würde. Auch wurde Gas an der positiven Elektrode entwickelt. Aus allen diesen Thatsachen schließe ich, daß Wasser, und nicht die Säure zersetzt ward.

683) Arsensäure. Sie leitete und zersetzte sich; allein sie enthielt Wasser, und ich war zur Zeit nicht im Stande auszumitteln, ob sich schmelzende wasserfreie Arsensäure darstellen lasse. Sie bildet also für jetzt keine Ausnahme von dem allgemeinen Fall.

684) Salpetrige Säure, dargestellt durch Destillation von salpetersaurem Blei und in Berührung mit starker Schwefelsäure gehalten, fand sich leitend und langsam zersetzbar. Eine nähere Untersuchung ließ jedoch stark glauben, daß Wasser zugegen war, und daß von diesem die Zersetzung und Leitung abhing. Ich bemühte mich eine vollkommen wasserfreie Portion zu bereiten, konnte aber nicht die erforderliche Zeit darauf verwenden, um ein unzweifelhaftes Resultat zu erhalten.

685) Salpetersäure wird, glaube ich, nicht direct durch den elektrischen Strom zersetzt. Da mir Thatsachen fehlen, um den Unterschied zwischen primärer und secundärer [312] Zersetzung zu erläutern, so will ich hier bloß auf sie verweisen (752).

686) Daß diese Mineralsäuren mit Leichtigkeit die Leitung und Zersetzung beim Wasser herbeiführen, ist kein Beweis, daß sie an sich selbst im Stande sind diese Wirkungen zu begünstigen oder zu erleiden. Borsäure thut dasselbe, ohne zersetzbar zu seyn. Hr. De La Rive giebt an, daß auch Chlor dieß Vermögen besitze, wiewohl es, als eine elementare Substanz, dasselbe nicht seiner Zersetzbarkeit verdanken kann.

687) Schwefelchlorid leitet nicht, und wird auch nicht zersetzt. Es besteht aus gleichen Atomen seiner Elemente, macht aber deswegen keine Ausnahme von der Regel (679), welche nicht behauptet, daß alle Verbindungen aus gleich viel Atomen der Elemente zersetzbar seyen, sondern daß die zersetzbaren eine solche Zusammensetzung haben.

688) Phosphorchlorür ist weder leitend noch zersetzbar.

689) Kohlenchlorür nicht leitend und nicht zersetzbar. Ich unterwarf auch den Chlorkohlenwasserstoff aus ölbildendem Gase und Chlor der Wirkung des elektrischen Stroms, fand ihn aber ebenfalls weder leitend, noch zersetzbar.

690) Was die Ausnahmen (679) betrifft, so verschwinden einige von ihnen bei näherer Untersuchung. Frisch bereitetes Antimonchlorür (eine Verbindung von 1 At. Antimon und At. Chlor) wurde in eine Röhre (Taf. III Fig. 13) (789) gebracht, und, als es geschmolzen war, der Wirkung des Stroms ausgesetzt, wobei die positive Elektrode aus Graphit bestand. Anfangs ging keine Elektricität durch und keine Zersetzung war sichtbar; als aber die positive und negative Elektrode in dem Chlorür näher aneinander gebracht wurden, trat eine schwache Wirkung ein und es ging ein schwacher Strom hindurch. Der Effect war aber im Ganzen so gering [313] (wiewohl völlig auf das zuvor gegebene Gesetz zurückführbar) und der in allen übrigen Fällen eintretenden Zersetzung und Leitung so unähnlich, daß ich sie der Gegenwart einer kleinen Menge von Wasser (zu welchem dieses und viele andere Chlorüre eine starke Anziehung haben, so daß wasserhaltige Chlorüre entstehen) oder vielleicht von dem wahren Chlorür, bestehend aus 1 At. von jedem seiner Elemente, zuschreibe (695. 796).

691) Quecksilberjodid auf gleiche Weise untersucht, isolirte deutlich, so lange es starr war, leitete aber im flüssigen Zustand, übereinstimmend mit dem Gesetz der Liquido-Conduction (402); allein es kam keine Zersetzung zum Vorschein. Es erschien kein Jod an der Anode, und kein Quecksilber oder keine andere Substanz an der Kathode. Der Fall bildet also keine Ausnahme von der Regel, daß bloß Verbindungen aus gleich viel Atomen zersetzbar sind; allein es bildet eine, und, wie ich glaube, die einzige Ausnahme von dem Satz, daß alle dem Gesetz der Liquido-Conduction unterworfenen Körper zersetzbar sind. Ich bin jedoch zu glauben geneigt, daß in dem Quecksilberjodid eine Portion Quecksilberjodür gelöst geblieben war, und daß die schwache Leitung von der langsamen Zersetzung des letzteren herrührte. Jodid würde dann als secundäres Resultat an der Anode gebildet werden, und eben so würde das Quecksilber an der Kathode als secundäres Resultat Jodür erzeugen. Diese beiden Körper würden sich aber mit der flüssigen Masse vermischen, und so würde, ungeachtet der fortwährenden Zersetzung, keine wirkliche Trennung erfolgen.

692) Als Quecksilberchlorid dem voltaschen Strom ausgesetzt ward, leitete es im starren Zustande nicht, wohl aber im flüssigen. Ich glaube auch, daß es im letzteren Fall zersetzt wurde; allein es sind hier viele störende Umstände vorhanden, ohne deren nähere Untersuchung sich kein zuverlässiger Schluß ziehen läßt.

693) Gewöhnliches Antimonoxyd im flüssigen Zustande [314] dem voltaschen Strom ausgesetzt, wird auch zersetzt, allein aus fremden Ursachen hört die Zersetzung bald auf (402. 802). Dieß Oxyd besteht aus 1 At. Antimon und At. Sauerstoff, und bildet daher eine Ausnahme von dem angenommenen Gesetz. Beim Arbeiten mit diesem Oxyd und dem Chlorür beobachtete ich jedoch Thatsachen, welche mich vermuthen ließen, daß die Verbindungen, welche gewöhnlich Oxyd und Chlorür (Protochlorid) genannt werden, andere Verbindungen, bestehend aus einem und einem Atome, enthalten, welche die wahren Proto-Verbindungen sind, und, für den Fall des Oxyds, die oben beschriebene Zersetzung veranlaßten.

694) Das gewöhnliche Schwefelantimon wird als die Verbindung mit der kleinsten Schwefelmenge und als proportional in seiner Zusammensetzung mit dem gewöhnlichen Oxyd angesehen. Allein ich finde, daß bei dem Zusammenschmelzen desselben mit metallischem Antimon ein neues Sulfuret gebildet wird, welches mehr Metall als das erstere enthält, und sich, wenn es geschmolzen ist, deutlich unterscheidet, sowohl von dem reinen Metall, als andererseits von dem gewöhnlichen grauen Sulphuret. Nach einigen rohen Versuchen betrug das von dem grauen Schwefelantimon aufgenommene Metall halb so viel, als das vorher schon darin befindliche, in welchem Fall das neue Sulfuret aus 1 At. Schwefel und 1 At. Antimon bestehen würde.

695) Als dieß neue Sulfuret in Salzsäure gelöst ward, schien es mir, ungeachtet sich ein wenig Antimon abschied, daß das wahre Protochlorid, bestehend aus gleich viel Atomen der Bestandtheile, gebildet wurde, und daß daraus wieder durch Alkalien u. s. w. das wahre Protoxyd, bestehend aus gleich viel Atomen, erhalten werden konnte. Ich konnte mich indeß nicht dabei aufhalten, diesen Gegenstand direct durch eine Analyse zu ermitteln.

696) Ich glaube jedoch, daß es ein solches Oxyd [315] giebt, daß es oft und in veränderlicher Menge in dem gewöhnlichen Protoxyd vorhanden ist, daß daraus die Unsicherheit in dem Resultate seiner Analyse und die oben beschriebene elektrolytische Zersetzung entsprungen ist.

697) Aus Allem scheint es mir wahrscheinlich, daß alle die binären Verbindungen elementarer Körper, welche flüssig, aber nicht starr, dem Gesetze der Liquido-Conduction gemäß (394) elektrolysirbar sind, aus gleich viel Atomen ihrer Elemente bestehen; und vielleicht ist es Folge ihrer Abweichung von dieser Einfachheit der Zusammensetzung, daß Borsäure, Ammoniak, Chloride, Jodide und viele andere directe Verbindungen von Elementen unzersetzbar sind.

698) Bei den Salzen und Verbindungen von zusammengesetzten Körpern scheint diese einfache Beziehung nicht mehr gültig zu seyn. Ich konnte dieß nicht durch doppelt-schwefelsaure Salze entscheiden, denn so lange das zweite Atom Säure da war, wurde auch Wasser damit zurückgehalten[7]. Das schmelzende Salz zeigte daher Leitung und Zersetzung; allein es erschien auch immer Wasserstoff an der negativen Elektrode.

699)[WS 1] Durch Erhitzen und endliches Schmelzen vom phosphorsauren Natron-Ammoniak wurde doppelt-phosphorsaures Natron bereitet. Dieß leitete und wurde zersetzt; allein es erschien ein wenig Gas an der negativen Elektrode, und wiewohl ich glaube, daß das Salz elektrolysirt ward, konnte ich mich doch nicht ganz überzeugen, daß das Wasser vollständig entfernt worden war.

700) Es wurde nun doppelt-borsaures Natron bereitet, was, wie ich glaube, einen einwurfsfreien Fall darbietet. Als es geschmolzen war, leitete es und zersetzte sich; an beiden Elektroden erschien Gas; und selbst [316] als die Borsäure bis zu drei Atomen vermehrt wurde, fand dieselbe Wirkung statt.

701) Diese Klasse binärer Verbindungen scheint demnach nicht demselben einfachen Gesetze unterworfen zu seyn, wie die vorhergehende Klasse. Ob wir Gründe finden werden, sie als bloße Lösungen von Verbindungen aus gleich viel Atomen in dem Ueberschuß der Säure zu betrachten, ist eine Frage, welche, nebst einigen scheinbaren Ausnahmen unter den Sulfureten, künftigen Untersuchungen zur Entscheidung überlassen bleiben muß.

702) Bei jeglicher Untersuchung dieser Art muß man mit großer Vorsicht das Wasser ausschließen; denn, wenn es zugegen ist, werden häufig secundäre Effecte bewirkt, die oft eine elektro-chemische Zersetzung der Substanz anzudeuten scheinen, wenn wirklich keine ächte eingetreten ist (742 etc.).

703) Es ist klar, daß alle die Fälle, wo keine Zersetzung eintritt, vom Mangel an Leitung abhängen (677. 413); doch wird dadurch keineswegs das Interesse verringert, welches erregt werden muß, wenn man sieht, ein wie großer Unterschied in der Wirkung nicht durch die Natur, sondern bloß durch das Verhältniß der Elemente hervorgebracht wird, besonders wenn irgend ein Versuch gemacht wird zur Erläuterung und Auseinandersetzung der schönen, von Sir Humphry Davy aufgestellten[8], und von Berzelius und anderen ausgezeichneten Physikern erläuterten Theorie, daß die gewöhnliche chemische Verwandtschaft bloß das Resultat der elektrischen Anziehungen unter den Körpertheilchen sey.


E. Ueber einen neuen Messer der voltaschen Elektricität.

704) Als ich die gemeine und voltasche Elektricität auf Ein Normalmaaß zurückzuführen suchte (377), und ferner, als ich meine Theorie der elektro-chemischen Zersetzung [317] aufstellte (504. 505. 510), sagte ich bereits, daß die chemisch zersetzende Wirkung des Stroms constant ist für eine constante Menge von Elektricität, ungeachtet der größten Verschiedenheiten in deren Abstammung, deren Intensität, der Größe der angewandten Elektroden, der Natur der von ihr durchströmten Leiter (oder Nichtleiter (307)) oder anderen Umständen. Die entscheidenden Beweise von der Wahrheit dieser Angaben werde ich nun sogleich geben (783 u. ff.).

705) Ich bemühte mich nach diesem Gesetz ein Instrument zu construiren, welches die durch dasselbe gegangene Elektricität mäße, und welches, wenn es in die Bahn des zu irgend einen besonderen Versuch angewandten Stroms gestellt wurde, nach Belieben entweder als ein vergleichendes Normalmaaß (standard) des Effects, oder als ein positiver Messer dieses subtilen Agens gebraucht werden könnte.

706) Keine Substanz ist besser geeignet, unter den gewöhnlichen Umständen den anzeigenden Körper in solch einem Instrument abzugeben, als das Wasser. Denn, wenn es durch Zusatz von Säuren oder Salzen zu einem besseren Leiter gemacht ist, wird es mit Leichtigkeit zersetzt, seine Elemente lassen sich in vielen Fällen, ohne Störung durch secundäre Actionen, erhalten und sammeln, und, da sie gasförmig sind, befinden sie sich in dem vortheilhaftesten physikalischen Zustand zur Trennung und Messung. Wasser, angesäuert durch Schwefelsäure, ist daher die Substanz, welche ich gewöhnlich anwende, wiewohl es in besonderen Fällen oder Formen des Versuchs zweckmäßiger seyn mag, andere Körper zu gebrauchen (843).

707) Die erste Vorsicht, welche bei der Construction des Instruments zu nehmen war, bestand darin, die Wiederverbindung der entwickelten Gase zu verhindern, welche die positive Elektrode so leicht zu bewirken vermag (571). Zu diesem Ende wurden verschiedene Formen [318] des Zersetzungs-Apparates angewandt. Die erste bestand aus zwei geraden Röhren, von denen jede einen in ihrem verschlossenen Ende hermetisch befestigten Platindraht und eine daran mit Gold gelöthete Platinplatte enthielt (Taf. III Fig. 5). Die Röhren waren ungefähr 8 Zoll lang und 0,7 Zoll im Durchmesser, und graduirt. Die Platinplatten waren etwa 1 Zoll lang, so breit als es die Röhren erlaubten, und den Mündungen der Röhren so nahe gebracht, als es die sichere Auffangung der entwickelten Gase zuließ. In gewissen Fällen, wo es erforderlich war, die Gase an einer möglichst kleinen Fläche zu entwickeln, war die Platte fortgelassen und dafür der Draht am Ende bloß ringförmig umgebogen (Taf. III Fig. 6). Wenn diese Röhren als Messer gebraucht werden sollten, wurden sie mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt und in eine Schale mit derselben Flüssigkeit umgekehrt (Fig. 7), in einer schiefen Stellung, und mit ihren Mündungen so an einander gebracht, daß möglichst wenig von der zu zersetzenden Flüssigkeit dazwischen war, auch in solcher Richtung, daß die Platten sich in Vertical-Ebenen befanden (720).

708) Eine andere Form des Apparates war die in Fig. 8 Taf. III abgebildete. Die Röhre ist in der Mitte gebogen, eins ihrer Enden zugeschmolzen, und in diesem Ende ein Draht mit Platte befestigt, so weit herabgehend, daß letztere der Biegung möglichst nahe sey, aber doch noch alles an ihr entwickelte Gas in dem verschlossenen Arme gesammelt werden könne. Auch die Ebene dieser Platte ist vertical (720). Die andere Metallplatte wird, wenn die Zersetzung vorgenommen werden soll, möglichst dicht an die Biegung geschoben, so jedoch, daß das Gas nicht in den verschlossenen Arm treten, sondern frei entweichen kann.

709) Die dritte Form des Apparates enthält beide Elektrode in derselben Röhre. Die Durchlassung der Elektricität, und die daraus erfolgende Zersetzung, ist hiebei [319] weit rascher, als bei getrennten Röhren. Das aufgefangene Gas ist die Summe der an beiden Elektroden entwickelten Portionen, und das Instrument ist besser als eins der früheren zum Messer der in gewöhnlichen Fällen durchgelassenen Menge von voltascher Elektricität geeignet. Es besteht aus einer geraden, oben zugeschmolzenen und graduirten Röhre (Fig. 9 Taf. III), durch deren Seiten eingeschmolzene Platindrähte gehen, die zwei Platinplatten halten. Die Röhre ist in eine der Mündungen einer zweihalsigen Flasche eingerieben; wenn die Flasche zur Hälfte oder zu Zweidrittel mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt ist, wird die Säure beim Neigen in die Röhre fließen und sie füllen. Wird ein elektrischer Strom durch das Instrument geleitet, so sammeln sich die an den Platten entwickelten Gase in dem oberen Theil der Röhre, ohne der Wiedervereinigungskraft des Platins ausgesetzt zu seyn.

710) Eine andere Form des Instruments ist die Fig. 10 Taf. III.

711) Eine fünfte Form ist in Fig. 11 abgebildet. Diese habe ich bei Versuchen, die mehre Tage dauern, und bei denen große Gasmengen gesammelt werden müssen, außerordentlich nützlich gefunden. Sie wird auf einem schweren Fuß befestigt, und hat die Gestalt einer kleinen Retorte, welche die beiden Elektroden enthält. Der Hals ist eng, und so lang, daß er das Gas in eine auf einer kleinen pneumatischen Wanne stehende Flasche führt. Die Elektrode-Kammer ist an dem im Gestell befestigten Theil hermetisch verschlossen, fünf Zoll lang und 0,6 Zoll im Durchmesser; der Hals 9 Zoll lang und inwendig 0,4 Zoll im Durchmesser. Die Figur wird vollends die Construction versinnlichen.

712) Es ist wohl kaum zu bemerken nöthig, daß bei allen diesen Apparaten sie sowohl als die beiden Drähte, welche mit der Einem elektrischen Strom ausgesetzten Substanz verbunden sind, so weit isolirt werden müssen, [320] daß man die Gewißheit habe, alle durch den einen Draht gegangene Elektricität sey auch durch den andern geströmt.

713) Nächst der Vorsicht, die Gase, nach ihrer Vermischung, außer Berührung mit dem Platin aufzufangen, war nun nöthig, das Gesetz der bestimmten elektrolytischen Action wenigstens beim Wasser unter allen Umständen zu prüfen; um, neben der Ueberzeugung von seiner Richtigkeit, auch Kenntniß von jenen störenden Umständen zu erlangen, gegen die man sich in der Praxis zu hüten habe.

714) Zuerst wurde untersucht, welchen Einfluß die Größe der Elektrode habe, und zu dem Ende wurden Instrumente wie die zuletzt beschriebenen (709. 710. 711) angewandt. Eins derselben hatte Platten von 0,7 Zoll Breite und nahe 4 Zoll Länge, ein zweites Platten von nur 0'',5 Breite und 0'',8 Länge, ein drittes Drähte von 0,02 Zoll Durchmesser und 3 Zoll Länge, und ein viertes dergleichen Drähte, aber nur von 0'',5 Länge. Dennoch wurde, wenn man sie mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt hatte, und, neben einander gestellt, von einem gemeinschaftlichen Strom durchwandern ließ, in allen sehr nahe dieselbe Menge Gas entwickelt. Der Unterschied war bald zu Gunsten des einen, bald zu Gunsten des andern; allein als allgemeines Resultat ergab sich, daß die größeren Gasmengen an der kleineren Fläche der Drähte entwickelt wurden.

715) Aehnliche Versuche wurden mit der einfachen Platte, sowohl in geraden (707) als gebogenen Röhren, (708) angestellt, und mit gleichem Erfolg; und wenn diese Apparate mit den früheren auf verschiedene Weise so zusammengestellt wurden, daß sie gemeinschaftlich denselben elektrischen Strom durchlassen mußten, war das Resultat in Bezug auf die Gleichheit der Gasmengen an großen und kleinen Metallflächen beständig dasselbe. Ein Instrument mit zwei Drähten entwickelte 74,3 Volume [321] vom Gasgemeng, ein anderes mit zwei Platten 73,25 Volume, während die Summe von dem in zwei getrennten Röhren aufgefangenen Sauerstoff- und Wasserstoffgas 73,65 Volume betrug. Bei einem andern Versuch waren die Volume: 55,3; 55,3 und 54,4.

716) Es wurde jedoch bei diesen Versuchen beobachtet, daß sich in den Röhren mit einer einzigen Platte (707) mehr Wasserstoff an der negativen Elektrode entwickelte, als dem Sauerstoff an der positiven Elektrode entsprach, und im Allgemeinen auch mehr als dem Sauerstoff und Wasserstoff in einer Röhre mit zwei Platten proportional war. Bei näherer Untersuchung wurde ich dahin geführt, diesen Umstand und die Unterschiede zwischen Drähten und Platten (714) in der Löslichkeit der Gase, besonders des an der positiven Elektrode entwickelten, begründet zu sehen.

717) Wenn die beiden Elektrode, positive und negative, gleiche Oberfläche haben, sind die Blasen, die in verdünnter Schwefelsäure von ihnen aufsteigen, immer verschieden im Charakter. Die an der positiven Platte sind außerordentlich klein, und lösen sich, wegen vollkommener Reinheit der Metallfläche (633) von jeder Stelle derselben augenblicklich ab; so lange sie in der Flüssigkeit sind, geben sie derselben, vermöge ihrer Anzahl und Kleinheit, ein trübes Ansehen, werden leicht durch Strömungen herabgeführt, und bieten daher der Flüssigkeit nicht nur eine weit beträchtlichere Berührungsfläche dar, als es größere Blasen thun würden, sondern werden auch viel länger in Mengung mit derselben erhalten. Dagegen sind die Blasen an der negativen Oberfläche, ungeachtet sie ein zwei Mal so großes Volum als die an der positiven Elektrode ausmachen, sehr gering an Zahl. Sie steigen nicht so allgemein von jeder [322] Stelle der Oberfläche empor, sondern scheinen an bestimmten Punkten entwickelt zu werden, und, wiewohl weit größer, scheinen sie am Metall zu kleben, lösen sich mit Schwierigkeit von ihm, und steigen, einmal abgetrennt, sogleich zur Oberfläche der Flüssigkeit. Besitzen demnach Sauerstoff und Wasserstoff, unter ähnlichen Umständen, auch gleiche Fähigkeit, sich im Wasser zu lösen oder mit ihm zu verbinden, so ist doch unter den gegenwärtigen Bedingungen der Sauerstoff bei weitem am meisten der Lösung ausgesetzt. Allein, wenn man das wohlbekannte Vermögen des letzteren, mit Wasser eine Verbindung einzugehen, erwägt, so darf man sich nicht mehr wundern, wenn diese Verbindung in geringer Menge an der positiven Elektrode gebildet wird; und in der That rührt wahrscheinlich die Bleichkraft, welche einige Physiker bei der Flüssigkeit an dieser Elektrode beobachtet haben, wenn auch Chlor und ähnliche Körper sorgfältig ausgeschlossen worden waren, von dem auf diese Weise gebildeten Wasserstoffhyperoxyd (oxydirtem Wasser) her.

718) Daß an Drähten mehr Gas als an Platten entwickelt wird, schreibe ich dem Umstand zu, daß, weil in gleichen Zeiten gleiche Mengen entwickelt werden, die Blasen an den Drähten, in Bezug auf jedwede Stelle der Oberfläche, sich rascher erzeugten und größer seyn müssen, folglich mittelst einer weit kleineren Oberfläche und eine viel kürzere Zeit hindurch mit der Flüssigkeit in Berührung stehen, als die an den Platten, daher denn von ihnen weniger gelöst und mehr aufgefangen wurde.

719) Noch eine andere Wirkung trat ein, besonders beim Gebrauche großer Elektroden, welche sowohl eine Folge als ein Beweis war von der theilweisen Lösung des Gases daselbst. In dem gesammelten Gase fand sich nämlich, bei näherer Untersuchung, ein geringer Antheil Stickstoff. Es ist eine wohl bekannte Thatsache, daß wenn durch Wasser oder Lösungen Blasen eines nur wenig darin löslichen Gases durchgetrieben werden, [323] ein Theil dieses Gases, indem es sich löst, einen Theil von dem zuvor mit der Flüssigkeit verbundenen Gase austreibt. So verhält es sich bei den in Rede stehenden Zersetzungen. Ein Theil des Sauerstoffs löst sich und vertreibt einen Theil der Luft oder wenigstens des Stickstoffs, der zuvor mit der Säure (Schwefelsäure) verbunden war; dieser Vorgang muß bei großen Platten am beträchtlichsten seyn, weil das an ihnen entwickelte Gas sich in den günstigsten Umständen für die Lösung befindet.

720) In der Absicht, diese Lösung des Gases möglichst zu vermeiden, gab ich den Platten eine verticale Lage (707. 708), damit die Blasen schnell in die Höhe entwichen, und die herabsteigenden Ströme in der Flüssigkeit keinen aufsteigenden Gasströmen begegneten. Diese Vorsichtsmaßregel trägt viel zur Erlangung constanter Resultate bei, besonders bei den später zu erwähnenden Versuchen, wo eine andere Flüssigkeit als verdünnte Schwefelsäure, z. B. Kalilösung, angewandt wurde.

721) Die aus der eben erwähnten Löslichkeit entspringenden Unregelmäßigkeiten in den Anzeigen des vorgeschlagenen Messers sind jedoch nur klein, und können durch Vergleichung der Resultate von zwei oder drei Versuchen sehr nahe berichtigt werden. Sie lassen sich auch fast ganz vermeiden, wenn man eine Lösung wählt, die sie im schwächsten Grade begünstigt (728); und überdieß, wenn man den Wasserstoff sammelt und als anzeigendes Gas benutzt; denn da dieser weit weniger löslich ist als Sauerstoff, zwei Mal schneller und in größeren Blasen (717) entwickelt wird, so läßt er sich vollständiger und in größerer Reinheit auffangen.

722) Aus den vorherigen und vielen anderen Versuchen geht hervor, daß eine Veränderung in der Größe der Elektrode keine Veränderung bewirkt in der chemischen Action, die eine gegebene Menge Elektricität auf Wasser ausübt.

[324] 723) Der nächste Punkt, in Betreff dessen das Princip einer constanten elektro-chemischen Action geprüft ward, war die Veränderung der Intensität. Zunächst worden die vorhergehenden Versuche wiederholt mit Batterien von gleicher Anzahl Platten, stark und schwach geladen. Allein die Resultate waren sich gleich. Dann wurden sie wiederholt mit Anwendung von Batterien, einmal von 40 und das andere Mal nur von 5 Plattenpaaren; allein die Resultate waren auch jetzt dieselben. Veränderungen in der Intensität, veranlaßt durch Unterschiede in der Stärke der Ladung oder Anzahl der Plattenpaare (Alternations), bewirken also, was die gleiche Action kleiner und großer Elektrode betrifft, keine Verschiedenheit.

724) Jedoch beweisen diese Resultate nicht, daß eine Veränderung in der Intensität des Stroms nicht von einer entsprechenden Veränderung in den elektro-chemischen Effecten begleitet werde, da die Wirkung an allen Flächen zugleich könnte vermehrt worden seyn. Diese Mangelhaftigkeit des Beweises wird jedoch vollständig gehoben durch die früheren Versuche mit Elektroden von verschiedener Größe, (size); denn bei einer Veränderung in der Größe dieser Elektrode mußte eine Veränderung in der Intensität eingetreten seyn. Die Intensität eines elektrischen Stroms, welcher Leiter von gleicher Natur, Beschaffenheit und Länge durchläuft, verhält sich wahrscheinlich wie die Menge der Elektricität, die einen gegebenen, auf dem Strome senkrechten Querschnitt durchläuft, dividirt durch die Zeit (360, Anmerkung); und wenn daher große Drähte und Platten durch eine gleiche Strecke des zu zersetzenden Leiters getrennt wurden (714), während durch beide Vorrichtungen Ein elektrischer Strom ging, mußte die Elektricität, was die Spannung betrifft, zwischen den Platten sich in einem ganz anderen Zustand als zwischen den Drähten befinden, wiewohl die chemischen Resultate gleich waren.

[325] 725) Der Intensitätsunterschied unter den beschriebenen Umständen läßt sich leicht experimentell erweisen, wenn man zwei Zersetzungsapparate wie Fig. 12 Taf. III einrichtet, wo eine und dieselbe Flüssigkeit der zersetzenden Kraft eines und desselben Stroms ausgesetzt ist, nur daß er im Gefäße zwischen 2 Platten, und im Gefäße zwischen zwei Drähten übergeht. Wird ein dritter Zersetzungsapparat (z. B. Fig. 11) mit den Drähten bei und (Fig. 12) verbunden, so dient er durch den in ihm eintretenden Grad von Zersetzung hinreichend gut als Anzeiger des relativen Intensitätszustandes der beiden Platten, und wenn man ihn dann in gleicher Weise als Anzeiger des Zustandes bei und angewendet, wird er durch die in ihm eintretende Steigerung der Zersetzung zeigen, um wie viel die Intensität hier größer ist, als an den früheren Punkten. Die Enden und müssen natürlich während der ganzen Zeit fortwährend mit der voltaschen Batterie verbunden bleiben.

726) Eine dritte Form des Experiments, bei welchem ein Intensitätsunterschied erhalten wurde, um das Princip der gleichen chemischen Action zu prüfen, bestand darin, drei Volta-Elektrometer so aufzustellen, daß der elektrische Strom, nachdem er durch einen derselben gegangen war, sich in zwei Theile theilen mußte, die sich, nachdem jeder eins der beiden übrigen Instrumente durchlaufen hatte, wiederum vereinigten. Die Summe der Zersetzung in den beiden letzten Gefäßen war stets gleich der Zersetzung in dem ersteren Gefäß. Allein in der Intensität konnte jeder Stromtheil nicht dem ursprünglichen Strome gleich seyn, folglich hat eine Intensitätsveränderung keinen Einfluß auf die Resultate, wenn die Elektricitätsmenge dieselbe bleibt. Der Versuch löst sich wirklich einfach in eine Vergrößerung der Elektrode auf (725).

727) Der dritte Punkt, hinsichtlich dessen der Satz von der gleichen elektro-chemischen Action auf Wasser [326] geprüft ward, war die Veränderung in der Stärke der angewandten Lösung. Um das Wasser leitend zu machen, war ihm Schwefelsäure hinzugefügt (707); und es konnte daher scheinen, daß diese Substanz, wie viele andere, das Wasser, bei gleich bleibender Elektricitätsmenge, zersetzbarer mache. Allein es zeigte sich, daß dieß nicht der Fall war. Verdünnte Schwefelsäure von verschiedener Stärke wurde in verschiedene Zersetzungsapparate gebracht, und gleichzeitig einem und demselben elektrischen Strome ausgesetzt (714). Wie zuvor zeigten sich geringe Unterschiede, zuweilen in einem, zuweilen in dem anderen Strome, allein das Endresultat war, daß bei allen diesen Lösungen genau dieselbe Menge Wasser durch dieselbe Elektricitätsmenge zersetzt wurde, wiewohl bei einigen die Schwefelsäure sieben Mal so viel als bei andern betrug. Die stärkste Säure hatte das specifische Gewicht 1,495, die übrigen ein geringeres.

728) Bei Anwendung einer Säure von 1,336 spec. Gewicht waren die Resultate am gleichförmigsten, und Sauerstoff und Wasserstoff am häufigsten im richtigen Verhältniß zu einander. Solch eine Säure gab bei Einwirkung eines gleichen Stromes mehr Gas, als eine schwächere, vermuthlich weil sie es weniger löste. War die Säure sehr stark, fand ein merkwürdiges Verschwinden des Sauerstoffs statt. Eine Mischung von zwei Maaß starken Vitriolöls mit einem Maaß Wasser gab so 42 Volume Wasserstoff, aber nur 12 Volume Sauerstoff. Die Wasserstoffmenge war sehr nahe derjenigen gleich, welche aus Säure von 1,232 spec. Gewicht entwickelt wurde. Ich habe noch nicht Zeit gehabt, die Umstände in Betreff dieses Verschwindens des Sauerstoffgases genauer zu untersuchen; allein ich glaube, es rührt her von der Bildung von oxydirtem Wasser, die, wie Thénard gezeigt hat, durch Gegenwart einer Säure begünstigt wird.

729) Wiewohl es für den practischen Gebrauch des von mir beschriebenen Instruments nicht nöthig war, so untersuchte [327] ich doch, als einen für die constante elektro-chemische Action auf das Wasser wichtigen Punkt, die Wirkungen eines elektrischen Stroms bei seinem Durchgange durch wäßrige Lösungen von Säuren, Salzen und andern in ihrer Natur außerordentlich verschiedenen Verbindungen, und fand sie zum Erstaunen gleich. Viele von ihnen waren von einer secundären Action begleitet, welche zweckmäßiger weiterhin beschrieben werden wird (778).

730) Als Lösungen von Aetzkali oder Aetznatron, schwefelsaurer Bittererde oder schwefelsaurem Natron der Einwirkung des Stroms ausgesetzt wurden, lieferten sie eben so viel Sauerstoff und Wasserstoff als die verdünnte Schwefelsäure, mit welcher sie verglichen wurden. Als der Versuch mit einer Ammoniaklösung, die durch Zusatz von schwefelsaurem Ammoniak besser leitend gemacht worden, oder mit einer Lösung von kohlensaurem Kali angestellt wurde, entwickelte sich eben so viel Wasserstoff, wie aus der verdünnten Schwefelsäure, mit der sie verglichen wurde. Eine Veränderung in der Natur der Lösung verändert also nicht die Beständigkeit der elektrolytischen Wirkung auf das Wasser.

731) In Bezug auf große und kleine Elektrode habe ich bereits gesagt, daß eine Veränderung der Ordnung die Wirkung im Allgemeinen nicht verändert (715). Dasselbe war der Fall mit verschiedenen Lösungen oder mit verschiedenen Intensitäten; und wiewohl die Umstände oder Versuche verändert seyn mochten, stimmten doch die Resultate außerordentlich überein, und bewiesen, daß die elektro-chemische Action noch dieselbe war.

732) Die vorstehende Untersuchung halte ich für hinreichend, in Betreff des Wassers den sehr ungewöhnlichen und wichtigen Satz zu beweisen, daß, wenn man dasselbe dem elektrischen Strome unterwirft, eine Menge von ihm zersetzt wird, die genau der durchgegangenen Elektricitätsmenge proportional ist, trotz der Tausende von Verschiedenheiten der Bedingungen und Umstände, [328] in welchen es sich dabei befindet. Und ferner, daß, wenn man sich vor den Störungen gewisser secundärer Wirkungen (742 etc.), so wie vor der Lösung oder Wiedervereinigung der Gase und vor der Entbindung von Luft in Acht genommen hat, die Producte der Zersetzung sich mit solcher Genauigkeit auffangen lassen, daß sie einen sehr vortrefflichen und werthvollen Maaßstab für die ihre Entwicklung bedingende Elektricität abgeben.

733) Die Gestalten, welche ich dem Instrumente gegeben habe, Taf. III Fig. 9. 10. 11 (709. 710. 711) werden wahrscheinlich die zweckmäßigsten seyn, da sie die Menge der Elektricität durch das größte Volum der Gase anzeigen und dem Durchgang des Stroms den schwächsten Widerstand entgegensetzen. Die Flüssigkeit, welcher ich nach meinen Versuchen den Vorzug gebe, ist eine verdünnte Schwefelsäure von etwa 1,336 bis 1,25 spec. Gewicht; es ist aber wesentlich, daß sie weder eine organische Substanz, noch eine vegetabilische Säure, noch sonst einen Körper enthalte, welcher von dem an den Elektroden (773 etc.) entwickelten Sauerstoff und Wasserstoff eine Einwirkung erleiden, und dadurch die Menge dieser Stoffe verringern oder ihnen andere Gase hinzufügen könne.

734) In vielen Fällen, wo das Instrument als ein vergleichender, und selbst als ein wahrer Messer gebraucht werden soll, kann es wünschenswerth seyn, nur den Wasserstoff aufzufangen, da dieser weniger einer Absorption oder einem anderweitigen Verschwinden ausgesetzt ist als der Sauerstoff. In solchen Fällen habe ich die erste und zweite Form des Apparats (Taf. III Fig. 7. 8.) gebraucht (707. 708). Die erhaltenen Anzeigen waren sehr beständig, die Schwankungen weit kleiner als bei denjenigen Formen des Apparats, bei denen beide Gase aufgefangen wurden. Man kann dieselben auch zu vergleichenden Versuchen bei Lösungen gebrauchen, welche keinen Sauerstoff oder nur secundäre Resultate seiner [329] Wirkung liefern, deshalb also keine Anzeigen geben können, wenn die Educte an beiden Elektroden gesammelt werden. Dieß ist der Fall, wenn Lösungen von Ammoniak, Salzsäure, Chloriden, Jodiden, essigsauren oder anderen vegetabilischen Salzen u. s. w. angewandt werden.

735) In wenigen Fällen, wo Lösungen von leicht reducirbaren Metallsalzen der Einwirkung der negativen Elektrode ausgesetzt sind, kann der Sauerstoff mit Vortheil als die zu messende Substanz angewandt werden. Dieß ist zum Beispiel der Fall mit schwefelsaurem Kupferoxyd.

736) Es sind im Allgemeinen zwei Formen des Apparats, welche ich als Elektricitätsmesser vorschlage. Eine, in welcher beide Gase des zersetzten Wassers aufgefangen werden (709. 710. 711), und die andere, wo dieß nur mit einem der Gase, z. B. nur mit Wasserstoff, der Fall ist (707. 708.). Wenn es nur als ein vergleichendes Instrument gebraucht wird (wie ich es denn als solches in sehr ausgedehntem Maaßstabe gebrauchen werde), so erfordert es bei der Beobachtung oft keine besondere Vorsicht; wenn man es aber als einen absoluten Messer gebraucht, so wird es nöthig, dabei den barometrischen Druck und die Temperatur zu berücksichtigen, und eine genau graduirte Röhre anzuwenden. Hundertel und kleinere Theile eines Kubikzolls sind zu diesem Zweck ganz passend, und namentlich wird es sehr zweckmäßig seyn, das Hundertel als Anzeiger eines Grades von Elektricität zu nehmen.

737) Es kann schwerlich von Nutzen seyn, noch weiter, wie es geschehen ist, die Gebrauchsweise dieses Instrumentes anzugeben. Man hat es in die Bahn des elektrischen Stromes zu bringen, dessen Wirkung sich an irgend einem anderen Orte äußern soll, und, wenn 60° bis 70° Elektricität zu messen sind, entweder in einer oder mehren Portionen; der Strom, er mag stark [330] oder schwach seyn, ist so lange zu unterhalten, bis das Gas jene Anzahl von Abtheilungen oder Hunderteln eines Kubikzolles einnimmt. Soll eine zur Hervorbringung einer gewissen Wirkung nöthige Menge gemessen werden, so muß man diese Wirkung eintreten lassen und dann die Angabe ablesen. Bei genauen Versuchen ist erforderlich, das Gasvolum in Bezug auf Veränderungen in der Temperatur, dem Druck und besonders der Feuchtigkeit[9] zu berichtigen. Zu dem letzteren Zweck ist der Volta-Elektrometer (Fig. 11 Taf. III) der genaueste, da darin das Gas über Wasser gemessen werden kann, während die andern dasselbe über Säuren oder Salzlösungen einschließen.

738) Ich habe keinen Anstand genommen, den Namen Grad zu gebrauchen, in Analogie mit dem Gebrauch, welchen man davon bei einem anderen sehr wichtigen Wesen, der Wärme nämlich, macht; und so wie dort die bestimmte Ausdehnung des Wassers, der Luft, des Quecksilbers u. s. w. zum Maaß der Wärme genommen wird, so ist hier die eben so bestimmte Gasentwicklung in ähnlicher Weise für die Elektricität gebraucht.

739) Das Instrument ist der einzige wirkliche Messer der voltaschen Elektricität, welchen wir bisher kennen. Denn ohne im Geringsten ergriffen zu werden durch Veränderungen in der Zeit, oder der Intensität, oder durch Störungen irgend einer Art oder irgend einer Abkunft in dem Strome selbst, oder durch Unterbrechungen der Wirkungen, zeichnet es die Menge der durch dasselbe gegangenen Elektricität mit Genauigkeit und auf eine anschauliche Weise auf. Deshalb habe ich es Volta-Elektrometer genannt.

740) In vielen Fällen kann man bei der voltaschen Elektricität mit Vortheil eine andere Meßart anwenden, [331] beruhend auf der Menge von Metallen oder anderen Substanzen, die entweder als primäre oder secundäre Resultate entwickelt werden. Doch enthalte ich mich dieses Gebrauches der Educte, bis die Grundsätze, auf welchen ihre Beständigkeit beruht, vollkommen dargethan sind (791. 843).

741) Mit Hülfe dieses Instruments bin ich im Stande gewesen, die Bestimmtheit der elektro-chemischen Actionen in der allgemeinsten Weise festzusetzen; und ich bin überzeugt, daß es, bei Erweiterung der Wissenschaft, welche dieser Ansichten bedarf, von sehr häufigem Gebrauche werden werde. Ich behaupte nicht, es im Einzelnen vollkommen gemacht, sondern nur die Richtigkeit des Princips und die Nützlichkeit seiner Anwendung erwiesen zu haben.

[433]
F. Ueber den primären und secundären Charakter der an den Elektroden entwickelten Substanzen.

742) Ehe das Volta-Elektrometer angewandt werden konnte, die Beständigkeit der elektro-chemischen Zersetzung als ein allgemeines Gesetz nachzuweisen, ward [434] es nothwendig, einen unter den Physikern bereits anerkannten Unterschied in den Producten jener Action, nämlich den primitiven oder secundären Charakter derselben, näher zu untersuchen, und, wo möglich, durch eine allgemeine Regel festzusetzen, wann sie von der einen oder der andern Art seyen. Es wird aus dem Folgenden erhellen, daß in Bezug auf die elektro-chemische Action und deren Folgen große Irrthümer daraus entstanden sind, daß man diese beiden Klassen von Resultaten ganz mit einander verwechselte.

743) Wenn eine in Zersetzung begriffene Substanz diejenigen Körper, welche der elektrische Strom abgeschieden hat, unverbunden oder unverändert an den Elektroden ausgiebt, kann man dieselben als primäre Resultate ansehen, selbst wenn sie wiederum zusammengesetzt sind. So sind Sauerstoff und Wasserstoff aus Wasser primäre Resultate, und eben so sind es die Säure und das Alkali (wiewohl beide zusammengesetzte Körper sind), die aus schwefelsaurem Natron entwickelt werden. Allein, wenn die von dem elektrischen Strome abgeschiedenen Substanzen vor ihrem Auftreten an den Elektroden verändert werden, so geben sie zu secundären Resultaten Anlaß, wiewohl die entwickelten Körper in vielen Fällen elementar sind.

744) Diese secundären Resultate entstehen auf zweierlei Weise: Zuweilen rühren sie her von der Wirkung zwischen der ausgeschiedenen Substanz und der Substanz der Elektrode, zuweilen aber von der Wirkung jener auf die im zersetzt werdenden Leiter enthaltenen Substanzen. Wenn so z. B. Kohle in verdünnter Schwefelsäure zur positiven Elektrode gemacht worden ist, erscheinen an dieser, statt des Sauerstoffs, Kohlensäure und Kohlenoxyd; und diese secundären Resultate entstehen durch Einwirkung des Sauerstoffs auf die Substanz der Elektrode. Ist in einer Lösung von salpetersaurem oder essigsaurem Blei Platin die positive Elektrode, so erscheint [435] Bleihyperoxyd an derselben, gleichfalls ein secundäres Product wie das vorhergehende, aber hier durch die Einwirkung des Sauerstoffs auf eine in Lösung befindliche Substanz hervorgerufen. Wiederum wenn Ammoniak durch Platin-Elektrode zersetzt wird, erscheint Stickstoff an der Anode[10], der, wiewohl ein elementarer Körper, hier doch ein secundäres Educt ist, da er durch die chemische Einwirkung des Sauerstoffs auf das Ammoniak in der umgebenden Lösung (554) elektrisch entwickelt worden ist. Auf gleiche Weise sind, wenn wäßrige Lösungen von Metallsalzen durch den Strom zersetzt werden, die an der Kathode ausgeschiedenen Metalle, ungeachtet ihrer elementaren Natur, immer secundäre Educte, und nicht die unmittelbaren Resultate der zersetzenden Kraft des elektrischen Stroms.

745) Viele dieser secundären Resultate sind ungemein schätzbar, wie z. B. alle die interessanten Verbindungen, welche Hr. Becquerel durch schwache elektrische Ströme erhalten hat. Allein sie sind wesentlich chemisch, und müssen in der Theorie von der elektrolytischen Action sorgfältig von denen unterschieden werden, welche direct von der Wirkung des elektrischen Stroms herrühren.

746) Die Natur der entwickelten Substanzen führt oft zur richtigen Beurtheilung, ob sie primär oder secundär seyen, ist aber für sich nicht hinreichend diesen Punkt zu entscheiden. So sagt man, der Stickstoff werde zuweilen von der positiven, zuweilen von der negativen Elektrode angezogen, je nach den Körpern, mit welchen er verbunden ist (554.[WS 2] 555), und er wird in solchen Fällen offenbar für ein primäres Educt angesehen[11]; allein ich glaube in der Folge zu zeigen, daß er, wenn er an der positiven Elektrode oder richtiger an der positiven Anode erscheint, ein secundäres [436] Educt ist (748). So hat auch Humphry Davy[12] und mit ihm die große Mehrzahl der Physiko-Chemiker (ich selbst mit eingeschlossen) das Erscheinen von Kupfer, Blei, Zinn, Silber, Gold u. s. w. an der negativen Elektrode, bei der Einwirkung des voltaschen Stroms auf die wäßrige Lösung dieser Metalle, als einen Beweis angesehen, daß die Metalle von dieser Fläche angezogen würden, sie also primäre Educte seyen. Ich glaube indeß zeigen zu können, daß sie alle secundäre Resultate sind, bloß Folgen der chemischen Action, und keine Beweise von der Anziehung oder dem angekündigten Gesetz[13].

747) Ziehen wir aber das Gesetz der constanten elektro-chemischen Action zu Hülfe, welches ich in Bezug auf das Wasser bereits bewiesen zu haben glaube (732), und welches ich auch auf alle Körper zur Genüge auszudehnen hoffe (821), und betrachten sowohl die Menge als die Natur der in Freiheit gesetzten Substanzen, so können wir uns ein im Allgemeinen richtiges Urtheil über den primären oder secundären Charakter der Resultate bilden. Und dieser wichtige Punkt, der für die Theorie der elektro-chemischen Zersetzung so wesentlich ist, da er entscheidet, welches die direct unter dem Einfluß des Stromes stehenden Theile sind (sie von denen unterscheidet, die nicht darunter stehen), und welche Resultate man erwarten darf, läßt sich mit einem solchen Grade von Gewißheit festsetzen, daß dadurch unzählbare Doppelsinnigkeiten [437] und zweifelhafte Betrachtungen aus diesem Zweige der Wissenschaft entfernt werden.

748) Wenden wir diese Grundsätze an auf den Fall mit dem Ammoniak und dem vorausgesetzten Auftreten des Stickstoffs an der einen oder der andern Elektrode (554. 555). Eine reine starke Lösung von Ammoniak ist ein schlechter Leiter, und deshalb eben so wenig der elektro-chemischen Zersetzung ausgesetzt als Wasser; lösen wir aber schwefelsaures Ammoniak darin auf, wird das Ganze leitend. An der Anode wird fast und zuweilen ganz reiner Stickstoff entwickelt, und Wasserstoff an der Kathode. Das Volumsverhältniß des ersten zum letzteren ist veränderlich, ist aber ungefähr 1:3 oder 4. Dieß Resultat scheint auf den ersten Blick anzudeuten, daß der elektrische Strom das Ammoniak zersetzt, und den Stickstoff zum Auftreten an der positiven Elektrode bestimmt habe. Allein, wenn die Elektricität durch das Volta-Elektrometer (707. 736) gemessen wird, findet sich, daß der erhaltene Wasserstoff genau in dem Verhältniß steht, welches bei Zersetzung von Wasser erhalten seyn würde, während der Stickstoff niemals eine sichere und constante Relation besitzt. Wenn, bei Vermehrung der Versuche, gefunden würde, daß bei Anwendung einer stärkeren oder schwächeren Lösung, oder einer mehr oder weniger kräftigen Batterie, das an der Anode entwickelte Gas ein, sowohl im Bestandtheilsverhältniß als absoluter Menge veränderliches Gemenge von Sauerstoff und Stickstoff wäre, während der Wasserstoff an der Kathode constant bliebe, so könnte kein Zweifel darüber obwalten, daß der Stickstoff an der Anode ein secundäres Resultat wäre, entsprungen aus der chemischen Action des von dem elektrischen Strom an jener Fläche entbundenen Sauerstoffs auf das gelöste Ammoniak. Es war also das Wasser, welches elektrolysirt wurde, nicht das Ammoniak. Ferner giebt der Versuch keine reelle Anzeige von der Tendenz [438] des Elementes Stickstoff zu einer oder der andern Elektrode, auch kenne ich keinen Versuch mit Salpetersäure oder Stickstoffverbindungen, welcher zeigte, daß der Stickstoff unter dem Einfluß des elektrischen Stroms eine Neigung habe, in irgend einer Richtung längs der Bahn dieses Stroms fortzugehen.

749) Als ein anderes Beispiel von secundären Resultaten können die Wirkungen auf eine Lösung von essigsaurem Kali angeführt werden. Wurde eine sehr starke Lösung angewandt, so entwickelte sich an der Anode mehr Gas als an der Kathode, fast in dem Verhältniß 4:3. Das von der Anode war ein Gemeng von Kohlensäure und Kohlenoxyd, das von der Kathode reiner Wasserstoff. Wurde eine weit schwächere Lösung angewandt, entwickelte sich an der Anode weniger Gas als an der Kathode, und es enthielt nun Kohlenwasserstoff so gut wie Kohlensäure und Kohlenoxyd. Dieß Erscheinen des Kohlenwasserstoffs an der positiven Elektrode ist sehr anomal, wenn es als eine unmittelbare Folge der Zersetzungskraft des Stromes betrachtet wird. Allein der Kohlenwasserstoff ist so gut wie die Kohlensäure und das Kohlenoxyd nur ein secundäres Product; denn bloß das Wasser erleidet eine elektro-chemische Zersetzung, und dessen an der Anode ausgeschiedener Sauerstoff ist es, welcher durch Einwirkung auf die Essigsäure, inmitten der er entwickelt wird, die zuletzt daselbst erscheinenden Substanzen erzeugt. Dieß wird durch Versuche mit dem Volta-Elektrometer (707) vollkommen bewiesen; denn die dann aus dem essigsauren Salz an der Kathode entwickelte Menge Wasserstoff zeigt sich immer als bestimmt, und als genau proportional der durch die Lösung gegangenen Elektricität, und gleich der im Volta-Elektrometer selbst entwickelten Menge Wasserstoff. Das Erscheinen der mit Wasserstoff verbundenen Kohle an der positiven Elektrode und das Nicht-Erscheinen derselben an der negativen stehen in sonderbarem Widerspruch mit [439] dem, was man nach dem in der Regel angenommenen Gesetz in Betreff der letzten Orte der Elemente erwartet haben könnte.

750) Wenn das Salz in der Lösung ein essigsaures Bleioxyd ist, so sind die Resultate an beiden Elektroden secundäre, und sie können nicht gebraucht werden, den Betrag der elektro-chemischen Action zu schätzen oder auszudrücken, außer durch einen weitläufigen Proceß (843). Statt des Sauerstoffs oder selbst der eben beschriebenen Gase (749) erscheint nun Bleihyperoxyd an der positiven und Blei an der negativen Elektrode. Gebraucht man andere Melalllösungen, solche z. B. die Oxyde, wie Kupferoxyd, enthalten, verbunden mit Essigsäure oder einer andern zersetzbaren Säure, so erhält man noch verwickeltere Resultate, welche, als directe Resultate der elektro-chemischen Action angesehen, in ihren Verhältnissen nichts als Verworrenheit zeigen, welche aber sogleich vollkommen übereinstimmen und einfacher scheinen, sobald man sie als secundäre Resultate betrachtet; sie stimmen in ihren Verhältnissen mit dem Sauerstoff und Wasserstoff, welche aus Wasser durch eine bestimmte Menge von Elektricität entwickelt werden.

751) Ich habe mit vielen Körpern experimentirt, in der Absicht zu bestimmen, ob die Resultate primär oder secundär seyen. Ich bin überrascht worden, zu finden, wie viele von ihnen in den gewöhnlichen Fällen zu der letzteren Klasse gehören, und wie häufig bloß das Wasser der elektrolysirte Körper ist, in Fällen, wo man geglaubt hat, es wären andere Substanzen. Ich will einige dieser Resultate in möglichster Kürze beschreiben.

752) Salpetersäure. – Wenn sie sehr stark ist, leitet sie gut und liefert Sauerstoff an der positiven Elektrode. An der negativen erscheint kein Gas, wohl aber werden hier salpetrige Säure, und, wie es scheint, Salpetergas gebildet, welche sich lösen und die Säure gelb oder roth färben, zuletzt sogar, durch freiwillige Absonderung des Salpetergases, [440] ein Aufbrausen veranlassen. Nach Verdünnung der Säure mit einem gleichen Volum Wasser oder mehr, erscheint Gas an der negativen Elektrode. Die Menge desselben ist veränderlich, nach der Stärke sowohl der Säure als des elektrischen Stroms; denn die Säure, aus welcher sich mit einer schwachen Batterie kein Gas an der Kathode abscheiden ließ, gab Gas mit einer stärkeren, und diejenige Batterie, welche hier mit einer stärkeren Säure kein Gas entwickelte, bewirkte die Entwicklung desselben mit einer verdünnteren Säure. Das Gas an der Anode war immer Sauerstoff, das an der Kathode Wasserstoff. Wurde die Menge der Producte mit dem Volta-Elektrometer (707) untersucht, so fand sich, es mochte die Säure stark oder schwach seyn, der Sauerstoff in demselben Verhältniß wie aus dem Wasser. War die Säure bis zum specif. Gewicht 1,24 oder mehr verdünnt, so stand der Wasserstoff auch in demselben Verhältniß wie aus dem Wasser. Hieraus schließe ich, daß nicht die Salpetersäure, sondern bloß das Wasser elektro-chemische Zersetzung erleidet; daß der Sauerstoff an der Anode immer ein primäres Resultat ist, daß aber die Producte an der Kathode oft secundär sind, und aus der Reaction des Wasserstoffs auf die Salpetersäure entspringen.

753) Salpeter. – Eine Lösung dieses Salzes liefert veränderliche Resultate, je nach der Gestalt der angewandten Röhre und nachdem die Elektroden groß oder klein sind. Zuweilen läßt sich der gesammte Wasserstoff des zersetzten Wassers an der negativen Elektrode erhalten, zuweilen dagegen nur ein Theil von ihm, weil rasch secundäre Resultate gebildet werden. Die Lösung ist ein sehr vortrefflicher Elektricitätsleiter.

754) Salpetersaures Ammoniak, in Wasser gelöst, liefert sehr verschiedenartige und in ihren Verhältnissen sehr ungewisse secundäre Resultate.

755) Schweflige Säure. – Reine flüssige schweflige [441] Säure leitet nicht und wird auch nicht vom elektrischen Strom zersetzt[14]; ihre Auflösung in Wasser aber besitzt Leitungsfähigkeit und wird zersetzt, wobei Sauerstoff an der Anode, Schwefel- und Wasserstoff an der Kathode erscheinen.

756) Eine Lösung, welcher Schwefelsäure zugesetzt worden, war ein besserer Leiter. Doch gab sie an beiden Elektroden wenig Gas; das an der Anode war Sauerstoff, das an der Kathode reiner Wasserstoff. Von der Kathode stieg auch ein weißer trüber Strom auf, bestehend aus fein zertheiltem Schwefel, welcher bald die ganze Flüssigkeit milchig machte. Die Gasvolume standen in keinem regelmäßigen Verhältnisse zu den Mengen, welche aus Wasser in dem Volta-Elektrometer entwickelt wurden. Ich schließe hieraus, daß die schweflige Säure in allen diesen Fällen nicht im Geringsten von dem elektrischen Strom angegriffen wird, daß vielmehr das anwesende Wasser allein die elektro-chemische Zersetzung erleidet; daß an der Anode der Sauerstoff aus dem Wasser die schweflige Säure in Schwefelsäure und das an der Kathode der elektrisch entwickelte Wasserstoff die schweflige Säure zersetzt, sich mit dessen Sauerstoff verbindet und Schwefel in Freiheit setzte. Ich glaube ferner, daß der Schwefel an der negativen Elektrode nur ein secundäres Resultat ist; und in der That fand sich auch kein Antheil von demselben verbunden mit der geringen Portion Wasserstoff, welche bei Anwendung schwacher Lösungen von schwefliger Säure entweicht.

757) Schwefelsäure. – Ich habe bereits meine Gründe angegeben, weshalb ich schließe, die Schwefelsäure sey nicht elektrolysirbar, d. h. nicht direct zersetzbar durch den elektrischen Strom, sondern erleide nur eine secundäre Action an der Kathode von dem daselbst entwickelten Wasserstoff (681). Im Jahr 1800 betrachtete [442] Davy den Schwefel aus der Schwefelsäure als das Resultat der Einwirkung des eben frei gewordenen Wasserstoffs[15]. Hisinger und Berzelius dagegen behaupteten i. J. 1804, er sey das Resultat directer Einwirkung der Säure[16]; von jener Zeit an scheint Davy dieselbe Meinung angenommen zu haben, und seitdem hat sie auch überall Eingang gefunden. Die Aenderung meiner eigenen Meinung erfordert, daß ich berichtige, was ich in einer früheren Reihe dieser Untersuchungen (552) bereits über die Zersetzung der Schwefelsäure gesagt habe. Gegenwärtig glaube ich nicht, daß der Schwefel an der negativen Elektrode eine unmittelbare Folge von elektrolytischer Action sey.

758) Salzsäure. – Eine starke Lösung gab Wasserstoff an der negativen Elektrode, und nur Chlor an der positiven Elektrode; von dem letzteren wirkte ein Theil auf das Platin, und ein anderer Theil wurde gelöst. Eine kleine Gasblase blieb zurück; sie war aber kein Sauerstoff, sondern wahrscheinlich Luft, die zuvor in der Lösung gewesen.

759) Es war nun wichtig zu bestimmen, ob das Chlor ein primäres Resultat war oder bloß ein secundäres, herrührend von der Wirkung des an der Anode entwickelten Sauerstoffs auf die Salzsäure; – zu bestimmen nämlich, ob die Salzsäure elektrolysirbar, und wenn es der Fall, ob die Zersetzung bestimmt war.

760) Die Salzsäure wurde nach und nach verdünnt. Ein Gemisch von 1 Th. Säure und 6 Th. Wasser gab nur Chlor an der Anode. Ein Theil Säure mit 8 Th. Wasser gab auch nur Chlor, aber bei 9 Th. Wasser erschien ein wenig Sauerstoff neben dem Chlor: doch hing die An- oder Abwesenheit des Sauerstoffs bei diesen Stärkegraden der Säure zum Theil von der Stärke der [443] angewandten voltaschen Batterie ab. Bei 15 Th. Wasser wurde an der Anode neben viel Chlor ein wenig Sauerstoff entwickelt. Da die Lösung nun ein schlechter Elektricitätsleiter war, wurde ihr Schwefelsäure zugesetzt. Dadurch wurde eine raschere Zersetzung herbeigeführt, aber das Verhältniß des Chlors zum Sauerstoff nicht merklich geändert.

761) Die Salzsäure wurde nun mit dem 100fachen ihres Volums an verdünnter Schwefelsäure vermischt. Sie gab aber noch an der Anode eine große Menge Chlor, gemengt mit Sauerstoff; und das Resultat blieb sich gleich, es mochte eine voltasche Säule von 40 Plattenpaaren oder eine von nur 5 Paaren angewandt werden. Mit Säure von dieser Stärke verhielt sich der Sauerstoff an der Anode zum Wasserstoff an der Kathode, dem Volume nach, wie 17 zu 64, und daher würde das Chlor, wäre es nicht von der Flüssigkeit gelöst worden, 30 Volume eingenommen haben.

762) Was die Menge der Elemente betrifft, so wurde beim Gebrauch des Volta-Elektrometer gefunden, daß, es mochte die stärkste oder schwächste Säure angewandt werden, Chlor für sich oder gemengt mit Sauerstoff an der Anode erscheinen, dennoch der Wasserstoff an der Kathode in constanter Menge entwickelt wurde, d. h. genau in gleicher Menge, wie sie eine gleiche Menge Elektricität aus Wasser entwickelte.

763) Diese Beständigkeit entscheidet zwar nicht, ob die Salzsäure elektrolysirt werde oder nicht, allein sie beweist, daß, wenn es der Fall, sie in bestimmten Verhältnissen zu der angewandten Elektricitätsmenge elektrolysirt worden seyn muß. Andere Betrachtungen gestatten jedoch diesen Punkt zu entscheiden. Die Analogie zwischen Sauerstoff und Chlor in ihren Beziehungen zum Wasserstoff ist so groß, daß sie uns fast die Gewißheit giebt, daß, wenn jene Elemente mit diesem letzteren verbunden sind, sie ähnliche Rollen in dem Proceß der Elektro-Zersetzung spielen werden. Beide vereinigen sich zu [444] einem einzigen Atom mit einem Atom Wasserstoff[17] und da die Anzahl (oder richtiger das Verhältniß. P.) der Atome eine innige und wichtige Beziehung zur Zersetzbarkeit eines Körpers zu haben scheint (697), so befinden sich die Atome der Salzsäure, so gut wie die des Wassers, in den günstigsten oder vielleicht gar nothwendigen Umständen für die Zersetzung. Auch aus anderen Chlorverbindungen, welche nichts Zweifelhaftes hinsichtlich der gleichzeitigen Anwesenheit von Chlor und Sauerstoff einschließen, wird das Chlor durch den elektrischen Strom direct an der Anode entwickelt. Dieß ist der Fall mit dem Bleichlorid (395), welches sich streng mit dem Bleioxyd (402) vergleichen läßt, und sich zu diesem eben so verhält wie Salzsäure zu Wasser. In derselben Beziehung stehen die Chloride von Kalium, Natrium, Barium u. s. w. zu den Oxyden dieser Metalle, und sie zeigen unter dem Einfluß des elektrischen Stroms dieselben Resultate.

764) Aus allen diesen Versuchen und diesen Betrachtungen schließe ich, daß die Salzsäure direct durch den elektrischen Strom zersetzt wird, und daß der Betrag der entwickelten Stoffe und deshalb die chemische Action bestimmt ist für eine bestimmte Menge Elektricität. Denn wiewohl ich das Chlor an der Anode im abgesonderten Zustande nicht gesammelt und gemessen habe, so leidet es doch keinen Zweifel, daß es nicht dem Wasserstoff an der Kathode proportional sey. Und deshalb genügen die Resultate, das allgemeine Gesetz der constanten elektro-chemischen Action für die Salzsäure festzustellen.

765) Für die verdünnte Säure (761) schließe ich, daß ein Theil des Wassers elektro-chemisch zersetzt [445] worden, und daß so der Sauerstoff entstanden ist, welcher sich dem Chlor an der Anode beigemischt zeigte. Der Sauerstoff kann als ein secundäres Resultat angesehen werden; allein ich bin zu glauben geneigt, daß dem nicht so sey; denn wenn es der Fall wäre, ließe sich erwarten, daß er aus der stärksten Saure in größter Menge aufträte, wogegen in Wirklichkeit das Umgekehrte stattfindet. Diese und andere Betrachtungen führen mich zu dem Schluß, daß die Salzsäure leichter als das Wasser durch den elektrischen Strom zersetzt wird; denn selbst wenn die Säure mit dem Acht- oder Neunfachen ihres Gewichts an Wasser verdünnt ist, wird sie allein zersetzt und das Wasser bleibt unangegriffen.

766) Chloride. – Beim Gebrauche wäßriger Lösungen von Chloriden, z. B. von Natrium- oder Calciumchlorid, wurde an der positiven Elektrode nur Chlor, und an der negativen Elektrode dagegen Wasserstoff nebst dem Oxyde der Base, also Natron und Kalk, entwickelt. Der Zersetzungsproceß läßt sich hier auf zwei oder dreierlei Weisen betrachten, welche alle zu demselben Resultate führen. Am einfachsten ist es vielleicht anzunehmen, das Chlorid sey die elektrolysirte Substanz, sein Chlor gehe zur Anode und sein Metall zur Kathode, wo letzteres, kein Chlor mehr findend, auf das Wasser wirkt, und so Wasserstoff und Sauerstoff als secundäre Resultate hervorruft. Da eine weitere Erörterung nicht von unmittelbaren Nutzen ist und sie mich von wichtigeren Gegenständen abziehen würde, so enthalte ich mich derselben für jetzt. Von großer Wichtigkeit ist aber, daß man bei Anwendung des Volta-Elektrometers den Wasserstoff in beiden Fällen in bestimmter Menge antrifft; wenn die Resultate auch nicht die bestimmte Zersetzung der Chloride erweisen (was weiterhin – 789. 794. 814 – erwiesen werden wird), so sind sie doch nicht im Geringsten dem Schluß auf dieselbe zuwider, und sie unterstützen das allgemeine Gesetz.

[446] 767) Jodwasserstoffsäure. – Eine Lösung von Jodwasserstoffsäure wird genau auf dieselbe Weise wie die Salzsäure ergriffen. Ist sie stark, wird an der negativen Elektrode Wasserstoff entwickelt, in bestimmtem Verhältniß zur durch geleiteten Elektricitätsmenge[WS 3], d. h. in demselben Verhältniß, wie er durch denselben Strom aus Wasser entwickelt worden wäre. Jod, ohne allen Sauerstoff, erscheint an der positiven Elektrode. Ist die Säure aber verdünnt, erscheint neben dem Jod auch Sauerstoff an der Anode, doch das Verhältniß des Wasserstoffs an der Kathode bleibt ungestört.

768) Ich halte die Zersetzung der Jodwasserstoffsäure in diesem Fall für direct, aus Gründen, die ich schon bei der Salzsäure angegeben habe (763. 764).

769) Jodide. – Eine Lösung von Jodkalium dem voltaschen Strom unterworfen, gab Jod (ohne Sauerstoff) an der positiven Elektrode und Wasserstoff, nebst freiem Alkali an der negativen Elektrode. Was die Zersetzungsart betrifft, so sind hier dieselben Bemerkungen anwendbar, welche bei den Auflösungen der Chloride gemacht wurden (766).

770) Fluorwasserstoffsäure und Fluoride. – Eine Lösung von Fluorwasserstoffsäure schien unter dem Einfluß des elektrischen Stroms nicht zersetzt zu werden. Es ward anscheinend nur das Wasser zersetzt. Die geschmolzenen Fluoride wurden elektrolysirt (417); allein da ich bei diesen Einwirkungen Fluor im isolirten Zustand erhielt, so halte ich es für besser dieß einer künftigen Reihe dieser Untersuchungen vorzubehalten, wo ich eine ausführlichere Beschreibung von den Resultaten geben werde, als hier paßlich seyn würde.

771) Cyanwasserstoffsäure, in Lösung, leitet sehr schlecht. Die bestimmte Menge Wasserstoff (gleich der aus Wasser) ward an der Kathode in Freiheit gesetzt, und an der Anode eine kleine Menge Sauerstoff, wo sich auch anscheinend eine Lösung von Cyan bildete. Diese [447] Wirkung entsprach ganz der bei verdünnter Salzsäure oder Jodwasserstoffsäure. Dieselben Resultate stellten sich ein, als die Cyanwasserstoffsäure durch Zusatz von Schwefelsäure besser leitend gemacht worden.

Cyanide. – Mit einer Lösung vom Kaliumcyanid war das Resultat genau eben so wie mit einem Chlorid oder Jodid. Kein Sauerstoff wurde an der positiven Elektrode entwickelt, sondern bloß eine braune Lösung daselbst gebildet. Aus den bei den Chloriden (766) angegebenen Gründen, und weil geschmolzenes Kaliumcyanid Cyan an der positiven Elektrode ausgiebt[18], bin ich zu glauben geneigt, daß das gelöste Cyanid direct zersetzt werde.

772) Eisen-Cyanwasserstoffsäure und Eisencyanide, so wie Schwefel-Cyanwasserstoffsäure und Schwefelcyanide gaben genau den eben beschriebenen entsprechende Resultate (771).

773) Essigsäure. – Geschmolzener Eisessig wird nicht zersetzt (405), noch leitet er Elektricität. Als ihm ein wenig Wasser zugesetzt ward, waren ebenfalls keine Anzeigen von Wirkung da. Bei Zusatz von mehr Wasser wirkte es langsam, wie es Wasser für sich gethan haben würde. Um ihn leitender zu machen wurde ihm verdünnte Schwefelsäure zugesetzt; nun entwickelte sich an der Kathode die bestimmte Menge Wasserstoff, und an der Anode ein Gemeng von Sauerstoff, in sehr unzureichender Menge, mit Kohlensäure und etwas Kohlenoxyd. Hieraus folgt also, daß die Essigsäure nicht elektrolysirbar ist, sondern daß ein Theil derselben von dem an der Anode entwickelten Sauerstoff zersetzt wird, secundäre Resultate hervorbringt, die nach der Stärke der Säure, der Intensität des Stroms und andern Umständen verschieden sind.

[448] 774) Essigsaure Salze. – Eins dieser Salze habe ich bereits erwähnt, als secundäre Resultate in Bezug auf die Essigsäure liefernd (749). Auch bei vielen anderen essigsauren Metallsalzen sind die Resultate an beiden Elektroden secundär (746. 750).

Geschmolzenes und wasserfreies essigsaures Natron wird, wie ich glaube, als ein wahrer Elektrolyt direct zersetzt, giebt Natron an der Kathode und Essigsäure an der Anode aus. Beide Stoffe haben indeß nur ein vorübergehendes Daseyn, denn sie werden sogleich in andere verwandelt; Kohle, Natrium-Wasserstoff (sodiuretted Hydrogen) u. s. w. werden an der Kathode frei, und, so weit ich unter den Umständen urtheilen konnte, Essigsäure gemengt mit Kohlensäure und Kohlenoxyd etc. an der Anode.

775) Weinsäure. – Eine reine Lösung von Weinsäure ist ein eben so schlechter Leiter als reines Wasser. Setzt man ihr aber Schwefelsäure hinzu, so leitet sie gut, und die Resultate an der positiven Elektrode sind primär oder secundär in verschiedenen Verhältnissen, je nach der Stärke der Säure und der Kraft des elektrischen Stroms (752). Weinsaure Alkalien geben an der positiven Elektrode secundäre Resultate in großer Menge. Der Wasserstoff an der negativen Elektrode bleibt constant, wenn nicht gewisse Metallsalze angewandt werden.

776) Es wurden nun Lösungen von andern pflanzensauren Salzen, z. B. von benzoësauren Salzen, Lösungen von Zucker, Gummi u. s. w. in verdünnter Schwefelsäure; Lösungen von Harzen, Eiweiß in Alkalien etc. nacheinander der elektrolytischen Wirkung des voltaischen Stromes unterworfen. In allen diesen Fällen wurden indeß in größerem oder geringerem Betrage secundäre Resultate an der positiven Elektrode erzeugt.

777) Beim Schlusse dieses Abschnitts gegenwärtiger Untersuchungen kann es nicht entgehen, daß das Endresultat [449] der Wirkung des elektrischen Stroms auf die zwischen die Elektroden gebrachten Substanzen nicht einfach, sondern sehr verwickelt seyn kann. Es giebt zwei Arten, auf welche diese Substanzen zersetzt werden können, entweder durch die directe Kraft des elektrischen Stroms oder durch die Wirkung von Körpern, welche dieser Strom zu entwickeln vermag. Es giebt auch zwei Wege, auf welchen sich neue Verbindungen bilden lassen, nämlich durch Verbindung der Substanzen, während sie sich noch im Entstehungszustande befinden (658), direct mit der Substanz der Elektrode, oder durch Verbindung mit denjenigen Körpern, welche, weil sie in dem zersetzt werdenden Leiter enthalten oder ihm beigemengt sind, sich nothwendigerweise an der Anode oder Kathode gegenwärtig befinden. Noch verwickelter wird die Sache dadurch, daß zwei oder drei dieser Actionen gleichzeitig und in verschiedenen Verhältnissen zu einander stattfinden können. Größtentheils lassen sich indeß die Schwierigkeiten durch die bereits angegebenen Grundsätze (747) beseitigen.

778) Gebraucht man wäßrige Lösungen von den Körpern, so sind die secundären Resultate ungemein häufig. Selbst wenn das Wasser nicht in großer Menge, sondern nur als das zur Verbindung gehörige zugegen ist, erfolgen oft noch secundäre Resultate. So z. B. ist es sehr möglich, daß bei H. Davy’s Zersetzung der Hydrate von Kali und Natron ein Theil des erzeugten Kaliums das Resultat einer secundären Wirkung war. Daraus entspringt auch das häufige Verschwinden von Sauerstoff und Wasserstoff, welche sonst entwickelt worden seyn würden. Wenn in wäßrigen Lösungen an der Kathode kein Wasserstoff erscheint, so ist dieß vielleicht immer Anzeige, daß eine secundäre Wirkung daselbst stattfand. [450] Bis jetzt hat sich bei meinen Beobachtungen keine Ausnahme von dieser Regel dargeboten.

779) Die secundären Wirkungen sind nicht beschränkt auf die wäßrigen Lösungen oder auf die Fälle, wo Wasser zugegen ist. So z. B. geben viele Chloride, geschmolzen (402) zwischen zwei Platin-Elektroden, Chlor an der Anode aus. In vielen Fällen, z. B. bei den Chloriden von Blei, Kalium und Barium u. s. w. wirkt das Chlor auf das Platin, und bildet mit demselben eine Verbindung, die sich löst. Nimmt man aber Zinnchlorür, so wirkt das Chlor an der Anode nicht auf das Platin, sondern auf das daselbst schon fertige Chlorür, Chlorid damit bildend, welches sich in Dämpfen erhebt (790. 804). Dieß sind daher Fälle secundärer Actionen beiderlei Art, erzeugt in Körpern, die kein Wasser enthalten.

780) Die Abscheidung von Bor aus geschmolzenem Borax (402. 417) ist auch ein Fall von secundärer Action; denn die Borsäure wird nicht durch die Elektricität zersetzt (406), und es war bei früheren Versuchen das an der Kathode ausgeschiedene Natrium, welches auf die dasselbe umringende Borsäure wirkend, dieser Sauerstoff entzog und dadurch Bor in Freiheit setzte.

781) Die secundären Wirkungen haben bereits in Hrn. Becquerel’s Händen viele interessante Resultate hinsichtlich der Bildung von Verbindungen geliefert, von denen einige neu, andere aber Nachahmungen von den in der Natur vorkommenden sind[19]. Wahrscheinlich werden sie sich nach entgegengesetzter Richtung hin, d. h. durch Darbietung von Fällen analytischer Zersetzung, eben so interessant erweisen. Wahrscheinlich werden wir auch über die Zusammensetzung und vielleicht auch über die Anordnung der Theilchen solcher Körper, wie Pflanzensäuren und Pflanzenbasen, und der organischen Substanzen überhaupt viele Belehrung erhalten, wenn wir sie [451] der Einwirkung des im Entstehungszustand an den Elektroden abgeschiedenen Sauerstoffs, Wasserstoffs und Chlors u. s. w. unterwerfen. Die Wirkung scheint um so mehr zu versprechen, als wir über Umstände gebieten können, welche alle, wie die Stärke des Stroms, die Größe der Elektrode, die Natur und Concentration der zersetzt werdenden Leiter u. s. w., einen entsprechenden Einfluß auf das Endresultat erwarten lassen.

782) Für mich ist es sehr befriedigend, daß die ungemeine Mannigfaltigkeit der secundären Resultate keinen Einwurf dargeboten haben gegen die Lehre von einer constanten und festen elektro-chemischen Action, zu deren näherer Betrachtung ich nun übergehen will.

[481]
G. Ueber die Bestimmtheit und den Bereich der elektro-chemischen Zersetzung.

783) In der dritten Reihe dieser Untersuchungen[20] habe ich, nachdem ich die Einerleiheit der aus verschiedenen Quellen herstammenden Elektricität bewiesen, und durch Messungen die außerordentliche Menge der in einem sehr schwachen voltaschen Apparat (371. 376) entwickelten Elektricität dargethan, ein aus Versuchen hergeleitetes Gesetz aufgestellt, welches mir für die Elektricitätslehre überhaupt, und für den Elektrochemie genannten Zweig derselben insbesondere, von der äußersten Wichtigkeit zu seyn schien. Dieß Gesetz drückte ich so aus: Die chemische Kraft eines elektrischen Stroms ist direct proportional der absoluten Menge von durchgegangener Elektricität (377).

784) Im weiteren Verfolg der Untersuchungen habe ich oft Gelegenheit gehabt mich auf dasselbe Gesetz zu[WS 4] beziehen, zuweilen unter Umständen, welche kräftige Bestätigungen seiner Wahrheit lieferten (456. 504. 505) und auch die gegenwärtige Reihe liefert viele neue Fälle, in welchen es sich als gültig erweist (704. 722. 726. 732). Jetzt ist meine Absicht, diesen wichtigen Satz näher zu betrachten und einige der Folgerungen, zu welchen er führt, ausführlich zu entwickeln. Damit der Beweis deutlicher und anwendbarer werde, will ich Fälle von Zersetzungen [482] anführen, welche möglichst wenig zu secundären Resultaten Anlaß geben, und bei Körpern von großer Einfachheit aber vieler Bestimmtheit in ihrer Natur stattfinden.

785) Zuvörderst betrachte ich das Gesetz als so völlig erwiesen für die Zusammensetzung des Wassers, und unter Umständen, die möglicherweise einen Einfluß auf dasselbe hätten ausüben können, daß ich es für überflüssig halte, hier noch dieserhalb in ein weiteres Detail einzugehen oder gar die Resultate aufzuzählen (732). Ich verweise deshalb auf diejenige Abtheilung dieser Untersuchungen, welche von dem Volta-Elektrometer handelt (S. 316 dieses Bandes).

786) Dann betrachte ich das Gesetz auch als erwiesen für die Salzsäure; und zwar durch die Versuche und Gründe, welche ich bei dieser Substanz in dem Abschnitt von den primären und secundären Resultaten angeführt habe (758 u. ff.).

787) Ferner betrachte ich das Gesetz auch als erwiesen für die Jodwasserstoffsäure, gemäß den bereits in einer früheren Reihe dieser Untersuchung mitgetheilten Versuchen und Betrachtungen (767. 768).

788) Ohne gerade mit derselben Zuversicht sprechen zu wollen, glaube ich doch aus den beschriebenen und vielen anderen nicht beschriebenen Versuchen mit der Fluorwasserstoff-, Cyanwasserstoff-, Eisencyanwasserstoff- und Schwefelcyanwasserstoffsäure, und aus der großen Analogie dieser Körper mit den Wasserstoffsäuren des Chlors, Jods, Broms u. s. w., (770. 771. 772) schließen zu dürfen, daß auch diese Substanzen unter das nämliche Gesetz gehören und die Richtigkeit desselben beweisen.

789) In den vorhergehenden Fällen, mit Ausnahme des ersten, ist das Wasser als unwirksam angesehen; um aber jeden Zweifel, der aus der Gegenwart desselben entspringen könnte, zu vermeiden, suchte ich Substanzen auf, die ganz frei von demselben seyen. Mit Zuhülfeziehung des bereits entwickelten Gesetzes der Leitung [483] (300 u. ff.) fand ich auch bald viele, unter denen das Zinnchlorür zuerst und auf folgende Weise der Zersetzung unterworfen wurde. Ein Platindraht (piece of platina), der an einem Ende zu einem Knöpfchen aufgerollt und sorgfältig gewogen worden, wurde in eine Röhre von Bouteillenglas hermetisch eingesiegelt, so daß der Knopf sich am Boden der Röhre befand (Fig. 13 Taf. III [s. 690]); dann wurde die Röhre an einen Platindraht aufgehängt, damit sie durch eine Weingeistflamme erhitzt werden konnte. Nun brachte ich frisch geschmolzenes Zinnchlorür hinein, in solcher Menge, daß es, wenn es floß, die Röhre zur Hälfte füllte. Den Draht der Röhre (wire of the tube) verband ich mit einem Volta-Elektrometer (711), das seinerseits mit dem negativen Ende einer voltaschen Batterie in Verbindung stand; und einen Platindraht, der am positiven Ende derselben Batterie befestigt war, tauchte ich in das geschmolzene Chlorür der Röhre; er war so gebogen, daß er bei etwaigem Zittern der Hand oder des Apparats nicht die negative Elektrode am Boden des Gefäßes berühren konnte. Die ganze Vorrichtung ist in Fig. 14 Taf. III abgebildet.

790) Unter diesen Umständen wurde das Zinnchlorür zersetzt. Das an der positiven Elektrode entwickelte Chlor bildete Zinnchlorid (779), welches in Dämpfen davon ging, und das an der negativen Elektrode ausgeschiedene Zinn verband sich mit dem Platin, eine Legirung bildend, welche bei der Temperatur, der die Röhre ausgesetzt ward, schmolz, und deshalb niemals eine metallische Verbindung ganz durch das zersetzt werdende Chlorür bildete. Nachdem der Versuch so lange fortgesetzt worden, daß er in dem Volta-Elektrometer eine gehörige Menge Gas gegeben hatte, wurde die Batterie geöffnet, die positive Elektrode entfernt, und die Röhre mit dem übrig gebliebenen Chlorür erkalten gelassen. Als sie kalt war, wurde die Röhre zerbrochen, wo sich dann das Chlorür und das Glas leicht von dem Platindraht [484] und dessen Knopf von Legirung ablösen ließ. Der letztere, nach dem Abwaschen gewogen, gab durch seine Gewichtszunahme die Menge des reducirten Zinns.

791) Zur Erläuterung der Anstellungsweise dieses und anderer Versuche, deren Resultate ich anzuführen Gelegenheit nehmen werde, will ich die Einzelheiten eines solchen Versuches angeben. Die negative Elektrode wog anfangs 20 Gran; nach dem Versuch wog sie mit ihrem Knopf von Legirung 23,2 Gran. Das durch den elektrischen Strom an der Kathode entwickelte Zinn wog demnach 3,2 Gran. Die Menge des in dem Volta-Elektrometer gesammelten Sauerstoffs und Wasserstoffs war =3,85 Kubikzoll. Da 100 Kubikzoll Wasserstoff und Sauerstoff in dem zur Wasserbildung erforderlichen Verhältniß etwa 12,92 Gran wiegen, so würden die 3,85 Kubikzoll 0,49742 Gran wiegen, und dieß wäre demnach das Gewicht des Wassers, welches derselbe elektrische Strom zersetzte, der im Stande war so viel Zinnchlorür, als 3,2 Gran metallischen Zinns liefert, zu zersetzen. Nun ist 0,49742 : 3,2 :: 9 (das Aequivalent des Wassers) 57,9, welche letztere Zahl demnach das Gewicht des Zinns seyn würde, wenn der Versuch fehlerfrei angestellt, und die elektro-chemische Zersetzung in diesem Fall auch bestimmt wäre. In einigen chemischen Werken wird das Aequivalent zu 58 angegeben, in andern zu 57,9. Beide kommen dem obigen Resultat so nahe, und der Versuch selbst ist so geringen Ursachen zur Veränderung unterworfen (wie z. B. die aus der Absorption des Gases im Volta-Elektrometer (716) u. s. w.), daß die Zahlen wenig Zweifel übrig lassen hinsichtlich der Anwendbarkeit des Gesetzes der festen Action in diesen und allen ähnlichen Fällen von elektro-chemischer Zersetzung.

792) Nicht oft habe ich in den Zahlen eine solche Uebereinstimmung erhalten wie in dem eben angeführten Fall. Bei vier Versuchen schwankten die im Volta-Elektrometer entwickelten Gasmengen von 2,95 bis 10,29 Kubikzoll. [485] Das Mittel aus diesen vier Versuchen gab 58,53 für das elektro-chemische Aequivalent des Zinns.

793) Das nach dem Versuche übrig gebliebene Chlorzinn war reines Chlorür, und Keiner wird nur einen Augenblick zweifeln, daß an der Anode das Aequivalent Chlor entbunden ward, da sich als secundäres Resultat Zinnchlorid bildete und davon ging.

794) Auf eine ähnliche Weise wurde mit Bleichlorid experimentirt, außer daß die positive Elektrode von anderer Substanz genommen wurde. Denn da das an der Anode entbundene Chlor kein höheres Bleichlorid bildet, sondern auf das Platin wirkt, so würde es, falls man Platin anwendete, eine Lösung von dem Chloride dieses Metalls in dem Bleichlorid erzeugen, und dem gemäß eine Portion Platin zu der Kathode überführen, wodurch das Resultat fehlerhaft werden würde. Ich suchte deshalb nach, und fand in dem Graphit eine Substanz, die mit Sicherheit als positive Elektrode in solchen Körpern, wie Chloride, Jodide u. s. w., angewandt werden kann. Chlor und Jod wirken nicht auf den Graphit, sondern werden isolirt entwickelt. Unter jenen Umständen hat auch der Graphit keine Wirkung auf geschmolzenes Chlorid oder Jodid, in das er getaucht wird. Selbst wenn durch die Hitze oder die mechanische Wirkung des entwickelten Gases einige Flitterchen Graphit abgelöst werden sollten, können sie dem Chlorid nicht schaden.

795) Das Mittel aus 3 Versuchen gab die Zahl 100,85 als das Aequivalent des Bleis. Das chemische Aequivalent ist 103,5. Den Fehler meines Versuchs schreibe ich der theilweisen Lösung des Gases in dem Volta-Elektrometer (716) zu; allein die Resultate lassen für mich keinen Zweifel übrig, daß Blei und Chlor in diesem Falle durch die Wirkung einer gegebenen Menge Elektricität (814) in fest bestimmter Menge entwickelt worden sind.

796) Antimonchlorid. Es war bei der Bemühung, [486] das elektro-chemische Aequivalent des Antimons ans dessen Chlorid herzuleiten, daß ich in einem früheren Theil dieser Untersuchungen auf die Anwesenheit von Wasser in dieser Verbindung schloß (690. 693 ff.).

797) Ich bemühte mich mit Bleioxyd zu experimentiren, welches durch Schmelzen und Glühen des salpetersauren Salzes in einem Platintiegel erhalten worden war, stieß aber dabei auf große Schwierigkeiten, wegen der zur vollkommenen Schmelzung erforderlichen Temperatur, und wegen der großen Lösekraft (fluxing qualities) dieses Oxyds. Röhren von grünem Glase zeigten sich wiederholentlich als untauglich. Zuletzt schmolz ich das Oxyd in einem kleinen Porcellantiegel, der im Kohlenfeuer stark erhitzt wurde; und da es wesentlich war, daß das Blei an der Kathode unterhalb der Oberfläche ausgeschieden wurde, ward die negative Elektrode bekleidet mit einer Röhre von grünem Glase, so an dieselbe angeschmolzen, daß nur der Knopf des Platins am unteren Ende (Fig. 15 Taf. III) entblößt blieb, damit dieser unter die Oberfläche gebracht, und dadurch alle Luft oder deren Sauerstoff von dem daselbst reducirten Blei ausgeschlossen werden konnte. Als positive Elektrode wurde ein Platindraht angewandt, da derselbe von dem an ihm entwickelten Sauerstoff nicht angegriffen werden konnte. Die ganze Vorrichtung zeigt Fig. 16 Taf. III.

798) Bei solch einem Versuche fand sich das Aequivalent für das Blei =93,17. Dieß war sehr viel zu klein, vermuthlich, weil die positive und die negative Elektrode einander in dem Bleioxyde zu nahe standen, wodurch der von dem Sauerstoff an der Anode gebildete Schaum hin und wieder leicht das an der Kathode reducirte Blei berühren und wieder oxydiren konnte. Als ich mich bemühte, diese Fehlerquelle durch Anwendung einer größeren Menge Bleioxyd zu beseitigen, so veranlaßte die stärkere Hitze, die nöthig war, um dieselbe in Fluß zu erhalten, eine schnellere Wirkung auf den Tiegel; derselbe [487] wurde bald durchgefressen und damit der Versuch unterbrochen.

799) Bei einem Versuche dieser Art gebrauchte ich borsaures Blei (406. 673). Unter dem Einfluß des elektrischen Stroms wurde dabei an der Anode Blei und an der Kathode Sauerstoff abgeschieden; und da die Borsäure bei der Operation weder direct (408) noch zufällig zersetzt wird, vermuthete ich, daß das Resultat von dem Bleioxyd herrührte. Das borsaure Bleioxyd ist kein so heftiges Flußmittel als das Bleioxyd; allein es erfordert zu seiner vollen Schmelzung eine höhere Temperatur; und wenn es nicht sehr heiß ist, bleiben die Sauerstoffblasen an der positiven Elektrode hängen, und verzögern den Durchgang der Elektricität. Das Aequivalent für das Blei ergab sich zu 101,29, so nahe an 103,5, daß die Wirkung des Stroms offenbar eine bestimmte war.

800) Wismuthoxyd. – Diese Substanz erforderte, fand ich, eine zu hohe Temperatur, und wirkte als Flußmittel zu kräftig, als daß ich mit demselben bei der geringen Muße und Sorgfalt, die darauf verwendet werden konnte, einen Versuch hätte anstellen können.

801) Nun wurde das gewöhnliche Antimonoxyd, bestehend aus einem Proportional Metall und anderthalb Proportionalen Sauerstoff dem elektrischen Strome unterworfen, in einer grünen Glasröhre (789), die in Platinblech eingehüllt und im Kohlenfeuer erhitzt worden. Die Zersetzung begann, und ging anfänglich ganz gut, scheinbar in Uebereinstimmung mit dem allgemeinen Gesetze (679. 697) zeigend, daß dieses Oxyd eine Verbindung von solchen Elementen und in solchem Verhältnisse sey, die unter die Herrschaft des elektrischen Stroms gebracht werden könne. Dieser Erfolg kann, wie ich bereits wahrscheinlich zu machen suchte, herrühren von der Anwesenheit des wahren Oxyds, bestehend aus gleich viel Proportionalen seiner Bestandtheile (693. 696). Die Wirkung verminderte sich aber bald und hörte endlich ganz [488] auf, weil sich an der positiven Elektrode ein höheres Antimonoxyd bildete. Diese Verbindung, wahrscheinlich Antimonsäure (peroxide), war unschmelzbar und in Antimonoxyd unlöslich; sie bildete deshalb eine krystallinische Kruste um die positive Elektrode, isolirte dieselbe und verwehrte dadurch der Elektricität den Durchgang. Ob sie, wenn sie schmelzbar und löslich gewesen wäre, zersetzt worden seyn würde, ist zweifelhaft, da sie von der erforderlichen Zusammensetzung abweicht (697). Sie war ein sehr natürliches secundäres Product an der positiven Elektrode (779). Beim Oeffnen der Röhre ergab sich, daß an der negativen Elektrode ein wenig Antimon abgeschieden worden war, allein in zu kleiner Menge, als daß ein quantitatives Resultat hätte damit erlangt werden können.

602) Bleijodid. – Mit dieser Substanz kann man in Röhren über einer Weingeistflamme experimentiren (789); allein ich erhielt keine guten Resultate mit ihr, ich mochte positive Elektrode von Platin oder Graphit anwenden. Bei zwei Versuchen ergaben sich mir für das Blei-Aequivalent die Zahlen 75,46 und 73,45 statt 103,5. Dieß leitete ich davon ab, daß sich an der positiven Elektrode Hyperjodid bildete, sich in dem flüssigen Jodid löste, dadurch mit dem an der negativen Elektrode abgeschiedenen Blei in Berührung kam, dasselbe auflöste und dadurch seinerseits wiederum zum einfachen Jodid wurde. Solch ein Hyperjodid giebt es; sehr selten kann ein durch Fällung dargestelltes und wohl gewaschenes Jodid geschmolzen werden, ohne daß sich nicht, aus anwesendem Hyperjodid, Jod entwickelte. Selbst durch bloßes Zusammenreiben vom Jodid mit Jod bildet sich eine Portion Hyperjodid. Und wiewohl dieß zersetzt wird, wenn man es schmilzt und einige Minuten lang dunkelroth glüht, so ist damit doch nicht ganz die Möglichkeit ausgeschlossen[WS 5], daß ein Wenig von dem, welches sich im großen Ueberschuß von Jod an der [489] Anode gebildet hatte, durch rasche Ströme in der Flüssigkeit bis an die Kathode geführt wurde.

803) Diese Ansicht von den Resultaten wurde durch einen dritten Versuch verstärkt, bei welchem der Abstand zwischen den Elektroden bis zu einem Drittelzoll vergrößert wurde. Denn nun waren die störenden Wirkungen sehr verringert, und die Zahl für das Blei ergab sich =89,04. Völlig bestätigt wurde dieß durch die Resultate, welche in den sogleich zu beschreibenden Fällen (818) von Ueberführung erhalten wurden.

Die Versuche mit Bleijodid bieten daher keine Ausnahme von dem in Rede stehenden allgemeinen Gesetze dar, sondern können, nach allgemeinen Betrachtungen, als in dasselbe eingeschlossen betrachtet werden.

804) Zinnchlorür. – Geschmolzen leitet es den elektrischen Strom und wird von demselben zersetzt; an der Anode scheidet sich Zinn aus, und an der Kathode, als secundäres Resultat, Zinnchlorid (779. 790). Die zu seiner Schmelzung erforderliche Temperatur ist zu hoch, als daß es Producte liefern konnte, die zur Wägung geschickt gewesen wären.

805) Nun wurde Jodkalium in einer Röhre (Taf. III Fig. 13) der elektrolytischen Action ausgesetzt (789). Die negative Elektrode bestand aus einem Bleikügelchen; mittelst dieses hoffte ich das Kalium zurückzuhalten, und Resultate zu bekommen, die gewägt und mit den Angaben des Volta-Elektrometer verglichen werden könnten. Allein die aus der erforderlichen hohen Temperatur entspringenden Schwierigkeiten, die Wirkung auf das Glas, die durch das anwesende Blei veranlasste Schmelzbarkeit des Platins und andere Umstände hinderten mich dergleichen Resultate zu bekommen. Wie in den früheren Fällen wurde das Jodid zersetzt, unter Abscheidung von Jod an der Anode und von Kalium an der Kathode.

806) Bei einigen dieser Versuche wurden mehre Substanzen neben einander angebracht und gleichzeitig [490] durch einen nämlichen elektrischen Strom zersetzt. So ließ ich den Strom gleichzeitig auf Zinnchlorür, Bleichlorid und Wasser einwirken. Es ist überflüssig zu sagen, daß die Resultate vergleichbar waren, daß Zinn, Blei, Chlor, Sauerstoff und Wasserstoff in fester und den elektro-chemischen Aequivalenten entsprechender Menge entwickelt wurden.

807) Wenden wir uns nun zu einer andern Art von Erweise der festen chemischen Action der Elektrizität. Gäbe es irgend einen Umstand von Einfluß auf die Menge der bei elektrolytischer Action entwickelten Substanzen, so sollte man denken, würde er eintreten, wenn Elektrode von verschiedenen Substanzen, begabt mit sehr ungleicher chemischer Verwandtschaft zu den entwickelten Körpern, angewandt würden. Platin hat in verdünnter Schwefelsäure kein Vermögen sich mit dem Sauerstoff an der Anode zu verbinden, wiewohl der letztere im Entstehungszustande an ihr entwickelt wird. Kupfer andererseits verbindet sich sogleich mit dem Sauerstoff, so wie es mittelst des Wasserstoffs durch den elektrischen Strom in Freiheit gesetzt wird. Und Zink ist nicht allein im Stande sich mit Sauerstoff zu verbinden, sondern vermag auch denselben, ohne Hülfe der Elektricität, geradezu aus dem Wasser abzuscheiden, unter gleichzeitiger Entwicklung von Wasserstoffgasblasen. Und doch, als diese drei Substanzen nach einander in drei ähnlichen Portionen derselben Schwefelsäure von 1,336 spec. Gew. als Elektroden gebraucht wurden, ward durch den elektrischen Strom genau dieselbe Menge Wasser zersetzt, und genau dieselbe Menge Wasserstoff an den Kathoden in den drei Lösungen in Freiheit gesetzt.

808) Der Versuch ward so angestellt. Portionen von jener verdünnten Schwefelsäure wurden in drei Schalen gegossen, und drei Volta-Elektrometer von der Form Fig. 5 und 7 Taf. III mit derselben Säure gefüllt und in den Schalen umgekehrt, in jeder eins (707). Ein mit [491] dem positiven Ende einer voltaschen Batterie verbundener Zinkstreif wurde in die erste Schale getaucht, hier die positive Elektrode bildend, und der Wasserstoff, der sich durch directe Einwirkung der Säure reichlich an ihr entwickelte, entweichen gelassen. Ein Kupferstreif, welcher in die Säure der zweiten Schale tauchte, wurde mit der negativen Elektrode der ersten Schale verbunden und ein Platinstreif, welcher in die Säure der dritten Schale tauchte, wurde verbunden mit der negativen Elektrode der zweiten Schale. Die negative Elektrode der dritten Schale wurde mit einem Volta-Elektrometer verbunden (711) und dieses wiederum mit dem negativen Ende der voltaschen Batterie.

809) Gleich nach dem Schlusse der Kette begann die elektro-chemische Action in allen Gefäßen. Der Wasserstoff stieg in anscheinend unverminderter Menge von der positiven Zink-Elektrode in der ersten Schale auf. An der positiven Kupfer-Elektrode in der zweiten Schale entwickelte sich kein Sauerstoff, wohl aber ward hier schwefelsaures Kupferoxyd gebildet. An der positiven Platin-Elektrode in der dritten Schale entwickelte sich dagegen reines Sauerstoffgas, ohne daß sie angegriffen wurde. In allen Schalen aber war die Menge des an den negativen Platin-Elektroden entwickelten Wasserstoffs gleich und eben so groß als das im Volta-Elektrometer entwickelte Wasserstoffvolum, dadurch zeigend, daß der Strom in allen Gefäßen eine gleiche Menge Wasser zersetzt hatte. Bei diesem Versuch hatte sich demnach die chemische Action der Elektrizität als vollkommen bestimmt erwiesen.

810) Ein ähnlicher Versuch wurde mit einer durch ein gleiches Volum Wasser verdünnten Salzsäure angestellt. Die drei positiven Elektrode waren von Zink, Silber und Platin. Der erste vermag ohne Hülfe des Stromes Chlor abzuscheiden und sich mit demselben zu verbinden; die zweite kann sich mit dem Chlor nur [492] nach dessen Abscheidung durch den elektrischen Strom verbinden; und die dritte ist fast ganz unfähig zu einer Verbindung mit demselben. Die drei negativen Elektroden waren wie zuvor Platinstreifen, befestigt in Glasröhren. Bei diesem Versuche, wie bei dem vorhergehenden, war die an den Kathoden entwickelte Wasserstoffmenge gleich bei allen, und eben so groß als die des im Volta-Elektrometer entwickelten Wasserstoffs. Ich habe bereits meine Gründe angeführt, die mich glauben lassen, daß es die Salzsäure sey, welche direct durch die Elektricität zersetzt wird (764); und die Resultate beweisen, daß die so zersetzten Mengen vollkommen bestimmt sind und proportional der durchgegangenen Elektricitätsmenge.

811) Bei diesem Versuch verzögerte das in der zweiten Schale gebildete Chlorsilber den Durchgang des elektrischen Stroms, vermöge des zuvor beschriebenen Leitungs-Gesetzes (394), so daß es während des Versuchs vier bis fünf Mal abgewaschen werden mußte. Doch dadurch entstand kein Unterschied zwischen dem Resultate dieses Gefäßes und den der andern.

812) Nun wurde Holzkohle sowohl in Schwefel- als in Salzsäure als positive Elektrode gebraucht (808. 810); allein ohne daß sich dadurch die Resultate veränderten. Eine positive Zink-Elektrode, in schwefelsaurem Natron oder einer Lösung von Kochsalz angewandt, gab eben so constante Resultate.

813) Versuche ähnlicher Art wurden nun mit Körpern in ganz verschiedenem Zustande angestellt, z. B. mit geschmolzenen Chloriden und Jodiden. Bereits beschrieb ich einen Versuch mit geschmolzenem Chlorsilber, wobei die Elektroden von metallischem Silber waren, die negative durch das sich ansetzende Metall dicker und länger, die positive aber angefressen und aufgelöst wurde (541). Dieser Versuch wurde wiederholt, zu dem Ende zwei gewogene Stücke Silber als Elektrode angewandt, und ein Volta-Elektrometer mit in die Kette eingeschlossen. Große Sorgfalt wurde darauf verwandt, die negative [493] Elektrode so regelmäßig und stetig herauszuziehen, daß die Krystalle des reducirten Silbers niemals eine metallische Communication unter der Oberfläche des geschmolzenen Chlorids herstellten. Nach Beendigung des Versuchs wurde die positive Elektrode abermals gewogen und ihr Verlust bestimmt. Das von der negativen Elektrode in successiven Portionen abgenommene Gemeng von Chlorsilber und Metall wurde zur Bestimmung des Chlorids mit Ammoniakflüssigkeit digerirt und das zurückbleibende metallische Silber gewägt. Dieß war das an der Kathode Reducirte; es betrug genau so viel wie das an der Anode Gelöste; und jede Portion war so nahe wie möglich gleich dem Aequivalent des im Volta-Elektrometer zersetzten Wassers.

814) Die Unschmelzbarkeit des Silbers in der angewandten Temperatur, so wie die Länge und Verästelung seiner Krystalle machen die Anstellung des eben beschriebenen Versuches schwierig und dessen Resultate unsicher. Ich arbeitete daher mit Chlorblei, und brauchte dabei eine grüne Glasröhre, gestaltet wie Fig. 17 Taf. III. In den Boden einer kleinen Röhre wurde, wie zuvor beschrieben (789), ein gewogener Platindraht eingeschmolzen, dann die Röhre, etwa einen halben Zoll von ihrem geschlossenen Ende entfernt, unter einem Winkel gebogen, und endlich der Theil zwischen dem Knie und dem Ende, nachdem er weich gemacht worden, etwas in die Höhe gezogen, um eine Brücke oder vielmehr eine Scheidewand zu bilden, für zwei kleine Vertiefungen oder Mulden , , in der Röhre, wie Figur es zeigt[21]. Diese Vorrichtung wurde, wie früher, damit eine Weingeistflamme darunter gestellt werden konnte, an einem Platindraht aufgehängt, und zwar so geneigt, daß während der Schmelzung des Bleichlorids alle Luft entweichen konnte. Die positive Elektrode bestand aus einem Platindraht, [494] aufgerollt an einem Ende zu einem Knopf, an den etwa 20 Gran metallischen Bleis angeschmolzen waren, und übrigens eingeschlossen in eine kleine enge Glasröhre, die späterhin zerbrochen wurde. So vorgerichtet, wurde der Draht mit seinem Knopf gewogen und das Gewicht aufgezeichnet.

815) Jetzt wurde Chlorblei in die Röhre gebracht und sorgfältig gewogen, auch dann die verbleite Elektrode eingeführt, worauf das Metall an ihrem Ende baldig schmolz. In diesem Zustande der Dinge wurde die Röhre bis mit geschmolzenem Bleichlorid gefüllt, das Ende der in die Mulde eingeschmolzenen Elektrode negativ gemacht, und die in die Mulde getauchte Elektrode von geschmolzenem Blei, durch Verknüpfung mit dem Leitdraht einer voltaschen Säule positiv gemacht. Auch wurde ein Volta-Elektrometer in die Kette eingeschaltet.

816) Sogleich nach geschlossener Verknüpfung mit der voltaschen Batterie ging der Strom durch und die Zersetzung vor sich. An der positiven Etektrode entwickelte sich kein Chlor; allein, da das geschmolzene Chlorid durchsichtig war, konnte man bemerken, daß sich bei allmälig ein Knopf von Legirung bildete und vergrößerte, während bei das Blei nach und nach abnahm. Nach einiger Zeit wurde der Versuch unterbrochen, die Röhre erkalten gelassen und dann zerbrochen. Die Drähte mit ihren Knöpfen wurden gesäubert und gewogen, und ihre Gewichtsveränderungen mit den Angaben des Volta-Elektrometers verglichen.

817) Bei diesem Versuche hatte die positive Elektrode gerade eben so viel Blei verloren als die negative gewonnen (795); und der Verlust oder Gewinn entsprach sehr nahe dem Aequivalent des im Volta-Elektrometer zersetzten Wassers, gab nämlich für das Blei die Zahl 101,5. Es ist also in diesem Beispiele klar, daß es keine Veränderung in der festen Action des elektrischen Stroms hervorbringt, man mag während des Versuchs [495] eine starke Affinität oder gar keine für die an der Anode abgeschiedene Substanz wirksam seyn lassen (807).

818) Ein ähnlicher Versuch wurde nun mit Bleijodid angestellt, und auf diese Weise alle aus der Bildung von Hyperjodid entspringende Störung vermieden (803). Während der ganzen Action entwickelte sich kein Jod, und zuletzt war der Bleiverlust an der Anode eben so groß als der Bleigewinn an der Kathode, oder entsprach, durch Vergleichung mit dem Resultat in dem Volta-Elektrometer, der Zahl =103,5.

819) Nun wurde Zinnchlorür auf dieselbe Weise dem elektrischen Strom unterworfen, natürlich unter Anwendung einer positiven Elektrode von Zinn. Es bildete sich kein Zinnchlorid (779. 790). Bei Untersuchung der beiden Elektrode hatte die positive genau so viel verloren als die negative gewonnen; und durch Vergleich mit dem Volta-Elektrometer fand sich für das Zinn die Zahl 59.

820) Bei diesen und ähnlichen Versuchen ist es sehr nothwendig das Innere der Knöpfe von Legirung an den Enden der Leitdrähte zu untersuchen, denn zuweilen sind sie, besonders die positiv gewesenen, voller Höhlen, Portionen von dem angewandten Chlorid oder Jodid einschließend, welche entfernt werden müssen, ehe man das Gewicht ermittelt. Häufiger ist dieß der Fall beim Blei als beim Zinn.

821) Alle diese Thatsachen, glaube ich, beweisen auf’s Uebereinstimmendste und Unwiderleglichste die Wahrheit des wichtigen Satzes, welchen ich zu Anfange aussprach, nämlich: daß die chemische Kraft eines elektrischen Stroms direct der absoluten Menge von durchgegangener Elektricität proportional sey (377. 783). Sie beweisen ferner, daß dieser Satz nicht bloß für eine Substanz, z. B. Wasser, richtig ist, sondern überhaupt für alle elektrolytische Substanzen, so wie überdieß, daß [496] die mit irgend einer Substanz erhaltenen Resultate nicht bloß unter einander stimmen, sondern auch mit denen von andern Substanzen, so daß sich alles zusammen combinirt zu einer Reihe fest bestimmter elektro-chemischer Actionen (505). Ich will hiemit nicht sagen, daß es keine Ausnahmen gebe; vielleicht giebt es deren, besonders unter den durch schwache Verwandtschaft zusammengehaltenen Substanzen; allein ich glaube nicht, daß irgend eine den aufgestellten Satz ernstlich erschüttern werde. Wenn in der wohl erwogenen, wohl untersuchten, und ich kann sicher sagen, wohl festgestellten Lehre von der Bestimmtheit der gewöhnlichen chemischen Verwandtschaft solche Ausnahmen vorkommen, wie es wirklich häufig der Fall ist, ohne daß sie unser Zutrauen zu dieser Lehre im Allgemeinen schwächen, so muß man auch billig urtheilen, wenn sich hier, an der Eröffnung einer neuen Ansicht von der elektro-chemischen Action, Ausnahmen zeigen sollten, muß sie nicht Denen, die mit der Vervollkommnung dieser Ansicht beschäftigt sind, als Hemmnisse entgegenstellen, sondern für eine Weile bei Seite legen, in der Hoffnung, daß sie zuletzt eine vollständige und befriedigende Erklärung finden werden.




822) Die eben aus einander gesetzte, und, wie ich glaube, festgestellte Lehre von bestimmter chemischer Action führt zu einigen neuen Ansichten in Betreff der Beziehungen und Klassificationen der Körper, welche dieser Action unterworfen oder mit ihr verknüpft sind. Einige derselben will ich nun betrachten.

823) Zuerst können zusammengesetzte Körper in zwei große Klassen getheilt werden, nämlich in die durch den elektrischen Strom zersetzbaren und durch ihn nicht zersetzbaren. Von den letzteren sind einige Leiter, andere [497] Nichtleiter der voltaschen Elektricität[22]. Die ersteren hängen, was ihre Zersetzbarkeit betrifft, nicht bloß von der Natur ihrer Bestandtheile ab (denn aus denselben zwei Elementen können Körper gebildet werden, von denen einer zu der ersten und der andere zu der zweiten Klasse gehört (697)), sondern wahrscheinlich auch von dem Verhältniß derselben. Es ist ferner merkwürdig, daß mit sehr wenigen, vielleicht gar keinen Ausnahmen (414. 691), diese zersetzbaren Körper genau diejenigen sind, welche von dem früher von mir beschriebenen (394) merkwürdigen Gesetz der Leitung beherrscht werden; denn dieses Gesetz erstreckt sich nicht auf die vielen schmelzbaren zusammengesetzten Substanzen, die von dieser Klasse ausgeschlossen sind. Ich schlage daher vor, die Körper dieser Klasse Elektrolyte (664) zu nennen.

824) Ferner bilden die Substanzen, in welche diese unter dem Einfluß des elektrischen Stroms zerfallen, eine außerordentlich wichtige allgemeine Klasse. Sie sind verbindbare Körper, stehen in directer Beziehung zu den Fundamentalsätzen der Lehre von der chemischen Verwandtschaft, und jeder derselben wird während der elektronischen Action in einem festen Verhältnisse entwickelt. Als Benennungen habe ich vorgeschlagen für diese Körper im Allgemeinen: Ionen, und im besonderen, je nachdem sie an der Anode oder Kathode erscheinen: Anionen und Kationen, und für die relativen Mengen, in denen sie entwickelt werden: elektro-chemische Aequivalente. Wasserstoff, Sauerstoff, Chlor, Jod, Blei und Zinn sind Ionen, die drei ersten sind Anionen, die beiden [498] Metalle Kationen, und 1, 8, 36, 125, 104, 58 sind nahe ihre elektro-chemischen Aequivalente.

825) Eine Uebersicht von gewissen bereits ausgemittelten Punkten in Betreff der Elektrolyte, Ionen und elektro-chemischen Aequivalenten läßt sich in folgender allgemeinen Form von Propositionen geben, ohne, wie ich hoffe, einen merklichen Fehler einzuschließen.

826) I. Ein einzelnes, d. h. mit einem anderen nicht verbundenes Ion hat keine Neigung zu dieser oder jener Elektrode zu gehen, und verhält sich vollkommen indifferent gegen den durchgehenden Strom, sobald es nicht selbst eine Verbindung elementarer Ionen ist, und so einer wirklichen Zersetzung unterliegt. Auf diese Thatsache ist größtentheils der Beweis gegründet, den ich zu Gunsten der neuen Theorie der elektro-chemischen Zersetzung beigebracht, und in einer früheren Reihe dieser Untersuchungen aufgestellt habe (518 etc.)

827) II. Wenn ein Ion im richtigen Verhältnisse (697) verbunden ist mit einem andern, ihm in seinen gewöhnlichen chemischen Beziehungen sehr entgegengesetzten, d. h. wenn ein Anion verbunden ist mit einem Kation, so werden beide wandern, das eine zu der Anode, das andere zu der Kathode des in Zersetzung begriffenen Körpers (530. 542. 547).

828) III. Wenn daher ein Ion zu einer der Elektroden geht, muß auch ein anderes Ion gleichzeitig zu der andern Elektrode gehen, wiewohl es, wegen secundärer Action, vielleicht nicht zum Vorschein kommt (743).

829) IV. Ein direct durch den elektrischen Strom zersetzbarer Körper, d. h. ein Elektrolyt, muß aus zwei Ionen bestehen und diese also bei dem Act der Zersetzung ausgeben.

830. V. Unter Körpern, aus denselben zwei Ionen zusammengesetzt, giebt es nur Einen Elektrolyten, wenigstens scheint es nur Einen zu geben gemäß dem Gesetz (697), daß die elementaren Ionen nur in gleich [499] viel electro-chemischen Aequivalenten und nicht in Multiplis derselben zu den Elektroden gehen können.

831) VI. Ein für sich nicht zersetzbarer Körper, wie Borsäure, wird auch in einer Verbindung nicht direct durch den elektrischen Strom zersetzt (780). Er kann als ein Ion wirken, kann als Ganzes zu der Anode oder Kathode gehen, giebt aber nicht seine Elemente aus, ausgenommen zufällig durch eine secundäre Action. Vielleicht ist es überflüssig zu bemerken, daß dieser Satz keine Beziehung hat zu dergleichen Körpern wie das Wasser, welche durch die Anwesenheit anderer Körper bessere Elektrictätsleiter, und darum leichter zersetzt werden.

832) VII. Die Natur der Substanz, aus welcher die Elektrode besteht, vorausgesetzt nur, daß sie leitend sey, bewirkt keine Verschiedenheit in der elektro-chemischen Action, weder in deren Art noch deren Grad (807. 813); aber einen starken Einfluß hat sie, vermöge secundärer Action (744) auf den Zustand, in welchem die Ionen zuletzt erscheinen. Aus diesem Satze kann man einen Vortheil ziehen, indem man solche Ionen, die im freien Zustand unbehandelbar seyn würden[23], im verbundenen auffängt.

833) VIII. Eine Substanz, welche, als Elektrode angewandt, sich ganz mit dem an ihr entwickelten Ion zu verbinden vermag, ist, glaube ich, auch ein Ion, und verbindet sich in dergleichen Fällen in der durch ihr elektro-chemisches Aequivalent vorgestellten Menge. Alle von mir angestellten Versuche stimmen mit dieser Ansicht, und sie erscheint mir gegenwärtig als eine nothwendige [500] Folgerung aus denselben. Ob sich aus den secundären Actionen, wo das Ion zwar nicht auf die Substanz der Elektrode, wohl aber auf die umgebende Flüssigkeit einwirkt (744), dieselbe Folgerung ergebe, erfordert zu seiner Entscheidung eine ausgedehntere Untersuchung.

834) IX. Zusammengesetzte Ionen sind nicht nothwendig zusammengesetzt aus elektro-chemischen Aequivalenten einfacher Ionen. Schwefelsäure, Borsäure, Phosphorsäure z. B. sind Ionen, aber keine Elektrolyte, d. h. sind nicht aus elektro-chemischen Aequivalenten einfacher Ionen zusammengesetzt.

835) X. Elektro-chemische Aequivalente sind immer übereinstimmend, d. h. die nämliche Zahl, welche das Aequivalent der Substanz vorstellt, wenn diese von der Substanz getrennt wird, stellt auch dasselbe vor, wenn von getrennt wird. So ist 8 das elektro-chemische Aequivalent des Sauerstoffs, wenn er vom Wasserstoff oder Zinn oder Blei abgeschieden wird, und eben so ist 103,5 das elektro-chemische Aequivalent des Bleis, dieß mag vom Sauerstoff, oder Chlor oder Jod getrennt werden.

836) XI. Die elektro-chemischen Aequivalente sind den gewöhnlichen chemischen gleich.

837) Durch den Versuch und die vorhergehenden Sätze kann man auf verschiedene Weisen zur Kenntniß der Ionen und ihrer elektro-chemischen Aequivalente gelangen.

838) Zunächst können sie direct bestimmt werden, wie es in vielen bereits angeführten Versuchen mit dem Wasserstoff, Sauerstoff, Blei und Zinn geschehen ist.

839) Dann läßt sich aus den Sätzen II und III die Kenntniß vieler anderer Ionen und auch deren Aequivalente ableiten. Als bei Zersetzung von Bleichlorid Platin angewandt wurde (395) konnte kein Zweifel mehr darüber obwalten, daß das Chlor zur Anode ging, wiewohl es sich mit dem Platin daselbst verband; denn wenn [501] die positive Elektrode von Graphit war (794) entwickelte es sich daselbst im freien Zustande. Eben so konnte es in keinem der Fälle zweifelhaft bleiben, daß nicht für jede 103,5 Th. Blei, die sich an der Kathode ausschieden, 36 Th. Chlor an der Anode entwickelt wurden, denn das übriggebliebene Bleichlorid war unverändert. So auch wenn in einer Metalllösung ein Volum Sauerstoff oder eine so viel Sauerstoff enthaltende secundäre Verbindung an der Anode erschien, konnte kein Zweifel darüber entstehen, daß nicht zwei Volume Wasserstoff zur Kathode übergegangen waren, wenn sie auch, vermöge einer secundären Action, zur Reduction der Oxyde von Blei, Kupfer oder anderen Metallen verwandt worden waren. Auf diese Weise lernen wir aus den in diesen Abhandlungen beschriebenen Versuchen, daß Chlor, Jod, Brom, Fluor, Calcium, Kalium, Strontium, Magnesium, Mangan u. s. w. Ionen sind, und daß ihre elektro-chemischen Aequivalente gleich sind den gewöhnlichen chemischen.

840) Die Sätze IV und V erweitern unsere Mittel Belehrung einzusammeln. Denn wenn ein Körper von bekannter chemischer Zusammensetzung sich zersetzbar erweist, und die Natur der an einer der Elektroden als primäres oder selbst secundäres Resultat (743. 777) ausgeschiedenen Substanz bestimmt worden ist, läßt sich das elektro-chemische Aequivalent dieses Körpers aus der bekannten festen Zusammensetzung der ausgeschiedenen Substanz herleiten. Wenn so z. B. geschmolzenes Zinnchlorür durch den voltaschen Strom zersetzt wird (804), kann daraus geschlossen werden, daß beide, Jod und Zinn, Ionen sind, und daß die verhältnißmäßigen Mengen, in welchen sie sich in der geschmolzenen Verbindung vereinigt befanden, ihre elektro-chemischen Aequivalente ausdrücken. Ferner läßt sich folgern, daß das geschmolzene Jodkalium (805) ein Elektrolyt ist, und daß die chemischen Aequivalente auch die elektro-chemischen sind.

[502] 811) Der Satz VIII, einer ausführlichen Experimental-Untersuchung unterworfen, wird nicht bloß die durch Anwendung der übrigen Sätze erhaltenen Resultate bestätigen helfen, sondern auch reichliche Belehrung über die aus ihm selbst fließenden geben.

842) In vielen Fällen werden die secundären Resultate, entstanden durch Einwirkung des ausgeschiedenen Ions auf die in der umgebenden Flüssigkeit oder Lösung enthaltenen Substanzen, das elektro-chemische Aequivalent liefern. So ward aus einer Lösung von essigsaurem Blei, und, so weit ich untersucht habe, auch aus anderen Oxydulsalz-Lösungen, die der reducirenden Wirkung des an der Kathode in Entstehung begriffenen Wasserstoffs ausgesetzt waren, das Metall in gleicher Menge gefällt, wie wenn es ein primäres Educt gewesen wäre (vorausgesetzt nur, daß kein freier Wasserstoff entwich), und es gab daher genau die Zahl, welche das elektro-chemische Aequivalent desselben vorstellt.

843) In Folge dieses Satzes können secundäre Resultate zuweilen als Messer des volta-elektrischen Stroms benutzt werden (706. 740); doch giebt es nicht viele Metalllösungen, die diesem Behufe wohl entsprechen; denn wenn das Metall nicht leicht fällbar ist, wird Wasserstoff an der Kathode entwickelt und dadurch das Ergebniß fehlerhaft. Wenn an der Anode ein lösliches Oxyd (peroxide) gebildet wird, oder wenn das gefällte Metall quer durch die Lösung krystallisirt und die positive Elektrode berührt, werden ähnliche fehlerhafte Resultate erhalten. Ich glaube, daß die Lösungen einiger vegetabilischen Salze, wie die von essigsaurem Quecksilber- oder Zinkoxyd für obigen Zweck geeignet seyn werden.

844) Nach den ersten Versuchen zur Feststellung der bestimmten chemischen Action der Elektricität, habe ich nicht angestanden, die directeren Resultate der chemischen Analyse auf die Berichtigung der als elektrolytische Resultate erhaltenen Zahlen anzuwenden. Dieß läßt [503] sich offenbar in vielen Fällen thun, ohne sich gegen die Strenge wissenschaftlicher Untersuchung zu viel Freiheit herauszunehmen. Die Reihe der Zahlen, welche die elektro-chemischen Aequivalente vorstellen, bleiben nothwendig, wie die gewöhnlichen Aequivalente chemisch wirkender Körper, einer beständigen Berichtigung durch den Versuch und durch vernünftige Schlüsse unterworfen.

845) Ich gebe die folgende kurze Tafel von Ionen und ihren elektro-chemischen Aequivalenten mehr als Beispiel eines ersten Versuchs, denn als eine Abhülfe des sehr schnell merkbaren Mangels einer vollständigen und vollkommenen Uebersicht dieser Klasse von Körpern. In Betracht des außerordentlichen Nutzens einer solchen (vorausgesetzt wohl entworfenen) Tafel für die Entwicklung der innigen Beziehung der gewöhnlichen chemischen Verwandtschaft zu den elektrischen Actionen und für die Identificirung beider, nicht nach bloßer Phantasie, sondern durch überzeugende Gründe, mag es erlaubt seyn, die Hoffnung auszusprechen, daß die Bemühung immer darauf gerichtet seyn möge, sie zu einer Tafel von wirklichen und nicht hypothetischen elektro-chemischen Aequivalenten zu machen; denn sonst übersehen wir die Thatsachen und verlieren die direct auf unserem Wege liegenden Kenntnisse ganz aus dem Auge und Gedächtniß.

846) Die folgenden äquivalenten Zahlen behaupten nicht genau zu seyn; sie sind fast sämmtlich aus den chemischen Resultaten anderer Naturforscher entnommen, zu denen ich in diesem Bezuge mehr Zutrauen als zu mir selbst setze.

[504] 847) Tafel über die Ionen:

Anionen.
Sauerstoff 008 Selensäure 064 Weinsäure 066
Chlor 035,5 Salpetersäure 054 Citronensäure 058
Jod 126 Chlorsäure 075,5 Kleesäure 036
Brom 078,3 Phosphorsäure 035,7 Schwefel (?) 016
Fluor 018,7 Kohlensäure 022 Selen (?)
Cyan 026 Borsäure 24 Schwefelcyan
Schwefelsäure 040 Essigsäure 051
Kationen.
Wasserstoff 001 Kupfer 031,6 Kali 047,2
Kalium 039,2 Kadmium 055,8 Natron 031,3
Natrium 023,3 Cerium 046 Lithion 018
Lithium 010 Kobalt 029,5 Baryt 076,7
Barium 068,7 Nickel 029,5 Strontian 051,8
Strontium 043,8 Antimon 064,6 ? Kalk 028,5
Calcium 020,5 Wismuth 071 Talkerde 020,7
Magnesium 012,7 Quecksilber 200 Thonerde 0(?)
Mangan 027,7 Silber 108 Oxydule überhpt.
Zink 032,5 Platin 098,6 ? Chinin 171,6
Zinn 057,9 Gold 0(?) Cinchonin 160
Blei 103,5 Morphin 290
Eisen 028 Ammoniak 017 Pflanzen überhaupt.


848) Diese Tafel könnte ferner in Gruppen solcher Substanzen angeordnet werden, die entweder mit einander wirken oder einander ersetzen. So z. B. wirken Säuren und Basen in Beziehung auf einander; aber sie wirken nicht in Gesellschaft mit Sauerstoff, Wasserstoff oder elementaren Substanzen. Es leidet indeß wenig oder gar keinen Zweifel, daß wenn man die elektrischen Beziehungen der Körpertheilchen genau untersuchte, diese Eintheilung gemacht werden müßte. Die einfachen Substanzen, nebst Cyan und Schwefelcyan, und einem oder zwei anderen zusammengesetzten Körpern werden wahrscheinlich die erste Gruppe bilden, so wie die Säuren und Basen, nebst solchen analogen Verbindungen, die sich als Ionen erweisen, die zweite Gruppe. Ob diese alle Ionen einschließen werde, oder, ob eine dritte Klasse von verwickelteren Resultaten erforderlich sey, müssen künftige Untersuchungen entscheiden.

[505] 849) Alle unsere jetzigen elementaren Körper sind wahrscheinlich Ionen, aber gewiß ist es noch nicht. Von einigen ist es wünschenswerth, bald möglichst entschieden zu sehen, ob sie ein Recht auf den Titel eines Ions haben; solche sind: Kohle, Phosphor, Stickstoff, Kiesel, Bor, Aluminium. Es giebt auch einige zusammengesetzte Körper, namentlich die Thonerde und die Kieselerde, von denen zu wünschen wäre, daß ihnen baldigst durch unzweifelhafte Versuche ihre Klasse angewiesen würde. Es ist auch möglich, daß alle verbindbaren Körper, zusammengesetzte wie einfache, in die Klasse der Ionen gehören; doch scheint es mir für jetzt nicht wahrscheinlich. Die experimentellen Beweise, welche ich besitze, sind noch so gering im Vergleich mit denen, welche in Bezug auf diesen Punkt gesammelt werden müssen, daß ich fürchte, eine entschiedene Meinung hierüber auszusprechen.

850) Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich die Lehre von der bestimmten elektro-chemischen Action für äußerst wichtig halte. Durch ihre Thatsachen berührt sie, unmittelbarer und inniger als es irgend eine frühere Thatsache oder eine Reihe von Thatsachen gethan, die schöne Idee, daß die gewöhnliche chemische Verwandtschaft eine bloße Folge sey der elektrischen Anziehungen zwischen den Theilchen verschiedenartiger Substanzen; und wahrscheinlich wird sie uns zu Mitteln führen, durch welche wir im Stande sind, das, was gegenwärtig dunkel ist, aufzuklären, und entweder die Wahrheit dieser Idee vollständig zu erweisen, oder das, was etwa ihre Stelle einnehmen könnte, aus einander zu setzen.

851) Ein sehr großer Nutzen der elektro-chemischen Aequivalente wird der seyn, mittelst ihrer in zweifelhaften Fällen zu entscheiden, welches das wahre chemische Aequivalent oder bestimmte Proportional oder Atomengewicht eines Körpers sey. Denn ich habe eine solche Ueberzeugung, daß es die nämliche Kraft sey, welche die elektro-chemische Zersetzung und die gemeine chemische [506] Anziehung beherrscht, bin so überzeugt von den überwältigenden Einfluß derjenigen Naturgesetze, welche die erstere bestimmt machen, daß ich keinen Anstand nehme zu glauben, auch die letztere sey ihnen unterthan. Ist aber dieß der Fall, so kann ich nicht zweifeln, daß, bei Annahme von Wasserstoff =1, und mit Vernachlässigung kleiner Brüche behufs der Einfachheit der Zahlen, das Aequivalent oder das Atomgewicht des Sauerstoffs sey 8, des Chlors 36, des Broms 78,4, des Bleis 103,5, des Zinns 59 u. s. w., ungeachtet eine sehr hohe Autorität mehre dieser Zahlen in Zweifel zieht.


H. Von der absoluten Elektricitätsmenge, die den Theilchen oder Atomen der Materie beigesellt ist.

852) Die Theorie der festen elektrolytischen oder elektro-chemischen Action berührt, wie mir scheint, unmittelbar die Frage von der absoluten Quantität der den verschiedenen Körpern angehörigen Elektricität oder elektrischen Kraft. Vielleicht ist es unmöglich über diesen Punkt zu sprechen, ohne nicht den gegenwärtigen Bereich der Thatsachen zu überschreiten, und doch ist es eben so unmöglich, ja vielleicht selbst unpolitisch, diesen Gegenstand nicht zu erörtern. Freilich wissen wir nichts von dem was ein Atom ist, aber wir können doch nicht umhin uns darunter ein kleines Theilchen zu denken, welches dasselbe in der Idee vorstellt; und wiewohl wir uns in eben so großer, wenn nicht gar in größerer Unwissenheit hinsichtlich der Elektricität befinden, so daß wir nicht sagen können, ob sie eine besondere Materie sey, oder ob sie aus mehren Materien bestehe, ob sie eine bloße Bewegung der gewöhnlichen Materie sey oder eine dritte Art von Kraft oder Agens – so giebt es doch eine unermeßliche Zahl von Thatsachen, welche uns zu dem Glauben berechtigt, die Atome der Materie seyen begabt oder vergesellschaftet mit elektrischen Kräften, welchen sie ihre hauptsächlichsten Eigenschaften verdanken, [507] und unter diesen auch ihre gegenseitige Verwandtschaft. Seitdem wir, durch Dalton’s Lehre, wissen, daß die chemischen Kräfte, unter wie verschiedenartigen Umständen sie auch sich äußern, bestimmt sind für jeden Körper, wissen wir auch den in solchen Körpern vorhandenen relativen Kraftgrad zu schätzen, und wenn zu dieser Kenntniß noch die Thatsache kommt, daß die Elektricität, welche wir für fähig halten, unter Beibehaltung ihrer chemischen Kraft, ihren Wohnsitz für eine Weile zu verlassen und von Ort zu Ort zu wandern, gemessen werden kann, und sie, so gemessen, sich eben so bestimmt in ihrer Wirkung erweist als irgend eine jener Portionen, welche mit den Theilchen der Materie verknüpft bleiben und diesen ihr chemisches Verhalten ertheilen – so scheinen wir das Glied gefunden zu haben, welches den frei gewordenen Elektricitätsantheil verknüpft mit jenem, der den Körpertheilchen in ihrem natürlichen Zustande angehört.

853) Nun ist es wundervoll zu beobachten, wie klein die Menge eines zusammengesetzten Körpers ist, welche durch eine gewisse Portion Elektricität zersetzt wird. Betrachten wir beispielshalber diese und einige andere Punkte bei dem Wasser. Ein Gran Wasser, das zur besseren Leitung angesäuert worden ist, erfordert zu seiner Zersetzung einen elektrischen Strom von 3,75 Minuten Dauer, und dieser muß stark genug seyn, um einen Platindraht von Z. Dicke[24] während dieser ganzen Zeit in Berührung mit [508] der Luft rothglühend zu erhalten, und einen sehr hellen und anhaltenden Lichtstrom zu geben, wenn er irgendwo durch Kohlenspitzen unterbrochen wird. Erwägt man die instantane Entladung der Spannungs-Elektricität, wie sie durch die schönen Versuche von Hrn. Wheatstone erläutert wird[25], und erinnert sich dessen, was ich früher [509] über die Beziehung zwischen der gemeinen und voltaschen Elektricität aus einander gesetzt habe (371. 375), so ist es nicht zu viel gesagt, daß diese erfordert werdende Elektricitätsmenge gleich ist einem sehr kräftigen Blitz (flash of Lightning). Und doch haben wir sie völlig in unserer Hand, können sie direct entwickeln und nach Belieben anwenden; und wenn sie das Werk der Elektrolysirung vollständig ausgeführt hat, hat sie nur die Elemente eines einzigen Gran Wassers getrennt.

854) Andererseits ist der Zusammenhang zwischen Elektricitätsleitung und Wasserzersetzung so innig, daß die eine nicht ohne die andere stattfinden kann. Wird dem Wasser nur die geringe Veränderung ertheilt, welche zwischen ihm im starren und flüssigen Zustande besteht, so ist die Leitung vernichtet und damit auch die Zersetzung. Man mag die Leitung als von der Zersetzung abhängig betrachten oder nicht (413. 703), so ist doch die Beziehung zwischen den beiden Functionen gleich innig und unzertrennlich.

855) Erwägt man diese innige und doppelte Beziehung, nämlich, daß ohne Zersetzung keine Durchleitung der Elektricität stattfindet, und daß für eine gegebene bestimmte Menge durchgegangener Elektricität eine eben so bestimmte und feste Menge Wassers oder anderer Substanz [510] zersetzt wird; erwägt man ferner, daß das Agens Elektricität einfach angewandt wird, um die elektrischen Kräfte, welche in dem seiner Einwirkung unterworfenen Körper vorhanden sind, zu überwältigen, so erscheint es als eine wahrscheinliche und fast natürliche Folgerung, daß die durchgeleitete Elektricitätsmenge das Aequivalent von der der getrennten Theilchen und deshalb ihr gleich sey, d. h. wenn die elektrische Kraft, welche die Elemente von einem Gran Wasser in Verbindung erhält, oder welche ein Gran Sauerstoff und Wasserstoff, die in richtigem Verhältnisse stehen, zu Wasser vereinigt, in den Zustand eines Stroms versetzt werden könnte, so würde dieser genau dem Strome gleich seyn, welcher zur Zersetzung jenes Grans Wasser erforderlich wäre.

856) Diese Ansicht von dem Gegenstand giebt eine fast erdrückende Idee von der außerordentlichen Menge oder dem außerordentlichen Grade elektrischer Kraft, welche den Körpertheilchen im natürlichen Zustande angehört; allein sie ist nicht im Geringsten unvereinbar mit den Thatsachen, welche zur Stütze dieses Punktes beigebracht werden können. Um dieß zu erläutern muß ich einige Worte über die voltasche Säule sagen[26].

857) Da ich beabsichtige, die in der gegenwärtigen und den früheren Reihen dieser Untersuchungen mitgetheilten Resultate späterhin zu einer näheren Ausmittlung der Quelle der Elektricität des voltaschen Instrumentes anzuwenden, so habe ich mich jeder entschiedenen Meinung über diesen Gegenstand enthalten; und ohne läugnen zu wollen, daß der metallische Contact oder der Contact [511] verschiedenartiger, zwar leitender, aber nicht metallischer Substanzen, etwas mit der Entstehung des Stroms zu schaffen hätte, bin ich doch vollkommen der Meinung Davy’s, daß dieser Strom wenigstens durch chemische Action unterhalten werde, und daß das, was den Strom constituirt, fast ganz aus dieser Action entspringt.

858) Diejenigen Körper, welche, zwischen die Metallplatten einer voltaschen Säule gebracht, diese wirksam machen, sind sämmtlich Elektrolyte (476). Ich kann nicht umhin, Jeden, der sich mit diesem Gegenstand beschäftigt, dringend aufmerksam zu machen, daß in jenen (für die Säule so wesentlichen) Körpern Zersetzung und Durchleitung des Stroms so innig zusammenhängen, daß die eine nicht ohne die andere eintreten kann. Dieß habe ich beim Wasser und in vielen anderen Fällen zum Ueberfluß gezeigt (402. 476). Wenn also die Enden eines Trogapparats mit einem zersetzbaren Körper, als Wasser, verbunden sind, haben wir durch diesen Apparat einen continuirlichen Strom, und während er in diesem Zustand ist, kann man den Theil, wo die Säure die Platten angreift, und den, wo der Strom auf das Wasser einwirkt, als wechselseitige Dinge betrachten. In beiden Theilen haben wir die zwei in Körpern, wie diese, unzertrennlichen Erscheinungen, nämlich den Durchgang des Stroms und die Zersetzung. Und dieß gilt sowohl für die Zellen in der Batterie als für die Wasser-Zelle; denn bis jetzt ist noch keine voltasche Batterie erbaut worden, in welcher die chemische Action auf die einer Verbindung beschränkt gewesen wäre; immer ist eine Zersetzung eingeschlossen, und sie ist, glaube ich, ein wesentlicher chemischer Theil.

859) Der Unterschied zwischen den beiden Theilen der geschlossenen Batterie, nämlich zwischen der Zersetzungs- oder Experimentir-Zelle und den erregenden Zellen, ist einfach dieser. In der ersteren treiben wir [512] den Strom durch, allein er ist, wie es scheint, nothwendig mit einer Zersetzung begleitet; in den letzteren veranlassen wir Zersetzungen durch gewöhnliche chemische Actionen (welche ihrerseits jedoch elektrisch sind), und in Folge deß haben wir einen elektrischen Strom. Und da in der ersten die vom Strom abhängende Zersetzung bestimmt ist, so ist in den letzteren der mit der Zersetzung vergesellschaftete Strom auch bestimmt (862 ff.).

860) Wenden wir dieß an zur Stütze dessen, was ich hinsichtlich der ungeheuren elektrischen Kraft eines jeden Theilchens oder Atoms der Materie vermuthet habe (856). In einer früheren Reihe dieser Untersuchungen, bei der Maaßbeziehung zwischen gemeiner und voltascher Elektricität, habe ich gezeigt, daß zwei Drähte, einer von Platin und der andere von Zink, jeder Zoll dick, und Zoll von einander entfernt, eingetaucht bis zu einer Tiefe von Zoll in eine Säure, bestehend aus einem Tropfen Vitriolöl und vier Unzen destillirten Wassers von etwa 60° F., und verbunden an ihren anderen Enden durch einen Kupferdraht von achtzehn Fuß Länge und Zoll Dicke, in etwas mehr als drei Secunden Zeit eben so viel Elektricität liefern als eine Leidner Batterie, die durch dreißig Umdrehungen einer sehr großen und kräftigen Scheiben-Maschine geladen worden ist (371). Diese Menge, welche zur Tödtung einer Ratte oder Katze, hinreichend gewesen seyn würde, wenn sie als Blitz auf einmal durch den Kopf derselben gegangen wäre, wurde durch die gegenseitige Action eines so kleinen Stücks Zinkdraht und des umgebenden Wassers entwickelt, daß der Gewichtsverlust, den beide erlitten, mit unsern empfindlichsten Instrumenten unwägbar seyn würde. Namentlich mußte die Menge des Wassers, welches durch jenen Strom zersetzt worden war, unmerklich seyn, denn während jener drei Secunden erschien auf dem Platin kein Wasserstoff.

861) Welch ungeheure Menge von Elektricität ist [513] demnach zur Zersetzung eines einzigen Grans Wasser erforderlich! Bereits haben wir gesehen, daß sie so groß seyn muß, um einen Zoll dicken Platindraht in 3,75 Minuten langer Berührung mit der Luft rothglühend zu erhalten (853), und diese Menge ist fast unendlich größer als die, welche mit dem eben erwähnten kleinen voltaschen Normal-Apparat entwickelt werden konnte (860. 371). Ich habe mich bemüht, durch den Gewichtsverlust eines solchen Drahts in einer gegebenen Zeit, und in einer solchen Säure, einen Vergleich anzustellen, gemäß eines sogleich zu beschreibenden Salzes und Versuchs (862); allein das Verhältniß ist so groß, daß ich mich fast scheue es anzugeben. Es würde sich nämlich daraus ergeben, daß 800 000 solcher Entladungen der eben erwähnten Leidner Batterie nöthig wären, um die zur Zersetzung eines einzigen Grans Wasser erforderliche Elektricität zu liefern, oder, wenn ich nicht irre, diejenige Elektricitätsmenge, welche mit den Elementen eines Grans Wasser im natürlichen Zustande verknüpft ist, und dieselben mit ihrer gegenseitigen chemischen Verwandtschaft versieht.

862) Zum ferneren Erweise dieses hohen elektrischen Zustands der Körpertheilchen und der Gleichheit der Elektricitätsmengen, welche ihnen eigen ist, und welche zu ihrer Zersetzung erfordert wird, will ich einen sehr einfachen Versuch beschreiben, der ungemein niedlich ist, wenn man ihn in Bezug auf die Entwicklung eines Stroms und dessen zersetzende Kräfte betrachtet.

863) Eine verdünnte Schwefelsäure, gemacht aus etwa einem Maaßtheil Vitriolöl und 30 Maaßtheilen Wasser, wirkt kräftig auf ein Stück Zinkblech in seinem gewöhnlichen und einfachen Zustand; allein, wie Hr. Sturgeon [514] gezeigt hat[27], gar nicht oder kaum, wenn die Oberfläche des Metalls zuvor amalgamirt worden ist; und dennoch wirkt das amalgamirte Zink als Elektromotor sehr kräftig mit Platin, indem an letzteren Metall Wasserstoff entwickelt, und das Zink oxydirt und gelöst wird. Die Amalgamation läßt sich am besten bewerkstelligen, wenn man einige Tropfen Quecksilber auf die Zinkfläche spritzt, die letztere mit verdünnter Säure benäßt und nun mit den Fingern reibt, um so das Quecksilber über die ganze Fläche auszubreiten. Das überflüssige Quecksilber, welches Tropfen auf dem Zink bilden würde, muß abgewischt werden[28].

864) Zwei so amalgamirte Zinkplatten wurden getrocknet und genau gewägt. Die eine, welche wir nennen wollen, wog 163,1 Gran: die andere, hier genannt, wog 148,3 Gran. Sie waren ungefähr 5 Zoll lang und 0,4 Zoll breit. Eine irdene pneumatische Wanne wurde mit Schwefelsäure von der eben beschriebenen Stärke angefüllt (863) und eine mit derselben Säure angefüllte Glasflasche darüber umgekehrt[29]. Ein Platinstreif von beinahe derselben Länge, aber drei Mal größerer Breite als die Zinkstreifen wurde in die Flasche gebracht. Dann wurde auch der Zinkstreif in die Flasche eingeführt und mit dem Platin in Berührung gesellt; in demselben Moment wurde auch der Zinkstreif in [515] die Säure der Wanne gelegt, jedoch außer Berührung mit einer metallischen Substanz.

865) Sogleich wie sich Zink und Platin berührten, trat in der Flasche eine starke Wirkung ein. Wasserstoff stieg vom Platin auf und sammelte sich in der Flasche; allein von keiner der Zinkplatten stieg Wasserstoff auf. In etwa 10 bis 12 Minuten, nachdem sich eine hinreichende Menge Wasserstoff gesammelt hatte, wurde der Versuch abgebrochen. Im Verlauf desselben erschienen ein Paar Blasen auf dem Streifen , aber keine auf dem Streifen . Die Streifen wurden in destillirtem Wasser gewaschen, getrocknet und abermals gewägt. Der Streif wog 148,3 Gran wie zuvor, hatte also nichts durch die directe chemische Action der Säure verloren. Der Streifen wog 154,65 Gran; es waren mithin 8,45 Gran von ihm während des Versuchs oxydirt und gelöst worden.

866) Das Wasserstoffgas wurde nun über einen Wassertrog gebracht und gemessen; es betrug 12,5 Kubikzoll bei 52° F. und 29,2 Zoll Barometerstand. Auf vollkommene Trockenheit, mittlere Temperatur und mittleren Druck reducirt, betrug es 12,15453 Kubikzoll, wozu noch halb so viel an Sauerstoff kommt, welcher zu der Anode, d. h. zu dem Zink gegangen seyn mußte. Es waren also 18,232 Kubikzoll Sauerstoff und Wasserstoff aus dem durch den elektrischen Strom zersetzten Wasser entwickelt worden. Nach der früher (791) angenommenen Schätzung des Gewichts der gemengten Gase, ist dieses Volum gleich 2,3535544 Gran, und dieß daher die Gewichtsmenge des zersetzten Wassers. Diese Menge verhält sich zu 8,45, der Menge des oxydirten Zinks, wie 9 zu 32,31. Nimmt man nun 9 zur Aequivalentzahl des Wassers, so ist 32,5 die Aequivalentzahl des Zinks[30]; eine hinreichend nahe Uebereinstimmung, um zu zeigen, was in der That nicht anders seyn konnte, daß für ein Aequivalent[WS 6] [516] oxydirten Zinks ein Aequivalent Wasser zersetzt worden seyn mußte.

867) Betrachten wir aber, wie das Wasser zersetzt wird. Es wird elektrolysirt, d. h. voltaisch zersetzt, und nicht (wie es scheint) in der gewöhnlichen Weise chemischer Zersetzungen; denn der Sauerstoff erscheint an der Anode und der Wasserstoff an der Kathode des zersetzt werdenden Körpers, und diese standen in vielen Theilen des Versuchs über einen Zoll aus einander. Ferner war die gewöhnliche chemische Verwandtschaft unter den Umständen des Versuchs nicht stark genug, das Wasser zu zersetzen, wie es zur Genüge die Wirkungslosigkeit auf die Platte erwieß. Der voltasche Strom war also wesentlich. Um jede Idee zu entfernen, als wäre die chemische Verwandtschaft allein hinreichend zur Zersetzung des Wassers gewesen, und als möchte unter den obigen Umständen ein schwächerer Elektricitätsstrom des Wasserstoff zum Hingange zur Kathode veranlaßt haben, brauche ich mich nur auf die Resultate zu berufen, welche ich (807. 813) gegeben habe, um zu zeigen, daß die chemische Action an den Elektroden nicht den geringsten Einfluß auf die zwischen ihnen zersetzt werdenden Mengen von Wasser und anderen Substanzen ausüben, sondern daß diese gänzlich von der Menge der durchgefallenen Elektricität abhängen.

868) Was ergiebt sich nun aus dem ganzen Versuch als eine nothwendige Folgerung? Wohl dieß: daß die chemische Action auf 32,31 Theile oder ein Aequivalent Zink in dieser einfachen voltaschen Kette im Stande war eine solche Menge Elektricität in Gestalt eines Stroms zu entwickeln, die beim Durchgang durch Wasser, 9 Th. oder ein Aequivalent von dieser Substanz zersetzen konnte. Erinnert man sich der bestimmten Elektricitäts- Relationen, wie sie in den früheren Theilen dieses Aufsatzes entwickelt worden sind, so zeigen die Resultate, daß die Elektricitätsmenge, welche, wenn sie im natürlichen Zustande [517] mit den Körpertheilchen verknüpft ist, diesen ihre Verbindungskraft verleibt, fähig ist, in einen Strom versetzt, diese Theilchen aus ihrem Verbindungszustand herauszureißen, oder, mit anderen Worten, daß die Elektricität, welche eine gewisse Menge von Substanz zersetzt, und die, welche bei der Zersetzung derselben Menge entwickelt wird, gleich sind.

869) Die Harmonie, welche diese Theorie von der bestimmten Entwicklung und der entsprechenden bestimmten Wirkung der Elektricität einführt in die verwandten Theorien von bestimmten Proportionen und von der elektro-chemischen Affinität, ist sehr groß. Ihr gemäß sind die äquivalenten Gewichte der Körper einfach diejenigen Mengen von ihnen, welche gleiche Elektricitätsmengen enthalten oder gleiche elektrische Kräfte besitzen. Es ist die Elektricität, welche die Aequivalentzahl bedingt, weil sie die Verbindungskraft bedingt. Oder wenn wir die Atomentheorie annehmen, sind es die in ihrer gewöhnlichen chemischen Action zu einander äquivalenten Atome der Körper, welche im natürlichen Zustande mit gleichen Mengen von Elektricität verknüpft sind. Aber ich muß bekennen, ich bin vorsichtig (jealous) mit dem Ausdruck Atom; denn wiewohl es sehr leicht ist von Atomen zu reden, ist es doch sehr schwierig sich eine klare Idee von deren Natur zu machen, besonders wenn zusammengesetzte Körper in Betracht kommen.

870) Ich kann nicht umhin hier an die schöne Idee zu erinnern, welche, glaube ich, Berzelius (703) in der Entwicklung seiner Ansichten über die elektro-chemische Theorie der Affinität ausgesprochen hat, daß nämlich Wärme und Licht, die bei kräftigen Verbindungen entwickelt werden, die Folge der in dem Momente der Verbindung stattfindenden elektrischen Entladung sind. Diese Idee stimmt vollkommen überein mit der von mir gefaßten Ansicht über die mit den Körpertheilchen verknüpfte Elektricitätsmenge.

[518] 871) Bei dieser Darstellung des Gesetzes von der bestimmten Wirkung der Elektrizität und deren entsprechenden Proportion in den Körpertheilchen, behaupte ich nicht schon jeden Fall von chemischer oder elektro-chemischer Action unter die Herrschaft desselben gebracht zu haben. Es giebt, besonders in Bezug auf die zusammengesetzten Theilchen der Materie und die resultirenden elektrischen Kräfte, welche diese besitzen müssen, viele Betrachtungen theoretischer Natur, welche erst mit der Zeit ihre Entwicklung finden können; und eben so giebt es viele experimentelle Fälle, wie z. B. die durch schwache Verwandtschaften gebildeten Verbindungen, die gleichzeitige Zersetzung von Wasser und Salzen u. s. w., welche noch einer näheren Untersuchung bedürfen. Was indeß auch die Resultate hinsichtlich dieser und vieler anderer Punkte seyn mögen, so glaube ich doch nicht, daß die von mir aufgestellten Thatsachen oder die aus ihnen hergeleiteten allgemeinen Gesetze dadurch irgend eine bedeutende Aenderung erleiden werden; und sie besitzen, ungeachtet Vieles unvollkommen und ungethan blieb, Wichtigkeit genug, um ihre Bekanntmachung zu rechtfertigen. In der That ist es ein großer Vorzug unserer Wissenschaft, der Chemie, daß Fortschritte in derselben, seyen sie groß oder klein, statt den Gegenstand der Untersuchung zu erschöpfen, vielmehr Thore öffnen zu neuen und umfassenderen Kenntnissen, die Denen, welche die leichte Mühe einer Experimental-Untersuchung nicht scheuen, Freude und Nutzen in Fülle gewähren.

872) Die Bestimmtheit der Elektricitätsentwicklung verbunden mit der Bestimmtheit ihrer Wirkung beweist, meiner Meinung nach, daß der elektrische Strom durch chemische Zersetzung oder vielmehr durch chemische Action, und nicht bloß durch den Contact unterhalten wird. Allein hier, wie schon früher (857), enthalte ich mich einer Meinung über die eigentliche Wirkung des Contact, indem [519] ich es mir habe noch nicht klar machen können, ob er eine erregende Ursache des Stromes ist oder bloß nothwendig erfordert wird, um die Leitung der anderswie erzeugten Elektricität von Metall zu Metall zu gestatten.

873) Angenommen indeß, daß chemische Action die Quelle der Elektricität sey: Welch ein unendlich kleiner Bruchtheil von der in Thätigkeit befindlichen ist es, den wir in unseren voltaschen Batterien erhalten und benutzen! Ein Zink- und ein Platindraht, Zoll dick und etwa Zoll lang, eingetaucht in eine so verdünnte Schwefelsäure, daß sie nicht merklich sauer schmeckt oder kaum auf unsere empfindlichsten Probepapiere wirkt, entwickelt in Minute mehr Elektricität, als irgend Jemand auf einmal freiwillig durch seinen Körper gehen lassen möchte. Die chemische Action eines Grans Wasser auf vier Gran Zink entwickelt eben so viel Elektricität als ein mächtiges Donnerwetter! (868. 861). Auch ist es nicht bloß wahr, daß diese Elektricitätsmenge in Thätigkeit sey: sie kann so geleitet werden, daß sie ihre volle äquivalente Wirkung (duty) thut (867 ff.). Ist nicht daher mit vielem Grunde zu hoffen und zu glauben, daß wir durch eine genauere Experimental-Untersuchung der Principien, welche die Entwicklung und Wirkung dieses subtilen Agens regieren, in den Stand gesetzt werden, die Kraft unserer Batterien so zu erhöhen oder neue Instrumente der Art zu erfinden, daß sie mehr als tausendmal stärker sind als die uns gegenwärtig zu Gebote stehen?

874) Hier muß ich die Betrachtung der bestimmten festen chemischen Action der Elektricität für eine Weile verlassen. Doch bevor ich diese Reihe von Experimental-Untersuchungen schließe, möchte ich noch in Erinnerung bringen, daß ich in einer früheren Reihe gezeigt habe, daß der elektrische Strom auch in seiner magnetischen Action bestimmt (fest) ist (366. 367. 376. 377); und wiewohl dieß Resultat nicht weiter verfolgt wurde, so [520] zweifle ich doch nicht, daß der Erfolg, welcher die Bemühung um die chemischen Wirkungen begleitete, nicht größer gewesen ist als der, den eine Untersuchung der magnetischen Erscheinungen haben würde.

Royal Institution, 31. Dec. 1833.


  1. Annalen, Bd. XXXII S. 401.
  2. Seit der Vorlesung dieses Aufsatzes habe ich einige der zuerst vorgeschlagenen Namen verändert, um nur solche zu gebrauchen, die zugleich einfach in ihrer Natur, klar in ihrer Bezeichnung und frei von jeder Hypothese seyen.
  3. Der Absatz 668 fehlt im Original.
    P.
  4. Philosoph. Transact. f. 1830, p. 49. (Ann. Bd. XVIII S. 515.)
  5. In Betreff der Lösungen habe ich Gründe zu der Vermuthung, daß sie wahrscheinlich keine Fülle von Ueberführungen sind. Ich beabsichtige diese Betrachtung bei einer passenden Gelegenheit wieder aufzunehmen.
  6. De La Rive.
  7. Das saure schwefelsaure Kali z. B. ist auch bekanntlich (Annal. Bd. XVIII S. 152).
  8. Philosoph. Trans. 1807, p. 32, 39, und 1826, p. 387 und 389.
  9. Behufs einer einfachen Tafel zur Berichtigung wegen der Feuchtigkeit nehme ich mir die Freiheit auf meine: Chemical Manipulation, Ausgabe von 1830, p. 376, zu verweisen.
  10. Annal. de chim. 1804, T. LI p. 167.
  11. Ebendaselbst, T. LI p. 172.
  12. Elements of chemical philosoph. p. 144. 161.
  13. Es ist merkwürdig, daß man bis zum J. 1804 allgemein geglaubt hat, die Metalle würden durch entbundenen Wasserstoff reducirt. Um jene Zeit wurde aber diese allgemeine Meinung durch Hisinger und Berzelius (Ann. de chim. 1804, T. LI p. 174) umgekehrt, da diese behaupteten, die Metalle würden direct durch die Elektricität ausgeschieden, in welche Meinung von jener Zeit an auch H. Davy einstimmte (Phil. Transact. 1826, p. 388).
  14. Siehe De la Rive, Biblioth. universelle, T. XL p. 205 (diese Annal. Bd. XV S. 523).
  15. N. Nichelson’s Quarterly Journ. Vol. IV p. 280. 281.
  16. Ann. de chim. 1804, T. LI p. 173.
  17. Man muß sich erinnern, daß die englischen Chemiker das Wasser als aus 1 At. Sauerstoff und 1 At. Wasserstoff bestehend ansehen, nicht wie wir aus 1 At Sauerstoff und 2 At. Wasserstoff.
    P.
  18. Es ist sehr merkwürdig, Kohlenstoff und Stickstoff hier mit Macht gegen die positive Fläche der Batterie getrieben zu sehen; allein es steht in voller Uebereinstimmung mit der von mir aufgestellten Theorie der elektro-chemischen Zersetzung.
  19. Ann. de chim. T. XXXV p. 113.
  20. Annalen, Bd. XXIX S. 373.
  21. Leider steht darin der Buchstabe nicht an der rechten Stelle; er muß an dem Knie der Röhre stehen, wo die erste Vertiefung oder Erweiterung ist.
    P.
  22. Unter voltascher Elektricität verstehe ich hier bloß eine Elektricität aus sehr ergiebiger Quelle und von sehr geringer Intensität.
  23. Oft können die angewandten Elektroden von solcher Natur seyn, daß sie mit der Flüssigkeit, in welche sie eingetaucht sind, einen elektrischen Strom hervorbringen, entweder von gleicher oder entgegengesetzter Richtung mit dem der voltaschen Batterie, wodurch oder durch eine directe chemische Action sie dann die Resultate bedeutend trüben. Mitten unter allen diesen störenden Einwirkungen bringt indeß der elektrische Strom, welcher in irgend einer Richtung durch den zersetzt werdenden Körper geht, seine eigene bestimmte elektrolytische Action hervor.
  24. Ich habe die Länge des angewandten Drahts nicht angegeben, weil ich durch Versuche finde, wie es sich auch theoretisch erwarten ließ, daß sie gleichgültig dabei ist. Dieselbe Elektricitätsmenge, welche, eine gegebene Zeit lang durchgeleitet, ein Zoll langes Stück Platindraht von gewisser Dicke rothglühend machen kann, ist auch im Stande 100 oder 1000 Zoll oder jede Länge desselben Drahts auf denselben Grad zu erhitzen, vorausgesetzt nur, daß in beiden Fällen die abkühlenden Ursachen an jeder Stelle gleich seyen. Ich habe dieß durch das Volta-Elektrometer erwiesen. Ich habe auch gefunden, daß, es mochten ein Zoll oder [508] acht Zoll Platindraht in einer constanten dunkeln Rothglühhitze erhalten werden, dennoch in beiden Fällen gleiche Mengen Wassers zersetzt wurden. Wenn ein Zoll langes Drahtstück angewandt wurde, kam es bloß in der Mitte zum Glühen. Ein dünner Draht kann selbst als ein zwar roher, aber leichter Regulator des elektrischen Stroms benutzt werden; denn wenn man ihn mit in die Kette bringt und man die mit ihm verbundenen dickeren Drähte näher zusammen oder weiter aus einander schiebt, so daß das Drahtstück in der Kette nahe in derselben Temperatur erhalten wird, so ist der durchgehende Strom von nahe gleicher Stärke.
  25. Literary Gazette, 1. u. 8. März 1833. – Philosoph. Magaz. Vol. III (1833) p. 204. L’Institut. 1833, p. 261. – [Am letztgenannten Ort wird über die Versuche des Hrn. Wheatstone folgende Auskunft gegeben. – Zu den übrigen (der Versammlung britischer Naturforscher zu Cambridge gemachten) Mittheilungen über das Licht gehören noch die sehr sonderbaren Versuche des Hrn. Wheatstone, welche vornehmlich zum Zweck haben, auszumitteln, ob das Erscheinen eines Lichts instantan (dauerlos) sey oder eine angebbare Dauer habe, und, wenn letzteres der Fall ist, diese Dauer zu messen. Um z. B. zu erfahren, ob der elektrische Funke eine meßbare Dauer habe, theilt Hr. Wheatstone eine Pappscheibe in mehre abwechselnd schwarze und weiße Sectoren, und läßt sie dann in ihrer eigenen Ebene um eine durch ihren Mittelpunkt gehende feste Axe umlaufen. Man weiß, daß die rotirende Scheibe alsdann, vermöge der Dauer der von dem Licht auf die Netzhaut gemachten Eindrücke, graulich erscheint. Wenn man nun die Scheibe in einem vollkommen dunkeln Zimmer in Rotation versetzt und sie plötzlich durch einen elektrischen Funken oder durch die Entladung einer Leidner Flasche beleuchtet, so unterscheidet man sehr deutlich die weißen und schwarzen Sectoren, gleich als wenn die Scheibe vollkommen unbeweglich wäre, ungeachtet der schnellen Rotation, in die man sie versetzt hat. Man muß daraus schließen, daß die Scheibe nur während eines unendlich [509] kurzen Augenblicks beleuchtet ward, wiewohl der Eindruck auf die Netzhaut so lebhaft war, und so lange anhielt, daß ein sehr deutliches Bild von der Scheibe mit allen ihren Abtheilungen zu Stande kam. Man sieht ein, daß, wenn der elektrische Funke eine meßbare Dauer hätte, man die Scheibe in mehren successiven Stellungen erblickt haben würde, und man dann unmöglich ein deutliches Bild von den verschiedenen Sectoren, in die ihre Oberfläche getheilt war, hätte erhalten können.
    In der citirten Stelle des Phil. Magazine’s verspricht übrigens Hr. Wheatstone der K. Gesellschaft in London die baldigste Mittheilung eines neuen optischen Mittels zur Messung rascher Bewegungen, kleiner Zeitintervalle und schwacher Lichtintensitäten. Es ist indeß, so viel ich weiß, bis jetzt noch nichts Ausführliches darüber zur allgemeinen Kenntniß gebracht. P.]
  26. Unter voltascher Säule verstehe ich solchen Apparat oder solche Anordnung von Metallen, als man seither mit diesem Namen belegt hat, und wobei Wasser, Salzlösung, Säuren, oder andere wäßrige Lösungen oder zersetzbare Substanzen (476) zwischen den Platten befindlich sind. Andere Arten elektrischer Apparate mögen künftig erfunden werden, und ich hoffe einen zu construiren, der nicht zur Klasse der von Volta erfundenen gehört.
  27. Neue Experimental-Untersuchungen u. s. w., 1830, S. 74 etc.
  28. Der Versuch kann mit reinem Zink angestellt werden, das, wie die Chemiker wohl wissen, verhältnißmäßig weniger von verdünnter Schwefelsäure angegriffen wird als das gewöhnliche Zink, welches hiebei einer Unzahl voltascher Actionen unterworfen ist. Siehe De la Rive in der Bibliothèque universelle, 1830, p. 391 (dies. Annal. Bd. XIX S. 221).
  29. Die Säure war eine Nacht lang mit einem Stückchen unamalgamirten Zinks stehen gelassen, damit die Luft entwiche, welche sich etwa hätte entwickeln können.
  30. Der Versuch wurde mehrmals mit demselben Erfolg wiederholt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 999)
  2. Vorlage: 555.
  3. Vorlage: Elekktricitätsmenge
  4. Vorlage: zu zu
  5. Vorlage: ausgeschlosssen
  6. Vorlage: Aequilent