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Seite:WuerttVjhhLG Jhg 01.djvu/081

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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

halbrunde Abschluß und eine ähnliche Umsetzung des innern Chorpolygons im Kapellenkranze, überall das dreischiffige Langhaus, die gleiche Höhe des Mittelschiffes und dieselbe Verbreiterung des Kirchenhauses durch Kapellen. Des Baumeisters Absicht ging augenscheinlich dahin, das ihm von Jugend auf liebgewordene Motiv in etwas freierer Weise durchzubilden, weshalb er im Chorschlusse einen Pfeiler in die Mitte stellte und dem Lichtgaden die doppelte Höhe der Seitenschiffe gab. Das luftig und kühn über den Kappellenbau aufstrebende Chorhaus macht trotz seiner bescheidenen Dimensionen einen Eindruck, wie ihn nur die größte Kathedrale hervorrufen kann; wer immer die Koliner Kirche gesehen, dem wird der Anblick unvergeßlich bleiben. Als besonders gelungen ist die obere Fensterstellung zu bezeichnen, obwohl in den Maßwerken das Fischblasenornament vorherrscht. Wenn nicht die bündigsten und unzweideutigsten Nachrichten vorlägen, daß diese Theile zwischen 1360 bis 1378 ausgeführt worden seien und spätere Umänderungen nicht stattgefunden haben, würde man geneigt sein, eine viel jüngere Bauzeit anzunehmen. Ueber die projektirte Thurmstellung sind wir nicht unterrichtet; schwerlich lag es in der Absicht Peters, zwei alte an der Westfronte des Schiffes bestehende achteckige Thürme beizubehalten. In kunstgeschichtlicher Hinsicht verdient bemerkt zu werden, daß sich in den Fenstern mehrere Reste vorzüglicher dem XIV. Jahrhundert angehörender Glasmalereien erhalten haben.

In engster Verbindung mit dem Chorbau zu Kolin steht die S. Barbarakirche in Kuttenberg, nächst dem Prager Dome die größte gothische Kirche Böhmens. Ueber die Gründung dieser Kirche und den Baumeister besitzen wir keine direkte Kunde; die Stadt ist im Laufe der Hussitenstürme zweimal zerstört worden, außerdem brannte im Jahre 1770 das alterthümliche Rathhaus mit allen Archiven und einer Sammlung von Kunstwerken gänzlich ab, so daß äußerst weniges gerettet werden konnte. Aus verschiedenen Altarstiftungen, welche in den Errichtungsbüchern des Domkapitels eingetragen sind, entnehmen wir, daß der Kirchenbau um 1380, vielleicht einige Jahre früher, begonnen worden sei. Daß der Plan von keinem andern als von Peter herrühre, erhellt aus der nachstehenden Beschreibung des Gebäudes und auch aus den häuslichen Verhältnissen des Meisters, welche späterhin beigefügt werden.

Um das Jahr 1378 scheint der Senat von Kuttenberg den Entschluß gefaßt zu haben, eine neue der bedeutend angewachsenen Einwohnerzahl und dem Reichthume der berühmten Silberbergstadt entsprechende Kirche ausführen zu lassen. Die Stadt gehört einer verhältnismäßig jungen Periode an und verdankt ihr Entstehen den reichen Silberbergwerken, welche um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts wenn nicht entdeckt doch in geregelten Betrieb gesetzt wurden. Kuttenberg sowohl wie Kolin[1] sind deutsche Kolonien, wie denn das gesammte Städtewesen in Böhmen deutschen Ursprungs ist. Das rasche Emporblühen Kuttenbergs, das Ansehen welches die dortigen reichen meist deutschen Gewerke in allen Landen genoßen, vor allem aber das in dieser Stadt sich entwickelnde Bürgerthum wurden begreiflicherweise von der alten Residenzstadt Prag, dem Sitze des eingefleischten Magnatenthumes, nicht mit günstigen Augen angesehen und erweckten zwischen den beiden Städten nicht allein ein fortwährendes Rivalisiren, sondern eine förmliche Abneigung, welche sich nicht selten in Thätlichkeiten Luft machte. Als es daher zum Kirchenbau kam, wollten die Kuttenberger nicht hinter der Hauptstadt zurückbleiben, es wurde die Kathedralform mit Umgang und Kapellenkranz gewählt und


  1. Der Name Kolin ist eine spätere slavisirte Umgestaltung der ursprünglichen und unter Kaiser Karl IV. ausschließlich üblichen Bezeichnung „Köln“. Zum Unterschied von Köln am Rhein sagte man Köln an der Elbe.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/081&oldid=- (Version vom 1.8.2018)