Zum Inhalt springen

Seite:WuerttVjhhLG Jhg 01.djvu/078

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

welcher trotz des blendenden Schimmers ein etwas orientalisch-barbarisches Gepräge nicht abgesprochen werden kann, sei bemerkt, daß diese Dekoration unmittelbar von Kaiser Karl angeordnet zu sein scheint, da auch seine beiden Lieblingskirchen zu Karlstein, die Kreuz- und die Katharinakapelle, ferner die nicht mehr vorhandene Schloßkapelle zu Tangermünde auf dieselbe Weise verkleidet wurden.

Die Wenzelskapelle war es auch, welche unserem Meister Gelegenheit bot, seine Kenntnisse in der Bildhauerkunst darzulegen. Seine ersten Arbeiten scheinen zwei am Eingang der Kapelle angebrachte skulptirte Knäufe mit 12 Zoll hohen Figuren gewesen zu sein, die Versuchung Christi darstellend. Die Behandlung zeigt noch viele Härten, auch haben die Figürchen große Aehnlichkeit mit den Portalbildern zu Gmünd, an denen Peter zweifelsohne mitgeholfen und sich in der Bildhauerkunst eingeübt hat. Bald nachher, etwa ums Jahr 1365, wurde eine für dieselbe Kapelle bestimmte sechs Fuß hohe Statue des heiligen Wenzel aus feinem Mergelsandstein ausgeführt, ein noch wohl erhaltenes Werk, an dessen Sockel der Meister sein Handzeichen anbrachte. Diese mit bewundrungswürdigem Fleiße und feinem Gefühl ausgeführte Figur bewegt sich noch in der hergebrachten gothischen Manier, der Körper erscheint übermäßig geschwungen, Arme und Beine sind steif und mager. Doch gibt sich bereits ein anerkennenswerthes Streben kund, die gerügten Uebelstände abzulegen und sich mehr an die Natur zu halten.

Nach Vollendung dieser Erstlingsarbeiten scheint der Meister, wie späterhin Michel Angelo, seine Zeit regelmäßig zwischen den Fächern der Plastik und Architektur getheilt zu haben, er gründete eine Bildhauerschule und führte eine Reihe der trefflichsten Werke aus, denen wir einen besondern Abschnitt zu widmen haben.

Ueber die Jahre 1372 bis 1378 besitzen wir die vollständig erhaltenen Dombaurechnungen, zwei in Schweinsleder eingebundene auf grobes Papier sauber geschriebene Codices, betitelt: „Solutio hebdomadria pro structura templi pragensis.“ Eine ausführliche Beschreibung dieser Rechnungsbücher findet sich im Anhange.

Aus den Rechnungen ist zu entnehmen, daß damals das Triforium und der Lichtgaden des Chorpolygons aufgestellt wurden; die Ausführung der Fenster, Strebebogen und Maßwerke, die Bearbeitung der Werkstücke in der Hütte und das Versetzen auf den Gerüsten lassen sich Schritt für Schritt verfolgen.

Der ganze obere Aufbau des Domes von den Gallerien über den Seitenschiffen an bis hinauf zu den Spitzen der Treppenthürme und Strebepfeiler ist Peters Werk und zwar ausschließlich nach seinen Planen vollendet. Sei es, daß sein Vorgänger Mathias von Arras niemals vollständige Plane angefertigt hat, (was sehr wahrscheinlich ist) oder daß die Plane im Laufe der Zeit verloren gegangen sind: Parler verließ die in den untern Partien eingehaltene Formengebung gänzlich und brach sich eine neue durchaus eigenthümliche Bahn, welche gleich sehr von der französischen wie deutschen Bauweise abweicht. Vergleicht man die nächstgelegenen gleichzeitigen Dombauten, die Kathedralen von Wien, Regensburg, Meißen und Magdeburg mit dem Prager Dome, so nimmt dieser in Bezug auf Detailbildung nach allen Seiten hin eine Sonderstellung ein, indem alterthümlich strenge und spätere schon etwas dem Flammenstil zuneigende Formen nebeneinander auftreten und sich harmonisch vereinigen. Da derartige Bildungen bereits an der Kreuzkirche in Gmünd getroffen werden, dürften Heinrich und seine Söhne den ersten Künstlern beizuzählen sein, welche verschlungene Maßwerke, abgekappte Stäbe und sich durchschneidende Gesimse in Deutschland einführten.

Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/078&oldid=- (Version vom 1.8.2018)