ganze Leben hindurch mit dem Leben selbst zu täuschen? und lockte uns alle, wie Lehrlinge der Loge, mit Geheimnissen, die gar nicht dasind? Der Lehrling legte vielleicht sogleich seine Schürze nieder, wenn er im ersten Grad wüßte, was er im letzten erfahren wird, nämlich, daß nichts zu erfahren sei. – Lasset uns vom grossen Sinn und Geiste der Welt nicht so verächtlich denken. Eine fortwährende, ewige Täuschung oder geflißentliche Verblendung ist sehr verächtlich und Sinnlos.
Also müssen wir unser künftiges Schicksal nicht wissen sollen, weil wirs nicht wissen können; weil dasselbe in seinem ganzen Umfange zu übersehen, unsern Kräften durchaus unangemessen ist und solche weit übersteiget. Mich dünkt, darin liegt offenbar die Ursache.
Was gehörte nämlich dazu, sein künftiges Schicksal also zu wissen, daß diese Wissenschaft
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/231&oldid=- (Version vom 1.8.2018)