Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I. | |
|
ziemlich dilettantenhaft geübt worden war. Noch zur Zeit als der Prager Dom gegründet wurde, war der Mangel an Bildhauern so groß, daß der Dombaumeister Matthias in dem ganzen von ihm hergestellten Bautheile nicht auf Anbringung auch nur einer einzigen Statue oder Reliefdarstellung anzutragen wagte, im Gegensatze zu den französischen Architekten, denen reicher Figurenschmuck unentbehrlich schien.
Peter war es, der eine eigentliche Bildhauerschule in Böhmen gründete und in der Dombauhütte die zerstreuten Kräfte um sich versammelte. In seinen Werken erkennt man deutlich die Fortschritte, welche er gemacht und wie er sich nach und nach von der gothischen Manier losgerungen hat. Seine ersten Arbeiten zeigen neben der miniaturartigsten Ausführung noch große Befangenheit: die Leiber der Figuren sind geschwungen wie Rankengewächse, die Extremitäten steif und mager dabei Kleidungsstücke und Waffen mit sichtlicher Vorliebe ausgeführt. Hieher gehören die schon genannte Wenzelstatue und einige an den südlichen Strebepfeilern des Domes aufgestellte Kolossalstatuen von Heiligen, dann zehn hocherhabene Brustbilder, von denen je zwei sich gegenüberstehend in die Fensterleibungen des Chorschlusses eingefügt sind. An diesen letztern Gebilden läßt sich bereits ein Uebergang zum Naturstudium wahrnehmen: die Gesichtszüge sind individualisirt und der den einzelnen Heiligen zukommende Ausdruck ist mit Schärfe wiedergegeben. Nunmehr scheint die Porträtgallerie im Triforium des Domes in Angriff genommen worden zu sein. Der Gedanke, die Bildnisse seiner Familie und aller um den Dombau verdienten Personen in einer Gallerie aufzustellen, konnte nur vom Kaiser Karl IV. selbst ausgegangen sein, da er in Fragen der Etikette sehr streng war und keine Eingriffe duldete. Es sind im Ganzen einundzwanzig Bildnisse zur Aufstellung gelangt, doch ist ersichtlich, daß die Reihe hätte fortgesetzt werden sollen. Die Porträts sind in Büstenform etwas über Lebensgröße gehalten, aus feinkörnigen Sandstein gemeisselt und ruhen nicht auf Untersätzen, sondern sind so eigenthümlich in die Wandflächen hineingeschoben, daß es aussieht, als neigten sich die dargestellten Personen zu geöffneten Fenstern heraus. Die naturgemäße Auffassung wird bis zur Täuschung gesteigert durch eine gelungene Bemalung der Köpfe und Gewänder. Neben jedem Bildnisse ist eine erklärende Inschrift mit kurzer Angabe des betreffenden Lebenslaufes angebracht. Die Reihenfolge gestaltet sich:
1. Johann von Luxemburg, König von Böhmen.
2. Elisabeth von Böhmen, dessen Gemahlin.
3. Kaiser Karl IV. und seine vier Gemahlinen, nemlich:
4. Margaretha Blanca von Valois,
5. Anna von der Pfalz,
6. Anna von Schweidnitz,
7. Elisabeth von Pommern – Stettin. –
8. König Wenzel IV. deutscher und böhmischer König,
9. Johanna von Baiern-Holland, dessen erste Gemahlin.
10. Johann von Tirol, des Kaiser’s Bruder.
11. Wenzel Herzog von Luxemburg, des Kaisers Stiefbruder.
12. Ernest Malowetz von Pardubitz, erster Erzbischof von Prag.
13. Johann Oczko von Wlaschim, zweiter Erzbischof.
14. Johann von Jenstein, dritter Erzbischof. –
15. Busko, Domherr, erster Dombaudirektor,
16. Nikolaus Holubek, Domherr und zweiter Baudirektor,
17. Benedikt Krabice von Weitmühl, Domherr und dritter Baudirektor
18. Andreas Kotlik, vierter Dombaudirektor,
19. Wenzel von Radecz, Domherr und fünfter Baudirektor. –
20. Matthias von Arras, erster Dombaumeister,
21. Peter von Gmünd, zweiter Dombaumeister.
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/146&oldid=- (Version vom 1.8.2018)