Zum Inhalt springen

Seite:Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde - Band IV.djvu/267

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV

leichnam mit dem schwerte durchstechen hieß und ihn dabei zum gehorsam zu ermahnen und anzubefehlen, daß er sich ferner nicht vom orte bewegen solle. nun hatte der todte ruhe im grabe[1].

Wie tief der viescyglaube im volke wurzelt lehren fast täglich vorkommende beispiele von leichenausgrabungen. mir sind dergleichen vorfälle in den letzten jahren aus den dörfern Mariensee und Wonneberg, eine versuchte ausgrabung aus Rheinfeld bekannt. als in der gegend von Conitz die cholera zuerst auftrat, wollte das volk die zuerst von der seuche hingerafften opfer als blutsauger ausgraben und es bedurfte durchgreifender maßregeln der behörden dies zu verhindern. als im jahre 1855 in St. Albrecht[2], einer vorstadt Danzigs, der sehr geachtete katholische probst den anfang einer anzahl choleratodter machte, ging bald das gerede, er habe das rothe mal auf dem gesicht gehabt und erscheine den dorfleuten nachts als gierhals. die arbeitsleute rotteten sich zusammen und beschlossen in der gaststube des schankwirths Penner, den sarg des probsten aufzugraben und nach gewohnter weise zu verfahren. mit mühe wurden sie davon abgebracht.

Die den Südslaven schon ganz geläufige verwechselung des vampyrs mit dem werwolf ist mir in Pommerellen nie begegnet, auch Cegnowa und Mrongovius wissen nichts davon. dagegen findet sie sich in dem kleinen buche ‚Danziger sagen gesammelt von O. F. Karl (Karl Otto) Danzig, Anhuth 1843.‘ der verfasser erzählt s. 39 ‚begräbt man die werwölfe, statt sie todt oder lebendig zu verbrennen, so finden sie auch unter der erde keine ruhe. wenige tage nach der beerdigung wachen sie im grabe auf und fressen das fleisch von ihren eigenen händen und füßen ab und wenn sie nichts mehr an ihrem körper verzehren können, steigen sie zur mitternachtsstunde aus dem grabe hervor, gehen in die heerden, rauben das vieh oder sie steigen auch gar in die häuser, legen sich zu den schlafenden und saugen


  1. Sebast. Moeleri chronic. (MS.) Leo hist. Pruss. p. 149. Tettau und Temme a. a. o. s. 85, nr. 86.
  2. Tettau und Temme a. a. o. s. 276.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. W. Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV. Dieterische Buchhandlung, Göttingen 1859, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_deutsche_Mythologie_und_Sittenkunde_-_Band_IV.djvu/267&oldid=- (Version vom 1.8.2018)