Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I. | |
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mehrere Gemälde aufgedeckt worden, welche jedoch dem vorgerückten XV. Jahrhundert anzugehören schienen und von denen nur ein einziges erhalten werden konnte.
Soviel sich aus der Technik und Uebereinstimmung der Bautheile entnehmen läßt, wurde Chor und Langhaus rasch in etwa zwölf bis fünfzehn Jahren vollendet, wofür auch der Umstand spricht, daß Kaiser Karl, welcher 1356, also fünf Jahre nach der Grundsteinlegung, den Bau eingesehen hat, Gefallen an demselben finden und ein Urtheil fällen konnte. Auch die zuletzt in Angriff genommene Westfronte zeigt, daß sie in kurzer Zeit hergestellt wurde, wie denn gerade diese Seite vor den meisten mittelalterlichen Gebäuden sich durch Einheitlichkeit auszeichnet.
Das Material, aus welchem die Kirche in allen ihren Theilen errichtet wurde, ist feinkörniger Sandstein von warmer goldbrauner Farbe, der eine sehr reine Bearbeitung zuläßt. Alle Steine sind in regelmäßiger Quadratarbeit behauen.
Dieser Kirchenbau darf zunächst als die Schule angesehen werden, in welcher sich der jugendliche Peter herangebildet hat: welche Fortschritte er immer gemacht, was er in der Folge geschaffen, den in Gmünd empfangenen Eindrücken ist der Meister stets treu geblieben und alle seine späteren Werke lassen Reminiscenzen an die Kreuzkirche hindurchschimmern.
Mit Ausnahme des Geburtsjahres besitzen wir kein beglaubigtes Datum über die Jugendzeit Peters: was oben mitgetheilt wurde, beruht auf Voraussetzungen, welche sich naturgemäß aus dem spätern Verlaufe seines Lebens ergeben.[1] Da der Künstler im Alter von dreiundzwanzig Jahren befähigt war, eine der schwierigsten Aufgaben zu übernehmen und mit Glück durchzuführen, mußte er eine tüchtige Schule durchgemacht, viel gelernt und sich praktisch eingeübt haben. Eben so mußte er den Zunftvorschriften und Hüttensatzungen nachgekommen sein, denn ohne Befolgung dieser Vorschriften hätte selbst ein kaiserlicher Machtspruch nicht hingereicht, ihm bei den untergebenen Arbeitern die nothwendige Achtung zu verschaffen. Aller Wahrscheinlichkeit nach war Peter zur Zeit seiner Berufung nach Prag bereits verheiratet und zwar mit der Tochter eines angesehenen und wohlhabenden Steinmetzmeisters aus Köln. Diese Thatsache, welche in dem Abschnitte, „Familienverhältnisse“ eingehend erörtert wird, macht es beinahe zur Gewißheit, daß unser Meister einige Zeit in der Bauhütte zu Köln gearbeitet habe und daselbst freigesprochen worden sei.
- ↑ Das Geburtsjahr 1333 ergibt sich aus der unten folgenden Inschrift, laut welcher Peter dreiundzwanzig Jahre zählte, als er die Leitung des Dombaues übernahm.
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/021&oldid=- (Version vom 1.8.2018)