Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I. | |
|
thätige böhmische Schriftsteller davon wissen. Die Erfindung gehört mithin der neuesten Zeit an.
Ferner wurden mehrere im böhmischen National-Museum zu Prag befindliche Miniaturwerke, namentlich das unter dem Titel „Mater verborum“ bekannte Glossarium und die sogenannte Jaromirscher Bibel mit gefälschten Namensunterschriften versehen, um fortan als böhmische Erzeugnisse zu glänzen. Diese beiden Werke gingen zur Zeit der Klosteraufhebung in Privathände über und wurden im Jahre 1819 nebst andern Handschriften dem Nationalmuseum geschenkt. Der erstgenannte Kodex scheint süddeutschen, der zweite französischen Ursprungs zu sein: die Ueberarbeitungen der Namen sind durch mikroskopische Untersuchungen entdeckt worden.[1]
Nach diesen und ähnlichen Vorkommnissen war mein Wunsch, die fragliche Inschrift einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen, ein durch die Verhältnisse gebotener, denn der Gedanke an eine Fälschung hatte mir früherhin fern gelegen, und ich erblickte mit S. Boisserée in dem „polonia“ nur einen Schreibfehler, wie sie in alten Inschriften häufig getroffen werden. Allerlei Ursachen verzögerten mein Vorhaben und erst in neuester Zeit gelang es mir, die gewünschte Untersuchung durchführen zu können. Ich bediente mich dabei einer kleinen Dunstspritze, wie man sie bei der Frescomalerei gebraucht und mengte dem destillirten Wasser einige Tropfen Schwefelsäure bei. Nachdem die Wand mit einer Bürste sorgfältig gereinigt und dann langsam mit Dunst angefeuchtet worden war, trat die erst unkenntliche nur mit Harzfarbe auf die Quadersteine gemalte Schrift allmählig hervor, indem der Grund einen gelbgrauen, die durchschnittlich 6 Centm. hohen Buchstaben einen schwarzbraunen Ton annahmen. Die ganze Schrift erschien unberührt und die Buchstaben zeigten, wie es nach fünfhundertjährigem Bestande nicht anders sein kann, unbestimmte verwaschene Ränder; nur das Wort polonia, dessen besondere Deutlichkeit schon dem Kunstschriftsteller Ambros aufgefallen war,[2] ließ in unzweideutigster Weise eine Renovirung erkennen. Die Umwandlung lag hiemit zu Tage.
Die obige allerdings etwas ausführliche Erörterung von Einzelheiten scheint um so mehr gerechtfertigt, als die Prager Inschrift die einzige bisher bekannte Urkunde ist, welche über den Stammvater der späterhin so weitverbreiteten und vielseitig thätigen Künstlerfamilie einige Nachricht enthält. Das Prädikat magister setzt voraus, daß Heinrich an einer größern Bauhütte gearbeitet habe und dort freigesprochen worden sei, da man im XIV. Jahrhundert in der Regel zwischen den kirchlichen und gewöhnlichen Werkführern zu unterscheiden pflegte. In den Breslauer Stadtbüchern, welche bis gegen Ende des XIII. Jahrhunderts hinaufreichen, werden die bürgerlichen Maurer und Zimmerleute immer muwrer, muirer, murarii, operarii, fabri, aber nie Magistri genannt; ein ähnliches Verhältnis scheint auch in Prag stattgefunden zu haben. Der Name Arler ist kein Familien- sondern ein sogenannter Spitzname, welcher dem Vater aus unbekannten Gründen beigelegt wurde, während sein Sohn Peter den Beinamen Parler erhielt. Es kann daher mit beiden Bezeichnungen[WS 1] seine Richtigkeit haben. Eine direkte Urkunde, daß Heinrich den Bau der Kreuzkirche geleitet habe, liegt allerdings nicht vor, doch sprechen so gewichtige Thatsachen dafür, daß kaum ein Zweifel erhoben werden kann. Als Kaiser Karl im Spätsommer 1356 nach Metz reiste, um das von ihm entworfene unter dem Namen die Goldene Bulle bekannte Gesetzbuch durch den versammelten Reichstag
- ↑ Vorlage: Bezeichungen
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/017&oldid=- (Version vom 1.8.2018)