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Seite:WuerttVjhhLG Jhg 01.djvu/075

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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

Die übrigen theils handschriftlichen, theils durch Druck veröffentlichten Quellenwerke, welche bei Ausarbeitung dieser biographischen Skizze benützt wurden, sollen, um den Zusammenhang nicht durch übermäßig viele Citate zu unterbrechen, am Schlusse angeführt und besprochen werden.

Neben dem Dombau harrte auf den neuernannten Meister noch eine zweite Arbeit, nemlich die Vollendung des Schlosses Karlstein. Dieses Gebäude war im Jahre 1348 durch den Dombaumeister Mathias gegründet und allem Anschein nach im Rohbau hergestellt worden, wobei sowohl der Kaiser wie sein Baumeister die päpstliche Residenz zu Avignon sich als Vorbild ausersehen hatten, weshalb Karlstein vorwaltend klösterliches und zugleich südliches Gepräge erhielt. Das Schloß besitzt vier einzelne kirchliche Gebäude, nemlich die freistehende Kollegiatkirche S. Maria, die Katharinenkapelle, die große Kreuz- oder Königskapelle im Hauptthurme und eine dem heiligen Nikolaus gewidmete Ritterschaftskirche. Alle diese Kirchen waren innerhalb der Hochburg angeordnet worden und es sollte nach kaiserlichem Befehle die Marienkirche schon am 27. März 1357 eingeweiht werden. Aus diesem erhellt, daß Peter im ersten Jahre nur mit Dekorationsarbeiten beschäftigt gewesen sein kann; die gänzliche Vollendung der Karlsteiner Bauten aber erfolgte erst zehn Jahre später mit dem Ausbau des großen Thurmes.

In welch zerfahrnem Zustande Peter den Dombau getroffen, ist angedeutet worden: es erforderte keinen geringen Aufwand von Fleiß und Geschicklichkeit, sich in die eigenthümliche Manier des Vorgängers hineinzuarbeiten, das bereits Vollendete möglichst zu schonen und die nicht mehr zu beseitigenden verfehlten Partien mit dem Ganzen in Harmonie zu bringen. Gerade in Bewältigung der verschiedenartigsten Hindernisse bewährte der junge Künstler sogleich beim Eintritt in seine neue Stellung ein ungewöhnliches, zugleich schöpferisches wie ordnendes Talent. Er arbeitete gewöhnlich nur mit wenigen, etwa zwanzig Gesellen und sorgte, daß hinreichendes Steinmaterial vorhanden und jeder Arbeiter gehörig beschäftigt war. Unter genauer Befolgung der von Meister Mathias eingehaltenen Formengebung wurden Umgang und Kapellenkranz vollendet, als die Thätigkeit Peters, welcher in Prag allgemein mit dem Namen Parler bezeichnet wurde, nach einer ganz andern Seite hin in Anspruch genommen werden sollte.[1]

Ein gewaltiges Hochwasser hatte im Jahre 1342 die alte von der Königin Judith 1174 erbaute Moldaubrücke, welche beide Stadthälften Prags verband, theils zerstört theils so beschädigt, daß der Verkehr über den Fluß nur mittels Fähren stattfinden konnte. Da die zerstörte Brücke allzuviele und zu enge Joche besaß und obendrein an einem ungeeigneten Orte stand, beschloß der Kaiser eine neue Brücke zu erbauen und beauftragte unsern Peter, welcher auch das Amt eines kaiserlichen Architekten zu versehen hatte, die nöthigen Entwürfe zu fertigen. Am 9. Juli 1358 legte Karl IV. eigenhändig den Grundstein zu diesem Werke, welches heute noch den Namen des edlen Bauherrn „Karlsbrücke“ führt, und sich im besten baulichen Zustande befindet. Unter den steinernen Brücken des Mittelalters nimmt die von Peter Parler begonnene und glücklich vollendete Prager Brücke einen sehr hohen, vielleicht den ersten Rang ein; sie ist ganz aus Sandsteinquadern hergestellt und an ihren entgegengesetzten Enden mit prachtvollen Thürmen, Meisterstücken der gothischen Baukunst, eingefaßt. Die Länge beträgt 1680 Wiener Fuß,


  1. Diese Angaben sind den Dombaurechnungen entnommen, in denen alle einzelnen Arbeiten der Gesellen wie auch die Materiallieferungen mit größter Genauigkeit von Woche zu Woche eingetragen sind. Näheres findet sich am Schlusse.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/075&oldid=- (Version vom 1.8.2018)