Sie aber preßte die Lippen zusammen und schlich, am Geländer sich festhaltend, langsam die Treppe hinauf.
Bitterer Groll aber erfüllte ihr Gemüt. Was hatte sie davon, daß sie sich mit den Männern einließ! Ihre Gesundheit hatte sie zugesetzt und hörte dafür nicht einmal mehr ein gutes Wort. O, käme sie nur wieder zu Kräften, dann wüßte sie schon, was sie zu tun hätte!
Inzwischen häufte sich ihr dumpfer Haß gegen alle Männer hauptsächlich auf Johann. Ihre anderen Liebhaber sah sie fast gar nicht mehr, da sie nur selten ausging. Er aber bewegte sich stets in ihrer Nähe und verkörperte in ihren Augen einen Teil ihres gegenwärtigen Unglücks.
Sein roher Überfall und die Schmähungen, mit denen er ihr vorwarf, wozu er selbst sie verleitet, erschienen ihr als die größte Ungerechtigkeit. Daher wandte sie ihre volle Teilnahme Käthe zu, die so bleich und leidend aussah.
Seit sie selbst erkrankt war, fühlte sie um so tiefer fremdes Leid. Wie sie selbst durch die Männer an Kräften verfiel, so wurde auch Käthe durch dieselbe Ursache, geschwächt, und obendrein noch verraten. Nein! Dies konnte sie nicht gleichgültig mit ansehen!
Eines Morgens trafen sich am Brunnen die beiden Mädchen, die noch vor Jahresfrist von Gesundheit und Jugendkraft strotzten.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/332&oldid=- (Version vom 1.8.2018)